»Nobelpreis für Theologie«

In den letzten Tagen ließ sich beobachten, wie ein gut gesetzter Begriff in den Medien im Sinne des Erfinders funktioniert. Zum ersten Mal, so erfuhr man, wurde der »Nobelpreis für Theologie« verliehen (z.B. hier, hier oder hier). Dass es einen solchen Preis eigentlich nicht gibt, wird zwar meist durch die Verwendung von Anführungszeichen deutlich gemacht; für das Urteil über den Rang der Auszeichnung hat das aber keine Folgen. 

Google bleibt bei einer Nachfrage zunächst ungläubig und fragt vorsichtshalber nach, ob man nicht den Nobelpreis für Biologie suche. Die Suchmaschine liefert gleichwohl genügend Ergebnisse, so dass man recht mühelos der Frage nachgehen kann, woher denn der Begriff »Nobelpreis für Theologie« stamme.

Wir werden dabei in den Herbst 2010 zurückgeführt: zur Gründung der Stiftung »Fondazione Vaticana Joseph Ratzinger - Benedetto XVI«. Dazu meldete Radio Vatikan am 26.11.2010, die Stiftung

»möchte zum einen Forschungen zur Ratzinger-Theologie fördern und entsprechende Kongresse abhalten, zum anderen lobt sie einen 'Nobelpreis' für Theologie aus. Das sagte der italienische Kardinal Camillo Ruini, der das wissenschaftliche Komitee der Stiftung leitet, bei der Präsentation der Einrichtung am Freitag im Vatikan.«
Etwas zurückhaltender liest sich der Bezug auf die Verleihung eines Theologie-Nobelpreises in der Wiedergabe bei Spiegel online. ihr zufolge hat Kardinal Ruini bei der Präsentation der Stiftung gesagt, der Preis solle sich zu einem »Nobelpreis für Theologie« entwickeln. Diese Formulierung erscheint auch im Zusammenhang von Meldungen über die erste Preisverleihung am 30.6.2011 (z.B. bei der Katholischen Presseagentur Österreich).

Dass Kardinal Ruini das Stichwort Nobelpreis fallen ließ, war ein offenkundig kluger Schachzug. Eine griffige Wendung, die hohen, ja höchsten Anspruch ausdrückt, kommt Journalisten und ihrer Suche nach Superlativen entgegen (»der heißeste Dienstag Nachmittag des Jahrzehnts in einer geradzahligen Kalenderwoche des ersten Halbjahres«). Und da es um eine vatikanische Stiftung geht, die sich zudem mit dem Namen des Papstes verbindet, wird das Eigeninteresse der Stiftung offenbar weniger deutlich wahrgenommen. Man stelle sich vor, der durchaus renommierte Sexauer Gemeindepreis für Theologie wäre mit dem Anspruch verbunden worden, den »Nobelpreis für Theologie« zu verleihen. Man hätte es wohl als Anmaßung empfunden, als verzweifelten Versuch im Kampf um Aufmerksamkeit. Auch wenn es sich in unserem Fall um eine vatikanische Stiftung handelt, so dient das Etikett »Nobelpreis« doch in erster Linie der Steigerung der eigenen Wichtigkeit: Noch ehe der erste Preis verliehen ist, wird er mit der höchsten denkbaren Auszeichnung in Verbindung gebracht.

Dass sich der Preis zu dieser Höhe erst entwickeln soll, spielt in der medialen Verbreitung kaum eine Rolle. Das Stichwort »Nobelpreis« wirkt offensichtlich so stark, dass darüber alle Nuancierungen verloren gehen. Was als Ziel benannt wurde, ist unter der Hand zur unhinterfragten Tatsache geworden. Radio Vatikan meldet am 14.6.2011:

»Der erste 'Nobelpreis' für Theologie geht unter anderem an einen Deutschen: Es ist der neue Abt des österreichischen Zisterzienserklosters Heiligenkreuz, Maximilian Heim. Er wird zusammen mit zwei weiteren Theologen mit dem neugeschaffenen 'Ratzinger-Preis' der Vatikanstiftung 'Joseph Ratzinger-Benedikt XVI.' ausgezeichnet..«
Die Katholische Presseagentur Österreich erwähnt zwar die angezielte Entwicklung hin zu einem Nobelpreis für Theologie (s.o.), spricht aber zuvor davon, dass der »Ratzinger-Preis« auch als »Theologie-Nobelpreis« benannt werde (hier) - als wäre dies eine bereits etablierte Bezeichnung. Wer hier benannt hat, bleibt im Dunkeln.

Auf kath.net ist dazu mehr verschleiernd als erhellend zu lesen:

»Schnell hatten die Medien den 'Ratzinger-Preis' als 'Nobelpreis für Theologie' qualifiziert.«
Dies ist zwar insofern richtig, als »die Medien« für die Verbreitung dieser Qualifizierung gesorgt haben. Unerwähnt bleibt aber, dass damit eine Eigenwerbung der Stiftung weitergegeben wurde.

Welche Folgen die Verschiebung der Kategorien »Werbung« und »Nachricht« haben kann, lässt sich an der Meldung von orf.at ablesen. Unter der Überschrift »Theologie-Nobelpreis« für Heiligenkreuzer Abt wird mitgeteilt, Maximilian Heim habe

»in Rom vom Papst die höchste Theologische Auszeichnung der katholischen Kirche bekommen«.
Zum ersten Mal verliehen und bereits die höchste theologische Auszeichnung der katholischen Kirche! Kardinal Ruini ist ein begabter PR-Mann.

Kommentare

Volker Schnitzler hat gesagt…
Gut, dass die Matusseks und Kisslers nicht ganz so erfolgreiche PR-Männer sind, sonst hätten wir bereits das nächste Schisma erlebt ;-)

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