Sonntagsevangelium (40)

21. Sonntag im Jahreskreis (B): Joh 6,60-69

Reaktionen der Volksmenge oder »der Juden« auf die Selbstoffenbarung Jesu unterbrechen immer wieder die Brotrede in Joh 6: in dialogischen Elementen (6,28.30f.34) oder im ablehnenden Murren und Streiten (6,41.52). Eine abschließende Antwort nach dem Ende der Rede geben aber allein die Jünger Jesu. Ihre Reaktion ist gespalten; darin schlagen sich wahrscheinlich Spaltungen innerhalb der johanneischen Gemeinde nieder. Viele Jünger sagen sich von Jesus los (6,60.66). Die anderen Evangelien kennen eine solche »galiläische Krise« nicht. Der Erzähltext wird hier wohl durchsichtig auf die Geschichte der Adressaten.

An späterer Stelle im Johannes-Evangelium könnte der Faden aufgegriffen sein: In 8,31 hat Jesus mit »gläubig gewordenen Juden« zu tun. Und in diesem Rahmen fallen die härtesten Worte gegen Juden im Johannes-Evangelium (8,44). Sie sind als Reaktion auf Auseinandersetzungen und Trennungen in den eigenen (urchristlichen) Reihen zu lesen. Wahrscheinlich haben einige unter dem Druck der Auseinandersetzungen mit der Synagoge (9,22; 12,42; 16,2) die Gemeinde verlassen. Auf sie zielen in der Erzählung die Figuren der Jünger, die nach der Brotrede nicht mehr mit Jesus mitgehen (6,66). 

Woran genau sie Anstoß nehmen, wird nicht gesagt. Da die Antwort Jesu den Aufstieg des Menschensohnes zu seinem Herkunftsort ins Spiel bringt (6,62), kann man schließen: Die Jünger akzeptieren nicht, dass Jesus aus dem Himmel herabgekommen ist – diese Aussage hat die Brotrede refrainartig durchzogen (z.B. 6,32f.38.41). 

Der Verweis auf den Aufstieg kann als Hilfe zur Überwindung des Anstoßes gedacht sein: Wer den Menschensohn dorthin aufsteigen sieht, wo er vorher war, hat damit auch seine himmlische Herkunft erkannt. Andererseits ist dieser Aufstieg, der ja am Kreuz geschieht, nur im Glauben zu sehen, nur mit Hilfe des Geistes, der das  »fleischliche«  Sehen überwindet (6,63). Ohne diese Voraussetzung entsteht aus der Erhöhung Jesu ein noch größerer Anstoß. In diesem Sinn kann man die Abfolge von 6,61 und 6,62 lesen:  »Daran (an dem in der Brotrede erhobenen Anspruch) nehmt ihr Anstoß?«  »(Was werdet ihr erst sagen,) wenn ihr den Menschensohn hinaufsteigen seht, wo er vorher war (wenn er gekreuzigt wird)?« 

Die Spaltung im Jüngerkreis führt dazu, dass die bei Jesus bleibenden Jünger ihr Bekenntnis offen aussprechen. Die Szene erinnert an das Messiasbekenntnis bei Caesarea Philippi (Mk 8,27-30), auch darin, dass Petrus als Sprecher der Zwölf auftritt (6,68). Sie hat aber ihre Eigenheit darin, dass Jesus nicht fragt, wofür ihn die Jünger halten (so Mk 8,29 und Parallelen). Dennoch erscheint in der Reaktion der Jünger auch das Thema der Würde Jesu, allerdings nicht durch Rückgriff auf den Messias-Titel: »Du bist der Heilige Gottes« (6,69). 

Dass damit keineswegs eine christologische Abwertung verbunden ist, wird in unserem Abschnitt auch dadurch deutlich, dass Jesus als Herzenskenner erscheint. Er erkennt die Ablehnung der Jünger (6,61) und weiß »von Anfang an«, wer nicht bleibend zum Glauben kommt und wer ihn verraten wird (6,64). Es ist also keine Schwäche Jesu, dass er unzuverlässige Anhänger in seinen Reihen hat. Der Evangelist macht deutlich: Im Leben Jesu geschieht nichts, ohne dass Jesus es durchschaut und bestimmt. Besonders im Blick auf den Verrat des Judas wird dies betont (6,70f, nicht mehr im Lesungstext) und später auch erzählerisch entfaltet (13,21-30). 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner, wollen Sie bei allem Wissen um die geschichtliche Diskussion der Zeitenwende, wie der frühen Christen, wo es eindeutig um das Wesen der von Schöpfung ausgehenden Weltverunft als lebendiges Wort ging, weiter im Glauben lassen, bei Johannes, wie den anderen Evangelien (oder den anfänglichen Denkern, denen wir diese Texte verdanken), wäre es um den Glauben an einen jungen Heilsprediger als himmlische Speise oder dessen Ablehnung unter dem Druck der Synagoge gegangen?

Wie können Sie bei allem Wissen um die Diskussion und Definition der schöpferischen Vernunft bei den frühen Christen, den Verfassern bzw. Herausgebern der Texte, auf die Sie sich berufen, die Welt im Glauben lassen, da hätte ein junger Heilsprediger, den einige für die himmlische Speise hielten, zu der Volksmenge gesprochen, sich als das Heil hingestellt oder wäre in christologischer Weise als solches geglaubt worden?

Wer sind die Juden bzw. die, die es der buchstäblichen Tradition, dem Gesetz und leer gewordener gestriger Glaubensvorstellungen wegen verweigern, die logisch erklärte Welt (alles wissenschaftlich erklärte kreative Werden) als das nachzudenken, was am Anfang als lebendiges Wort galt, König der Juden war, himmlische Speise in geschichtlicher Person, Offenbarung des sonst Unsagbaren (ohne dessen Rolle einzunehmen oder ein phil. Gott-esersatz zu bleiben)...?

Und weil wir gerade beim Brot des Lebens sind und himmlischer Nahrung. Wenn wir uns heute (wie ich mir gerade bei ZDF neo wieder verdeutlichte), in unserer täglichen Nahrungserstellung gegenseitig wissentlich weiter vergiften, statt uns an das zu halten, was wissentlich für geistbegabte Wesen vernünftig wäre, dann ist die Schuld m.E.
nicht bei geldgierigen Bauern oder einer kapitalegoistischen Nahrungsmittelindurstrie zu suchen. Vielmehr bei denen, die das himmlische Brot ausschlagen, das lebendige Wort verleugnen und von der Welt verlangen, an eine leer gewordene Rhetorik zu glauben, statt ihre Verant-wort-ung für die Weiterentwicklung des Bewusstseins der chr. Wurzel wahrzunehmen.

Dem Papst, der sich ständig auf die schöpferische Vernunft beruft und sie in seiner angeblich reinen Rechtsrede vor dem Bundestag in der ökologischen/wissenschaftlichen Welterkärung zu bedenken gab, mache ich keinen Vorwurf, wenn er auch in seinem dritten Jesusbuch, an dem er schreibt, sich nicht wirklich zu dieser als historisches Wesen bekennt. Und damit auch nicht all denen, die im päpstlichen Denken nur eine Art kath. Naturrechtsglauben oder Dogmatik vermuten und eine kommunikativ vereinbarte relativistische Vernunft (ohne Bezug zur Schöpfung) dagegensetzen.

Denn wenn die Väter unseres Glaubens gegen die rein weltliche Vernunft ebenso polemisierten, wie leer gewordenen Glaubensbilder, dann ist das nachvollziehbar. Erst als die Vernunft mit dem Namen zur Welt gebracht wurde, der für die Juden Josua war, konnte sie auf kulturgerechte Weise in Verantwortung nehmen. Doch um heute der Vernunft wieder eine schöpferische Bestimmung zu geben, die das halten lässt, was als zukunfts bzw. schöpferisch vernünftig erkannt ist, stehen Neutestamentler in Verant-wort-ung.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Ja, ich glaube an die messiansiche (christliche) Wirklichkeit Jesus. Ich kann zwar nicht garantieren, dass sich aufgeklärte mündige Menschen von Morgen im Sinne des christlichen Glaubens (Sonntags im Wissen um was es geht und warum sie die linke Hirnhälfte zum schwingen bringen müssen, von Jesus als lebendigem Wort singend und betend, sich für die so genannte kreative Vernunft begeistern) schöpferisch vernünftig verhalten, auf kulturgerechte Weise schöpferische Verant-wort-ung wahrnehmen: weltökonomisch, ökologisch, sozial nachhaltig... verhalten. Das Paradies auf Erden wird es nie geben.

Doch es wird einem Quantensprung gleichen, wenn sich aufgeklärte Christen nicht mehr auf einen angeblich göttlichen bzw. wundersamen Wanderprediger berufen, in den sie ihr persönliches Gottesbild hineinlesen bzw. menschliche Rhetorik (heiße Luft) hineinblasen, sondern auf eine wissenschaftlich erkärte schöpfungswirksame Vernunft/einen zur Zeitenwende Jesus genannten Sinn/Logos allen Werdens, der auf menschlich-geistbegabte Weise zu verwirklichen ist, weil er auf den sonst Unsagbaren der sein wird der Väter verweist.

Das Wissen, dass es vor 2000 Jahren bei Jesus nicht um einen Wanderprediger gegangen sein kann, wie er heute als historisch gilt, ist vorhanden. Gerade lese ich im dicken Band von Herder über "Die Geschichte des Christentums" bei Bernhard Pouderon über die Auseinandersetzung der frühen Christen mit der antiken Kultur. Mit einem Wanderguru, wie er heute als historischer Jeusus gilt, können die theologischen Debatten nichts zu tun haben. Der hat in der Realgesichte keinen Platz. Doch hier wird deutlich, wie allein die griechische Vernunftlehre zu kurz griff und wie die kaiserliche-politische Moralphilosophie, die im Kult den Götterbildern huldigte, die Welt ebensowenig weiterbringen konnte, wie der taub gewordene altjüdische Glaube.

Auf(v)erstehung (ein aufgeklärtes, fortschreitendes Bewustsein des lebendigen Wortes, das im allegorischen Verständis an die jüdisch-biblische Tradition anknüpft) war und ist die Vorausetzung. Doch dazu müssen Theologen ihre Verant-wort-ung wahrnehmen.

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