Sonntagsevangelium (77)

Pfingsten (C):  Joh 14,15-16.23b-26 (oder Joh 20,19-23)

Zu Joh 20,19-23 s. hier

Der Abschied Jesu von seinen Jüngern steht im Johannes-Evangelium unter der Verheißung der Wiederkunft. Allerdings versteht der Evangelist darunter nicht ein Geschehen am Ende der Zeit, wie dies im Urchristentum üblich war (z.B. 1Thess 4,15-17; Mk 13,24-27). Im Geist kommt der erhöhte Jesus zu seinen Jüngern und bleibt bei ihnen. Die Worte vom »Geist-Parakleten« sind eine kennzeichnende Besonderheit des Johannes-Evangeliums. 

Das griechische Wort, das unübersetzt mit »Paraklet« wiedergegeben wird (παράκλητος), bedeutet wörtlich »der Herbeigerufene« und bezeichnet ursprünglich vor allem den Beistand vor Gericht, ohne allerdings auf diesen Bereich festgelegt zu sein. Es kann auch um eine Fürsprecher gehen, der in irgendeiner Form helfend und schützend für andere eintritt, oder auch um einen, der tröstet, ermahnt oder belehrt (der Begriff ist äußerst anpassungsfähig). Wenn in Joh 14,16 die Rede ist von einem anderen Parakleten, den der Vater geben wird, ist eingeschlossen, dass auch Jesus selbst als Paraklet gesehen wird. 

Der Paraklet, erläutert als Geist der Wahrheit (14,17; auch 15,26; 16,13) oder als heiliger  Geist (14,26), geht aus vom Vater im Namen Jesu oder auf dessen Bitte hin (14,12.16) oder wird von Jesus zu seinen Jüngern gesandt (15,26; 16,7), wenn nicht allein von seinem Kommen die Rede ist (16,13). Im ersten der fünf Paraklet-Sprüche wird verheißen, dass der Geist gegeben wird, um für immer bei den Jüngern zu sein. Dies zielt auf die Kontinuität der Gemeinschaft Jesu mit den Jüngern, wie man schon aufgrund der Bezeichnung des Parakleten als »Geist der Wahrheit« vermuten kann: Jesus selbst wird ja als die Wahrheit gesehen (14,6). Zugleich bedeutet diese bleibende Gemeinschaft mit Jesus auch die bleibende Gegenwart der in und mit Jesus geschehenen Offenbarung gemäß der johanneischen Besonderheit: Die Person Jesu selbst ist die Offenbarung Gottes.

Dieses Moment wird im zweiten Paraklet-Spruch auch ausdrücklich benannt. Denn ihm zufolge wird der Geist die Jünger alles lehren und sie an alles erinnern, was Jesus gesagt hat (14,26). Wie Jesus wird der Geist vom Vater gesandt – auch diese Aussage zeigt die Parallelität von Jesus und Geist: Als Gesandter nimmt der Geist die Stelle Jesu ein. Der Bezug auf das Wort Jesu macht deutlich, dass der Geist keine neue Lehren zu bringen hat, sondern die Botschaft Jesu für die Gemeinde erschließt. Damit meint Johannes aber nicht, dass der Geist einfach wiederholt, was Jesus gesagt hat. Das Vergangene wird vergegenwärtigt, Jesu Sendung erschlossen für die eigene Zeit und Situation. Das Johannes-Evangelium selbst ist solche »Erinnerung«, indem es die Jesus-Geschichte neu und eigenständig erzählt. Der Evangelist will nicht wiedergeben, was Jesus einmal gesagt und getan hat. Ihm geht es um die Bedeutung von Person und Wirken Jesu für die Glaubenden. In dieser Auslegung hält der Geist die Jesus-Offenbarung lebendig. 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

nachdem ich derzeit keine weitere Kommentare störe, erlaube ich mir erneut die Frage an einen neutestamentlichen Wissenschaftler, der im Namen des Geistes der Wahrheit schreibt, der Jesus war:

Berichtet Johannes von einem jungen Juden, der mit seinen Freunden um den See zog, wie er heute als der historische Jesus gelehrt wird? Wurde von den damaligen Denkern ein göttlicher Wanderprediger als Wahrheit in Person, die Offenbarung des einen unsagbaren schöpferischen Urgrundes gesehen? War ein egal wie gearteter Heilsprediger der Paraklet, der als hoheitliches Wesen seine ewige Anwesenheit oder Wiederkunft ankündigte?

Wann endlich beginnnt die theologische Wissenschaft über das banale Bild des gutherzigen Wunderheilers, das Berger in seinem neuen Buch als "Bibelfälscher" bezeichnet, nach einem Wesen als dem historischen Jesus zu fragen, in dem das, was Johannes über Jesus sagt, nachgewiesen werden könnte?

Mir ist klar, dass ein mystisches-hoheitliches Wesen/Jesus als Gottesbild, das Berger bewahren will, nicht das Thema von Johannes oder des Neuen Testamentes und nicht die schöpferische Offenbarung, immer neu wiederkehrende Wahrheit... gewesen sein kann.

Aber was spricht dagegen, den vom Logos bzw. der Verunft allen kreativen Werdens in menschlicher Person Josua, gr. Jesus (Rolle/Aufgabe) schreibenden Evangelisten ernst zu nehmen?

Warum kann die zur Zeitenwende statt Göttersöhne definierte, von Schöpfung ausgehende Vernunft nicht bedacht und dann in heutiger, z.B. ökologischer Welterklärung (wo sie Benedikt XVI. vor dem Bundestags zu bedenken gab) realisiert werden?

Frohe Pfingsten!

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Ich habe Gestern wieder in der Radikalkritik nach den ersten Christen geblättert bzw. der Entstehung der Kirche.

Nach ernsthafter Wissenschaf, die sich an die Geschichtsrealität und nicht nur die biblischen Geschichten hält, ist doch bereits seit Jahrzehnten klar, dass es bei Jesus nicht nur um einen jungen Juden ging, sondern den Logos/die als wahrer Sohn gesehene, als ewiges Wort verstandene Vernunft allen Werdens als ewige Wahrheit. Wie darin damalige Denker die Neubegründung des jüdischen Bundes/Offenbarung gesehen haben und vielfältige gnostische Denkweisen der Anfang waren. Ein Gottessohn, der dann erst durch die klare, kulturgerechte Ausdrucksweise (die Geschichten von Mutter Kirche), in Anknüpfung an den bildlosen Monotheismus und die jüdisch-hellenistische Vorstellungen geschichtliche Wirklichkeit für die Welt wurde.

Ohne dies zu wollen, wurde z.B. in "Antiqua Mater", wo Edwin Johnson die Kirche als Mutter Jesus nachweist und gleichzeitig die verworrene Vielfalt der anfänglichen christlichen Gnosis, mehr als deutlich: Ohne die Leistung von Mutter Kirche, die unvoreingenommen von Schöpfung ausgehend die Vernunft kulturgerecht zur Welt brachte, die Sprachverwirrung überwand, wäre unsere Kultur nicht erwachsen.

Die Radikalkritik hat die Existenz eines historischen Jesus abgestritten und im Logos kaum mehr als einen religiösen Mythos gesehen. Doch warum kann es nicht die Aufgabe kirchlicher Wissenschaft sein, genau dort, wo die Radikalkritik die Anfänge erklärt, die Heilsbedeutung dessen deutlich zu machen, von dem Johannes spricht, der durch Mutter Kirche erst zur historischen Wirklichkeit wurde? Warum muss der historische Jesus ein Wanderprediger sein, wenn wir wissen, dass es damals um das lebendige Wort ging, das schöpferisch und menschlichen Wesens/Person war? (Kein Menschengott anstelle des Unsagbaren, sondern dessen Offenbarung.)

Warum darf Pfingsten nicht wahr werden, wenn wir doch auch wissen, dass die damals wissenschaftlich definierte Vernunft nicht nur der Anfang des Monotheismus war, sondern heute wieder in wissenschaftlichen Begriffen erklärt wird?

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