Who's who (13) - Lösung

Der Gesuchte wird in allen vier Evangelien des Neuen Testaments erwähnt. In mancher Hinsicht fällt seine Beschreibung detaillierter aus als diejenige Jesu, wird doch sein Speiseplan ebenso mitgeteilt wie das, was er aus seinem Kleiderschrank herausholt ... (der ganze Text noch einmal hier)

Gesucht wurde Johannes der Täufer. 

Der Gesuchte wird in allen vier Evangelien des Neuen Testaments erwähnt. In mancher Hinsicht fällt seine Beschreibung detaillierter aus als diejenige Jesu, wird doch sein Speiseplan ebenso mitgeteilt wie das, was er aus seinem Kleiderschrank herausholt. Dass das kein besonders feiner Zwirn ist, stellt Jesus einmal ausdrücklich fest.
Als Nahrung werden Heuschrecken und wilder Honig genannt, zur Kleidung heißt es, sie sei aus Kamelhaaren gewesen; außerdem habe Johannes einen ledernen Gürtel um seine Hüften getragen (Mk 1,6; Mt 3,4). Die Deutung dieser Notizen ist umstritten. Es könnte die bedürfnislose, asketische Lebensweise akzentuiert sein oder in erster Linie ein Zusammenhang mit dem Aufenthaltsort gegeben sein: Johannes tritt in der Wüste auf, nährt sich von dem, was dieses Umfeld hergibt und kleidet sich ihm entsprechend. Dass die Kleidung des Johannes der Wüste angepasst war, gibt auch Jesus in Mt 11,7f zu verstehen. Einen Menschen »in weichen Kleidern« trifft man an Königshöfen an, nicht in der Wüste. Die beiden genannten Nuancen müssen sich natürlich auch nicht gegenseitig ausschließen. Im ledernen Gürtel wird häufig, allerdings nicht unbestritten, ein Verweis auf Elija erkannt (2Kön 1,8). 
Der Gesuchte ist auf Wasser angewiesen, und das liegt in seinem Fall nicht nur daran, dass Leben, wie wir es kennen, nun einmal Wasser benötigt.
Für Johannes war das Taufen offensichtlich so kennzeichnend, dass er über diese Tätigkeit identifiziert und von anderen Trägern dieses Namens unterschieden wird. In allen Evangelien wird er deshalb mit der Jordangegend in Verbindung gebracht (Mk 1,5; Mt 3,6; Lk 3,3; Joh 1,28). 
In der Frage irregulärer Ehen hat er sich als konsequenter Verfechter vorgegebener Norm positioniert, ist dabei aber größere Risiken eingegangen, als es in heutigen Debatten der Fall ist. Zwei Evangelisten erzählen diese Geschichte; einer scheint von ihr so mitgenommen, dass er dabei erzähltechnisch etwas aus dem Tritt kommt.
Johannes kritisierte die Ehe des Herodes Antipas mit Herodias als torawidrig , war Herodias doch die Frau eines seiner Brüder (s. Lev 18,16; 20,21). Nach Mt 14,1-12 hat sich der Täufer dadurch die Todfeindschaft des Herrschers zugezogen, Mk 6,17-29 zufolge war die Frau die treibende Kraft hinter der Beseitigung des Täufers. Folgt man Flavius Josephus, war die Hinrichtung des Johannes in politischem Kalkül begründet, da Herodes ein Anwachsen der dann nicht mehr kontrollierbaren Täuferbewegung fürchtete (Antiquitates XVIII 116-119). 
Matthäus durchbricht  nach dem Ende der Erzählung vom Tod des Täufers die Chronologie: Diese Geschichte beginnt nämlich als Rückblick, geht also hinter den laufenden Erzählfaden zurück; nach ihrem Abschluss geht es aber weiter, als wäre die fortlaufende Chronologie nicht verlassen worden, wenn Jesus auf die Nachricht vom Tod des Täufers mit Rückzug reagiert und mit dieser Notiz der weitere Erzählgang eingeleitet wird (Mt 14,12f). Markus ist hier konsequenter: Er füllt mit dem Rückblick auf den Tod des Täufers die erzählerische Lücke zwischen der Aussendung der Jünger (6,7-13) und deren Rückkehr (6,30). 
Auf Fragen nach seiner Identität kann der Gesuchte sehr ausweichend reagieren.
Im Johannes-Evangelium antwortet Johannes auf der Frage, wer er sei, mit dem Hinweis darauf, wer er nicht sei: »Wer bist du?« – »Ich bin nicht der Messias.« Im vierten Evangelium ist deutlich das Interesse an der Abgrenzung des Täufers von Jesus erkennbar (s.a. 1,7f; 3,26-30). Deshalb bezeugt Johannes hier ausdrücklich, nicht der Messias zu sein, sondern Wegbereiter für den Herrn (1,23). 
Auch die Evangelisten sind sich in dieser Frage nicht ganz einig.
Unter den abgelehnten Titeln für Johannes ist auch der des Elija (Joh 1,21). Das Gegenteil ist in Mt 11,14; 17,13 zu lesen, wo Johannes ausdrücklich mit dem wiederkehrenden Elija gleichgesetzt wird (in Mk 9,11-13 können sich die Leser diese Identifizierung erschließen). Im Hintergrund stehen wahrscheinlich unterschiedliche Traditionen von der Wiederkunft des Elija. Diese bezieht sich nach Mal 3,23 auf den »Tag Jahwes«. In dieser Form bleibt kein Platz für eine Heilsgestalt neben Elija, der Prophet ist unmittelbar dem Erscheinen Gottes zugeordnet. Dies hat wohl der vierte Evangelist im Blick, wenn er Johannes eine Gleichsetzung mit Elija verneinen lässt. Matthäus geht dagegen von einer urchristlich adaptierten Form der Elija-Erwartung aus, in der das Kommen des Propheten dem Messias zugeordnet und damit eine heilsgeschichtliche Einordnung des Täufers möglich wird. 
Das muss aber insofern nicht verwundern, als auch das, was der Gesuchte zu sagen hat, recht unterschiedlich dargestellt werden kann.
Der bedeutendste Unterschied besteht darin, dass nach den synoptischen Evangelien (Mk, Mt, Lk) der Täufer an keiner Stelle Jesus ausdrücklich als den angekündigten Kommenden identifiziert. Nur in dem Dialog Mt 3,14f (aber nicht in seiner öffentlichen Verkündigung) erkennt Johannes Jesus als die von ihm angekündigte Gestalt. Ansonsten kommt der Täufer nur bis zur Frage, ob Jesus der Kommende sei (Mt 11,2-6). Im Johannes-Evangelium ist der Täufer dagegen ausdrücklicher Zeuge für Jesus als Feuertäufer und Sohn Gottes (Joh 1,29-34). 
In einem Evangelium kann er sich sogar non-verbal, allein durch Bewegung, mitteilen, in einem anderen liefert er die Vorlage für einen liturgischen Text. 
In Lk 1,44 heißt es im Rahmen der »Kindheitsgeschichte«, das Kind im Leib der Elisabet sei bei der Begegnung mit der schwangeren Maria vor Freude gehüpft. Nach Joh 1,29 weist Johannes auf Jesus hin mit den Worten: »Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.«
Im Ganzen kann man in den Evangelien das Bemühen erkennen, das Verhältnis der erfragten Person zu Jesus zu klären. In einem Werk führt das zu einem Satz, aus dem man ableiten könnte, dass Jesus kleinwüchsig und der Gesuchte übergewichtig sei.
Joh 3,30: »(Johannes sprach:) Jener muss wachsen, ich muss abnehmen.«
Da das aber nur in der deutschen Übersetzung möglich ist und der erwähnte Speiseplan einen zu hohen Body-Mass-Index ausschließt, lässt sich eine solche Hypothese historisch nicht stichhaltig begründen. 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Danke Herr Prof. Häfner,

dass Sie auch in dieser Auflösung deutlich machen, dass es bei Johannes nicht um einen Bademeister vom Jordan ging, der das Wüstenleben liebte und sich gern mit Lumpen, Leder... kleidete. Wie diese Aussagen vielmehr als Neuausgabe der prophetischen Gestalten oder zeitgemäßer Asketen (evtl. doch Kyniker) zu lesen sind. Wie das Verhältnis des Täufers zur jüdischen Tradition und dem für Johannes geltenden Grund des neuen uiniversalen Monotheismus beschrieben wird.

Und da Sie bei der Frage, wer er selbst sei, auf den bzw. die mit Johannes bezeichneten, von der Vernunft in Person handelenden Verfasser des vierten Evangeliums verweisen, sind wir der Frage, wer wen im Jordan getauft hat, ein ganzes Stück näher.

Mit einem Bad im Jordan, bei dem ein Sektenprediger einen anderen Rebellen als Gottessohn... ausrief, hat das alles auf jeden Fall nichts zu tun.
Andreas Metge hat gesagt…
Sorry, Herr M., ich habe Sie nicht vermisst, sondern eher befürchtet. Dennoch war meine Frage so ähnlich wie:
"Lebt denn der alte Holzmichl noch, Holzmichl noch?
Ja, er lebt noch, er lebt noch, er lebt noch.
Ja, er lebt noch, er lebt noch, stirbt nicht."
"Holzmichl" Könnte man z.B. ersetzen durch "Mentzel"...
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sorry, Herr Metge, Sie verwechseln mich.

Denn ich bin nicht der alte Holzmichl bzw. angeblich historische Jesus. Mir geht es um den, der wirlich lebt(e).

Denn dass es beim christlichen Glaubesgrund nicht um den (kindlich auch von der Kritik geglaubten) hochstilisierten Junghandwerker geht, der nicht nur bei Gerd Lüdemanns Entblätterung des Neuen, wie nun auch Alten Testamentes "hinten" herauskommt, hat selbst Prof. Häfner in seiner Johannesfrage deutlich gemacht.

Ich bin gerade dabei, mich mit der Stoa bzw. dem Denken zur Zeit Jesus weiter zu beschäftigen. (Der Anfang ist auf der Homepage zu lesen.) Da wird nicht nur klar, wie wahnsinnig der heutige Kurz-schluss ist. Vielmehr macht Seneca deutlich, warum die Vernunft in Geschichte genau die bekannte Gestalt bekam, brauchte. Damit Jesus kein doketistisches Scheinwesen, war, wie es nach heutiger Hypothese nicht nur der historische, sondern der hoheitliche ist.

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