tag:blogger.com,1999:blog-21211473467485914662024-03-16T02:09:28.307+01:00LECTIObreviorAufzeichnungen eines NeutestamentlersGerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.comBlogger348125tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-49795084574458787102022-10-08T22:39:00.000+02:002022-10-08T22:39:06.941+02:00Stückls Werk und Schäfers BeitragDas Passionsspiel von Oberammergau 2022, die vierte von Christian Stückl geleitete Inszenierung, hat ganz überwiegend ein geradezu begeistertes Echo gefunden. Zum Abschluss hat sich allerdings eine Stimme zu Wort gemeldet, die in diesen Chor nicht einstimmt. Kurz bevor die Friseure in Oberammergau nach der Dernière ihre kürzende Arbeit an den Schauspielern ausführten, hat Peter Schäfer, Judaist von Weltruf, in einem Beitrag in der <a href="https://www.sueddeutsche.de/kultur/passionsspiele-peter-schaefer-antisemitismus-christentum-1.5666582?reduced=true"><i>Süddeutschen Zeitung</i></a> das Werk noch radikaler behandelt und kein gutes Haar an ihm gelassen (der Beitrag ist nicht frei verfügbar). <div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-g3awtmGI10SyfRcSIqkZvClAFcj2p2GvbBbOPu6-CUgOmqoEg3kaMOGPqfJtYzuBYiZJ8oOknIRrAsPzzBEKmszZcX2V2olxXKSsAYbZgUJpRAERci_eM4HJqGO5jDj-G5dqhl4DiKUdNBxAUZlJvfZI0v-v0bdEGLSjXzNNNRLe6SfX8g6TRg3V/s4032/IMAG0204.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1,0em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="300" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj-g3awtmGI10SyfRcSIqkZvClAFcj2p2GvbBbOPu6-CUgOmqoEg3kaMOGPqfJtYzuBYiZJ8oOknIRrAsPzzBEKmszZcX2V2olxXKSsAYbZgUJpRAERci_eM4HJqGO5jDj-G5dqhl4DiKUdNBxAUZlJvfZI0v-v0bdEGLSjXzNNNRLe6SfX8g6TRg3V/s320/IMAG0204.jpg" width="200"></a></div>
<br>Die Perspektive der Kritik ist inhaltlich sehr fokussiert. Wie das Stück als Bühnenwerk wirkt: im Zusammenspiel von Orchester, Chor, Schauspiel und stehenden Bildern, mit dem Wechsel von Massenszenen (mit dem halben Dorf und allen Altersgruppen auf der Bühne) und ruhigeren Partien oder auch dramatischen Einzelszenen – das wird nicht zum Thema der Besprechung. Im Kern richtet sich die Kritik auf einen Punkt, der gewöhnlich als Stärke der jüngsten Fassung gewertet wird: Diese bricht (wie auch schon Vorgängerversionen) mit antisemitischen Tendenzen und Wirkungen, die an der Tradition von Passionsspielen haften. Das Ergebnis ist für Peter Schäfer aber insofern unerfreulich, als die Belastung des Christentums mit dem Antisemitismus einfach ausgeblendet wird und ein »jüdisch-christlicher Einheitsbrei« verrührt ist, der wohl dem heutigen Zeitgeist entspricht, aber weder Judentum noch Christentum gerecht wird.</div><div><br></div><div>Die Kritik eines so renommierten Judaisten gibt, wie könnte es anders sein, zu denken. Dennoch kann ich ihr nicht folgen.</div><div><b><br></b></div><div><b>Antisemitismus im Neuen Testament?</b></div><div><br></div><div>Nach Peter Schäfers Urteil finden sich im Neuen Testament antisemitische Tendenzen. Die Wortwahl kann insofern überraschen, als gewöhnlich die Frage diskutiert wird, ob neutestamentliche Schriften Anti<i>judaismus</i> bezeugen – ohne Bezug auf einen rassistisch konnotierten Anti<i>semitismus</i>. Nun wird heute von »Antisemitismus« in einem allgemeinen Sinn von Judenhass und -feindschaft gesprochen, so dass eine klare Differenzierung der beiden Begriffe im aktuellen Sprachgebrauch nicht mehr gegeben ist. Für Schäfer ist bei seiner Wortwahl freilich ein anderer Gedanke entscheidend, wie in einem Gespräch im <a href="https://www.deutschlandfunk.de/judaist-peter-schaefer-wir-werden-antisemitismus-nie-100.html"><i>Deutschlandfunk am 28.9.2020</i></a> deutlich wird: Er fordert einen <i>einheitlichen </i>Begriff für das Phänomen des Hasses auf Juden, damit dessen religiöse Wurzeln nicht ausgeblendet werden. Der neuzeitliche Antisemtismus sei keine Erscheinung, aus der der Faktor der Religion – wegen deren Zurückdrängung in der gesellschaftlichen Entwicklung – herausgehalten werden könne. Ob man den einheitlichen Begriff »Antijudaismus« oder »Antisemitismus« nennt, sei demgegenüber ohne Bedeutung.</div><div><br></div><div>Dann ist nicht um Begriffe zu streiten, sondern um die Frage, ob dem Neuen Testament wirklich antijüdische Tendenzen zuzuschreiben sind. Im Artikel in der SZ bezieht sich Schäfer auf die matthäische Szene der Verhandlung vor Pilatus mit dem berüchtigten Wort: »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder« (Mt 27,25). Das »ganze jüdische Volk ist für die Kreuzigung Jesu verantwortlich.« Nun gibt es in der Matthäus-Exegese sehr ernsthafte (und m.E. überzeugende) Vorschläge, die von einer solchen Auslegung wegführen und – trotz der Wendung πᾶς ὁ λαός (»das ganze Volk«) – nicht das jüdische Volk in seiner Gesamtheit belastet sehen (vgl. <i>M. Konradt, </i>Israel, Kirche und die Völker im Matthäusevangelium [WUNT 215], Tübingen 2007, 166-180).</div><div><br></div><div>Hier kommt es aber auf einen anderen Punkt an. Schäfer fährt nach dem zitierten Satz fort: »<i>Die </i>Juden als Volk sind die verbohrten und von Hass getriebenen Gottesmörder.« Weder die Qualifizierung des Volkes als verbohrt und von Hass getrieben noch die Bezeichnung »Gottesmörder« lässt sich am matthäischen Text belegen. Hier vermischt sich die Auslegung mit der Wirkungsgeschichte des Textes. Das Volk wird bei Matthäus von den Hohepriestern und Ältesten überredet (Mt 27,20), der Vorwurf des Gottesmordes ist wohl später u.a. aus dieser Szene abgeleitet worden, aber nicht in ihr selbst belegt. Dies wird in Schäfers Beitrag allerdings verwischt, wie die Fortsetzung des bereits zitierten Textes bestätigt. Im Zusammenhang:</div><blockquote><div>»<i>Die </i>Juden als Volk sind die verbohrten und von Hass getriebenen Gottesmörder. Das besonders einflussreiche Matthäusevangelium schlägt damit einen Ton an, der in seinen schwerwiegenden Folgen für das Judentum nicht zu überschätzen ist.«</div></blockquote><div>Den Ton hat freilich Schäfer selbst angeschlagen, nicht Matthäus. Ein Text bzw. dessen Autor ist für die Wirkungsgeschichte nicht verantwortlich, wenn sie in seiner Situation nicht absehbar war. Im Fall neutestamentlicher Schriften ist antijüdisch klingende Polemik in einem <i>innerjüdischen </i>Konflikt angesiedelt, nicht in einer Auseinandersetzung zwischen Christentum und Judentum. Das gilt für Paulus wie für Matthäus- und Johannes-Evangelium. In seiner »Kurzen Geschichte des Antisemitismus« (München, 2020 [2. Aufl.], epub 2022) ist Peter Schäfer auf diese drei neutestamentlichen Größen eingegangen und meint, dass der Hinweis auf innerjüdische Polemik das Thema des Antisemitismus im Neuen Testament nicht erledige, weil sich die Jesusbewegung der griechisch-römischen Welt geöffnet und damit den festgefügten jüdischen Rahmen verlassen habe. Es heißt in diesem Buch:</div><blockquote><div>»Alles, was Paulus über die ethnischen Juden schreibt, kann <i>für sich genommen und ohne Berücksichtigung des unmittelbaren historischen Kontextes</i> als ein massiver Angriff auf das traditionelle Judentum verstanden werden – und es wurde so verstanden, wie die weitere Geschichte zeigt« (nach Pos. 1054, epub-Ausgabe; Hervorhebung von mir).</div></blockquote><div>Damit ist der Unterschied zwischen Textaussage und Wirkungsgeschichte eigentlich deutlich markiert. Ebenso, wenn Paulus »<i>unfreiwillig </i>… zum Mitbegründer eines christlichen Antijudaismus/Antisemitismus« geworden ist (Hervorhebung von mir). Dann kann von einem Antisemitismus im Neuen Testament nur in einer äußerst spitzfindigen Schlussfolgerung gesprochen werden: insofern die einzelnen Schriften erst in der altkirchlichen Rezeption zum »Neuen Testament« wurden und zu dieser Rezeption starke antijüdische Tendenzen gehörten, in die dann auch die Schriften geraten sind, die schließlich den zweiten Teil der christlichen Bibel bildeten.</div><div><br></div><div>Für die Beurteilung des Passionsspiels ergibt sich daraus: Wenn die Szenen ausgelassen werden, aus denen später antisemitische Positionen abgeleitet und legitimiert wurden, ist dies nicht als problematisches Verschweigen eines Antisemitismus im Neuen Testament zu deuten, sondern als berechtigte Befreiung von textwidrigen Folgerungen in der Auslegung neutestamentlicher Schriften.</div><div><br></div><div>Dann erschließt sich auch ein Weg, die Pilatus-Darstellung des Passionsspiels anders zu werten, als es in Schäfers Beitrag geschieht. Zweifellos entspricht das Bild des Statthalters »als Hauptbösewicht« nicht der Pilatus-Gestalt neutestamentlicher Passionsgeschichten. Diese verdankt sich allerdings einem spezifischen Erzähl-Interesse: Die Rolle des Vertreters der römischen Macht bei der Verurteilung Jesu als politischer Rebell (»König der Juden«) wird zurückgenommen, weil diese Verurteilung die Stellung der frühen Christen im römischen Reich belastet. Daraus ergab sich für die urchristlichen Passionsgeschichten die Notwendigkeit, die Rolle der jüdischen Seite zu akzentuieren, damit der Statthalter trotz der angeblichen Einsicht in die Unschuld des Angeklagten diesen doch verurteilt: Er will Tumult vermeiden, der von den jüdischen Anklägern provoziert wird. Wenn das Passionsspiel diesem Plot nicht folgt und Pilatus als brutalen, für jüdisches Empfinden unsensiblen Machthaber inszeniert, gibt es dafür gute historische Gründe, auch wenn sich das Auftreten von Gegnern und Unterstützern Jesu vor Pilatus selbstverständlich freier künstlerischer Gestaltung verdankt. Dass die Verurteilung Jesu nicht gegen einen eigentlich widerstrebenden Statthalter von Seiten der jüdischen Obrigkeit durchgesetzt werden muss, entspricht zwar nicht den Passionserzählungen im Neuen Testament, ist aber historisch durchaus plausibel.</div><div><br></div><div><b>Abendmahl und Auferstehung</b></div><div><br></div><div>In zwei anderen Fällen ist das Neue Testament vielgestaltiger und theologisch weniger eindeutig, als es Schäfers Kritik voraussetzt. Zunächst zum letzten Mahl Jesu, bei dem mir allerdings auch nicht alles im Passionsspiel gelungen erscheint. So kann – trotz der starken Gestaltung der Szene auf der Bühne – etwas irritieren, dass die Person Jesu in der Verfremdung mancher Worte seltsam zurückgenommen ist. »Doch der Herr ist nicht größer als der Sklave«. Das liest man in den Evangelien nur umgekehrt: »Der Sklave ist nicht größer als der Herr« (Joh 13,16; s.a. 15,20; Mt 10,24par). Und was im Johannes-Evangelium auf <i>Jesus </i>gemünzt ist, wird im Passionsspiel im Verlauf des Abendmahls <i>Gott </i>zugesprochen:</div><blockquote><div>»Wer zu Gott kommt, den wird nicht hungern, und wer an ihn glaubt, den wird nimmermehr dürsten« (vgl. dagegen Joh 6,35)</div></blockquote><div>Wenn es dann in der Fortsetzung heißt »Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit«, wird zwar direkt aus Joh 6,51 zitiert, der Sinn ist aber verschoben, insofern »Brot« keine Metapher mehr für die Bedeutung Jesu ist. Dasselbe geschieht auch mit der Aussage in Joh 7,38:</div><blockquote><div>»Wer an Gott glaubt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.«</div></blockquote><div>Diese Verschiebung erscheint etwas willkürlich: Es wird eine zum Mahl passende Metaphorik aufgenommen, aber der Bezug zu Jesus, der doch im Rahmen des letzten Mahles nicht unpassend wäre, getilgt. Und dabei liegt kein Eingriff vor, der im historischen Urteil oder in der Befreiung der Texte von antisemitischer Wirkungsgeschichte begründet sein könnte.</div><div><br></div><div>Weniger auffällig ist bei einem Vergleich des Passionsspiels mit dem Neuen Testament aber das Objekt der Kritik Schäfers: die Tatsache, dass die »Einsetzungsworte« und die Rede vom Bund nicht erscheinen. Für diese Fehlanzeige gibt es im Johannes-Evangelium ein neutestamentliches Vorbild. Von ihm her ist auch der Fokus auf der Liebe nicht ganz so kitschig und theologisch sinnlos, wie von Schäfer moniert. Immerhin ist der auch von ihm zitierte Satz »Das ist mein Gebot: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe« ein Kernsatz der johanneischen Abschiedsreden, in denen nicht selten von Liebe und lieben die Rede ist.</div><div><br></div><div>Kritik an der Abendmahlszene scheint mir also nicht unberechtigt, nicht erkennen kann ich allerdings, dass die Auferstehung Jesu im Passionsspiel »seltsam heruntergespielt« würde. Der Vorwurf, die Wächter am Grab seien ebenso verschwunden »wie die Öffnung des Grabes durch einen Engel«, wäre auch an die Evangelisten Markus, Lukas und Johannes zu richten, denn es handelt sich hier um matthäisches Sondergut. Dass der Auferstandene nicht erscheint, mindert nicht die Präsenz der Auferstehung im Passionsspiel. Das Thema ist vielmehr nach dem Muster des Markus-Evangeliums gestaltet: In seiner ursprünglichen Gestalt kennt es keine Erscheinungen, sondern konfrontiert die Leser mit der <i>Botschaft </i>von der Auferstehung. Mk 16,9-20 ist ein sekundär angehängter Schluss, der die anderen Ostertraditionen voraussetzt. Und wer die Lichtgestaltung auf der Bühne erlebt und den abschließenden Chor gehört hat, kann kaum davon sprechen, hier sei spezifisch christliche Überzeugung in einen »jüdisch-christlichen Einheitsbrei« verrührt worden.</div><div><br></div><div><b>Das Passionsspiel als biblisches Patchwork</b></div><div><br></div><div><div>Zur Würdigung des Passionsspiels ist auch zu berücksichtigen, wie biblisch über weite Strecken die Figuren sprechen. Dabei wird manches szenisch verschoben, neu arrangiert und kombiniert, auch anderen Sprechern gegeben als im überlieferten Text. Diese Änderungen mögen im Einzelfall, wie gesehen, zu problematischer Verschiebung führen; im Ganzen aber überwiegt bei diesen biblischen Sprachspielen das Intertextualitätsvergnügen.</div><div><br></div><div>Sprecher wechseln: Nikodemus sagt einen Satz, den er laut Joh 3,11 so ähnlich von Jesus gehört hat: »Was ich weiß,davon rede ich. Was ich gesehen habe, bezeuge ich, ihr aber nehmt dieses Zeugnis nicht an.« (VII, Szene 4) In einer der Verhörszenen spricht Nikodemus ähnlich wie Gamaliel in Apg 5,38f (VII, Szene 2). Ein Jesuswort kann auch von einem Engel gesprochen werden: »Glaubt an das Licht, damit ihr Kinder des Lichtes werdet« (XII, s. Joh 12,36). Pilatus verfremdet Ps 2,12; »Dient dem Kaiser mit Furcht und küsst seine Füße mit Zittern, damit er nicht zürne und ihr nicht umkommt!« (IX, Szene 5) Joseph von Arimathäa spricht wie Petrus in Apg 10,38f: »Wir sind Zeugen für alles, was Jesus von Galiläa bis hierher in Jerusalem getan hat, wie er umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Bösen waren.« (X, Szene 2) Maria deutet ihre Situation mit Ps 22 (XI, Szene 4) und paraphrasiert Ps 122 in christologischer Verfremdung:</div><blockquote><div>»Nun stehe ich in deinen Toren, Jerusalem. Friede sei in deinen Mauern! Um meines Sohnes willen will ich dir Frieden wünschen, um des Tempels des Herrn willen, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen.« (XI, Szene 1)</div></blockquote><div>Das Bild Jesu als eines Propheten wird auch dadurch profiliert, dass er wie Jesaja in Jes 1,16f spricht:</div><blockquote><div>»Wascht euch euch, reinigt euch! Doch schafft mir das Böse aus den Augen! Hört auf, Unrecht zu tun! Lernt Gutes tun, weist den, der unterdrückt, in seine Schranken! Verschafft den Waisen und Witwen ihr Recht!« (I)</div></blockquote><div>Selbst eine so unscheinbare Aussage wie »Wer so daliegt, steht nicht wieder auf« (Agrippa, in: XI, Szene 2) kann als Anspielung auf Ps 41,9 gelesen werden.</div><div><br></div><div>Nicht wenige Aussagen werden aus anderen Zusammenhängen in neue szenische Kontexte gesetzt. Dies betrifft nicht nur den Einblick in die Botschaft Jesu, die mit der ersten Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem verbunden wird. Joh 3,2 etwa wandert vom Gespräch des Nikodemus mit Jesus in eine Verhörszene (VII, Szene 2): »Ich bekenne: Niemand kann diese Zeichen wirken, wenn nicht Gott mit ihm ist«. Die Aussage über die zeitliche Priorität Jesu im Vergleich mit Abraham aus Joh 8,58 findet sich (als Referat im Mund der Ankläger) ebenso in dieser Szene wie der leicht veränderte Abschluss des Gleichnisses von den bösen Winzern nach Mt 21,43: »Ich sage dir: Das Reich Gottes wird von euch genommen und denen gegeben werden, die die erwarteten Früchte bringen.«</div><div><br></div><div>Ich breche ab, das alles sind nur Beispiele, die sich leicht vermehren ließen. Wer das Passionsspiel gesehen hat, kommt mit einer Fülle biblischer Texte in Berührung. Dass dies in künstlerischer Freiheit geschieht, ist kein Schaden – es macht gerade einen besonderen Reiz des Stückes aus. Man könnte vielleicht versucht sein zu folgern, dass dieses biblische Patchwork, auf die Aufnahme alttestamentlicher Texte bezogen, zu jenem jüdisch-christlichen Einheitsbrei beitrage, den Peter Schäfer im Passionsspiel erkennt. Dies ist aber nicht der Fall. Es war von Anfang an ein Anliegen derer, die sich zu Christus bekannten, ihr Bekenntnis mit der Schrift (dem »Alten Testament«) in Verbindung zu bringen. Dass alttestamentliche Texte zur Deutung der Gestalt Jesu herangezogen werden, ist gerade in den Passionsgeschichten der Evangelien fest verankert. Bezeugt wird dadurch keine unangemessene Vermischung, sondern die Verwurzelung des Christusbekenntnisses in der jüdischen Tradition.</div><div><br></div><div><b>Vermutete Intentionen</b></div><div><br></div><div>Wenn das Passionsspiel in diesem Sinn einen Jesus präsentiert, der ganz in jüdischem Horizont agiert; wenn die Darstellung der jüdischen Obrigkeit differenziert erfolgt und auch deren Einbindung in das römische Herrschaftssystem mit der Verpflichtung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung zur Sprache kommt; wenn Ansatzpunkte antisemitischer Wirkungsgeschichte neutestamentlicher Passionsgeschichten ausgeblendet bleiben – dann muss dies nicht als Versuch gewertet werden, sich durch Verschweigen von der Schuld des Antisemitismus freizusprechen. Peter Schäfers Kritik speist sich auch aus Vermutungen über Intentionen hinter der Darstellung.</div><div><br></div><div>Dass bei der Tempelreinigung das <i>Schma Jisrael</i> gesungen wird, deutet er als den anmaßenden Versuch des Christentums »als das neue Judentum«, »das wichtigste Gebet des (alten) Judentums« zu usurpieren. Man kann die Szene aber auch so lesen, dass dem Christentum vor Augen gestellt wird, dass Jesus, auch wenn er gegen die Tempelpriesterschaft und die Opfer am Tempel agiert, ganz als jüdischer Prophet zu verstehen ist. Und muss man die Tatsache, dass sich das Oberammergauer Passionsspiel 2022 von der unseligen antisemitischen Tradition früherer Passionsspiele deutlich absetzt, als Ausdruck selbstzufriedenen Erkenntnisfortschritts deuten? Peter Schäfer erkennt als Botschaft hinter der zeitgeistigen »neue[n] Torah von Oberammergau«: </div><blockquote><div>»Wir Deutschen, die Verursacher der größten Katastrophe in der jüdischen Geschichte, haben unsere Lektion endgültig gelernt. Wir beseitigen alle Spuren des Antisemitismus aus den Passionsspielen und aus dem Neuen Testament – und weil wir schon mal dabei sind, das Neue Testament gleich mit.«</div></blockquote><div>Diese Interpretation ist keineswegs zwingend, nicht nur was die angebliche Beseitigung des Neuen Testaments betrifft. Woraus ist abgeleitet, im Passionsspiel werde der Anspruch erhoben, der Welt zu erklären, »wie Judentum und Christentum aussehen müssen, damit Juden und Christen in Zukunft einträchtig miteinander leben können«? Näher liegt m.E. die Deutung, dass den <i>Christen</i> vor Augen gestellt wird: Derjenige, den sie als Christus und Sohn Gottes bekennen, war in seiner irdischen Existenz Jude – und deshalb sind antisemitische Konsequenzen, die aus Geschichte und Geschick Jesu gezogen wurden oder werden, absurd. Christliche Bekenntnisinhalte sind nicht getilgt, etwa im Blick auf den Sühnetod (in VI, Szene 1; XI, Szene 2) oder die Auferstehung (XII). Dann ist auch die christliche Seite primärer Adressat der Darstellung. Dass irgendetwas darüber ausgesagt werden solle, wie das <i>Judentum </i>aussehen müsse, kann ich im Passionsspiel nicht erkennen.</div><div><br></div><div>Vielleicht hat die spezifische Perspektive des Antisemitismus-Forschers die Wahrnehmung des Oberammergauer Passionsspiels gelenkt. Wer sich mit der furchtbaren Geschichte des Antisemitismus befasst, wird eher die Gefahr sehen, dass man sich aus dieser Geschichte einfach davonstiehlt. Dies der diesjährigen Fassung des Spiels vorzuwerfen, ist aber unbegründet. <br></div></div>Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-54722984567156326462021-04-28T12:25:00.000+02:002021-04-28T12:25:48.605+02:00Reizwort und MachtwortBis in die <b><i><a href="https://www.sueddeutsche.de/politik/katholische-kirche-synodaler-weg-1.5274633" target="_blank">Süddeutsche Zeitung</a></i></b> hat es der Streit um einen Vortrag der Tübinger Dogmatikerin <i>Johanna Rahner</i> gebracht, genauer: nicht um einen Vortrag, sondern um einen Satz aus dem Vortrag, den<a href="https://www.katholisch.de/artikel/29498-rahner-nur-rassisten-gegen-gleichberechtigung-von-frauen-in-kirche" target="_blank"> <i><b>katholisch.de</b></i></a> auf der Grundlage einer KNA-Nachricht verbreitet hat. Sie habe geäußert, jeder, der nicht für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche eintrete, sei ein Rassist. Inzwischen ist das <a href="https://raete.drs.de/fileadmin/user_files/144/Bilder/Aktuell/2021/Frauenforum/Vortrag_Prof._Dr._Johanna_Rahner.pdf" target="_blank"><i><b>Manuskript des Vortragstextes</b></i></a> zugänglich. Liest man den Satz im Kontext, stellt sich die Sache doch etwas anders dar. Rahner greift zurück auf die Analysen der Soziologin Robin DiAngelo zum Rassismus von Weißen, der darin besteht, dass sie, der eigenen Privilegien nicht bewusst, den <i>People of Colour</i> die Verantwortung für die Überwindung des Rassismus überlassen, anstatt aktiv für ein Ende der Diskriminierung einzutreten – sie haben dazu Macht und Möglichkeit. In diesem Sinn fordert Rahner, dass die Männer die Diskriminierung von Frauen in der Kirche benennen und gegen sie eintreten. Und schließlich der Satz: »Wer daran nichts ändern will, ist nichts anderes als ein Rassist.« Das liest sich am Ende der erwähnten Ausführungen doch anders, als wenn man die Aussage isoliert wahrnimmt: Der scharfe Begriff gründet in der Übertragung einer Denkfigur aus der Rassismus-Debatte. Über die konkrete Formulierung (»ist nichts anderes als ein Rassist«) kann man streiten. Mir scheint sie angesichts des unterschiedlichen Gewichts von Diskriminierungserfahrungen nicht glücklich. Das ändert aber nichts daran, dass Johanna Rahner den stärksten Grund hat, sich über die zugespitzte Berichterstattung zu ärgern. <div><br /></div><div><b>Gegen eine »neue Glaubensregel«<br />
</b><div class="separator" style="clear: both; text-align: left;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://1.bp.blogspot.com/-TBpAqN_io34/YIhHrI7u4lI/AAAAAAAAIbU/7-rlO5fRQU8AgJ3oonEwZBRgRo2yd91LwCLcBGAsYHQ/s1920/chain-link-690503_1920.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"></a></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://1.bp.blogspot.com/-_6ycN3GKDww/YIhKC8pJFBI/AAAAAAAAIbc/5dwKDDs5YJ4cakMDLK20LNU2_4VaL_hCACLcBGAsYHQ/s1920/chain-link-690503_1920.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1079" data-original-width="1920" src="https://1.bp.blogspot.com/-_6ycN3GKDww/YIhKC8pJFBI/AAAAAAAAIbc/5dwKDDs5YJ4cakMDLK20LNU2_4VaL_hCACLcBGAsYHQ/s320/chain-link-690503_1920.jpg" width="320" /></a></div><br />Empört hat sich allerdings der Passauer Bischof <i>Stefan Oster</i>. Auf die Meldung hat er mit einem scharfen <a href="https://stefan-oster.de/ist-katholizismus-rassistisch-oder-wer-ist-eigentlich-katholisch/" target="_blank"><i><b>Blogpost </b></i></a>reagiert, in dem er die Notwendigkeit unterstrichen hat, Grenzen des Katholischen zu markieren – gegen die »neue Glaubensregel«, nach der niemand dem anderen erklären dürfe, was er sage, sei nicht katholisch. Die konstruierte Gegenposition erscheint als einheitliche, einflussreiche und Erlaubnis erteilende Größe:</div><blockquote><div>»Dafür aber <i>dürfen </i>die sich in der Mehrheit Wähnenden inzwischen schamlos solche Gläubigen Spalter und sogar Rassisten nennen, die sich der geltenden Lehre verpflichtet wissen« (Hervorhebung von mir).</div></blockquote><div>Hat man über weite Strecken den Eindruck, eine treu dem Lehramt verpflichtete Position stünde einem übermächtigen Goliath gegenüber, der Grenzen des Katholischen schleifend und Spaltervorwürfe schleudernd scham- und respektlos »zum Gegenangriff über[geht]« (wirklich <i>Gegen</i>angriff?), so holt der David am Ende keinen Stein aus seiner Tasche, sondern springt von der Identität des Hirtenjungen in die des königlichen Machthabers. Der kann dann darauf verweisen, wer die Schätze verteilt und die Stellen am Hof vergibt.</div><div><br /></div><div>Diese Wendung auf eine ausschließende Instanz hin liegt insofern in der Logik des Beitrags, als es ihm ja um die Notwendigkeit von Grenzen des Katholischen geht. Recht einseitig lauten so auch »die wesentlichen Fragen« der anstehenden Diskussion, »vermutlich«:</div><blockquote><div>»Wie begreifen wir uns tatsächlich als katholische Kirche mit inhaltlichen Verbindlichkeiten? Was kann und soll das Lehramt? Oder wo sind auch Grenzen für Beliebigkeit in der Auslegung dessen, was wir für das Evangelium halten? Und schließlich auch noch: Wo sind im Diskurs verbale Grenzen und was ist wirklich ›rassistisch‹ und wer ›spaltet‹ tatsächlich?«</div></blockquote><p><b><br /></b></p><p><b>Theologie, Lehramt, Lehrentwicklung </b></p><div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;"><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://1.bp.blogspot.com/-m6aMVUUwSWY/YIgPrViyDlI/AAAAAAAAIbM/HqsNQisGZAUle1nS8bn0zGlGXr9kOWAwgCLcBGAsYHQ/s1920/thunder-953118_1920.jpg" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="280" src="https://1.bp.blogspot.com/-m6aMVUUwSWY/YIgPrViyDlI/AAAAAAAAIbM/HqsNQisGZAUle1nS8bn0zGlGXr9kOWAwgCLcBGAsYHQ/s320/thunder-953118_1920.jpg" width="270" /></a></div>
Wonach nicht gefragt wird: Wie ist das Verhältnis von Theologie und Lehramt zu bestimmen? Wenn es Aufgabe der Theologie ist, den Glauben der Kirche unter den Bedingungen der jeweiligen Zeit zu reflektieren, ist in das Verhältnis von Theologie und Lehramt Dynamik und Spannungspotential eingeschrieben. Was geltende Lehre ist, erklärt das Lehramt. Aber dies ist, solange die Kirche in der Zeit existiert, keine umfassend abschließend definierte Größe, so dass auch zu fragen ist, ob, wie und warum in der Theologie geführte Diskurse lehramtlich rezipiert oder übergangen oder abgelehnt werden. Sicher wird auch eine Lehrentwicklung durch das Lehramt der Kirche festgestellt. Wenn wir aber danach fragen, wie es zu einer solchen Entwicklung kommt, ist die Rolle der Theologie nicht einfach auszublenden. Das ist die Leerstelle im Beitrag von Bischof Oster, wenn er formuliert:</div><blockquote><div>»Und um ein persönliches Wort zu sagen: Ja natürlich hat es immer Entwicklung der Lehre gegeben – und daran bin ich auch interessiert, sofern sie nur immer neu und vertieft verstehen lässt, wie das Evangelium heute angeeignet und in die Welt hinein gesprochen und gelebt werden kann. Aber ich traue dabei dem Lehramt und mit ihm der Gesamtkirche immer noch zu, größer zu sein als ich selbst und einen Horizont zu haben, der weiter ist als mein eigener. Zudem ist dem Petrusnachfolger, durch Schrift und Tradition bestätigt, ein Charisma geschenkt, das in besonderer Weise der Bewahrung der Einheit und der inhaltlichen Integrität des Glaubens dient. Daher orientiere ich mich im kritisch-loyalen Gespräch und zugleich aus innerer Überzeugung heraus in der Frage, wer oder was Kirche ist und was sie lehrt, besonders auch daran.«</div></blockquote><div>Lehrentwicklung geschieht ja, vorsichtig gesprochen, nicht durchweg so, dass von Seiten des kirchlichen Lehramts angesichts grundlegend veränderter Lebensumstände ein vertieftes Verständnis für die Aneignung des Evangeliums proaktiv vorangetrieben wird. Die Begegnung der Kirche mit der Moderne war jedenfalls ein langwieriger und schmerzhafter Prozess. Von Gregor XVI., Pius IX. und Pius X. bis zum II. Vatikanum verlief, in eher verharmlosender Metaphorik gesagt, ein weiter und steiniger Weg. Und er konnte nur gegangen werden, weil sich die Theologie den Vorgaben des Lehramts nicht dauerhaft gefügt hat. Zum »Antimodernismus-Streit« ist das für den Umgang mit der historisch-kritisch arbeitenden Exegese ja alles zur Genüge dokumentiert (s.a. <a href="http://www.lectiobrevior.de/2013/09/antimodernismus-und-exegese-1.html" target="_blank"><i><b>hier </b></i></a>die Artikelserie auf diesem Blog). Auf dem II. Vatikanischen Konzil und in dessen Gefolge wurden Positionen lehramtlich rezipiert, die zuvor scharf zurückgewiesen worden waren.</div><div><br /></div><div>Wenn die Diskussion um die »Aufreger-Themen« nicht zur Ruhe kommt, erleben wir nichts grundsätzlich Neues. Dabei ist es eine unangemessene Individualisierung und Banalisierung des Problems, wenn Bischof Oster eine Einstellung (als unkatholisch) kritisiert, nach der man </div><blockquote><div>»erst dann zufrieden ist, wenn sich das Lehramt nach den eigenen Wünschen und Überzeugungen richtet.« </div></blockquote><div>Es geht nicht um »eigene Wünsche und Überzeugungen« und nicht um den Anspruch, größer zu sein als das Lehramt. Im Kern geht es um grundsätzlich gewandelte Plausibilitäten und die Frage, was dies für die kirchliche Lehre bedeutet. Zur Debatte stehen nicht bloße Moden, sondern durch neue Einsichten geänderte Wertmaßstäbe, die in der Kirche zu kognitiven Dissonanzen führen (wie es Johanna Rahner im Übrigen zu Beginn ihres Vortrags ausgeführt hat). Die Überzeugungskraft dieser Wertmaßstäbe ist nicht durch Verweis auf den »Zeitgeist« zu erledigen, der ja immer nur als solcher bezeichnet wird, wenn man sich in Distanz zu ihm sieht. </div><div><br /></div><div><b>Debatten durch Machtwort beenden?</b></div><div><br /></div><div>Dass in der Frage der Diskriminierung von Frauen in der Kirche Kämpfe stattfinden, muss nicht verwundern. Wie erdgeschichtlich betrachtet die Spezies <i>Homo sapiens</i> erst kürzlich aufgetreten ist, so ist die asymmetrische Bestimmung des Geschlechterverhältnisses in kirchengeschichtlicher Perspektive erst kürzlich fraglich geworden. Die kirchlichen Strukturen haben sich zu Zeiten gebildet, in denen eine solch asymmetrische Sicht zu den nicht befragten Selbstverständlichkeiten gehörte, und sie haben sich über Jahrhunderte etabliert. Es ist von vornherein nicht zu erwarten, dass die Frage, ob Eingriffe in diese Strukturen die Identität der Kirche berühren, ohne Auseinandersetzungen ablaufen. Ein Abblocken der Debatten ist allerdings keine nachhaltige Lösung. Die Erfahrung lehrt, dass unerledigte Fragen durch bloßes Machtwort nicht zur Ruhe kommen. </div><div><br /></div><div>Das hat sich auch in der Rezeption von <b><i><a href="https://web.archive.org/web/20150402140038/http://w2.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_letters/1994/documents/hf_jp-ii_apl_22051994_ordinatio-sacerdotalis.html" target="_blank">Ordinatio sacerdotalis</a></i></b> zur Frage der Zulassung von Frauen zum Priesteramt deutlich gezeigt. Das Ziel, die Frage abschließend zu erledigen (»dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben«), wurde nicht erreicht. Dies ist nicht darin begründet, dass lehramtliche Entscheidungen nur dann akzeptiert werden, »wenn sich das Lehramt nach den eigenen Wünschen und Überzeugungen richtet«. Es geht um ernsthafte theologische Debatten. Das apostolische Schreiben nennt, wie zuvor <a href="https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_19761015_inter-insigniores_ge.html" style="font-style: italic; font-weight: bold;" target="_blank">Inter Insigniores</a><b><i> </i></b>(Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre), Gründe für das Urteil, die Kirche habe keine Vollmacht, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Diese Gründe werden im theologischen Diskurs hierzulande ganz überwiegend als nicht durchschlagend angesehen. Eine andere Bewertung der der Kirche in der verhandelten Frage gegebenen Vollmacht wird durchaus für möglich gehalten. <i>Deshalb </i>ist diese Diskussion nicht beendet worden, nicht weil man meint, es wären</div><blockquote><div>»diejenigen, die sich mit der Erarbeitung solcher Texte in Rom befassen, einschließlich des ihm zustimmenden Papstes, lauter Leute, deren Horizont auf keinen Fall größer und weiter, sondern in jedem Fall enger und kleiner sei als all derer, die sich schon lange das wünschen, was sie ›Weiterentwicklung‹ nennen« (auf die Reaktionen zum Responsum der Glaubenskongregation zur Frage der Segnung homosexueller Paare zielend).</div></blockquote><div><b><br />Spannungen aushalten</b></div><div><br /></div><div>Was den einen als Respektlosigkeit vor dem Lehramt erscheint, ist den anderen Treue zu ihrem Auftrag der Glaubensreflexion unter den gegebenen kulturellen Rahmenbedingungen. Dass der Glaube auch eine inhaltliche Bestimmtheit hat, wird durch die Wahrnehmung dieses Auftrags nicht bestritten. Freilich gehört zu dieser Bestimmtheit auch, dass sich Grenzverläufe im Laufe der Geschichte verschieben können. Wir stehen wieder in Zeiten, in denen wenigstens in unseren Breiten zum Verhältnis von Theologie und Lehramt eine nicht unerhebliche Spannung gehört. Solange sie sich nicht lösen lässt, ist es das Beste, sie auszuhalten – und weiter zu diskutieren.</div></div><div><br /></div><div>Diese Diskussion kann aber nicht darin bestehen, dass Johanna Rahner aufgefordert wird, das Reizwort, das den Streit ausgelöst hat, zurückzunehmen (s. <b><a href="https://www.katholisch.de/artikel/29566-baetzing-waere-gut-wenn-frau-rahner-den-zugespitzten-satz-zuruecknimmt" target="_blank"><i>hier</i></a></b>) und so indirekt das Machtwort ins Recht zu setzen. Die inhaltliche Debatte über das hinter dem streitbaren Begriff stehende Anliegen ist nicht zu umgehen. </div><div>_____________________</div><div>Bild 1: <a href="https://pixabay.com/de/users/free-photos-242387/" style="font-style: italic;" target="_blank">Free-Photos </a>auf <a href="https://pixabay.com/de/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=690503" style="font-style: italic;">Pixabay</a>
<div>Bild 2: <i><a href="https://pixabay.com/de/users/ronomore-866556/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=953118">Ron Rev Fenomeno</a> </i>auf <a href="https://pixabay.com/de/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=953118" style="font-style: italic;">Pixabay</a></div></div></div>Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com12tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-70623883376563841662019-02-15T23:33:00.000+01:002019-02-16T00:11:12.185+01:00Die Bibel als Belegstellen-DiscounterKardinal Gerhard Ludwig Müller weiß, wo es langgeht auf dem Weg zum Heil – und auf dem zum Unheil. So haben ihn denn »viele Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien der katholischen Kirche … um ein öffentliches Zeugnis für die Wahrheit der Offenbarung gebeten.« Es gibt keinen Grund, dies zu bezweifeln. Man hat allerdings seit einiger Zeit den Eindruck, dass Kardinal Müller derlei Bitten nicht braucht, um sich zu öffentlicher Äußerung gedrängt zu fühlen. So sieht er denn auch in dem nun publizierten <a href="https://www.vaticannews.va/de/vatikan/news/2019-02/kardinal-mueller-glaubensmanifest-wortlaut.html" style="font-style: italic; font-weight: bold;" target="_blank">Glaubensmanifest</a><b style="font-style: italic;"> </b>eine<b style="font-style: italic;"> </b>erhebliche Bedrohungslage, die eine Belehrung durch den »Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre von 2012-2017« nicht nur auf Nachfrage als angemessen erscheinen lässt: »Heute sind vielen Christen selbst die grundlegenden Lehren des Glaubens nicht mehr bekannt, so dass die Gefahr wächst, den Weg zum Ewigen Leben zu verfehlen.«<br />
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Zuverlässige Orientierung unter den Bedingungen einer Diktatur – und zwar der derjenigen des Relativismus – gibt der Katechismus. 36 Einzelnummern, dazu noch einmal zwei Abschnitte mit insgesamt 46 Nummern werden angeführt als »›sichere Norm für die Lehre des Glaubens‹ (Fidei Depositum IV)« – von zentralen dogmatischen Aussagen zur Dreieinigkeit bis hin zur Aufgabe des Lehramts, »das Volk vor Verirrungen und Glaubensschwäche zu schützen«, oder dem Urteil, wer das Sakrament der Eucharistie nicht fruchtbar empfängt.</div>
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<a href="https://4.bp.blogspot.com/-C71QEiiHVcQ/XGc26V-LBiI/AAAAAAAAF18/7a8M0D0nPt4ipisx3gb5RbDwOPTaDZCxQCLcBGAs/s1600/Ladenregal.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1200" data-original-width="1600" height="240" src="https://4.bp.blogspot.com/-C71QEiiHVcQ/XGc26V-LBiI/AAAAAAAAF18/7a8M0D0nPt4ipisx3gb5RbDwOPTaDZCxQCLcBGAs/s320/Ladenregal.jpg" width="320" /></a></div>
In die zahlreichen Katechismus-Belege eingearbeitet sind auch einige biblische Aussagen – damit sind wir beim Thema dieses Beitrags. Die Art und Weise, in der das geschieht, erinnert an Verfahren, die man als »Steinbruch-Exegese« bezeichnet hat, um das Interesse an bloßen Textbruchstücken zu kennzeichnen. Diese Metaphorik hat den Nachteil, dass sie ohne Sachgrund das Moment der Mühe anklingen lassen könnte. Die Bibel erscheint hier aber weniger als Formation, der unter großer Anstrengung etwas abgerungen werden müsste, denn als Selbstbedienungsladen, in dessen Regalen einzelne Kleinartikel griffbereit angeboten werden.<br />
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<b>Verwirrung – durch was?</b></div>
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Das Problem beginnt bereits in der Überschrift. Das Manifest beansprucht, der Verwirrung entgegenzutreten und damit auf der Spur des Jesuswortes in <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Joh+14%2C1" target="_blank">Joh 14,1</a></i></b> zu sein. Nun ist Verwirrung eine recht subjektive Angelegenheit. Eine Erwiderung könnte mit derselben Leichtigkeit Joh 14,1 als Überschrift nehmen, da davon auszugehen ist, dass auch das Müllersche Glaubensmanifest zur Verwirrung beiträgt – nur bei anderen Leuten. </div>
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Oder ist das die falsche Verwirrung, weil der Kardinal doch Paulus und die Tradition auf seiner Seite hat? Das sollen wir zumindest glauben, denn bei der Wahrnehmung der Hirtenaufgabe </div>
<blockquote class="tr_bq">
»gilt das Wort des Apostels: ›Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe‹ (1 Kor 15,3).« </blockquote>
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Es gilt hier allerdings in viel stärkerem Maß das Wort des Kardinals als das des Apostels, denn zu diesem hätte unbedingt die Fortsetzung dazugenommen werden müssen. Paulus äußert sich ja nicht grundsätzlich zur Orientierung an der Tradition, sondern leitet damit das Zitat einer Glaubensformel zu Tod und Auferweckung Christi ein (<b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/1Kor%2015%2C3-5/bibel/text/lesen/ch/a033701d6d56b0abe433a5160757bf6f/" target="_blank">1 Kor 15,3-5</a></i></b>). Wenn ich recht sehe, wird über diese zentrale Aussage der neutestamentlichen Christusbotschaft derzeit keine Debatte geführt, die zu irgendeiner Verwirrung Anlass geben könnte. </div>
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<b>Die Katechismus-Schrift</b></div>
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Der mangelnden Bekanntheit der grundlegenden Lehren des Glaubens wird gegengesteuert durch zentrale Punkte in Gotteslehre und Christologie (1.), Ekklesiologie (2.), Sakramentenlehre (3.), Ethik (4.) und Eschatologie (5.). Zum ersten Punkt wird in eine Reihe von fünf Belegstellen aus dem Katechismus immerhin eine neutestamentliche Aussage eingebaut – allerdings auf bemerkenswerte Weise: Die spätere dogmatische Aussage begründet das Schriftzeugnis.</div>
<blockquote class="tr_bq">
»Daher bezeichnet der erste Johannesbrief denjenigen als Antichrist, der seine Gottheit leugnet (<b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=1+Joh+2%2C22" target="_blank">1 Joh 2,22</a></i></b>), da Jesus Christus, der Sohn Gottes von Ewigkeit her eines Wesens ist mit Gott, Seinem Vater (663).« </blockquote>
<div>
Das Schriftwort wird recht frei so wiedergegeben, dass sich die am Glaubensbekenntnis angelehnte Formulierung möglichst glatt anschließen kann. Durch die Begründungsstruktur erscheint die Schriftaussage sachlich nachgeordnet. Sicher haben sich die späteren Definitionen der Konzilien als Entfaltung des Schriftzeugnisses verstanden, es soll hier nicht das sachliche Recht des zitierten Zusammenhangs bestritten werden. Dennoch sagt die Umkehrung der Begründung etwas über den vorausgesetzten Stellenwert biblischer Texte aus. Diese Vermutung bestätigt das Glaubensmanifest insofern, als es das Zeugnis der Schrift – ohne den Umweg über die Bibel – auch direkt mit dem Katechismus belegen kann: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Die Ewigkeit der Höllenstrafe ist eine furchtbare Wirklichkeit, die – nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift – sich alle zuziehen, die ›im Stand der Todsünde sterben‹ (1035).« </blockquote>
<div>
Eine solche Verkürzung ist insofern praktisch, als die Aussage nur auf sehr verschlungenen Wegen als Zeugnis der Schrift zu markieren gewesen wäre. Das unmittelbar angeschlossene Gerichtswort aus Mt 7,13 belegt jedenfalls den beanspruchten Gedanken nicht: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Der Christ geht durch das enge Tor, denn ›weit ist das Tor und breit der Weg, der ins Verderben führt, und es sind viele, die auf ihm gehen‹ (Mt 7,13).« </blockquote>
<div>
Textpragmatisch ist ein solcher Spruch als <i>Mahnung </i>zu lesen, nicht als Mitteilung über das Gericht, schon gar nicht dahingehend, dass den Christen eine Garantie zugesagt wäre. Die zusichernde Feststellung, der Christ gehe durch das enge Tor (zum Leben: <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mt+7%2C13f" target="_blank">Mt 7,14</a></i></b>), ist so ziemlich das Gegenteil dessen, worauf dieser Text bei seinen Adressaten hinauswill: die Einschärfung der Bergpredigt als in die Praxis umzusetzende Weisung. </div>
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<b>Das »andere Evangelium« haben immer die anderen</b></div>
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Während die Aussagen zur Kirche ganz ohne Bezug auf die Schrift auskommen, wird diese zur sakramentalen Ordnung gleich dreimal bemüht – allerdings auf durchaus verwirrende Weise. Dass das Amt in der Kirche durch Christus eingesetzt sei, wird mit Bezug auf <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Gal+1%2C6-8" target="_blank">Gal 1,6-8</a></i></b> kommentiert: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Die Mahnung des Apostels gilt bis heute, dass verflucht sei, wer ein anderes Evangelium verkündet, ›auch wenn wir selbst es wären oder ein Engel vom Himmel‹.« </blockquote>
<div>
Dass Paulus mit dem Ausschluss eines »anderen Evangeliums« zu einem ganz anderen Thema gesprochen hat, bleibt ausgeblendet. Wer sich derartig am Bibeltext bedient, schreckt auch nicht davor zurück, mit ihm nach anderen zu werfen. Unter Bezug auf <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=2+Tim+4%2C3f" target="_blank">2Tim 4,3f</a></i></b> heißt es: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Hier trifft das Wort der Schrift diejenigen, die der Wahrheit kein Gehör schenken und sich nach eigenen Wünschen richten, die den Ohren schmeicheln, weil sie die gesunde Lehre nicht ertragen«.</blockquote>
<div>
Solche Sätze sind beliebig anwendbar; man muss nur davon ausgehen, auf der Seite der Wahrheit zu stehen. Wer ständig vor der Anpassung an den Zeitgeist warnt oder sich warnen lässt, weiß schon, wie die »Lehrer, die den Ohren schmeicheln«, aktuell einzuordnen sind. Nur stören kann da die Erkenntnis, dass die von den Pastoralbriefen propagierte »gesunde Lehre« auf der <i>Umgestaltung </i>der paulinischen Tradition beruht, und dies die Aufnahme von Wertmaßstäben der Umwelt (»Zeitgeist«) einschloss (Näheres dazu <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2012/01/diakoninnen-2.html" target="_blank">hier</a></i></b>). </div>
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<b>Griechisch hilft </b></div>
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In der Frage der Zulassung zur Eucharistie ist die Argumentation mit 1Kor 11,27 geradezu ein Klassiker und deshalb der Schriftbeleg, der im Glaubensmanifest am wenigsten überrascht. Da das eucharistische Opfer »auf die innigste Vereinigung mit Christus« ziele, mahne </div>
<blockquote class="tr_bq">
»die Heilige Schrift im Hinblick auf den Empfang der hl. Kommunion: ›Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn‹«.</blockquote>
<div>
In <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=1+Kor+11%2C17-34" target="_blank">1Kor 11,17-34</a></i></b> hat Paulus aber ein anderes Problem vor Augen als den Würdigkeitsstatus der Mahlteilnehmer. Eine solche Frage hat nicht nur keinerlei Verankerung im Kontext, sie erforderte auch einen anderen Wortlaut. Das mit »unwürdig« übersetzte Wort ist im Griechischen ein Adverb (ἀναξίως). Gesagt wird also nicht: »Wer <i>als Unwürdiger</i> (ἀνάξιος) das Brot isst und vom Kelch des Herrn trinkt ...«, sondern: »Wer <i>auf unwürdige Weise </i>das Brot isst und vom Kelch des Herrn trinkt ...«. Dies bezieht sich auf die Mahlpraxis in der Gemeinde von Korinth, die auf die Beschämung der Armen hinausläuft (11,22, worin auch immer sie besteht: Die Rekonstruktion des genauen Bezugspunktes der paulinischen Kritik ist umstritten). Die Selbstprüfung im folgenden Vers (11,28) ist in diesen Rahmen einzuordnen. Sie hat nichts zu tun mit der Notwendigkeit, im Fall schwerer Sünde vor der Teilnahme an der Eucharistie das Sakrament der Buße zu empfangen, das Paulus ja nirgends bezeugt. Indem die Schriftaussage (1Kor 11,27) im Glaubensmanifest ein einsames Dasein zwischen mehreren Katechismus-Nummern fristet, wird der inhaltliche Abstand zwischen beiden Größen überspielt. </div>
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<b>Die Schrift als Mittel der Selbstbestätigung</b></div>
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Das Wort von der freimachenden Wahrheit in <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Joh+8%2C32" target="_blank">Joh 8,32</a></i></b> wird immer wieder gern zitiert, da sich mit ihm alles biblisch schmücken lässt, was als Wahrheit vorgestellt wird. Im Glaubensmanifest ist es das »sittliche Gesetz«: Es ist »Teil jener befreienden Wahrheit (vgl. Joh 8,32), durch die der Christ den Weg des Heils geht und die nicht relativiert werden darf.«</div>
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Wer die Wahrheit traditionsgesichert auf der eigenen Seite weiß, hat dann auch ein klares Bild von denen, die sich nach <b><i><a href="https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=2+Thess+2%2C10" target="_blank">2Thess 2,10</a></i></b> »der Liebe zur Wahrheit verschlossen« haben. Aktuelle Debatten werden auf diese Weise biblisch aufgeladen, ohne dass ein Sachargument in konkreten Streitfragen gegeben wäre. Wenn dadurch die Gegenseite noch dazu als Antichrist erscheint, bestärkt sich die eigene Position selbst. Die Schrift trägt dazu nichts bei. Sie wird nicht befragt, sondern benutzt. </div>
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Ganz plötzlich kann sie dann auch mit einem konfessionellen Zungenschlag sprechen: Es wird aufgerufen zur Bitte an den Herrn, »Er möge uns erkennen lassen, wie groß das Geschenk des katholischen Glaubens ist, durch den sich die Tür zum Ewigen Leben öffnet«; direkt im Anschluss wird vor dem Verspielen des Heils mit den Worten von Mk 8,38 gewarnt: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommt.«</blockquote>
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Dieses Jesuswort begründet in der Folge den Einsatz »für die Stärkung des Glaubens, indem wir die Wahrheit bekennen, die Jesus Christus selber ist« – als ob aus Mk 8,38 irgendein Anhaltspunkt für die vorgetragene Positionierung »[a]ngesichts sich ausbreitender Verwirrung in der Lehre des Glaubens« zu gewinnen wäre. </div>
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<b>Exegese?</b></div>
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Wenn Kardinal Müller meint, in den gegenwärtigen Reformdebatten würde die kirchliche Tradition verraten, so ist dies eine Position, über die man reden und streiten kann. Dass ein knappes Glaubensmanifest ein geeignetes Mittel ist, nimmt wohl nur an, wer einen Gesprächs- und Reformbedarf gar nicht erkennt. Andere werden den konzentrierten Katechismus-Beschuss weniger hilfreich finden. Wie auch immer man sich hier positioniert: Das Neue Testament kommt im Glaubensmanifest ziemlich unter die Räder. Gebraucht wird die Schrift zur Darlegung der Glaubenslehre eigentlich nicht. Aber hin und wieder eingestreut, macht sie sich doch ganz gut im Aufmarsch der Katechismus-Nummern – jedenfalls solange man sie nicht nach ihrer eigenen Botschaft fragt. </div>
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Dass diese Form der Bibelnutzung über 50 Jahre nach <i>Dei Verbum</i> immer noch geübt wird, macht ratlos. Ist Exegese nur ein Sandkasten für verspielte Bibelliebhaber, denen man die Freude an ihren Textförmchen nicht nehmen will? </div>
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Ich muss gestehen, dass ich mein Arbeitsfeld anders verstanden habe.<br />
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<i>photo credit: auntmasako / Pixabay</i></div>
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Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com17tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-74976728118791598872018-05-17T00:09:00.000+02:002018-05-17T00:09:42.964+02:00Über Kreuz<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
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<a href="https://4.bp.blogspot.com/-CPzRrJS_raw/Wvn9cCsRO4I/AAAAAAAAFk8/_ZmCGuXu_0Ie1ByZz9rEWtcrcpKlQHw6gCLcBGAs/s1600/Kreuz.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://4.bp.blogspot.com/-CPzRrJS_raw/Wvn9cCsRO4I/AAAAAAAAFk8/_ZmCGuXu_0Ie1ByZz9rEWtcrcpKlQHw6gCLcBGAs/s1600/Kreuz.jpg" width="240" /></a></div>
Der Kreuzerlass des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder hat jetzt ein .de bekommen (<b><i><a href="http://kreuzerlass.de/">kreuzerlass.de</a></i></b>). Der Vorgang gibt sich im Ursprung freilich als eine recht bayerische Angelegenheit zu erkennen. Die »Ökumenische Erklärung katholischer und evangelischer Professoren und Hochschullehrer der Theologie zum bayerischen Kreuzerlass am 1.6.2018« wird nachfolgend präzisiert als eine Erklärung von »aus Bayern stammenden oder in Bayern lehrenden christlichen Theologen« – so werden die Erstunterzeichner vorgestellt. Dass Bayern noch auf eine Weise der Tradition verbunden ist, wie es andere Landstriche nicht mehr kennen, mag ich, ein nicht aus Bayern stammender, aber in Bayern lehrender Theologe, sehr. Der Kreuzerlass dient aber in erster Linie nicht der Stärkung der bayerischen Tradition, sondern der des bayerischen Ministerpräsidenten, dem sichtlich daran gelegen war, dass auch in Ostfriesland niemand den Erlass verpasst.</div>
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Die Unterzeichner der Theologen-Erklärung bekennen sich im ersten Satz des Textes zum »Kreuz in der Öffentlichkeit«. Bereits diese Eröffnung lässt erahnen, dass die Problemstellung der Diskussion der letzten Tage nicht präzis erfasst wird. Es ging nicht darum, ob Kreuze in der Öffentlichkeit ihren Platz haben sollen oder dürfen. Zur Debatte stand und steht die <i>Anordnung </i>des Ministerpräsidenten zur Anbringung von Kreuzen in Behörden der bayerischen Staatsverwaltung. </div>
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Der Text der Erklärung interessiert sich dafür nicht, ihre Unterzeichner zeigen sich </div>
<blockquote class="tr_bq">
»für jedes in öffentlichen Räumen sichtbare Kreuz dankbar. Denn das Kreuz steht für die in Gott gründende Würde des Menschen (vgl. Gen 1,26–27), die eines der wesentlichen Würdefundamente ist und die unsere Demokratie nicht aus sich selbst hervorzubringen vermag.« </blockquote>
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Inwiefern das Kreuz für die Menschenwürde steht, wird nicht näher erläutert. Auch nicht, wie man verstehen soll, dass die Würde des Menschen »eines der wesentlichen Würdefundamente« ist. Oder ist gemeint, dass die Gründung in Gott – also die Gottebenbildlichkeit (Gen 1,26f) – eines der wesentlichen Fundamente der Menschenwürde sei? Man kann es nur ahnen. </div>
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<b>Kreuz und Gottesbezug</b><br />
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Es folgen Ausführungen über die Verbindung von Offenbarung und Aufklärung im Christentum und dessen Symbol, dem Kreuz, die den Gründervätern der deutschen und der bayerischen Verfassung vor Augen gestanden habe. </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Ganz in der Tradition unserer Verfassung ist der Blick auf das Kreuz zweifellos der Blick auf ein Wertefundament unserer pluralistischen Gesellschaft«. </blockquote>
Es mag sein, dass dieser Blick auf das Kreuz ganz »<i>in der Tradition</i> unserer Verfassung« steht; die bayerische Verfassung selbst spricht, wenn ich nichts übersehen habe, nicht vom Kreuz, sondern zweimal von Gott (außer in der Präambel noch von der »Ehrfurcht vor Gott« als einem der als einem der obersten Bildungsziele [Art. 131]). Zwischen dem Bezug auf das Kreuz und dem auf Gott scheint für die Erklärung keine nennenswerte Differenz zu bestehen, obwohl zugestanden wird, dass es weitere Quellen der Verfassung gibt, »wie das Judentum oder im Blick auf die christlich-scholastische Aristoteles-Rezeption des 13. Jahrhunderts der humanistische Islam.« Wer gelesen hat, wie <i><b><a href="http://www.jgk.geschichte.uni-muenchen.de/jgk_neuzeit/personen/professoren/brenner/index.html" target="_blank">Michael Brenner</a> </b></i>die Kreuz-Debatte wahrnimmt (Süddeutsche Zeitung vom 5.5.2018: »Fremd im Freistaat«; nicht frei im Netz), wird nicht so unbefangen Kreuz- und Gottesbezug gleichsetzen, wie es hier geschieht. Wenn es heißt, das »Fundament freiheitlicher Toleranz« gründe »im Heilswerk und in der Botschaft Jesu Christi, die er selbst auf vollkommene Weise vorgelebt hat«, müsste doch dazugesagt werden, dass bis zu <i><b><a href="http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_decl_19651028_nostra-aetate_ge.html" target="_blank">Nostra Aetate</a></b></i> die katholische Tradition in Heilswerk und Botschaft Jesu Christi ein »Fundament freiheitlicher Toleranz« jedenfalls nicht im Sinne der Religionsfreiheit gesehen hat. Es ist nicht ganz so leicht, das Kreuz zum »Wertefundament unserer pluralistischen Gesellschaft« zu erklären.
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<b>Solidarisierung mit Laizisten?</b><br />
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Kirchliche Stimmen, die sich zum Kreuzerlass kritisch äußern, werden irritiert zur Kenntnis genommen. Genauer gesagt, werden sie nicht zur Kenntnis genommen, sondern polemisch verzerrt als </div>
<blockquote class="tr_bq">
»öffentlich zur Schau gestellte Solidarisierung … mit den Laizisten, die die Kreuze schon lange zumindest aus öffentlichen Gebäuden verbannen wollen«. </blockquote>
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Es handelt sich also bei diesen Stimmen nicht um ernsthafte Kritik, sondern in erster Linie um einen demonstrativen Akt (»zur Schau gestellt«), der sich mit antikirchlichen gesellschaftlichen Kräften nicht nur gemein macht, sondern gemein machen <i>will </i>(»Solidarisierung mit Laizisten«), und dies um den Preis, die eigene Identität zu verlieren (»grenzt an Selbstaufgabe«). Dass dies »für uns unverständlich ist«, muss nicht verwundern. Wenn man die kritisierte Position so entstellt, dass man ihr Unfug zuschreibt, ist der Hinweis auf deren Unverständlichkeit geradezu tautologisch. </div>
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Die Erklärung bekundet »hingegen« Freude »über die in öffentlichen und staatlichen Räumen anzutreffenden Kreuze« – wie der vielgescholtene Kardinal Marx im Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom 30.4.2018. Sein erster Satz lautet: »Grundsätzlich freue ich mich über das Zeichen des Kreuzes im öffentlichen Raum.« </div>
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Die genannte Freude wird in der Erklärung damit begründet, dass das »öffentlich sichtbare Kreuz … auch dem säkularen Menschen Wichtiges zu sagen« habe. Stellen wir uns einen solchen säkularen Menschen vor, wie er ins Landratsamt geht, auf das Kreuz blickt und sich denkt: Hey, hier werde ich ja »konfrontiert mit einem wesentlichen Werteanker unserer humanistischen Toleranzkultur« und mit »Jesus Christus als dem Sohn Gottes«. Da muss ich doch mal über meine säkulare Einstellung nachdenken.<br />
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<b>Legitime Instrumentalisierung?</b><br />
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Der Kritik, im Kreuzerlass »werde unsere Religion instrumentalisiert«, hält die Erklärung »entgegen, dass der Einsatz von Symbolen ein legitimes Mittel demokratischer Politik ist.« Das heißt soviel wie: Instrumentalisierung ist okay. Beklagt wird das Messen mit zweierlei Maß: Linken und Grünen werde ihr Eintreten für Belange der Arbeiter oder gegen Lebensschützer als Überzeugung abgenommen, da </div>
<blockquote class="tr_bq">
»wittert keiner die Instrumentalisierung der Arbeiter oder der Genderisten … Wenn aber christliche Politiker sich mit dem Kreuz solidarisieren, wird suggeriert, es müsse selbstverständlich reine Parteitaktik sein.« </blockquote>
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Lassen wir den Begriff »Genderisten« unkommentiert und konzentrieren uns auf den Vergleich von Äpfeln und Birnen. In der ganzen Diskussion steht nicht Markus Söders Überzeugung zur Debatte, sondern sein amtliches Handeln. Und da er dieses Handeln zunächst damit erläutert hat, das Kreuz solle kein religiöses Symbol des Christentums sein, sondern ein Bekenntnis zur Identität und kulturellen Prägung Bayerns (s. z.B. <b><i><a href="https://www.zeit.de/news/2018-04/24/in-bayerns-landesbehoerden-haengen-kuenftig-kreuze-180424-99-35729" target="_blank">hier</a></i></b>), ist der Erlass auch keine Solidarisierung mit dem Kreuz. Er dient vielmehr der politischen Inszenierung des Ministerpräsidenten. Nicht der Hausmeister hat das Kreuz in der Staatskanzlei aufgehängt, sondern der Chef persönlich. Zufällig waren Fotografen da, so dass jetzt alle Welt den kreuzaufhängenden Ministerpräsidenten wahrnehmen kann. Was hier gespielt wird, ist so deutungsoffen wie das Ergebnis der Addition von 1 und 1. </div>
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<b>Friedensförderung?</b><br />
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Die Erklärung sieht im Kreuzerlass »eine sinnvolle Anknüpfung an eine bereits lange bestehende und bewährte Tradition« und erkennt kein gesellschaftsspaltendes Potential, im Gegenteil: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Im Blick auf den inneren gesellschaftlichen Frieden wird der ergänzende Kreuzerlass bewirken, dass künftig nicht mehr der Eindruck entstehen kann, als sei das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Kreuzen in Amtsräumen eine rein private oder gar willkürliche Angelegenheit von Bürgermeistern, Schulleitern oder Amtsgerichtsdirektoren etc.« </blockquote>
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Was der geschilderte Eindruck zur Förderung des inneren gesellschaftlichen Friedens beiträgt, erschließt sich nicht auf Anhieb. Wer sich am Kreuz in Landesbehörden stört, wird also jetzt nicht mehr den Bürgermeister, Schulleiter oder Amtsgerichtsdirektor angehen, sondern sich klaglos in die bayerische Tradition einfügen, weil die Anordnung von ganz oben kommt? Werden die Raufereien wegen »privat oder gar willkürlich« aufgehängter oder nicht aufgehängter Kreuze, die uns so sehr bedrängen, jetzt endlich spürbar abnehmen? Im Übrigen stellt sich die Frage: Wenn bisher der Eindruck entstehen konnte, das Vorhandensein von Kreuzen gehe auf private oder willkürliche Entscheidung von Vorgesetzten zurück – könnte sich da nicht der Eindruck einstellen, dass das Anbringen von Kreuzen im öffentlichen Raum gar nicht stark in der bayerischen Tradition verankert ist?</div>
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<b>Im Geist der bayerischen Verfassung?</b><br />
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Solche Zweifel lässt die Erklärung nicht aufkommen. Sie zeigt sich vielmehr dafür dankbar, dass die bayerische Staatsregierung erkennen lässt, sich »auch künftig wie schon bisher der christlichen Tradition Bayerns verpflichtet« zu wissen,</div>
<blockquote class="tr_bq">
»wie es auch dem Geist der nach Kriegsende 1946 verabschiedeten Präambel der Bayerischen Verfassung entspricht, wonach es in Bayern nie mehr eine 'Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott' und damit ohne Achtung des Gewissens und der Menschenwürde geben darf.« </blockquote>
<div>
Die wörtlich zitierte Wendung »Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott« wird in der Präambel allerdings nicht auf dieselbe Weise mit Gewissen und Menschenwürde verbunden, wie es in der Erklärung geschieht. </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Angesichts des Trümmerfeldes, zu dem eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott, ohne Gewissen und ohne Achtung vor der Würde des Menschen die Überlebenden des zweiten Weltkrieges geführt hat ...« </blockquote>
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Zum einen ist hier nicht so grundsätzlich formuliert, wie es die Erklärung tut (da müsste man wohl eher auf den oben angeführten Art 131 rekurrieren); zum andern wird auch eine Gesellschaftsordnung mit Gottesbezug nicht, wie von der Erklärung suggeriert, als Garant für die Achtung von Gewissen und Menschenwürde bezeichnet: Das »und damit« (»'Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott' und damit ohne Achtung des Gewissens und der Menschenwürde«) ist ein Eintrag, der sich auch nicht durch den Bezug auf den <i>Geist </i>der Präambel rechtfertigen lässt.<br />
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<b>Leerstellen</b><br />
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Die Erklärung versteht den Kreuzerlass allein als Ja zur traditionellen (christlichen) Prägung Bayerns und folgt damit im Wesentlichen der PR der Staatsregierung. Nicht zur Sprache kommt die Kernfrage der Debatte, ob eine staatliche Stelle das Anbringen religiöser Symbole in Amtsräumen anordnen und die Deutung dieser Symbole bestimmen darf. Ausgeblendet bleibt auch der politische Kontext der ganzen Aktion, der das identitätsstiftende Symbol zugleich als Instrument der Machtdemonstration und als Zeichen der Ab- und Ausgrenzung markiert. Der Unmut gegen den Kreuzerlass hat auch mit dem Eindruck zu tun, dass der Ministerpräsident sich in seiner Politik stärker an dem orientieren könnte, den er jetzt aufhängen lässt.</div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com5tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-22488977816889628792017-12-15T14:54:00.000+01:002017-12-15T14:54:58.269+01:00Die sechste BitteDie Zahl derer, die der sechsten Bitte des Vaterunsers in unserer Medienwelt Schlagzeilenpotential zugetraut haben, dürfte überschaubar sein. Tatsächlich hat es Papst Franziskus mit seiner <a href="http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/papst-kritisiert-deutsche-vaterunser-ubersetzung" target="_blank"><b><i>Kritik an Übersetzungen dieser Bitte</i></b></a> sogar auf die Titelseite der <i>Bild am Sonntag</i> geschafft. »Führe uns nicht in Versuchung« sei eine schlechte Übersetzung, weil nicht Gott den Menschen in Versuchung stürze: »Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan«. Ob eine Übersetzung gut oder schlecht ist, entscheidet sich freilich nicht an der Übereinstimmung mit einer theologischen Überzeugung, sondern am Text, der übersetzt wird.<br />
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In Mt 6,13 und Lk 11,4 heißt es: μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν. μὴ εἰσενέγκῃς ist verneinter Imperativ, gebildet mit dem Konjunktiv Aorist von εἰσφέρω (hineinbringen, hineintragen), also: »bringe nicht hinein«. ἡμᾶς ist Personalpronomen, und zwar 1. Person Plural im Akkusativ: »bringe uns nicht hinein«. Die Präposition εἰς + Akkusativ gibt in ihrer Grundbedeutung die Richtung an, πειρασμός bedeutet soviel wie »Erprobung, Versuchung« (dazu gleich mehr). Die gebräuchliche Übersetzung »Führe uns nicht in Versuchung« ist also die nah am griechischen Wortlaut orientierte Wiedergabe des zitierten Satzes. <br />
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<b>Was ist »Versuchung«?</b><br />
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<a href="https://3.bp.blogspot.com/-cN8nt15WtVY/WjBY8bBt1EI/AAAAAAAADx4/m7tG2frn_B43uW5Bdub2LYXZEUWxn2o5gCLcBGAs/s1600/185_2015_03_20_Jerusalem_%25C3%2596lberg_Pater-Noster-deutsch.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1200" height="320" src="https://3.bp.blogspot.com/-cN8nt15WtVY/WjBY8bBt1EI/AAAAAAAADx4/m7tG2frn_B43uW5Bdub2LYXZEUWxn2o5gCLcBGAs/s1600/185_2015_03_20_Jerusalem_%25C3%2596lberg_Pater-Noster-deutsch.JPG" width="240" /></a></div>
Die Kritik an dieser Übersetzung dürfte sich in erster Linie an der Bedeutung des Begriffs »Versuchung« festmachen. Das zugrundeliegende griechische Wortfeld hat ein recht weites Bedeutungsspektrum. Die Grundbedeutung des Verbs πειράζειν ist »probieren, erproben, einer Prüfung unterziehen«. Dies kann einfach »etwas versuchen, etwas anstreben« meinen (z.B. Apg 9,26) oder eine Erprobung in allgemeinem Sinn (2Kor 13,5: »Prüft euch selbst!«). Die Erprobung kann auch spezifischer sein, sei es, dass sie ohne böse Absicht erfolgt, wenn etwa Jesus mit seiner Frage den Glauben des Philippus prüft (Joh 6,6), sei es, dass sie auf ein mögliches Scheitern dessen zielt, der auf die Probe gestellt wird – etwa wenn Jesus in Streitgesprächen auf die Probe gestellt wird (z.B. Mt 16,1). Die stärkste negative Färbung findet sich bei der Frage nach der Erlaubtheit der Kaisersteuer (Mk 12,13-17), wo die Fragesteller mit gespielter Ehrerbietung auftreten und Jesus »mit einem Wort fangen« wollen (12,13). Hier bedeutet »auf die Probe stellen« so viel wie »eine Falle stellen«. Dass man eine solche Absicht schlecht mit dem von Jesus verkündeten und im Gebet angesprochenen Gott verbinden kann, leuchtet ein. </div>
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Allerdings muss der griechische Begriff, wie gesehen, nicht mit der übelwollenden Absicht verbunden sein, jemanden zu Fall zu bringen. Und dies zeigt sich gerade in der alttestamentlich-jüdischen Tradition. Sie kennt die Erprobung als Mittel göttlicher Erziehung. »Kind, wenn du herantrittst, um dem Herrn zu dienen, mach dich bereit für die Erprobung« (Sir 2,1). Nach einer jüdischen Schrift aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. wurde Abraham vielfach von Gott erprobt und hat gerade dadurch seinen Glauben bewährt (Buch der Jubiläen, 17,17f; 19,3). In diesem Sinn kann im Neuen Testament Leiden als Prüfung verstanden und deshalb zur Freude im Leiden aufgefordert werden (1Petr 1,6; 4,12f; Jak 1,2f). Andererseits kann Gott auch von der Versuchung ausdrücklich ausgenommen (Jak 1,13f) oder die Versuchung auf die Macht des Bösen zurückgeführt werden (1Kor 7,5; 1Thess 3,5). Nach 1Kor 10,13 lässt Gott nicht zu, dass die Glaubenden über das erträgliche Maß hinaus geprüft werden; Gott wird zusammen mit der Versuchung (σὺν τῷ πειρασμῷ) auch einen Ausweg schaffen. </div>
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<b>Der Sinn der Bitte: »Führe uns nicht in Versuchung« </b><br />
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Gott mit Versuchung (πειρασμός) in Verbindung zu bringen, ist also beim Blick auf das Neue Testament zwar nicht selbstverständlich, aber auch alles andere als ausgeschlossen. Es kommt darauf an, was man mit dem fraglichen Begriff bezeichnet sieht. Ein Fallen stellender Gott, der darauf zielt, Menschen ins Unheil zu stürzen, kann im Vaterunser nicht gemeint sein. Darauf weist ja schon die Vater-Anrede in der Gebetseröffnung. Im Matthäus-Evangelium ist dies durch die Einleitung des Vaterunsers noch unterstrichen. »Euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn darum bittet« (Mt 6,8). Dann ist die Bitte nicht in einem Zweifel an der Güte Gottes begründet.<br />
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Die Bitte lässt sich auch so deuten, dass Gott nicht solche Situationen herbeiführen möge, in denen der Mensch in seinem Verhältnis zu Gott versagen könnte. So ist sie als Ausdruck der Demut zu verstehen: Man weiß um die eigene Schwäche und bittet deshalb um die Bewahrung vor jeder Erprobung. Blicken wir auf das erhobene Bedeutungsspektrum des zugrundeliegenden griechischen Begriffs, so verbindet sich mit »Versuchung« in der Vaterunser-Bitte nicht die Absicht, ein Scheitern zu provozieren. Angeknüpft wird vielmehr an der Sinnlinie »Erprobung durch Gott«. Jedoch wird um Bewahrung vor solcher Erprobung gebetet, weil der Beter unsicher ist, ob er sie besteht. Die Bitte ist nicht Besänftigungsgeste, sondern Ausdruck des Gottvertrauens: Im Wissen um die eigene Schwäche angesichts des Anspruches Gottes wendet sie sich gerade an Gott. </div>
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<b>Aramäische Lösung?</b></div>
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Die gebräuchliche Übersetzung der 6. Vaterunser-Bitte lässt sich also in den Kontext des Gebets wie auch der Gottesverkündigung Jesu im Ganzen einordnen. Sie wird gleichwohl in Zweifel gezogen, weil der Text die griechische Übersetzung eines ursprünglich aramäisch formulierten Gebetes sei. Und im Aramäischen gibt es die Möglichkeit, durch einen bestimmten Verbstamm den Verursacher einer Handlung auszudrücken (sogenannter Kausativ-Stamm). Im Deutschen kann man sich das vielleicht durch den Zusammenhang klar machen, der zwischen <i>trinken</i> und <i>tränken</i> besteht: Wer ein Tier tränkt, verursacht, dass es trinkt (s.a. <i>saugen</i> und <i>säugen</i>). Wenn man nun die Formulierung »führe uns nicht« als Übersetzung einer solchen kausativen Aussage versteht, könnte sie bedeuten: »mache, dass wir nicht kommen«. Und das wäre ganz im Sinne des schon länger diskutierten Alternativvorschlags: »Lass uns nicht in Versuchung geraten« (so auch die neue französische Formulierung: »ne nous laisse pas entrer en tentation«). Ob man damit den ursprünglichen Sinn trifft, ist allerdings keineswegs sicher. Denn die verneinte kausative Aussage könnte auch anders lauten: »Mache nicht, dass wir kommen.« Und das bedeutet so viel wie: »Führe uns nicht.« Der Rückgang auf das Aramäische kann die übliche Übersetzung des griechischen Textes nicht widerlegen. </div>
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<b>Caesar pontem fecit</b></div>
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Nun bietet, worauf mich ein Gräzist hingewiesen hat, das Griechische (wie das Lateinische) die Möglichkeit, kausativ zu verstehende Verbalhandlungen auf den Verursacher hin zu konzentrieren. Da heißt es etwa nicht »Caesar ließ eine Brücke bauen«, sondern »Caesar baute eine Brücke« (Caesar pontem fecit), obwohl Caesar keinen Finger gerührt hat bei der Errichtung der Brücke. Ob ein solcher Sinn vorliegt, kann sich nur aus dem Zusammenhang der Aussage ergeben – beim Pontifex Caesar etwa aus dem Wissen um dessen sozialen, politischen und militärischen Rang. Eine solche Eindeutigkeit ergibt sich im Fall der Versuchungsbitte aber nicht, wie die semantische Weite des Wortfeldes ergeben hat. </div>
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Auch die Aussage in Jak 1,13f (»Niemand soll sagen: Ich werde von Gott versucht«) schafft keine Eindeutigkeit. Hier scheint mit »versuchen« das Zu-Fall-bringen gemeint zu sein, nicht die Erprobung, die zuvor in 1,2f unter dem Begriff πειρασμός in positivem Sinn der Bewährung des Glaubens zur Sprache kam: Wenn die Glaubenden in mannigfache Versuchungen (πειρασμοὶ ποικίλοι) geraten, sollen sie das für lauter Freude erachten, weil die Prüfung (τὸ δοκίμιον) des Glaubens Geduld bewirkt. Ein solche Versuchung muss von anderer Art sein als diejenige, die von den »eigenen Begierden« ausgeht (Jak 1,14). Auch der Jakobusbrief verwendet das verhandelte Wortfeld also nicht einlinig. Deshalb ist es schon beim Blick allein auf dieses Schreiben schwierig, Jak 1,13f zum Interpretationsschlüssel der 6. Vaterunser-Bitte zu machen. Im Rahmen des biblischen Zeugnisses sehe ich keinen hinreichenden Grund, die sechste Vaterunser-Bitte anders zu übersetzen als »Führe uns nicht in Versuchung«. </div>
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<b>Gott und Versuchung</b></div>
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Die Verbindung von Versuchung und Satan, die der Papst in seinem Interview betont hat, hebt nach dem neutestamentlichen Zeugnis den Zusammenhang mit dem Willen Gottes nicht auf. Dies zeigt sich zum Beispiel in der Versuchungsgeschichte: Nach Mt 4,1 führt der Geist, der nach der Taufe auf Jesus herabkommt, Jesus in die Wüste, <i>damit er vom Satan versucht würde</i>. Die Versuchung selbst wird mit Satan verbunden; <i>dass</i> dies aber geschieht, geht letztlich auf Gott zurück. </div>
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Auch grundsätzlich gilt: Die Rückführung der Versuchung auf Satan kann deren Verbindung mit Gott nur um den Preis einer dualistischen Weltdeutung vermeiden, nach der das Böse eine Gott entgegengesetzte und ihm ebenbürtige Macht darstellt. Setzt man dies aus gutem Grund für die jüdisch-christliche Tradition nicht voraus, dann ist das Wirken Satans nicht ohne göttliche Bevollmächtigung zu denken: Es ist auch der Wille Gottes, dass Satan Menschen in die Irre führen kann. Dann zielt die Bitte dem Alternativvorschlag (»Lass uns nicht in Versuchung geraten«) zufolge darauf, Gott möge die von ihm selbst verliehene Wirkmächtigkeit des Bösen nicht am Beter zum Austrag kommen lassen. Gott bleibt in die Versuchung involviert. Ist die sich hier zeigende Gottesvorstellung wirklich weniger anstößig als diejenige, nach der Gott um Verschonung vor Erprobung gebeten wird? </div>
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Die alternative Formulierung der Vaterunser-Bitte bezieht sich nun nicht notwendig auf Satan als Urheber der Versuchung. Nach Jak 1,14 liegt der Ursprung der Versuchung, wie bereits bemerkt, im Menschen selbst: in den »eigenen Begierden«. Auf dieser Linie ließe sich »Lass uns nicht in Versuchung geraten« als Bitte an Gott lesen, dass er unserer Schwachheit aufhelfe. Gott wird gebeten, etwas zu verhindern, und nicht – wie in der gängigen Übersetzung – etwas nicht zu tun. Geht es in diesem Fall darum, <i>Gott von etwas abzuhalten</i>, so im Fall der Alternative um die Bitte an Gott, <i>etwas abzuhalten</i>. </div>
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Die größte Differenz zwischen beiden Übersetzungen scheint mir in der Deutlichkeit zu liegen, mit der von einem Anspruch Gottes an den Menschen ausgegangen wird. Wer darum bittet, von Gott nicht in Versuchung geführt zu werden, geht davon aus, dass es Gott zukommt, ihn auf die Probe zu stellen, ihn durch Anfechtung und Prüfung zu führen: Gott kann mich fordern; ich bitte aber darum, dass er es nicht tut. Die alternative Formulierung spricht Gott darauf an, dass er Situationen der Erprobung verhindern möge (das Fordernde erschiene allein indirekt, insofern Gott die Verhinderung versagen könnte). Wenn sie favorisiert wird, dann wohl, weil dieses Gottesbild freundlicher scheint. Dass auch die übliche Übersetzung den Rahmen des vertrauensvollen Gebets an Gott als Vater nicht verlässt, haben die obigen Überlegungen hoffentlich deutlich gemacht.</div>
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<b>Die pastorale Frage</b><br />
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Es bleibt die pastorale Frage: Soll man an der üblichen Übersetzung festhalten, wenn sie das Missverständnis produziert, die Bitte wolle einen in die Falle lockenden Gott abwehren? Ist an ein täglich gesprochenes Gebet nicht die Forderung zu stellen, dass es den Betern ohne Schwierigkeit verständlich ist? Diese Frage ist sicher berechtigt, doch man kann auch die Gegenfrage stellen, ob sich nicht gerade bei einem täglich gesprochenen Gebet die Mühe lohnt, Hürden zu überspringen und sich den Sinn zu erarbeiten. Das Anstößige kann auch Anstoß sein weiterzudenken: Gott könnte mich auf die Probe stellen, der Glaube muss sich auch bewähren in den Widrigkeiten und Bedrängnissen. Ich akzeptiere das und weiß zugleich um meine Schwäche – und bitte deshalb um Bewahrung vor solcher Erprobung. </div>
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Zugleich ist in pastoraler Hinsicht gerade bei einem Grundgebet wie dem Vaterunser zu bedenken, dass sicher nicht wenige Beterinnen und Beter <i>in einem bestimmten Wortlaut zuhause </i>sind. Ihn abzuändern hat deshalb immer etwas Problematisches. Es scheint deshalb sinnvoll, solche Änderung auf die Fälle zu beschränken, in denen sich der Sprachgebrauch gewandelt hat (wie das vor einiger Zeit mit dem »Ave Maria« geschehen ist, als »Weiber« durch »Frauen« ersetzt wurde). Die Schwierigkeit steckt wohl vor allem im schillernden Begriff der »Versuchung«. Vielleicht ist es bei ihm ähnlich wie beim biblischen Begriff der »Gerechtigkeit«. Die Übersetzung trifft nicht genau das, was gemeint ist; aber wir haben auch keinen passenden anderen Begriff, mit dem wir die zugrundeliegenden hebräischen Vokabeln (<i>zädäq</i>, <i>zedaqah</i>) wiedergeben könnten. In einem solchen Fall kommt man nicht um die Anstrengung inhaltlicher Klärung herum. </div>
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Ökumenisch ist zu bedenken, dass das Vaterunser im deutschen Sprachraum die Konfessionen verbindet. Die EKD bleibt offensichtlich beim bisherigen Wortlaut (s. <b><i><a href="http://www.evangelisch.de/inhalte/147361/08-12-2017/papst-franziskus-vaterunser-uebersetzung-versuchung?kamp=b-070&kamp_r=start" target="_blank">hier</a></i></b>). Eine einseitige Änderung würde ein sicher bedauerliches konfessionelles Profil mit sich bringen. </div>
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<b>Cool down</b></div>
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Zum Schluss noch ein Wort zur Deeskalation. Es dürfte deutlich geworden sein, dass die philologischen Fragen nicht ganz einfach und eindeutig zu lösen sind. Auch wer (wie ich ja selbst) dafür eintritt, den deutschen Wortlaut der Gebetsbitte nicht zu ändern, muss deshalb der anderen Position nicht unterstellen, Jesus korrigieren oder die Wort Jesu verfälschen zu wollen (s. <b><i><a href="http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/voderholzer-kritisiert-neuubersetzung-des-vaterunsers" target="_blank">hier</a></i></b>). In der Eindeutigkeit, wie es diese Kritik voraussetzt, sind die Worte Jesu auf Deutsch nicht zu haben. </div>
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Und erst recht gilt das für die Worte Jesu auf Deutsch, sofern sie eine Übersetzung aus dem Aramäischen sind, das wiederum aus dem Griechischen übersetzt wurde. Franz Alt hat ein Buch herausgegeben mit dem Titel »<strike>Was Günther Schwarz wirklich übersetzt hat</strike>« »Was Jesus wirklich gesagt hat« und ist »überzeugt, dass die Hälfte der Jesusworte, so wie sie in unseren Bibeln stehen, falsch übersetzt oder gar bewusste Fälschungen sind.« (s. <b><i><a href="http://www.sonnenseite.com/de/franz-alt/kommentare-interviews/was-jesus-wirklich-gesagt-hat10654.html" target="_blank">hier</a></i></b>) Knapp 2000 Jahre nach der ursprünglichen Übertragung der Jesustradition ins Griechische hat es endlich einer besser gekonnt als die erste christliche Generation – und das, obwohl er nur die Texte hatte, die damals übersetzt und überliefert wurden! Die alte Weisheit bewahrheitet sich auch hier: Misstraue jedem Buchtitel, der »Jesus« und »wirklich« zusammenbringt.<br />
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Es empfiehlt sich, Übersetzungsfragen ohne Anspruch auf endgültige Wahrheit zu diskutieren.<br />
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_________________________<br />
<i>Foto: Anna Gruber Bischof</i></div>
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Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com6tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-81956617300114125052017-05-02T23:10:00.000+02:002017-05-05T23:54:35.840+02:00In der Fertigungshalle einer Eklatfabrik»<b><i><a href="http://kath.net/news/59358" target="_blank">Erneut Eklat um katholisch.de-Mitarbeiter Odendahl</a></i></b>« so wird ein Aufreger angekündigt, der zeigt, wie man einen Eklat dadurch produziert, dass man über ihn schreibt. Es geht um eine Diskussion auf Facebook, die von einem Kommentar des früheren Sprechers des Bistums Limburg, Martin Wind, ausging. Der hatte in Reaktion auf eine Meldung über den neuen <b><i><a href="http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/strenge-vorgaben-furs-chatten-und-liken" target="_blank">»Social Media Codex«</a></i></b> im Bistum Augsburg geschrieben:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Es gibt ein vorgeblich katholisches Portal, dem wäre manches erspart geblieben, hätten die Mitarbeiter (einer beleidigte AfD-Wähler und -mitglieder via Twitter als "Arschlöcher") und andere Subalterne (schrieben herablassend-rassistisch über Christen Afrikas und versuchen permanent römisch-katholische Christen der Lächerlichkeit auszusetzen) zumindest diese Richtlinien beachtet, wenn schon ihre Erziehung solche Entgleisungen nicht verhindern konnte ...«</blockquote>
Diese recht unfreundliche Wortmeldung hat einer der Angegriffenen ebenfalls unfreundlich kommentiert:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Herr Wind, da haben Sie ja Glück, dass Sie nicht mehr im kirchlichen Dienst stehen. Sonst hätten Sie mit ihrem volksverhetzenden Facebook-Account aber nicht mehr viel zu lachen...«</blockquote>
Die Kennzeichnung von Winds Facebook-Account als »volksverhetzend« soll eine Diskussion ausgelöst haben, die auf <i>kath.net</i> so charakterisiert wird:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Auf Facebook wird inzwischen sogar von Juristen diskutiert, ob die Aussage von Odendahl nicht sogar rufschädigend ist. Ob juristische Schritte gegen Odendahl eingeleitet werden, ist derzeit noch nicht klar.«</blockquote>
Wo das auf Facebook von welchen Juristen diskutiert wird, erfahren wir nicht. Ich habe überhaupt nur eine Diskussion gefunden: unmittelbar unter Winds Kommentar (auf der <b><i><a href="https://www.facebook.com/katholisch.de/?fref=ts" target="_blank">Facebookseite von katholisch.de, 24. April 2017, 15:34 Uhr</a></i></b>). Möglicherweise ist ja eine(r) der Diskutanten Jurist(in), das ist aber nicht schon dadurch begründet, dass man Paragraphen zitiert und darüber streitet, ob die Aussage von Björn Odendahl justiziabel sei. Der Redakteur von <i>katholisch.de</i> hat kommentiert, er habe genug Material, um seinen Vorwurf zu belegen. Dass dies nicht aus der Luft gegriffen ist, kann man sich jedenfalls vorstellen. Wer Sigmar Gabriel als »linke[n] Flügelstürmer der Hamass« bezeichnet (<b><i><a href="https://www.facebook.com/martind.wind?fref=ts" target="_blank">Facebookseite von Martin D Wind, 26.4.2017, 9:22 Uhr</a></i></b>), hat einen Hang zu grenzwertiger Polemik. Und wenn man – angesichts der überschaubaren Textmenge – begründet annimmt, dass das Doppel-s kein Tippfehler ist, kann man die Grenze auch als überschritten betrachten.<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://4.bp.blogspot.com/-QCdRzGH8-Go/WQjphFjqNHI/AAAAAAAADbk/u61Jl6WPpbY5qI9ZWrpYfQauFw38YpM7wCLcB/s1600/Fabrikhalle.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="320" src="https://4.bp.blogspot.com/-QCdRzGH8-Go/WQjphFjqNHI/AAAAAAAADbk/u61Jl6WPpbY5qI9ZWrpYfQauFw38YpM7wCLcB/s1600/Fabrikhalle.jpg" width="200" /></a></div>
Aber unser Thema ist nicht die Beurteilung des Konflikts, der auf der Facebookseite von <i>katholisch.de </i>ausgetragen wurde, sondern die Fabrikation eines Eklats auf <i>kath.net</i>. Die Beurteilung bleibt schwierig, denn die pauschale und verwaschene Quellenangabe (»Auf Facebook wird inzwischen sogar von Juristen diskutiert«) macht es möglich, so ziemlich alles zu behaupten. Überprüfen kann das niemand. Wo Nebelkerzen geworfen werden, soll man ja nichts klar erkennen.<br />
<br />
Ich versuche es trotzdem und gehe davon aus, dass sich die oben zitierte Aussage tatsächlich auf die genannte Kommentardiskussion bezieht. Unter dieser Voraussetzung ist sie ein bemerkenswertes Beispiel von Desinformation. Verschleiert wird die Überschaubarkeit der Diskussionsteilnehmer (zu der hier verhandelten Frage: sieben, einschließlich Björn Odendahl). Und es wird, ohne es ausdrücklich zu sagen, der Eindruck erweckt, es würden juristische Schritte gegen Odendahl zumindest erwogen.<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Ob juristische Schritte gegen Odendahl eingeleitet werden, ist derzeit noch nicht klar.«</blockquote>
Das ist zwar richtig, aber genauso richtig ist, dass noch nicht klar ist, wer der nächste Papst ist oder wie das Wetter in diesem Sommer wird. Nicht alles, was richtig ist, trägt auch etwas zur Sache bei. Niemand in dieser Diskussion erwägt, gegen Odendahl juristische Schritte einzuleiten. Seine Gegner beklagen, er hätte Martin Wind unzulässig beschuldigt; einer meint, nur Martin Wind könne den Rechtsweg einschlagen. Die Passivkonstruktion (»ob juristische Schritte eingeleitet werden«) verdeckt, ob konkrete Information hinter der Aussage steckt.<br />
<br />
Wer die besagte Diskussion auf Facebook liest, kommt nicht auf die Idee, es habe einen Eklat um Odendal gegeben. Vielmehr haben sich fünf Leute (maximal sechs, wenn man einen weiteren dazurechnet, der sich aber nicht inhaltlich äußert) über Odendahls Vorwurf echauffiert, Martin Winds Account sei volksverhetzend. Der Eklat entsteht erst auf der <i>kath.net</i>-Seite: Die »Berichterstattung« produziert ihren Gegenstand (so ganz neu ist das nicht, s. <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/11/jager-des-verlorenen-satzes.html" target="_blank">hier</a></i></b>).<br />
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Wie recht hat doch der Kommentator, der in dieser Diskussion schrieb:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Man man man, das ist aber mal der Hammer, wie da mit jemanden umgegangen wird, bloß weil er der Hausmeinung eines Portals nicht zustimmt und man ihm Drohungen gegenüber seiner beruflichen wie auch privaten Existenz zukommen lässt!«</blockquote>
Ach so, das war gegen <i>katholisch.de</i> gerichtet? Es passt aber viel besser für die Gegenseite, die gerade versucht hat, zumindest die berufliche Existenz von Björn Odendahl anzugreifen. Dagegen geht es in dessen Reaktion auf Martin Winds Kommentar darum, dass die Facebook-Aktivitäten des ehemaligen Bistumssprechers mit den Richtlinien aus Augsburg nicht vereinbar wären. Dieses Urteil dürfte kaum zu bezweifeln sein. Mit der Einschätzung dieser Aktivitäten als volksverhetzend verbindet sich keinerlei Drohung. Dass dies dem Kommentator entgangen ist, zeigt, wie selektiv die Wahrnehmung in solchen Diskussionen laufen kann.<br />
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Es wäre schön, wenn dies nicht noch durch einen katholischen Erregungs-Journalismus befördert würde.<br />
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__________________________<br />
<i>photo credit: HIRO LIFT <a href="http://www.flickr.com/photos/75965957@N08/13310294424">Werkshalle_HIRO_LIFT_1927</a> via <a href="http://photopin.com/">photopin</a> <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/">(license)</a></i> Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-19856294395073694282017-04-20T21:34:00.000+02:002017-04-20T21:34:56.450+02:00Osterwitz-Figur NikodemusIn den letzten Tagen hat ein Osterwitz in verschiedenen Variationen die Runde gemacht: Nikodemus versucht entweder Josef von Arimathäa zur Herausgabe seines Familiengrabes für die Beisetzung Jesu zu gewinnen oder sich vor seiner Frau zu rechtfertigen, dass er selbst das Familiengrab für diesen Zweck hergegeben hat. Entscheidendes Argument in beiden Fällen: »Es ist ja nur für das Wochenende« (wahlweise: »nur für drei Tage)«. Zuerst habe ich gelacht, dann meldete sich der Exeget und sagte: »Eine interessante Fortschreibung der johanneischen Figurenzeichnung!«<br />
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Man muss Exegeten nicht dafür bedauern, dass sie Osterwitze nicht ohne Hintergedanken genießen können. Wie sich zeigen wird, kann man Osterwitze auch exegetisch ausschlachten. Aber der Reihe nach: Schauen wir uns die Nikodemusfigur im Johannes-Evangelium etwas näher an.<br />
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<b>Das nächtliche Gespräch mit Jesus</b><br />
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Erstmals taucht Nikodemus in 3,1 auf. Nachts besucht er Jesus. Dabei soll er als Vertreter einer Gruppe wahrgenommen werden. Da er zu Beginn als »Führender der Juden« (ἄρχων τῶν Ἰουδαίων) bezeichnet wird, dürfte er wohl als Repräsentant der Juden gedacht sein. Nicht in dem Sinn, dass er die Stellung der Juden zu Jesus insgesamt abbildet, aber doch so, dass er nicht einfach als »Privatperson« bei Jesus erscheint. Dafür spricht im Übrigen auch, dass Nikodemus selbst das Gespräch mit einer pluralischen Formulierung eröffnet: »Rabbi, wir wissen …« Wahrscheinlich weist die Gestalt des Nikodemus (als Vertreter einer Gruppe) auf jüdische Sympathisanten der Christusverkündigung, die aber den Schritt zum offenen Bekenntnis nicht vollziehen. Dies wird bereits in der Begegnung des Nikodemus mit Jesus inszeniert: Die grundsätzlichen Aussagen über den Menschensohn sowie die Sendung des Sohnes und die Bedeutung des Glaubens an ihn (3,13-21) bleiben ohne Reaktion – weder positiv noch negativ nimmt Nikodemus Stellung zu den Worten Jesu, er verschwindet unbemerkt aus der Szene. Dies ist sicher kein kompositorischer Unfall, sondern verdankt sich bewusster Gestaltung. Tatsächlich bleibt Nikodemus im ganzen Evangelium wohl in dieser Unentschiedenheit in seiner Stellung zu Jesus.<br />
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<b>Nikodemus unter Hohepriestern und Pharisäern</b></div>
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In der ersten der zwei noch folgenden einschlägigen Szenen (7,45-52) ist Nikodemus der einzige im Kreis von Hohepriestern und Pharisäern, der für Jesus eintritt. Allerdings ist auch dieses Eintreten kein Bekenntnis zu Jesus. Nikodemus verlangt nur ein dem Gesetz entsprechendes Verfahren: Der Angeklagte muss zuerst gehört werden. Die Pointe des Einwurfs liegt darin, dass die Pharisäer zuvor dem Volk die Gesetzeskenntnis abgesprochen haben und nun von Nikodemus gerade an die Bestimmungen des Gesetzes erinnert werden. Insofern ist sein Einwurf durchaus provokant und wird von den anderen auch so empfunden. Nikodemus wird der Parteilichkeit verdächtigt bzw. der Anhängerschaft für Jesus (»bist etwa auch du aus Galiläa?«) und seinerseits an die Schrift verwiesen: »Forsche nach und sieh, dass aus Galiläa kein Prophet ersteht«. Darauf entgegnet Nikodemus nichts. Da ausdrücklich an die erste Szene in Kap. 3 erinnert wird (7, 50), zeigt sich: Nikodemus ist durch das Gespräch mit Jesus weder zum Bekenntnis noch zur Ablehnung gekommen. Er bezeugt auch hier eine offene Haltung: Jesus muss wenigstens gehört werden. Er hat ihn schon gehört und hat darin offensichtlich nichts gefunden, was zu einer Verurteilung Jesu führen müsste.<br />
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<b>Der Bestatter</b></div>
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<a href="https://4.bp.blogspot.com/-7tYkLdvA5Xs/WPkMNS24PZI/AAAAAAAADaQ/W9EypjaUcLsIwQpaLldtOUfvkwcjLkPPgCLcB/s1600/2900099420_52429cd746_n.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="https://4.bp.blogspot.com/-7tYkLdvA5Xs/WPkMNS24PZI/AAAAAAAADaQ/W9EypjaUcLsIwQpaLldtOUfvkwcjLkPPgCLcB/s1600/2900099420_52429cd746_n.jpg" width="320" /></a></div>
In der Begräbnisszene ist das Verhalten des Nikodemus nicht eindeutig zu fassen. Kommt er erst, als es ungefährlich ist (zu Pilatus geht nur Josef von Arimathäa: 19,38)? Ist seine Beteiligung am Begräbnis als Bekenntnis zu Jesus zu verstehen oder bleibt seine Sympathie weiter unbestimmt? In der Exegese ist das umstritten. Nach Peter Dschulnigg ist Nikodemus ganz positiv zu sehen: Von den Pharisäern trenne er sich schließlich und erweise sich »als wahrer Anführer der Juden«, als »vorbildlicher Lehrer Israels ..., der beispielhaft über drei Stufen zum Glauben an Christus und so zum ewigen Leben findet« (<i>Peter Dschulnigg</i>, Jesus begegnen. Personen und ihre Bedeutung im Johannesevangelium. Münster 2000, 120f; in diesem Sinn auch <i>Johannes Beutler, </i>Das Johannesevangelium. Kommentar, Freiburg 2013, 510f). </div>
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Man kann den Akzent allerdings auch so setzen, dass Nikodemus zu spät wieder in Jesu Nähe kommt: eben erst, wenn Jesus gestorben ist. Er bereitet ihm zwar ein aufwändiges Begräbnis, verpasst aber, wenn er sich dem Leichnam Jesu widmet, gerade so die Wirklichkeit Jesu als Lebensspender und Leben. So wird hier von einem Bekenntnis zu Jesus weder etwas gesagt, noch wird es eindeutig mit erzählerischen Mitteln inszeniert. Dann lässt sich Nikodemus den Leuten zuordnen, die in 12,42f wenig schmeichelhaft beurteilt werden: Aus Furcht vor Synagogenausschluss (deutlich anachronistisch) bekennen sie sich nicht offen zu Jesus, sie lieben nämlich die Ehre der Menschen mehr als die Ehre Gottes (vgl. <i>Klaus Wengst</i>, Das Johannesevangelium, Bd. I, Stuttgart 2000, 117f.).<br />
<b><br /></b>
<b>Angezielte Offenheit?</b></div>
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Man könnte daran denken, dass der Evangelist die Gestalt des Nikodemus bewusst für unterschiedliche Einschätzungen offen hält. Aber auch wer in Nikodemus einen Glaubensweg markiert sieht, kann sich die Figur nicht unmittelbar zum Vorbild nehmen. <i>Es gilt, den einen Schritt zu tun, der von diesem Sympathisanten nicht mehr erzählt wird: das ausdrückliche Bekenntnis zu Jesus</i> (der Osterwitz füllt genau diese Lücke). Vielleicht wird auch deshalb in den beiden späteren Nikodemus-Szenen an die nächtliche Begegnung erinnert (3,1-21; s. 7,50; 19,39), in deren Rahmen das christologische Bekenntnis grundsätzlich entfaltet wird. </div>
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So scheint doch mehr dafür zu sprechen, den Akzent auf das <i>Fehlen </i>des ausdrücklichen Bekenntnisses zu legen und Nikodemus nicht zum Jesusjünger zu machen. Und dies ließe sich gerade mit dem Osterwitz in der familiären Variante verdeutlichen. Nicht unrealistisch wäre nämlich angesichts von Joh 19,39, dass sich die Frau des Nikodemus durch die vorgetragene Rechtfertigung gar nicht so recht beruhigen kann:</div>
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<h3>
»Nur fürs Wochenende? Und dafür schmeißt Du hundert Pfund kostbare Mischung aus Myrrhe und Aloe aus dem Fenster?!«😠</h3>
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<i>photo credit: dierk schaefer <a href="http://www.flickr.com/photos/26480501@N06/2900099420">Heiliges Grab, Beweinung, Epinal</a> via <a href="http://photopin.com/">photopin</a> <a href="https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">(license)</a>
</i></div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-24514225619436345242017-04-13T13:51:00.000+02:002017-04-13T13:51:07.966+02:00Wenn der kleine Hunger Jesu kommt<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://3.bp.blogspot.com/-lqOM-0XwPRc/WO83XslbgWI/AAAAAAAADX4/2jOJYbDSDY8LuPJRu6wN44ghMz6elQmhgCLcB/s1600/fig-tree-1333574_1280.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="180" src="https://3.bp.blogspot.com/-lqOM-0XwPRc/WO83XslbgWI/AAAAAAAADX4/2jOJYbDSDY8LuPJRu6wN44ghMz6elQmhgCLcB/s1600/fig-tree-1333574_1280.jpg" width="320" /></a></div>
»<b><i><a href="http://katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/mit-leerem-bauch-zur-tempelreinigung">Mit leerem Bauch zur Tempelreinigung</a></i></b>« , so lautet der Titel eines Interviews mit Thomas Schwartz, dem Autor des jüngst erschienenen Buches »Auch Jesus hatte schlechte Laune«. Solches Wissen über Jesu Mageninhalt und Gemütsverfassung sowie den Zusammenhang zwischen beidem macht selbstverständlich neugierig. Im Markus-Evangelium erfolgt die Tempelreinigung (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%2011%2C15-18/bibel/text/lesen/ch/3ffd64ee0f596ab33c41e7dc8c50eede/" target="_blank">11,15-18</a></i></b>) im Anschluss an eine äußerst rätselhafte Episode, die einen hungrigen Jesus präsentiert (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%2011%2C15-18/bibel/text/lesen/ch/3ffd64ee0f596ab33c41e7dc8c50eede/" target="_blank">11,12-14</a></i></b>). Jesus verflucht einen Feigenbaum, weil der, Jesu Hunger zum Trotz, keine Früchte trägt – ja nicht einmal tragen kann, weil gerade nicht »die Zeit der Feigen ist« (11,13). Deutet man die Handlung Jesu als Ausdruck schlechter Laune und geht man davon aus, dass Jesus auch in der Zwischenzeit an keinem Falafel-Stand vorbeigekommen ist, dann mag sich auf den ersten Blick nahelegen, dass Jesus »quasi bauchgesteuert zur Tempelreinigung schreitet« und »einfach stinksauer in den Tempel geht, weil er vorher nichts zu essen bekommen hat.«<br />
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Die Peinlichkeit des dadurch entstehenden Jesusbildes lässt sich dogmatisch überspielen, zeigt sich Jesus doch so »völlig als ein wahrer Mensch, wie ihn auch das Credo bekennt, mit menschlichen Bedürfnissen.« Allerdings erwarten wir gewöhnlich selbst von Menschen, denen wir keine besondere Verehrung entgegenbringen, ein etwas reiferes Verhalten, als es diese Auslegung Jesus zuschreibt. Dass Jesus in der Tempelreinigung einfach seiner Unterzuckerung Tribut zollt und sich an Geldwechslern und Tierverkäufern abreagiert, scheint eher in die Kategorie »allzu Menschliches« zu gehören als zum Bekenntnis »wahrer Mensch«. Zugegebenermaßen mögen hier die Geschmäcker verschieden sein. Meine Vermutung ist: Dieser unbeherrschte Jesus wirkt dann attraktiv, wenn man ein einseitig göttliches Jesusbild, dem menschliche Züge fehlen, vor Augen hat. Dann mag selbst die Vorstellung eines übelgelaunten Rabauken als Gegenbild akzeptabel scheinen.<br />
<br />
<b>Der literarische Charakter der synoptischen Evangelien</b><br />
<br />
Wie dem auch sei, als Exeget tut man sich schwer mit dem Zusammenhang von Magenknurren und Tempelreinigung. Ich greife dieses Beispiel auf, weil sich an ihm das Profil eines exegetisch informierten Zugangs zum biblischen Text recht gut darstellen lässt. Deutlich gesagt: Der genannte Zusammenhang missachtet den literarischen Charakter der synoptischen Evangelien. Diese sind aus kleinen, in sich abgerundeten Einheiten komponiert und lassen in der Darstellung der Personen, auch der Hauptfigur, vieles vermissen, was nach heutigem Verständnis zu einer Charakterisierung gehört. Diese Kürze und Offenheit kann dazu verleiten, die Lücken phantasievoll zu füllen. Und genau das geschieht, wenn die Aktion Jesu im Tempel mit ausgefallenen Mahlzeiten in Verbindung gebracht wird: Der leere Magen Jesu entsteht im Kopf des Auslegers. </div>
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Es ist nicht ersichtlich, dass die Rede vom schlechtgelaunten hungrigen Provokateur im Tempel auf die Darstellung des <i>markinischen </i>Jesus bezogen wäre. Vielmehr scheint die Auslegung auf der historischen Ebene angesiedelt zu sein. Damit ergibt sich das Problem, dass ein bei Markus bezeugter Zusammenhang – die Abfolge von Feigenbaum-Episode und Tempelreinigung – unmittelbar historisch ausgewertet wird. Seit der Arbeit von <i>Karl Ludwig Schmidt </i>(»Der Rahmen der Geschichte Jesu«, 1919) hat sich aber die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Komposition der einzelnen Erzählabschnitte im Wesentlichen das Werk der Evangelisten ist und keinen unmittelbaren Rückschluss auf die historischen Abläufe erlaubt (die Passionsgeschichte mit ihrem größeren Erzählbogen bildet natürlich ein Ausnahme, weil dort die Abfolge bis zu einem gewissen Grad durch die Geschichte vorgegeben ist). Wenn man denn dem Hungergefühl Jesu irgendeine Bedeutung für die Tempelaktion zuschreiben will, dann müsste man dies auf die Textebene des Markus-Evangeliums beziehen. Zum Jesus der Geschichte stößt die exegetische Magensonde nicht vor.</div>
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<b>Das Bild bei Markus</b><br />
<br />
Allerdings ist auch Markus sichtlich uninteressiert am Sättigungszustand des Akteurs der Tempelaktion. Dass der in 11,12 genannte Hunger irgendeine Bedeutung für das Geschehen im Tempel hat, ist nicht nur durch nichts nahegelegt; es geht auch direkt gegen den Text. Der ist ja sichtlich bemüht, das Handeln Jesu mit der <i>Schrift </i>in Verbindung zu bringen. Die Praxis am Tempel widerspricht dem Sinn dieses Ortes als »Gebetshaus für alle Völker« (Zitat <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Jes+56%2C7" target="_blank">Jes 56,7</a></i></b>) und wird deshalb von der Kritik Jeremias getroffen: Eine »Räuberhöhle« ist entstanden (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Jer+7%2C11" target="_blank">Jer 7,11</a></i></b>). Wollte man die Zitierung der Schriftworte dahingehend deuten, dass Jesus sich mit <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Dtn+8%2C3" target="_blank">Dtn 8,3</a></i></b> im Hinterkopf (»nicht nur vom Brot lebt der Mensch, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund«) wieder beruhigt und innerlich gesättigt habe, wäre nur eine weitere Textphantasie als Erklärung bemüht. </div>
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Blicken wir auf das Markus-Evangelium im Ganzen, so ergibt sich das Bild, dass Jesus mit Mangel an Nahrung durchaus fertig werden kann. Zu Beginn hält er es vierzig Tage in der Wüste aus (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+1%2C12-13" target="_blank">1,12f</a></i></b>, ohne ausdrückliche Fastennotiz), im Verlauf seines Wirkens kommt es zu solchem Andrang, dass er und seine Jünger »nicht einmal Brot essen konnten« (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+3%2C20" target="_blank">3,20</a></i></b>). Jesus äußert sich in der Folge zwar scharf über die Schriftgelehrten, tut dies aber nur in Reaktion auf deren Vorwurf, besessen und mit dem Teufel im Bund zu sein (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+3%2C22-30" target="_blank">3,22-30</a></i></b>). Wir wollen lieber nicht annehmen, dass Jesus wegen der entgangenen Mahlzeit Anlass für die Kritik der Schriftgelehrten gegeben hat. Auch im weiteren Verlauf des Markus-Evangeliums gilt Jesu Sorge in erster Linie nicht dem Essen. Der geplante Rückzug mit den Jüngern wird durch den Andrang der hirtenlosen Menge verhindert und durch die Lehre bis zum Abend ersetzt. Gegessen wird erst danach (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+6%2C30-44" target="_blank">6,30-44</a></i></b>). Und hier darf man ebenso wie in der zweiten Speisungsgeschichte (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+8%2C1-10" target="_blank">Mk 8,1-10</a></i></b>) davon ausgehen, dass Jesus vor der wunderbaren Speisung nicht als gesättigter erscheinen soll als die hungrige Menge. Kurz und gut: Ein Jesus, der im Tempel Tumult provoziert, weil ihm zuvor ein Feigenbaum die erhoffte Mahlzeit versagt hat, wäre im Markus-Evangelium ein kurioser Fremdkörper.<br />
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<b>Ein schwieriger Text</b></div>
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Zweifellos ist die Episode vom Feigenbaum schwierig. Einen Auslegungsvorschlag habe ich <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2012/11/was-kann-der-feigenbaum-dafur-dass.html" target="_blank">hier </a></i></b>schon einmal auf knappstem Raum versucht und dabei (über die Tempelreinigung hinweg) die Verbindung zur Gebetsunterweisung in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+11%2C20-25" target="_blank">Mk 11,20-25</a></i></b> betont. Die Schwierigkeit der Erzählung sperrt sich gegen den Versuch, mit ihr eine andere Begebenheit zu erklären. Wer aus ihr einen im Tempel gereizt agierenden Jesus ableitet, mag einem überhöhten und letztlich nichtmenschlichen Jesusbild mit Augenzwinkern in die Parade fahren; ein exegetisch verantwortetes Gegenbild entsteht so aber nicht.<br />
<br />
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Bild: <i><a href="https://pixabay.com/de/feigenbaum-blatt-gr%C3%BCn-garten-1333574/" target="_blank">dimitrisvetsikas1969/pixabay</a></i></div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-38850503053988055902017-03-27T23:12:00.000+02:002017-03-27T23:12:52.085+02:00Die eingebildete »Entgöttlichung Christi«Die Blogpause des vergangenen Jahres war über weite Strecken auch ein <i>kath.net</i>-Sabbatical. Nun kehre ich zurück und finde mich gleich wieder zurecht: Die Theologenbeschimpfung gehört nach wie vor zum Programm des Portals. Es kündigt »<b><i><a href="http://kath.net/news/58922">Gedanken eines Nichttheologen</a></i></b>« an. Zum Teil wird das auch eingelöst, nämlich in der Umschreibung des Autors. Dass für die Rolle des Watschenmanns Kardinal Marx vorgesehen ist, lässt auch nach einer längeren Zeit der Abwesenheit sofort Gefühle der Vertrautheit aufkommen.<br />
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<b>Die angebliche Tendenz</b><br />
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Der Kardinal hat etwas gesagt, das in Verbindung mit einer am 3. Fastensonntag gehörten Predigt eine Tendenz belegen soll. Die Predigt legte das Gespräch Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen »als Beispiel einer gelungenen Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Völker und Religionen« aus. Der Hörer und Autor des Beitrags vermisste den Bezug auf die allein Jesus zukommende Würde. </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Aber am Jakobsbrunnen begegneten sich doch nicht einfach eine samaritische Frau und ein jüdischer Mann in gegenseitiger Achtung, auch nicht einfach ein psychologisch begnadeter Wanderprediger und eine einfache Frau aus dem Volk mit ihren Sorgen und Wünschen. Hier verkündet Christus der Herr seine Botschaft vom Reich Gottes.« </blockquote>
<div>
Für die Verkündigung des Reiches Gottes wäre es gewiss förderlich, wenn Jesus in der Szene am Jakobsbrunnen vom Reich Gottes sprechen würde. Im Johannes-Evangelium tut er dies tatsächlich aber nur an zwei Stellen im Nikodemus-Gespräch (3,3 und 3,5). Gut, das ist jetzt ein Nebenschauplatz, die Unterschiede zwischen den synoptischen Evangelien und Johannes dürften für unseren Autor keine besondere Rolle spielen. Ihm geht es darum, dass Jesus im Gespräch mit der samaritanischen Frau seine Würde als Christus und Sohn Gottes bezeugt: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Wo wir diesen zentralen Aspekt der Geschichte ausklammern, da betreiben wir – wenn auch ganz unbewusst – eine Entgöttlichung unseres Herrn.« </blockquote>
<div>
Diese »Entgöttlichung« geschieht sicher nicht in einer einzelnen Predigt, die ja den Ton auch einmal auf einen ausgewählten Aspekt eines Bibeltextes legen kann. Deshalb ist ganz wichtig dass die Beobachtung »kein Einzelfall« ist. Tatsächlich gibt es auch einen zweiten – meint jedenfalls der Ankläger von Kardinal Marx. Dem Erzbischof von München und Freising wird zur Last gelegt, von der »Figur Jesu von Nazareth« gesprochen zu haben. Mit ihr müsse, so Marx, im Rahmen der notwendigen Evangelisierung die Welt und Kultur der Menschen in Berührung gebracht werden. Das schmeckt unserem Autor nun gar nicht, dennoch muss er sich das </div>
<blockquote class="tr_bq">
»… auf der Zunge zergehen lassen. 'Die Figur Jesu von Nazareth'« </blockquote>
<div>
Man könnte statt »Figur« auch »Person« oder einfach »Jesus von Nazareth« sagen, aber auch damit würde man sich den Zorn des Marx-Kritikers zuziehen. Denn der sieht in solcher Rede die programmatische Verweigerung der Göttlichkeit Jesu. Das verrät mehr über seine Sicht der Dinge als die des Kardinals.<br />
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<b>Auf den Spuren des Evangelisten Markus</b></div>
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<a href="https://4.bp.blogspot.com/-Q8JU0nMNVQc/WNj-LMoy60I/AAAAAAAADQ0/R2PWkQH4MAMkvH9neJJNW3xChWV2DVYcwCLcB/s1600/Markus.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="https://4.bp.blogspot.com/-Q8JU0nMNVQc/WNj-LMoy60I/AAAAAAAADQ0/R2PWkQH4MAMkvH9neJJNW3xChWV2DVYcwCLcB/s1600/Markus.jpg" width="142" /></a></div>
Was soll falsch sein am Versuch, die Menschen mit »Jesus von Nazaret« in Berührung zu bringen? Ein solcher Versuch verläuft immerhin in der Spur des Evangelisten Markus. Der spannt einen Bogen vom Auftreten Jesu, der »von Nazaret kommt« (Mk 1,9) bis in die Schlussszene, wo der Engel den Auferstandenen nicht nur als Gekreuzigten, sondern zuvor auch als »Nazarener« bezeichnet (16,6). Mit diesem Wort wird auf Nazaret angespielt (ähnlich wie Maria Magdalena eine Maria aus Magdala ist). Für diesen Zusammenhang spricht auch, dass die Jünger zur Begegnung mit Jesus nach Galiläa geschickt werden, also an die Wirkungsstätte Jesu (16,7). Wer meint, es gehöre zur Evangelisierung, die Menschen mit Jesus von Nazaret in Berührung zu bringen, könnte also die Person sein, die von der kirchlichen Tradition »Markus« genannt und mit dem Verfasser des zweiten Evangeliums Im Neuen Testament identifiziert wurde. </div>
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Wer sich auf <i>Jesus von Nazaret</i> bezieht, »entgöttlicht« Jesus nicht, denn mit solchem Bezug wird nicht der Anspruch erhoben, die Bedeutung Jesu umfassend zu bestimmen. Gesagt wird allerdings: Die Jesus zukommende Würde lässt sich nicht angemessen erfassen, ohne seine Geschichte einzubeziehen. Das ist genau die Position, die der Evangelist Markus in das urchristliche Bekenntnis eingebracht hat: Zum Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes (Mk 1,1) gehört auch die Erzählung vom Wirken Jesu, das von Nazaret seinen Ausgang nahm und so durch den Titel »Jesus von Nazaret« wachgerufen wird. Dies schließt die Botschaft von Tod und Auferweckung ein, aber eben als Teil der ganzen Geschichte Jesu, nicht in paulinischer Konzentration auf Ende und Ausgang des Lebens Jesu. </div>
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Der Spieß des Häresie-Vorwurfs lässt sich auch umdrehen: Wer es für kritikwürdig hält, dass den Menschen »die Figur Jesu von Nazaret« nahegebracht wird, könnte ein Problem mit der Menschheit Jesu haben. Warum empfindet man die Rede von »Jesus von Nazaret« als Reduktion des christlichen Bekenntnisses und nicht als Ansatzpunkt für eine Begegnung mit diesem Bekenntnis? Weil man es grundsätzlich für falsch hält, an der menschlichen Geschichte Jesu anzusetzen? Der Verdacht drängt sich auf, dass der Bezug auf die Menschheit Jesu bereits als »Entgöttlichung Christi« verstanden wird. Mein Interesse am Schwingen der Häresie-Keule ist gering; aber wenn einer meint, er könne die Rede von »Jesus von Nazaret« ausschlachten, um Kardinal Marx eine Verkürzung des christologischen Dogmas vorzuwerfen, kann man schon einmal auf ausgefallenere Ideen kommen.<br />
<br />
<b>Diese Theologen!</b></div>
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Nun ist die beklagte Tendenz der »Entgöttlichung Christi« mit zwei Fallbeispielen recht schwach belegt, deshalb muss noch eine allgemeine Klage über das schwindende Gottesbewusstsein her und irgendetwas gegen »die Theologen«. Denen wurde als Gruppe bis dahin in dem Beitrag zwar noch nichts nachgewiesen, aber diesem Gesindel ist doch alles zuzutrauen – wenn nicht jetzt, dann in nicht allzu ferner Zukunft: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Bald einmal werden wir soweit sein wie böse Zungen behaupten: 'Unsere Theologen könnten sehr gut auf Gott verzichten, wenn sie sich dann immer noch Theologen nennen dürften.'« </blockquote>
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Die »bösen Zungen« scheinen in dumpfen Köpfen zu stecken. Warum sollten sich Theologen Theologen nennen wollen, wenn sie »sehr gut auf Gott verzichten« können? Als Ehrentitel gilt »Theologe« in der heutigen Zeit ja nicht, wie wir gerade unlängst bestätigt sehen konnten (s. <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2017/03/das-bier-im-kuhlschrank-und-die.html">hier</a></i></b>). Wahrscheinlich geht es gar nicht um die Bezeichnung »Theologen«, sondern um das Klischee der saturierten und gutbezahlten Staatsbeamten, die nur diesen Status nicht verlieren wollen – an Gott, Glaube oder Kirche liege ihnen aber nichts oder nicht viel. Sicher: Gesagt wird das nicht, aber so lässt sich dem zitierten Satz wenigstens irgendein Sinn abgewinnen.<br />
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<b>Gefühlte Wahrheit</b></div>
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Um mit dem Theologen-Bashing Wirkung zu erzielen, ist, wie sich zeigt, die Schlüssigkeit der Darstellung kein zwingendes Erfordernis. <i>Michael Schneider-Flagmeyer</i> meint, der Beitrag habe </div>
<blockquote class="tr_bq">
»anschaulich dargelegt, wie die Entgöttlichung Christi über die Theologie in der ganzen Kirche – und nicht nur in der katholischen – das Denken, Rede und Predigt überwältigt hat.« (s. <b><i><a href="http://blog.forum-deutscher-katholiken.de/?p=7975#more-7975">hier</a></i></b>) </blockquote>
<div>
Die Aussage bezieht sich tatsächlich auf den hier besprochenen Artikel und seine zwei (angeblichen) Belege für die »Entgöttlichung Christi«. Daraus wird die anschauliche Darlegung eines Sachverhalts »in der ganzen Kirche – und nicht nur in der katholischen«. In solch kühnem Sprung zeigt sich die Macht bestehender Deutemuster. Durch sie weiß man schon, was richtig ist, und dieses Wissen ergänzt, was an Argumenten fehlt. </div>
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Oder anders: Die eigene Meinung hält man halt immer für gut begründet.<br />
<br />
__________</div>
<i>photo credit: Lawrence OP <a href="http://www.flickr.com/photos/35409814@N00/14001748412">St Mark the Evangelist</a> via <a href="http://photopin.com/">photopin</a> <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/">(license)</a></i>Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com1tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-84497188730148982532017-03-24T19:24:00.001+01:002017-03-24T19:24:03.278+01:00Wie oft starb Judas?<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://1.bp.blogspot.com/-ZC140r-iEK0/WNUquGvf-wI/AAAAAAAADNg/wC1dgaxrEiMB3kTeLBrzDI-fxyLc5D2jwCLcB/s1600/Judasbaum2.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="200" src="https://1.bp.blogspot.com/-ZC140r-iEK0/WNUquGvf-wI/AAAAAAAADNg/wC1dgaxrEiMB3kTeLBrzDI-fxyLc5D2jwCLcB/s1600/Judasbaum2.jpg" width="400" /></a></div>
<div style="text-align: left;">
Wer keine Reinkarnationsvorstellungen vertritt, wird sich zutrauen, die Frage, wie oft Judas starb, eindeutig zu beantworten. In historischer Sicht ist denn auch unstrittig, dass es sich beim Tod des Judas um ein einmaliges Ereignis handelte. Umso mehr fällt auf, dass das Neue Testament zwei verschiedene Versionen von diesem Ereignis bietet, die sich gegenseitig ausschließen (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mt+27%2C3-10">Mt 27,3-10</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Apg+1%2C16-20">Apg 1,16-20</a></i></b>). Matthäus zufolge hat sich Judas aus Verzweiflung über seine Tat erhängt, nachdem ihm von den Hohenpriestern bedeutet worden war, er müsse selber mit den Folgen seiner Tat fertig werden (27,4: »Sieh du zu«). Dagegen heißt es in der Apostelgeschichte, Judas sei kopfüber gestürzt und geplatzt, so dass seine Eingeweide hervorquollen (Apg 1,18). Ein Eingreifen Gottes kommt zwar nicht ausdrücklich zur Sprache, wird aber durch die Todesart nahegelegt, zumal da Judas durch diesen Tod daran gehindert wird, das Grundstück in Besitz zu nehmen, das er sich vom Lohn für den Verrat gekauft hat.<br />
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<span style="color: #783f04;">❖</span><span style="color: #783f04;">❖</span><span style="color: #783f04;">❖</span><span style="color: #783f04;">❖</span><span style="color: #783f04;">❖</span></div>
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Die beiden Erzählungen vom Tod des Judas stimmen einzig darin überein, dass sie diesen Tod mit dem Namen eines Ackers verbinden: »Blutacker« (Mt 27,7f; Apg 1,19). Allerdings tun sie das auf ganz unterschiedliche Weise. Folgt man der Apostelgeschichte, soll der Name wohl vom gewaltsamen Tod des Judas auf seinem eigenen Acker herrühren. Es wird nicht ausdrücklich gesagt, dass Judas auf dem erworbenen Grundstück starb; die Notiz von der Namensgebung legt es aber nahe. Nach Matthäus hat der Hohe Rat von dem »Blutgeld« (27,6) einen Acker für das Begräbnis von Fremden gekauft. Der »Acker des Töpfers« (27,7) heißt nun deshalb »Blutacker«, weil an ihm das unschuldige Blut Jesu klebt.<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
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Diese Differenzen legen die Annahme nahe: Das Urchristentum hatte keine Informationen über das Geschick des Judas nach dessen Trennung vom Jüngerkreis. Andernfalls müsste man annehmen, dass die historisch zutreffende Variante eine so geringe Verbreitung hatte, dass daneben eine Erzählung mit einer abweichenden Todesart entstehen konnte. Auch ließe sich kein Kriterium für die Beantwortung der Frage angeben, welche der beiden Darstellungen historisch zu bevorzugen wäre.</div>
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Beide Versionen lassen nämlich auch bei isolierter Betrachtung Zweifel an der Historizität aufkommen. Matthäus legt den Akzent auf die Negativzeichnung der Hohenpriester und verbindet die Erzählung mit einem für ihn typischen Erfüllungszitat (27,9f). Die Besonderheiten seiner Fassung lassen sich gut aus den sonstigen redaktionellen Tendenzen erklären. Lukas bietet den Rückblick auf den Tod des Judas im Rahmen einer Rede des Petrus zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Dass sich in höchstens einem guten Monat nach dem Ereignis (spektakulärer Todesfall auf einem Grundstück) bereits eine darauf Bezug nehmende Bezeichnung (»Blutacker«) durchgesetzt haben sollte, wird mit Recht für unmöglich gehalten. Auch liegt der Verdacht nahe, dass das Zitat aus Ps 69,26 in 1,20 (»sein Gehöft soll öde werden«) dazu geführt hat, Judas ein Grundstück (griechisch: χωρίον, auch: Landgut) kaufen zu lassen – um eben dieses Zitat einbringen zu können.<br />
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<span style="color: #783f04;">❖❖❖❖❖</span></div>
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Die Erzählungen vom Ende des Judas geben den Charakter der neutestamentlichen Erzählwerke in besonderer Zuspitzung zu erkennen. Da sie sich auf der historischen Ebene gegenseitig ausschließen, ist ihr Sinn auf einer anderen Ebene zu suchen. So geht es den Evangelien und der Apostelgeschichte auch im Ganzen in erster Linie nicht um die Beschreibung dessen, was war. Sie erschließen vielmehr im Modus des Erzählens die Bedeutung von Wirken und Wirkung Jesu. Dies verhindert ihre Auswertung als historische Quellen nicht grundsätzlich (andernfalls wäre Jesusforschung unmöglich). Im Fall des Judas aber zeigt sich: Wie er tatsächlich starb, interessiert die Erzählungen von seinem Tod nicht. Sie sind nichts anderes als <i>Bausteine gedeuteter Geschichte</i>. Auf das zweite Werk des Lukas angewendet heißt das: Die Geschichte der Urgemeinde ist als eine von Gott geleitete Geschichte zu begreifen. Im Geschick des Judas erfüllt sich die Schrift (Apg 1,16.20), in deren Licht dieses Geschick zudem als Auftakt für die Nachwahl des Matthias zu sehen ist (zweites Zitat in 1,20). Auch Matthäus verbindet durch das Zitat in 27,9f den Gedanken der Erfüllung von Verheißung mit dem Ende des Judas. Darüber hinaus nutzt er die Erzählung zur Figurenzeichnung: Die näheren Umstände des Todes offenbaren die Bosheit derer, die die Hinrichtung Jesu betreiben.<br />
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<span style="color: #783f04;">❖❖❖❖❖</span></div>
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<i>Das Bild oben zeigt den Baum bei Bet Shean, der bei den Dreharbeiten </i><i>für den Film »Jesus Christ Superstar« (1973) </i><i>in der Szene vom Ende des Judas verwendet wurde. (s. Video </i><b><a href="https://www.youtube.com/watch?v=xnbbI9UV_ag">hier </a></b><i>ab 1:48:13). Man hat sich also für die matthäische Varian</i><i>te entschieden. </i></div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-70700474644939498262017-03-16T22:46:00.000+01:002017-03-25T15:32:46.954+01:00Das Bier im Kühlschrank und die Theologie<i>Seit dem letzten Post ist nun ein Jahr vergangen. Zeit und Energie haben nicht gereicht, um dieses Blog weiter mit Beiträgen zu beliefern. Nach dieser Pause wage ich einen Neueinstieg in der Hoffnung, dass die beiden genannten Größen in der Zukunft nicht so knapp bemessen sind. Den letzten Anstoß zum erneuten Versuch gab eine Bemerkung, mit der die Naturwissenschaft von Theologie (und Esoterik) abgegrenzt werden sollte. Auf sie bin ich durch das <a href="http://www.theologie-und-kirche.de/"><b>Münsteraner Forum für Theologie und Kirche</b></a> gestoßen.</i><br />
<br />
<i><br />Vince Ebert</i>, Diplom-Physiker, Moderator, Kabarettist, fördert nicht nur das Interesse an Naturwissenschaften, sondern bietet auch Sinnstiftung angesichts der Endlichkeit menschlicher Existenz an. Für die Aussicht auf Unsterblichkeit braucht er keinen dreifaltigen Gott, die »drei Hauptsätze der Thermodynamik reichen dafür vollkommen aus« (s. Video <i><b><a href="https://www.youtube.com/watch?v=YbPH_l-5_oI">hier</a></b></i> ab 41:45). Die <span id="docs-internal-guid-d4b255af-ce79-cfee-9c61-e7e2227c62fa" style="background-color: transparent; color: black; font-family: "calibri"; font-size: 12pt; font-style: normal; font-variant: normal; font-weight: 400; text-decoration: none; vertical-align: baseline;">10</span><span style="background-color: transparent; color: black; font-family: "calibri"; font-size: 7.199999999999999pt; font-style: normal; font-variant: normal; font-weight: 400; text-decoration: none; vertical-align: super;">28</span> Atome, aus denen der Mensch besteht, gehen im Tod nicht verloren; »nichts von uns verschwindet, wir sind einfach nur weniger geordnet«. Welchen Sinn die Rede von »wir« oder »ich« in diesem ungeordneten Zustand haben kann, wird uns nicht mitgeteilt. Hier spricht einer, der so begeistert ist von der Materie, dass es ihm offensichtlich genügt, dass Teile seines Körpers in einen Stein eingehen, in einen Baum oder ein Darmbakterium. Man muss sich also nicht wundern, wenn Ebert für eine konsequent naturwissenschaftliche Weltsicht wirbt und alles nach deren Maßstäben bewertet.<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://2.bp.blogspot.com/-khFYEyl94Gk/WNZ-WymYKlI/AAAAAAAADPI/zgJHyq1szUUIbT_qOL-i7roAeK0govFnwCLcB/s1600/dna-1811955_1280.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="160" src="https://2.bp.blogspot.com/-khFYEyl94Gk/WNZ-WymYKlI/AAAAAAAADPI/zgJHyq1szUUIbT_qOL-i7roAeK0govFnwCLcB/s320/dna-1811955_1280.jpg" width="320" /></a></div>
<br />
Das unternimmt er seit 2016 als Kolumnist auf <a href="http://spektrum.de/"><i><b>Spektrum.de</b></i></a> alle 14 Tage. Leider scheint er im aktuellen Beitrag davon auszugehen, es würde die Größe der Naturwissenschaft steigern, wenn er nicht-naturwissenschaftliche Deutungen der Wirklichkeit klein macht (s. <a href="http://www.spektrum.de/kolumne/was-waere-wenn-es-die-wissenschaft-nicht-gaebe/1439694"><i><b>hier</b></i></a>). Die Furcht vor Vereinfachung quält ihn dabei nicht im Übermaß.<br />
<br />
<b>Was ist wissenschaftliches Denken?</b><br />
<br />
Zunächst wird eine sehr einfache Definition von wissenschaftlichem Denken vorgestellt ...<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Banal gesagt ist wissenschaftliches Denken eine Methode zur Überprüfung von Vermutungen.« </blockquote>
... und durch ein Beispiel mit ähnlichem Komplexitätsgrad erläutert, nämlich der Frage, ob im Kühlschrank Bier sei. Anhand der Haltung zu dieser Frage werden dann Wissenschaftler, Theologen und Esoteriker charakterisiert: Theologen geben sich normalerweise mit nicht überprüften Vermutungen zufrieden und behaupten einfach, ohne nachzusehen, im Kühlschrank sei Bier; Esoteriker dagegen sehen nach, finden nichts und behaupten dennoch: »Es ist Bier drin!« Naturwissenschaftler dagegen untersuchen selbst einen abgeschlossenen Kühlschrank mit allen möglichen Methoden: vom Schütteln, Wiegen über das Durchleuchten mit Röntgenstrahlen bis hin zum Abfackeln des Geräts mit anschließender Untersuchung der Rückstände.<br />
<br />
<b>Das Missverständnis</b><br />
<br />
Dass dieses Beispiel wenig glücklich gewählt ist, zeigt sich nicht allein an der Tatsache, dass die Verwendung eines Schlüssels oder Brecheisens zur Öffnung des Kühlschranks nicht in Erwägung gezogen wird. Es muss ein hochkompliziertes Analyseverfahren sein, um irgendwie einen Bezug zur Naturwissenschaft unterzubringen und gleichzeitig Theologen als Deppen und Esoteriker als Lügner dastehen zu lassen. Im Hintergrund des Beispiels scheint ein grobes Missverständnis von Theologie zu stehen: dass sie Aussagen trifft, die auf derselben Ebene liegen wie die naturwissenschaftliche Erklärung der Welt. Was die aufwändige Behandlung des Kühlschranks durch Schütteln, Wiegen usw. herausbekommt, wird von der Theologie einfach behauptet – als ob, auf der Ebene des Beispiels gesprochen, die Theologie sich zum Vorhandensein empirisch nachweisbarer Gegenstände äußern würde oder allgemeiner: als ob es der Theologie um Inhalte ginge, die durch naturwissenschaftliche Experimente und Messungen zu eruieren sind.<br />
<br />
Warum kommt in diesem Beispiel die Theologie eigentlich zu einer <i>positiven </i>Antwort (»im Kühlschrank ist Bier«)? Im Hintergrund steht wohl der Gedanke, Theologie sei »Rede von Gott« und setze deshalb die Vorstellung der Existenz Gottes voraus. So wird die ungeprüfte Behauptung von der Füllung des Kühlschranks mit Bier (und nicht dessen Nicht-Existenz) im bildhaften Beispiel zum Charakteristikum des Theologen. Auf diese Weise erklärt sich auch, warum ausgerechnet die Theologie zum Gegenüber des experimentellen Zugriffs auf den Kühlschrank wird und nicht etwa die Literaturwissenschaft, Soziologie oder Altertumskunde. Es geht nicht um das Gegenüber von Natur- und Geisteswissenschaft, sondern um die Bestreitung der theologischen Deutung der Welt. Die Theologie, so der Vorwurf, redet ungeprüftes Zeug über die Welt daher; Gültigkeit aber könne nur beanspruchen, was naturwissenschaftlich nachgewiesen bzw. nicht falsifiziert ist.<br />
<br />
Dieses Werturteil wird zwar nicht ausdrücklich gefällt, gibt sich aber hinter dem Beispiel zu erkennen, denn es ist so gewählt, dass eine empirisch zu entscheidende Frage verhandelt und der Theologie vorgehalten wird, diese nicht sachgerecht anzugehen oder anders: nicht Naturwissenschaft zu sein. Naturwissenschaftlich begründen lässt sich dieses Werturteil allerdings nicht.<br />
<br />
<b>Was ist Theologie?</b> <br />
<br />
Auch wenn das »Bier-im-Kühlschrank-Beispiel« die Gefahr der Albernheit mit sich bringt, nehme ich es auf und versuche an ihm zu zeigen, dass Theologie etwas anderes ist als eine einfache Existenz-Behauptung. Theologie ist ja mit »Rede von Gott« noch nicht zutreffend erfasst, sie ist vielmehr Reflexion der Rede von Gott, die vom Standpunkt des Glaubens aus unternommen wird. Diese Reflexion ist zudem als <i>wissenschaftliche </i>Reflexion zu bezeichnen. Dabei meint »wissenschaftlich« selbstverständlich nicht »naturwissenschaftlich«, aber doch ein methodengeleitetes Vorgehen, das Argumente offenlegt und so zu diskutablen Ergebnissen führt.<br />
<br />
Das bedeutet für unser Beispiel: Ein spezifisch theologischer Zugang zur Frage nach dem Bier im Kühlschrank ist mit der Behauptung, das Getränk befinde sich darinnen, noch nicht erfasst. Er würde zwar davon ausgehen, dass Bier im Kühlschrank ist, zugleich aber diese Annahme durchdenken und plausibel zu machen versuchen. <br />
<br />
<b>Was würde Theologie tun, wenn es um das Bier im Kühlschrank ginge?</b><br />
<br />
So würde sich die Theologie mit der Frage befassen, in welchen Dokumenten etwas über das Bier zu erfahren ist. Sie ginge dabei von der Annahme aus, dass manche Quellen besonders zuverlässig Auskunft geben könnten über das Bier – eine Annahme, die nicht bewiesen werden, aber sich auf weit zurückreichende Erfahrungen stützen könnte. Großer Aufwand würde getrieben, um diese Quellen angemessen zu verstehen: Sie würden geschichtlich in den Kontext ihrer Entstehung und Überlieferung eingeordnet, unter Berücksichtigung auch materieller Hinterlassenschaften (etwa: was lässt sich aus Glasscherbenfunden für jene Welt lernen, aus der die Dokumente über das Bier im Kühlschrank stammen?). Untersucht würde, wie sich die Annahme, im Kühlschrank sei Bier, durch die Jahrhunderte unter wechselnden geschichtlichen Bedingungen entfaltet hat. Man stünde im Gespräch mit der Philosophie, sofern diese sich über das Wesen von Kühlschrank und Bier und die Existenz des einen im anderen Gedanken gemacht hat. Sie würde versuchen, die Annahme, Bier sei im Kühlschrank, gegen Bestreitungen zu verteidigen; auch gegen die Meinung, es befinde sich ein ganz anderes Bier oder etwas ganz anderes oder gar nichts hinter der geschlossenen Tür. Es ginge der Theologie außerdem darum, die verhandelte Annahme in ihrem geschichtlichen und systematischen Zusammenhang zu entfalten, auch unter dem Aspekt ethisch begründeten Handelns, und ihre heutige Bedeutung zu erschließen – grundsätzlich und im Blick auf das (auch rechtlich geregelte) Zusammenleben all derer, denen es existentiell wichtig geworden ist, dass Bier im Kühlschrank ist.<br />
<br />
Es gibt also eine ganze Reihe von Bezugswissenschaften, auf deren Methoden die Theologie zur Reflexion des Glaubens zurückgreift: Philosophie, Geschichts- und Literaturwissenschaft, Humanwissenschaften, Rechtswissenschaft. Was soll da die Aussage, in der Theologie würden »Vermutungen in der Regel nicht überprüft«? Dass dieses Fach ausschließlich nicht überprüfbare, also nicht diskutable Aussagen liefert, kann nur behaupten, wer Theologie und Kinderglaube für Synonyme hält.<br />
<br />
<b>Kritik der Arroganz </b><br />
<br />
Mit Recht kritisiert Ebert in den Spuren von <i>Ernst Peter Fischer</i> (»Die andere Bildung«) den begrenzten Begriff von Bildung, der Dietrich Schwanitz' Bestseller »Bildung« mit dem Ausschluss der Naturwissenschaft zugrundeliegt. In ihm zeige sich eine »sehr arrogante Haltung« – also in etwa das, was Ebert selbst an den Tag legt: in der Gleichsetzung von »Wissenschaft« mit »Naturwissenschaft«; in der uninformierten Banalisierung der Theologie; im Erstaunen darüber, dass sich naturwissenschaftliches Denken erst spät (im 17. Jahrhundert) durchgesetzt hat: Sind Durchbrüche erst einmal erzielt, kann man sich leicht über die dunklen Zeiten davor erheben.<br />
<br />
<b>Geistige Freiheit</b><br />
<br />
Zustimmen kann ich auch in einem zweiten Punkt:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Das größte Geschenk der Wissenschaft besteht darin, dass sie uns etwas über den Gebrauch geistiger Freiheit lehrt. Lernen, die richtigen Fragen zu stellen; überprüfen, welche Gründe verlässlich sind; und sich bewusst sein, dass man vieles nur sehr unzulänglich weiß.</blockquote>
Allerdings folgt auch hier eine Einschränkung. Aus dem Duktus des Beitrags schließe ich, dass hier die Naturwissenschaft im Blick ist. Aber das genannte Geschenk wird auch von anderen Wissenschaften überreicht – eingeschlossen die Theologie und ihre Reflexion des Glaubens, die Gewissheiten und Autoritäten erschüttern, neue Fragen zu stellen und Argumente zu prüfen lehren kann.<br />
<br />
Dass Erkenntnis ungesichert bleibt, weiß auch, wer mit der Geschichtswissenschaft in Berührung gekommen ist. Dies könnte auch davor bewahren, die vornaturwissenschaftliche Vergangenheit im Glanz der eigenen Erleuchtung allzu dunkel erscheinen zu lassen. Dass noch »vor 400 Jahren … <i>jedes </i>Unwetter und <i>jede </i>Krankheit, <i>alles</i>, was irgendwie außerhalb der Normalität war, als Hexenwerk bezeichnet« wurde, ist jedenfalls eine Aussage, die, der Falsifizierbarkeit sei Dank, keinen Bestand haben dürfte (Hervorhebungen im Zitat von mir).<br />
<br />
<b>Vorurteil und Sinnstiftung</b> <br />
<br />
Äußert sich in diesem Blog-Beitrag die beleidigte Leberwurst, die es nicht schafft, eine witzig gemeinte Nebenbemerkung mit Humor zu nehmen? Schlüssig entkräften kann ich diesen Verdacht nicht, biete aber eine andere Deutung an: Dass sich der angezielte Lacherfolg bei mir nicht so recht einstellen will, liegt vor allem daran, dass die Bemerkung über den Theologen typische und äußerst abgegriffene Vorurteile bedient. Die sind nicht nur bedauerlich, weil sie aus Unkenntnis erwachsen; sie sind auch ärgerlich, weil es sich um Vorurteile handelt, mit denen die Theologie als Fach an der Universität häufig zu kämpfen hat.<br />
<br />
Es ist schön und lobenswert, sich <b><i><a href="http://www.vince-ebert.de/soziales-engagement/">für die Naturwissenschaft einzusetzen</a></i></b>. Noch schöner ist es, wenn man dies ohne den Versuch tut, die Theologie lächerlich zu machen. Aber wer die Naturwissenschaft mit der Aufgabe der Sinnstiftung belastet (s.o.), muss die Theologie wohl als Konkurrenzveranstaltung verstehen. Immerhin treffen sich Theologen und Vince Ebert in diesem Fall darin, dass sie keine Naturwissenschaft betreiben. Der Gedanke, die Weiterexistenz der Atome des zerfallenen Körpers sei als Unsterblichkeit zu begreifen, ist Pastoral für Materialisten. Sollte er für diese Zielgruppe tröstlich sein, ließe sich das nicht naturwissenschaftlich begründen. <br />
<br />
<i>Bild: <a href="https://pixabay.com/de/dna-string-biologie-3d-1811955/">qimono/pixabay</a></i>Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com5tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-36430583682978647452016-03-18T00:32:00.001+01:002017-03-22T00:11:00.998+01:00Wächter der Toleranzgrenze<i>Auf diesem Blog habe ich »sehr lange geschwiegen, ich war still und hielt mich zurück« (Jes 42,14). Der Grund war eine gewisse Erschöpfung und ein Ausmaß an Aufgaben, das keinen ausreichenden Freiraum mehr gelassen hat, um hier etwas einzustellen. Zwar will ich nun nicht »wie eine Gebärende schreien«, auch schnaube und schnaufe ich nicht (vgl. die Fortsetzung in Jes 42,14); aber ich wage den Versuch des Wiedereinstiegs. Manchmal ist es ja auch nicht so leicht, nichts zu sagen. </i><br />
<br />
»Wie Mehltau liegt die Flüchtlingskrise auf der Bundesrepublik Deutschland.« Gärtner <b><i><a href="http://kath.net/news/54332">Hubert Windisch</a></i></b> hat beim Gang durch seine Beete einen gefährlichen Befall der Pflanzen entdeckt und fürchtet nun, dass sie sich braun verfärben und vertrocknen. In der Sache meint er damit die Gefahr der Islamisierung. Sie ist groß und <b><i><a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Unterwerfung_(Roman)">Houellebecq</a></i></b> ist ihr Prophet. Und natürlich vollzieht sich die Islamisierung als »schleichende«, denn es könnte sein, dass manche noch nicht so richtig mitbekommen haben, wie immer mehr deutsche Gerichte auf der Grundlage der Scharia entscheiden.<br />
<br />
<div>
Bis man zu diesem Punkt in Windischs Beitrag vorstößt, kommen aber erst einmal die auf ihre Kosten, die gerne Politik und Medien gegeißelt sehen und sich dabei durch Differenzierungen eher gestört fühlen. Das soll hier nicht im Einzelnen besprochen werden; angesichts der besorgniserregenden Gegenwart verlieren wir besser keine Zeit, denn in präziser Problemerfassung ist festzuhalten: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Die Angst wächst, das starke Deutschland sei nicht mehr Herr der Lage, sondern zunehmend ein Koloss auf tönernen Füßen.«</blockquote>
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<b>Die augenblickliche Problem-Kanzlerin</b></div>
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<br /></div>
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Dieser wackelige Koloss weist einen »dramatischen gesellschaftlichen Zustand« auf, ausgelöst »durch die unsachgemäße und zum Teil auch unrechtmäßige Handhabung der Flüchtlingsproblematik«. Und es können </div>
<blockquote class="tr_bq">
»viele Faktoren, die diesen Zustand erzeugen, im Verhalten der augenblicklichen Bundeskanzlerin gebündelt werden«. </blockquote>
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Als Höhepunkt des analytischen Zugriffs erweist sich die »Schlüsselszene«, von der der <b><i><a href="http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-141826644.html">Spiegel</a></i></b> berichtete. In der Pause eines Konzerts habe sich die Kanzlerin eines <i>Vaclav-Havel</i>-Zitats versichert, das ihr <i>Rainer Eppelmann</i> zuvor gesagt habe: »Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass eine Sache gut ausgeht. Hoffnung ist die Gewissheit, dass eine Sache Sinn macht, egal wie sie ausgeht.« Das ist natürlich eine große Sorge: Was soll aus einem Land werden, dessen Kanzlerin nach einem solchen Zitat nachfragt! </div>
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<b>Die orientierungslosen Kirchen</b></div>
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Helfen die Kirchen weiter? Nein, sie bieten </div>
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<blockquote class="tr_bq">
»wenig Orientierung in den augenblicklichen Entwicklungen und sind kaum noch ein gesellschaftskritisches Korrektiv. Ihre Führungskräfte schwimmen nicht selten im Fahrwasser der Regierenden und tragen dazu bei, dass die Kirchen zu Quantités négligeables werden.« </blockquote>
Gemeint ist: »Die Kirchen bieten nicht dieselbe Orientierung, die ich habe.« Dass sich ihre Vertreter in der Flüchtlingsfrage nicht klar äußern würden, kann man nicht behaupten. Aber sie vertreten nicht Windischs Einschätzung. Er sucht nicht Orientierung, sondern Bestätigung. Oder anders: Die Kirchen böten Orientierung, wenn sie sich an ihm orientierten. Es hat sich ja bereits in anderem Zusammenhang gezeigt, dass auch der Papst gut daran tut, vom theologischen Urteil unseres Autors nicht abzuweichen – sonst sucht sich der womöglich einen anderen Papst (s. <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/10/lehramt-von-unten.html">hier</a></i></b>). </div>
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Auch was ein »gesellschaftskritisches Korrektiv« ist, wird mit der Weitwinkeleinstellung »Scheuklappe« erfasst. Für Windisch scheint klar zu sein, dass es in der Opposition zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung »und ihrer medialen Unterstützung« besteht. Wenn aber richtig sein sollte, dass die Angst vor den Flüchtlingen im Land wächst, dann kann die Position der Kirchen sehr wohl »gesellschaftskritisches Korrektiv« sein. Es kommt halt darauf an, was man an der Gesellschaft kritisieren möchte. </div>
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<b>Lieber ohne Bibel</b></div>
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Die Kirchenvertreter sollten auch nicht mit der Bibel kommen. Denn die </div>
<blockquote class="tr_bq">
»neuartige Erfahrung eines in kurzer Zeit anschwellenden Flüchtlingsstroms in unserem Land kann nicht mit dem Hinweis auf den Umgang mit Fremden in der Bibel entschärft werden.« </blockquote>
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Diese Formulierung spitzt tendenziös zu: als ob mit dem Verweis auf die Bibel eine Erfahrung entschärft und nicht eine Handlungsorientierung aus der Schrift gewonnen werden sollte. Tendenziös ist deshalb auch folgende Aussage: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Wer die Realität von Fremdsein in der Heiligen Schrift (zumal im AT) unbesehen auf die heutigen Verhältnisse überträgt, beugt nicht nur die jetzige Wirklichkeit mit Hilfe der Bibel, er beugt die Wirklichkeit der Bibel selbst.« </blockquote>
<div>
Wer will denn die damalige Realität »<i>unbesehen</i> auf heute« übertragen? Es kann doch nur um die Frage gehen, welche Bedeutung biblische Schutzbestimmungen für Fremde in einer heute ganz anders gelagerten gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Realität haben können. Dass die Beherbergung und Integration von Fremden im alten Israel unter ganz anderen geschichtlichen Voraussetzungen »nach strengen Regeln (erfolgte), die nie die Identität Israels gefährden durften«, besagt dafür nichts. Die Frage, wodurch Identität gefährdet wird, ist ja nicht ganz so einfach und eindeutig zu beantworten, wie es Windisch hier voraussetzt – und unter heutigen Bedingungen sicher anders als in biblischer Zeit. Kreative Aktualisierung von Überlieferungen ist selbst ein innerbiblischer Vorgang.<br />
<br />
Zu solcher Aktualisierung können biblische Texte sogar geradezu auffordern. Die Erzählung vom barmherzigen Samariter (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lk%2010%2C25-37/bibel/text/lesen/ch/a2d23ef957aa8004eb829e001a842948/">Lk 10,25-37</a></i></b>) hätte sicher missverstanden, wer aus ihr nur ableiten würde, man müsse einem zwischen Jerusalem und Jericho unter die Räuber Gefallenen Hilfe leisten. Dies spiegelt sich in der Geschichte selbst: in der allgemeinen Formulierung der Antwort, die der Gesetzeslehrer gibt. Es heißt nicht, als Nächster habe sich der erwiesen, »der den halbtot Geschlagenen verbunden und versorgt hat«, sondern: »der ihm Barmherzigkeit erwiesen hat.« Das verdankt sich nicht nur dem Willen zu erzählerischer Ökonomie, sondern benennt, wofür in dem Gleichnis ein <i>Beispiel </i>geboten wird, das auf andere Situationen zu übertragen ist.<br />
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Gewiss hat der Text wie alle ethische Weisung in der Jesustradition das Verhalten des Einzelnen im Blick. Die Träger dieser Tradition hatten in ihrer geschichtlichen Situation keinen gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Was aber besagt der Aufruf, sich dem anderen, und zwar gerade dem Fremden gegenüber, durch Barmherzigkeit als Nächster zu erweisen, wenn sich diese Situation grundlegend geändert hat? Handlungs<i>konzepte</i> kann man der Bibel dazu nicht entnehmen. Deshalb wäre es auch verfehlt, die gesellschaftliche Wirklichkeit des alten Israel zum Maßstab heutiger Positionierung in der Flüchtlingsfrage zu machen (s. das obige Zitat zu den »strengen Regeln, die nie die Identität Israels gefährden durften«). Aber die Frage, welche <i>Impulse</i> aus Traditionen wie derjenigen vom barmherzigen Samariter in der heutigen Situation hervorgehen können, sollten die nicht für verfehlt halten, die sich so sehr um die christliche Identität des Abendlandes sorgen. </div>
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<b>Was so alles übersehen wird</b></div>
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Man gewinnt allerdings den Eindruck, dass unser Autor mit der Bibel in Ruhe gelassen werden möchte, weil sie möglicherweise Traditionen enthält, die etwas quer laufen zu seiner Sicht der Dinge: Ihn</div>
<blockquote class="tr_bq">
»beunruhigt in der augenblicklichen Flüchtlingskrise vor allem der hohe Anteil an Moslems unter den Migranten«. </blockquote>
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Warum beunruhigt das? Nun, es ist davon auszugehen, dass Muslime Muslime sind, wenn sie nach Deutschland kommen. Das ist eigentlich eher selbstverständlich, wird aber Windisch zufolge übersehen: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Man übersieht – aus welch ideologischen Gründen auch immer – dabei, dass eine gelebte Religion ganz konkret persönlichkeits-, kultur- und staatsprägend ist und nicht einfach beim Grenzübertritt durch eine Unterschrift auf ein Regelpapier geändert wird.« </blockquote>
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In dieser Formulierung wird zum Eintopf verrührt, was in verschiedenen Gängen aufzutischen wäre, wenn's nicht aufstoßen soll. Einerseits ist die Perspektive individuell orientiert: Da wird etwas »nicht einfach beim Grenzübertritt durch eine Unterschrift auf ein Regelpapier geändert«. Dazu passt aber von den drei Prägungen nur die erste, die sich auf die Persönlichkeit bezieht. Die kultur- und staatsprägende Bedeutung gelebter Religion ändert sich sehr wohl, wenn ein Muslim aus einem islamisch geprägten Land nach Deutschland kommt. Seine Religion hat dann im Blick auf Kultur und Staat nicht mehr dieselbe Rolle. Die zitierte Formulierung soll wohl suggerieren, dass Muslime in jedem Fall versuchen werden, die kultur- und staatsprägende Rolle des Islam bei uns durchzusetzen – eine Unterstellung in Form einer sich neutral gebenden Behauptung über »gelebte Religion«. </div>
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Man muss aber nur bis zum nächsten Absatz lesen, bis die Katze aus dem Sack springt. Es wird nämlich nach Windisch auch übersehen, </div>
<blockquote class="tr_bq">
»dass der Islam im Innersten keine Trennung von Staat und Religion kennt.« </blockquote>
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Was immer auch hier »im Innersten« bedeutet: Die Muslime sind also geradezu verpflichtet, ihre Religion als kultur- und staatsprägende zur Geltung zu bringen. Und das ist umso beunruhigender, als ja auch noch ein Drittes übersehen wird: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»das gewalt- und sexualpathologische Potential im Islam, bei Mohammed ebenso wie im Koran.« </blockquote>
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Nun haben wir solches <i>Potential</i> auch in der Bibel. Wer sich darüber ärgert, wenn aus gewalthaltigen Texten der Bibel die Gefährlichkeit des Christentums gefolgert wird, sollte jedenfalls vorsichtig damit sein, aus solchen Überlieferungen die <i>grundsätzliche </i>Gewaltbereitschaft von Anhängern einer Religion abzuleiten und als Gefahr für die Gesellschaft hinzustellen. Ja, es gibt Muslime, die aus ihrer religiösen Tradition die Berechtigung zu äußerster Brutalität und Terror ziehen. Das wird aber nicht übersehen. </div>
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<b>Das Böckenförde-Diktum</b></div>
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Die Gefährlichkeit des Islam soll dann in einem kühnen Versuch noch staatstheoretisch untermauert werden. Dazu muss das häufig zitierte Diktum <i>Ernst-Wolfgang Böckenfördes</i> herhalten, der freiheitliche, säkularisierte Staat lebe von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren könne. Daraus wird gefolgert:</div>
<blockquote class="tr_bq">
»Mit anderen Worten hat jedes Staatsgefüge (philosophisch gesprochen) metaphysische und (theologisch gesprochen) religiöse Wurzeln. Der Islam bringt überall dort, wo er sich ausbreitet und Macht gewinnt, diese Wurzeln in seinem Sinn stark zur Geltung.« </blockquote>
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Dass jedes Staatsgefüge religiöse Wurzeln habe, lässt sich aus dem Böckenförde-Diktum nicht ableiten, und das schon deshalb nicht, weil es in ihm allein um den freiheitlichen, säkularisierten Staat geht. Der ist darauf angewiesen, dass die von ihm gewährte Freiheit von den einzelnen Bürgern, den in ihr wirkenden Gruppen und der Gesellschaft im Ganzen bejaht wird. Er kann das nicht mit Mitteln des Rechtszwangs garantieren. Windisch verdreht das Diktum, indem er ihm zuschreibt, von religiösen Wurzeln des Staates zu sprechen – um dann davor zu warnen, dass der Islam diese Rolle übernehmen könnte. Wie das in einem säkularisierten Staat möglich sein sollte, wenn »der Islam im Innersten keine Trennung von Staat und Religion kennt«, bleibt ein Geheimnis.<br />
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Böckenförde selbst hat sich in einem Interview im Jahr 2009 auch über das Verhältnis von Muslimen und säkularem Staat geäußert (s. <a href="https://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=sw&dig=2009%2F09%2F23%2Fa0090&cHash=21e4e4c527" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a>). Darin verweist er u.a. darauf, dass »Freiheit … immer auch ansteckend (ist). Die Integration der Katholiken in den säkularisierten Staat zeigt, dass dieses Konzept nicht unrealistisch ist.« In diesem zuletzt genannten Kontext ist das Diktum entstanden. »Ich versuchte damals (1964) vor allem den Katholiken die Entstehung des säkularisierten, das heißt weltlichen, also nicht mehr religiösen Staates zu erklären und ihre Skepsis ihm gegenüber abzubauen.« Sich an diese Zusammenhänge zu erinnern könnte dazu beitragen, die katholische Nase nicht allzu hoch zu tragen. Dass man katholisch sein müsse, um dazulernen zu können, lässt sich ja nicht behaupten.<br />
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<b>Echte Toleranz und so</b></div>
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Und möglicherweise ist das, was man im Lauf der Jahrhunderte dazugelernt hat, auch noch steigerungsfähig. Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn es um die Unterscheidung zwischen formaler und inhaltlicher Toleranz geht: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Eine Toleranz jedoch, die nur formal ist und nicht aus Inhalten besteht, zerstört sich selbst. Es entsteht eine Diktatur des Relativismus (Papst Benedikt XVI.), und über kurz oder lang regiert nicht der Bessere, sondern der Stärkere. Barbarei und Schamlosigkeit nehmen zu. Es ist die Frage, ob wir das bei uns wollen und wollen dürfen.« </blockquote>
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Gerne wüsste man, was eine Toleranz ist, die aus Inhalten besteht. Ist es die »echte Toleranz, die nicht Selbstaufgabe und Unterwürfigkeit ist«? Mit diesem Hinweis sehen wir noch nicht klarer: Begriffliche Nebelkerzen lichten kein Dunkel. Aber wir erfahren ja noch etwas über die echte Toleranz: Sie »kennt Grenzen«. Aha. Aber welche genau? Und warum? Das erfahren wir nun wieder nicht. Wahrscheinlich liegen die Grenzen präzise <i>irgendwo</i>, nach dem Muster: »Ich bin ja schon tolerant, aber irgendwo gibt es doch Grenzen.« </div>
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Auch über die Folgen einer Diktatur des Relativismus werden wir nur sehr grob ins Bild gesetzt. Der Stärkere setze sich durch, Barbarei und Schamlosigkeit nähmen zu. Das kann man ja mal behaupten, solange man keinen Beleg für die Zusammenhänge liefert. Gerne erführen wir auch noch genauer, wie die Furcht vor der »schleichenden Islamisierung« mit der »Diktatur des Relativismus« in Zusammenhang zu bringen ist. Wie kann sich eine Gesellschaft »islamisieren«, die Wahrheitsansprüche angeblich so grundsätzlich ablehnt, dass sich der Relativismus diktatorisch durchsetzt? Die Scheinfrage, ob wir das Recht des Stärkeren, Barbarei und Schamlosigkeit »bei uns wollen und wollen dürfen«, tut so, als sei zuvor begründet worden, wodurch uns denn das Recht des Stärkeren, Barbarei und Schamlosigkeit drohen. </div>
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Die Frage, ob wir ein solches Niveau der Debatte wollen und wollen dürfen, stellt sich nicht. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com11tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-4161137886988669402015-09-23T23:35:00.000+02:002017-03-24T22:52:32.128+01:00Warmlaufen für die Synode Die Synode naht, der Ton wird rauer. Das Wirken »linkskatholischer Kreise« auf der letztjährigen außerordentlichen Synode muss vor dem ordentlichen Durchgang »entlarvt« werden, zumal da es sich um »massive Manipulationsversuche« handelt. Der Beitrag auf <i>kath.net</i> (s. <b><i><a href="http://kath.net/news/52064" target="_blank">hier</a></i></b>) wird als »Gastkommentar« angekündigt, ist aber in erster Linie Hinweis auf ein neues Buch von <i>Edward Pentin</i>, das »im Detail« zeige, »wie das Sekretariat der Synode, geleitet von Kardinal Lorenzo Baldisseri, versucht hat, eine eigene progressistische Agenda mit den klassischen Reizthemen Homosexualität, Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene, wilde Ehen usw. durchzusetzen.«<br />
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Ein Beispiel wird nicht mitgeteilt, wir müssen uns mit der pauschalen Einschätzung begnügen: »Vor allem in der Redaktion der Tagungsberichte wurde versucht, entsprechenden Wortmeldungen eine Bedeutung zu verleihen, die sie weder in den Ansprachen noch in den Arbeitskreisen besaßen.« Es kommt dem Autor nur darauf an, eine Duftmarke zu setzen, mit Belegen hält er sich nicht auf. Wer will, kann ja in dem leider bislang nur auf Englisch erschienenen E-Book nachlesen. </div>
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Die Bezeichnung »Kommentar« verdient dieser Beitrag höchstens insofern, als er um jeden Preis Information vermeidet und in seiner Werbung für Pentins Buch Meinung kundtut. Das Buch gehe</div>
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»auf die traurige Rolle der deutschen Delegation während der außerordentlichen Synode ein und wie diese mit der Brechstange versuchte, ihre verkorksten Ansichten zu Ehe und Sexualität der Weltkirche aufzuoktroyieren«. </blockquote>
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Obwohl wir in der Zwischenzeit schon einiges gewöhnt sind, gelingt es manchem doch noch, mit dem erreichten Grad der Oberflächlichkeit zu überraschen. </div>
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Auf eine derart substanzlose Meinungsäußerung müsste man nicht reagieren – wenn es denn bei ihr geblieben wäre. Es wird aber eine Geschichte aus dem letzten Jahr aufgekocht und dabei ausgeblendet, dass man sich schon damals an ihr die Zunge verbrannt hatte. </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Ein Höhepunkt deutscher Arroganz war der Spruch Kardinal Kaspers bei einem Interview, man solle die afrikanischen Synodenväter nicht beachten. Pentin war der Journalist, der dieses Interview aufnahm.« </blockquote>
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Zur Erinnerung: Es handelte sich um ein Gespräch, das Kardinal Kasper nicht als Interview wahrnahm; es wurde auf englisch geführt; die Audio-Aufnahme ist z.T. wegen hoher Nebengeräusche unverständlich; vor allem aber: Kardinal Kasper sagte nicht, dass man die afrikanischen Bischöfe nicht beachten solle, sondern dass die für Afrika spezifischen Probleme nicht Richtschnur für die Entscheidungen der Bischofssynode sein könnten (s. dazu im Einzelnen <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/10/synodenbeschuss.html" target="_blank">hier</a></i></b>). </div>
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Die ursprüngliche Überschrift des damaligen Beitrags auf <i>kath.net</i> (»Kardinal Kasper: Synode soll afrikanische Bischöfe nicht ernst nehmen!«) wurde nachträglich geändert (»Kardinal Kasper und afrikanische Bischöfe!«) und der Artikel entschärft. Jetzt kommt der Vorwurf aus der Feder eines »Gastkommentators« wieder: Kasper habe behauptet, man solle die afrikanischen Synodenväter nicht beachten. Ungern lässt man sich von einem Manipulator über Manipulationen informieren. </div>
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<b>»Gay-Propaganda«</b><br />
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Das Geschäft der Desinformation muss <i>kath.net</i> aber nicht an Gastkommentatoren delegieren, man beherrscht es auch selbst. Der Diskussionsbeitrag des Theologiestudenten Simon Linder auf <b><i><a href="http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/die-liebe-zahlt">katholisch.de</a></i></b>, der für eine vom Katechismus der Katholischen Kirche abweichende Bewertung der Homosexualität eintritt, wird bezeichnet als »Gay-Propaganda auf der Website der Deutschen Bischofskonferenz« (s. <b><i><a href="http://kath.net/news/52081">hier</a></i></b>). </div>
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An dieser Überschrift stimmt nichts. <i>katholisch.de</i> ist laut Impressum »das Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland«. Die Redaktion arbeitet zwar im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, deren Website ist aber unter <i>dbk.de</i> zu finden. »Gay-Propaganda« ist ein Kampfbegriff. Wer ihn verwendet, will Propaganda betreiben. Was ist mit dem Begriff genau gemeint? Die Positionierung gegen Homophobie? Das Eintreten für die rechtliche Gleichstellung homosexueller Beziehungen? Veranstaltungen wie der Christopher Street Day? So darf man offensichtlich nicht fragen, jedenfalls nicht mit Hoffnung auf Antwort. Wer in einer Überschrift die »Propaganda«-Keule auspackt, will nicht berichten, sondern attackieren. Klare Begriffe stören da nur. </div>
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Auch der Wille, den anderen zu verstehen, ist bei dieser Zielsetzung hinderlich. Wirkungsvoller ist es, die angegriffene Position zu verzerren. Zitiert wird aus Linders Beitrag der Satz: »Rechtfertigen muss sich nicht mehr, wer die 'Ehe für alle' fordert, sondern wer sie kritisiert«. Unterschlagen wird dessen Einleitung: »Das gesellschaftliche Klima hat sich gedreht:« Dieses Urteil dürften doch die nicht bestreiten, die die Klage über den Zeitgeist als Ausdauersport betreiben. Dass sich seit dem Erscheinen des Katechismus »viel verändert habe« – so ein weiterer Bezug auf den kritisierten Text – zielt also nicht auf innerkirchliche Verhältnisse. Wer den <i>kath.net</i>-Beitrag liest, merkt das allerdings nicht. </div>
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Auch die Aussage, dass »der Katechismus heute andere Fragen aufwerfe auf (sic) als vor 20 Jahren«, ist in Linders Beitrag zunächst eine Aussage, die sich aus dem gewandelten gesellschaftlichen Klima ergibt. Freilich sieht er, dass die <b><i><a href="http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P8B.HTM#185">Nummer 2358</a></i></b> des Katechismus auch innerkirchlich vielen nicht plausibel erscheint. Da dies mit Blick auf die Rückläufe der Fragebogenaktion im Vorfeld der Synode geschieht, kann man diesem Urteil eine empirische Basis nicht rundweg absprechen. Die Leser des <i>kath.net</i>-Angriffs erfahren davon nichts. </div>
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Wie sehr man hier in einem Lagerdenken gefangen ist, zeigt die Formulierung, es gebe »(wieder einmal)« eine »Breitseite … für Bischof Oster«. Dass der Autor des Diskussionsbeitrags auf <i>katholisch.de</i> bereits öffentlich eine solche Breitseite abgefeuert hätte, ist nicht bekannt. Er wird also wahrgenommen als Repräsentant eines Lagers, das sich in ihm »wieder einmal« gegen den Passauer Bischof wende. Und auch hier gelingt eine korrekte Wiedergabe der Position Linders nicht. Der hatte gesprochen von einem »Skandal, dass dies für einen Bischof ein Skandal ist«. Gemeint war die Kritik von Bischof Oster an der Forderung des ZdK nach kirchlicher Segnung für gleichgeschlechtliche Paare (s. <b><i><a href="http://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/oster-kritisiert-zdk-beschluss-zu-homo-paaren">hier</a></i></b>). Der Skandal besteht für Linder darin, dass das ZdK nur eine Forderung der Basis wiederholt habe und dafür scharf bischöfliche Kritik geerntet hatte. Man muss ihm in Urteil und Wortwahl nicht folgen, aber dies befreit nicht von der Verpflichtung, die angegriffene Position korrekt wiederzugeben. </div>
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Besonders bizarr wird es dann, wenn die Bibel ins Spiel kommt: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Besonders bizarr wird es dann, als Lindner auf die krausen Thesen des Mainzer Theologen Thomas Hieke verweist«. </blockquote>
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Ohne auch nur im Ansatz eine Begründung zu bieten, werden Thesen als »kraus« bezeichnet und Schlussfolgerungen als »absurd«. Diese Strategie erspart die Auseinandersetzung mit dem Argument, die Ablehnung homosexueller Akte im Alten Testament gehöre in Zusammenhänge, die sich ganz wesentlich von dem unterscheiden, was wir heute als »Homosexualität« bezeichnen, und verurteile deshalb diese auch nicht.<br />
<br />
Nützlich ist die eingeschlagene Strategie auch dadurch, dass sie nicht einmal die Lektüre des kritisierten Aufsatzes erfordert (<b><i><a href="http://www.theologie-und-kirche.de/hieke.pdf">hier</a></i></b> im Netz verfügbar). Tatsächlich funktioniert sie am besten, wenn man sich durch Kenntnis der Gründe für die abgelehnte Position nicht stören lässt. Dann kann man sich unbelästigt von Gegenargumenten der Illusion hingeben, durch einen Link auf einen Artikel in <b><i><a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Homosexualit%C3%A4t#Homosexualit.C3.A4t_in_der_Bibel">kathpedia</a></i></b> angeben zu können, »was die Bibel wirklich zur Homosexualität sagt«. Wie schwierig es ist, sich einfach auf Lev 18,22; 20,13 oder die Geschichte von Sodom und Gomorrha als biblische Belege zur Verurteilung von Homosexualität zu berufen, hätte man dem Aufsatz entnehmen können. </div>
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Das aber erfordert Mühe und Zeit, die offensichtlich nicht in erforderlichem Maß vorhanden sind – nicht einmal dazu, den Namen des Angegriffenen korrekt wiederzugeben. Anders als es Lesermeiner <i>newtube</i> in seiner Reaktion auf das Pamphlet bewusst sein dürfte, ist seine Frage »Lindner who?« berechtigt.<br />
<br />
Es steht zu befürchten, dass sich das Trauerspiel wiederholt, dessen Aufführung wir im letzten Jahr als publizistische Begleitung der Bischofssynode durch die Katholischen »Nachrichten« aus Linz erlebt haben. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com11tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-60300183126812102602015-08-15T23:19:00.001+02:002017-03-24T22:53:09.766+01:00Das »authentische Wort«<br />Der Bischof von Chur, Dr. <i>Vitus Huonder</i>, hat in einem Vortrag seine Freude am Glauben so unglücklich ausgedrückt, dass gegen ihn <b><i><a href="http://www.sueddeutsche.de/politik/schweiz-ihr-blut-soll-auf-sie-kommen-1.2602398" target="_blank">Strafanzeige</a></i></b> erstattet wurde. Vorgeworfen wird ihm das Zitat von Lev 20,13, wo für homosexuelle Akte unter Männern die Todesstrafe vorgesehen ist. Und da er am Beginn seines Vortrags die Worte der Heiligen Schrift, denen er nachgehen wolle, als »das <i>authentische </i>Wort, das Wort der Offenbarung« bezeichnet hat, das Maßstab für die Lebensgestaltung sei, erkennt der Verband <i>Pink Cross</i> in dem Zitat einen »Freipass zur Gewalt«.<br />
<br />
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Dass der Bischof keineswegs zur Gewalt aufrufen wollte, kann man ihm ohne Weiteres abnehmen. Er wollte ja nur</div>
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<blockquote class="tr_bq">
»in aller Schlichtheit an das erinnern, was uns das Wort Gottes zur Schöpfung von Mann und Frau, zur Ehe sowie zur Sexualität, und, in Folge dessen, zur Familie sagt.« (s. <b><i><a href="http://document.kathtube.com/38267.pdf" target="_blank">hier</a></i></b>: [pdf-Dokument])</blockquote>
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Vor allem die Präpositionalbestimmung am Beginn des Zitats trifft zu: Die Überlegungen sind in der Tat bibelhermeneutisch erstaunlich schlicht – und das betrifft, wie sich zeigen wird, nicht allein die Aussagen zur Homosexualität.<br />
<b><br /></b>
<b>Kein Gewaltaufruf</b></div>
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Wer sich auf Lev 20,13 beruft, um damit Homosexualität als dem göttlichen Willen widersprechend zu beurteilen, kann zwar Wege finden, die in jenem Vers vorgesehene Sanktion aus dem göttlichen Willen herauszuhalten, und durchaus begründet annehmen, dass »die drastische Rede von der Todesstrafe die alttestamentarische Ablehnung einer Handlung aufzeigt« (so Bischof Huonder in einer <b><i><a href="http://kath.net/news/51637" target="_blank">Stellungnahme </a></i></b>vom 13.8.2015): <i>Thomas Hieke</i> hat in einem Aufsatz in der Zeitschrift <i>Biblica </i> gezeigt, dass viele alttestamentliche Stellen, die auf der Textoberfläche die Todesstrafe fordern, eher als Mahnung denn als rechtliche Regelung zum Vollzug der Todesstrafe zu verstehen sind (s. <b><i><a href="http://www.bsw.org/biblica/vol-85-2004/das-alte-testament-und-die-todesstrafe/180/article-p349.html" target="_blank">hier</a></i></b>). Bischof Huonder kann also für seine erläuternde Stellungnahme durchaus exegetische Schützenhilfe in Anspruch nehmen – dies aber um den Preis einer differenzierten Wahrnehmung der Bibel als Wort Gottes und der Bereitschaft, die Bedeutung einer biblischen Aussage nicht einfach am angeblich eindeutigen Wortlaut abzulesen.</div>
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<b>Zur Auslegung von Lev 18,22; 20,13</b><br />
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Nun besteht kein Zweifel, dass in Lev 18,22; 20,13 homosexuelle Handlungen abgelehnt werden, wie auch Paulus in Röm 1,26f eine in jüdischer Tradition beheimatete Ablehnung solcher Handlungen aufgreift, um die Verlorenheit der Heiden, ihre Existenz fern von Gott und unter der Macht der Sünde, zu illustrieren. Auch Aussagen zur Sexualität werden allerdings nicht unabhängig von geschichtlichen Rahmenbedingungen getroffen. In Lev 19,20 lesen wir: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Und wenn ein Mann bei einer Frau zur Begattung liegt, und sie ist eine Sklavin, einem Mann verlobt, und sie ist keineswegs losgekauft, noch ist ihr die Freiheit geschenkt, dann besteht Schadenersatzpflicht. Sie sollen nicht getötet werden, denn sie ist nicht frei gewesen.« </blockquote>
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Die Einschätzung, es handle sich hier um eine zeitbedingte Regelung, dürfte mehrheitsfähig sein.</div>
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Zeigt sich ein solches Moment geschichtlicher Bedingtheit auch im Fall der Verurteilung homosexueller Akte? Immerhin fällt auf, dass sich das Alte Testament nur zu homosexuellen Akten von <i>Männern </i>äußert. Erklären könnte sich diese Beschränkung durch die Orientierung am Konzept der Penetration (»mit einem Mann <i>wie mit einer Frau</i> liegen«). Im Rahmen dieses Konzepts unterschied man zwischen der aktiven Rolle des Mannes und der passiven Rolle der Frau. Diese Rollenzuordnung basiert auf einem Denken von Über- und Unterordnung, entsprechend der in der Antike gängigen asymmetrischen Beziehung von Mann und Frau. Diesen vergangenen Zeitgeist sehen wir heute gewöhnlich nicht mehr als normativ an für die Beziehung der Geschlechter zueinander (s. zu diesem Abschnitt <i>Wolfgang Stegemann</i>, Homosexualität - ein modernes Konzept, in: Zeitschrift für Neues Testament 1 [1998], 61-68). </div>
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Die Frage nach dem Grund der Ablehnung homosexueller Akte ist schwer zu beantworten, weil die alttestamentlichen Aussagen dazu schweigen. Es heißt allein in Lev 18,22, solche Akte seien »ein Gräuel«. Ein Gräuel (hebr.: <i>toebah</i>) ist aber neben allem, was mit dem Dienst an fremden Göttern zusammenhängt, auch der Genuss unreiner Tiere (Dtn 14,3), die Darbringung eines nicht makellosen Opfertieres (Dtn 17,1), verschiedene magische Praktiken (Dtn 18,9-12), die Vertauschung von Männer- und Frauenkleidung (Dtn 22,5), die Rückkehr der entlassenen Frau zu ihrem Mann ([!] Dtn 24,4). Man wird nicht sagen können, dass all diese Gräuel für alle Zeiten als solche gewertet werden müssen. </div>
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Die heutige Sicht der Homosexualität unterscheidet sich in einem grundlegenden Punkt von der Vorstellungswelt der biblischen Texte: Insofern Sexualität als eigener Bereich personaler Identität gesehen wird, ist auch Homosexualität »keine einzelne Tat, sondern eine sexuelle Orientierung, für die der einzelne Mensch selbst nicht verantwortlich ist« (<i>Markus Öhler</i>, Homosexualität und neutestamentliche Ethik, in: Protokolle zur Bibel 6, 1997, 133-147, hier: 144). Wenn eine homosexuelle Veranlagung nicht selbst gewählt ist (so auch der <i>Katechismus der Katholischen Kirche</i> <b><i><a href="http://www.vatican.va/archive/DEU0035/_P8B.HTM" target="_blank">Nr. 2358</a></i></b>), also auch nicht Sünde, stellt sich die Frage, wie man Homosexuelle darauf verpflichten kann, auf die Ausübung ihrer Sexualität zu verzichten (vgl. ebd. Nr. 2359). Kann man humanwissenschaftliche Erkenntnisse zur Homosexualität übernehmen und gleichzeitig die unter anderen Voraussetzungen entstandene Negativ-Wertung homosexueller Akte beibehalten? </div>
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<b>Gen 1</b><br />
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Solche Fragen stellt der Churer Bischof nicht. Dass sein Rückgriff auf die Heilige Schrift von einer geschichtlich arbeitenden Exegese unberührt ist, zeigt sich nicht nur im Zusammenhang der Äußerungen zur Homosexualität, die ja auch nicht das eigentliche Thema des Vortrags waren. Er meint, dass in<br />
<blockquote class="tr_bq">
»in den drei ersten Kapiteln der Heiligen Schrift schon alles enthalten (ist), was die Lehre der Kirche später in Bezug auf die Sinngebung der Ehe (Zweck) formuliert«. </blockquote>
Dieses Urteil ergibt sich aber nicht aus einer Auslegung des Textes, sondern daraus, dass diese Lehre zuvor in die biblischen Texte hineingelesen wurde. Aus Gen 1,26-28 wird geschlossen, dass »das Eins-Werden von Mann und Frau ... auf die Fruchtbarkeit ausgerichtet« sei, und zwar untrennbar:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Eins-Werden und Zeugung neuen Lebens bilden etwas Ganzheitliches. Man kann sie von der Schöpfung her nicht zerteilen, auch wenn in bestimmten Fällen die Fruchtbarkeit nicht erreicht wird«. </blockquote>
Die Anmerkung zu dieser Aussage (im oben verlinkten Dokument Anm. 3 S.3) nimmt bezeichnenderweise nicht auf Gen 1 Bezug, sondern auf Thomas von Aquin, der in der zitierten Passage (Summa Theologiae I, 92, I, Resp.)<i> </i>allerdings die Erschaffung der Frau nach Gen 2 kommentiert. So genau muss man das mit den Texten nicht nehmen.<br />
<br />
Dass der Mensch als Abbild Gottes bezeichnet wird, wertet Bischof Huonder aus für »eine 'übernatürliche', über die Natur dieser Weltzeit hinausgehende Bestimmung«, die nicht auf die Geschlechtlichkeit des Menschen und die natürliche Ordnung bezogen ist, sondern für Mann und Frau in ihrer Individualität gilt. Bestätigt sieht er diese Deutung durch Jesu Antwort an die Sadduzäer, die »die Sadduzäer ans Leben der Auferstehung erinnert, wo die Menschen wie die Engel sein werden und nicht mehr heiraten (Mt 22,30).« Jesus konnte aber die Sadduzäer schlecht an das »das Leben der Auferstehung <i>erinnern</i>«, weil diese Gruppe als Vertreter der althergebrachten Ordnung die relativ späte entstandene Erwartung der Totenauferstehung grundsätzlich ablehnte. Im Streitgespräch Mk 12,18-27 par Mt 22,23-33 soll mit dem Verweis auf die engelgleiche Existenz ein Argument der Sadduzäer gegen die Totenauferstehung entkräftet werden. Aus Gen 1 lässt sich die Auferstehungserwartung sicher nicht ableiten.<br />
<br />
<b>Gen 2</b><br />
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Gen 2 ergeht es in Huonders Vortrag nicht viel besser. Die Passage wird zum Ansatzpunkt für das Urteil, in »der Sicht des Glaubens« seien »die Ehe und damit die Familie hierarchisch geordnet«. Wahrscheinlich steht im Hintergrund der Rückgriff auf Gen 2 in 1 Tim 2,13. So ließe sich jedenfalls die Formulierung verstehen, Gen 2 werde »zudem <i>Ausgangspunkt </i>für die Gegebenheit der hierarchischen Struktur im Verhältnis von Mann und Frau und in der Ordnung der Familie« (Hervorhebung von mir). In 1 Tim 2,13 wird die Schöpfungsreihenfolge – erst der Mann, dann die Frau – ausgewertet im Sinne des in der Antike plausiblen Gedankens: »das Frühere ist das Wertvollere«. Dieser Gedanke spielt in Gen 2 selbst keine Rolle (in Gen 1 gibt es für ihn überhaupt keinen Anhalt). Man staunt nicht nur über eine Exegese, die die Differenzen zwischen Bibeltexten ausblendet, sondern auch über die Unbekümmertheit, mit der die asymmetrische Sicht des Geschlechterverhältnisses übernommen und von einer »hierarchischen Struktur im Verhältnis von Mann und Frau« gesprochen wird. Sollen wir die Weisungen der Pastoralbriefe zu den Sklaven (1 Tim 6,1f; Tit 2,9f) ebenfalls als bleibend gültiges Wort anerkennen? </div>
<br />
<b>Jesus-Tradition</b><br />
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Auch die Jesus-Tradition kommt in dem Vortrag des Churer Bischofs zur Sprache. Dem langen Zitat des Streitgesprächs über die Ehescheidung nach der matthäischen Fassung (Mt 19,3-12) folgt der bezeichnende Kommentar: »Diese Aussage braucht keinen Kommentar.« So ganz ohne Kommentar kommt der Referent dann allerdings doch nicht aus. </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Die sogenannte Unzuchtsklausel ('Fall von Unzucht') bezieht sich wohl auf die Feststellung der Illegalität (vgl. Lev 18,6-18). Der Hinweis würde eine Ehe betreffen, die, nach damaligem alttestamentlichem Recht, illegal geschlossen wurde«.</blockquote>
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Wer mit der exegetischen Diskussion ein wenig vertraut ist, wird das zumindest für eine originelle Lösung halten. Wie sie sich am Begriff der πορνεία/<i>porneia </i>(»Unzucht«) festmachen soll, ist allerdings rätselhaft. Der Verdacht legt sich nahe: Hier wird ein kirchenrechtliches Muster ins Matthäus-Evangelium eingetragen. Wenn eine Ehe nicht gültig zustandegekommen ist (»illegal geschlossen wurde«), ist auch die Trennung der Partner und nachfolgende Eheschließung möglich, weil ja nie ein Eheband bestanden hat. Der Text wird in ein bestehendes System eingepasst. Weder Jesus noch Matthäus haben sich erkennbar über die Frage der Gültigkeit von Ehen Gedanken gemacht.</div>
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<br /></div>
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Und so zeigt sich: Wer sich auf die Bibel als »das authentische Wort, das Wort der Offenbarung« beruft, dem muss gar nicht so furchtbar viel an diesem Wort liegen, dass er alle Mühe auf sich nimmt, um dessen Sinn zu erkunden. Was er sagen will, gewinnt er nicht aus der Bibel; und die kommt nur insofern zu Wort, als sie bestätigen darf, was man auch ohne sie weiß.</div>
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Dass dabei die Illusion erzeugt wird, eine Eindeutigkeit des Gotteswortes auf seiner Seite zu haben – das ist das eigentlich Ärgerliche an diesem Vortrag Bischof Huonders. Irgendwie hatte man nach <i><b><a href="http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/documents/vat-ii_const_19651118_dei-verbum_ge.html" target="_blank">Dei Verbum</a></b> </i>den Eindruck, schon einmal weiter gewesen zu sein. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com37tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-66698538229041900132015-06-19T17:36:00.000+02:002017-03-24T22:53:41.781+01:00Sonntagsevangelium (155)<b>12. Sonntag im Jahreskreis (B):<i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%204%2C35-41/bibel/text/lesen/ch/d67e8fc375271a3da3395bd4f40d5f7f/" target="_blank"> Mk 4,35-41</a></i></b><br />
<br />
Die Geschichte von der Stillung des Sturmes ist stark geprägt von Bezügen auf das Alte Testament. Dies zeigt sich zum einen in mehreren Anspielungen und wörtlichen Anklängen an den ersten Teil der <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Jon%201/bibel/text/lesen/ch/30b35ff192e3aa5f040349b8637b01ce/" target="_blank">Jona-Geschichte</a></i></b>.<br />
<br />
(1) Bei der Schilderung der Not (Mk 4,37) wird man an Jon 1,4 erinnert. In beiden Fällen begegnet die Reihenfolge »Wind – aufgewühltes Wasser – gefährdetes Schiff«. Außerdem finden wir eine (fast) wörtliche Übereinstimmung: <br />
<blockquote class="tr_bq">
„Es <i>entstand </i>ein <i>großer </i>Wirbelsturm auf dem Meer.“ (Jon 1,4). <br />
„Und es <i>entsteht </i>ein <i>großer </i>Sturmwind.“ (Mk 4,37)</blockquote>
(2) Der Passagier, der schließlich die Rettung bringt, schläft, als die Gefahr entsteht. Jona steigt in den unteren Schiffsraum, schläft dort und schnarcht (Jon 1,5); Jesus liegt im Heck und schläft auf einem Kopfkissen (Mk 4,38).<br />
<br />
(3) In der Bitte um Rettung verwenden die Jünger ein Wort, das auch die Seeleute an der entsprechenden Stelle Jona gegenüber gebrauchen. Nachdem sie Jona geweckt haben, sagt der Kapitän zu ihm:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Was ist mit dir, du Schläfer? Steh auf und ruf deinen Gott an! Vielleicht wird der Gott sich auf uns besinnen, so dass wir nicht <i>zugrundegehen.«</i> (Jon 1,6; s.a. 1,14). <br />
»Lehrer, kümmert dich nicht, dass wir <i>zugrundegehen</i>?« (Mk 4,38) </blockquote>
(4) Eine wörtliche Übereinstimmung findet sich auch bei dem Verb, das für das Ablassen des Windes verwendet wird – allerdings nicht an der erzählerisch vergleichbaren Stelle. Die Seeleute fragen Jona:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Was sollen wir mit dir tun, damit sich das Meer <i>legt </i>(von uns weg)?« (Jon 1,11; in Jonas Antwort 1,12 noch einmal dasselbe Wort) </blockquote>
In Mk 4,39 begegnet dieses Wort im Rahmen der Feststellung des Wunders: Der Wind <i>legte </i>sich. An dieser Stelle wählt die Jona-Geschichte eine variierende Formulierung: „Das Meer ließ ab von seinem Wüten“ (Jon 1,15).<br />
<br />
(5) Eine letzte Übereinstimmung zeigt sich in der Reaktion auf das Wunder:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Sie fürchteten sich in großer Furcht.« </blockquote>
Diese Formulierung erscheint zwei Mal in der Jona-Geschichte (Jon 1,10; 1,16), das zweite Mal an der erzählerisch gleichen Stelle wie in Mk 4,41: als Reaktion auf das Ablassen des Sturmes. Die wörtliche Übereinstimmung ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass die Jona-Geschichte im Hintergrund wahrgenommen werden soll.<br />
<br />
Ein Bezug auf die alttestamentliche Tradition kann außerdem in der Aufnahme eines theologischen Motivs erkannt werden, das für die Geschichte von der Stillung des Sturms grundlegend ist. Aus alttestamentlichen Texten lässt sich die Vorstellung erheben, dass es Gottes Macht zukommt, über Wind und Wellen zu gebieten. In Ps 104,6f heißt es:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Die Urflut bedeckte sie (die Erde) wie ein Kleid, die Wasser standen über den Bergen. Vor deinem Anherrschen flohen sie, vor dem Schall deines Donners wurden sie fortgetrieben.«</blockquote>
Der Befehl Gottes drängt die Chaosmacht »Wasser« zurück. Dies bestimmt auch die erste Schöpfungserzählung Gen 1 und weitere Psalmen (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Ps%2074%2C12-15/bibel/text/lesen/ch/62322c4f184dd982f6493836c3ef6c80/" target="_blank">Ps 74,12-15</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Ps%2077%2C17-20/bibel/text/lesen/ch/feb92be126a4a69efeacd92647bf2522/" target="_blank">77,17-20</a></i></b>). Auch <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Hiob%2028%2C25-27/bibel/text/lesen/ch/161f3ffb0ead3612676a0453f43493fa/" target="_blank">Ijob 28,25-27</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Hiob%2038%2C8-11/bibel/text/lesen/ch/1dc057db13e99f77eb4a3232c9299d4c/" target="_blank">38,8-11</a></i></b> bietet dieses Vorstellung von der Macht Gottes über die Wasser bei der Schöpfung (s.a. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Jer%205%2C22/bibel/text/lesen/ch/1a35d06ce7b573aa60eaeeecedb8bfd3/" target="_blank">Jer 5,22</a></i></b>). Die Sintflutgeschichte basiert auf dem Gedanken, dass Gott über Wind und Wasser gebieten kann. In <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Ps%20107%2C23-31/bibel/text/lesen/ch/5f0725f83e6afc62afc9d398e629552c/" target="_blank">Ps 107,23-31</a></i></b> ist dies umgesetzt in die Rettung von Menschen aus Seenot. Gott ist der Herr über Wind und Wellen, er lässt sie entstehen und wieder vergehen. Vor dem Hintergrund dieses Motivkreises wird deutlich: Jesus handelt hier in göttlicher Vollmacht. Nicht durch Gebetserhörung, wie in jüdischen Wundergeschichten von Rettung aus Seenot, sondern durch das Handeln Jesu an Gottes Stelle erfolgt die Rettung.<br />
<br />
Die Schlussfrage in 4,41 (»Wer ist dieser, dass ihm Wind und Meer gehorchen«) entfaltet ihren vollen Sinn erst, wenn man den dargestellten alttestamentlichen Hintergrund einbezieht. Jesus ist mehr als Jona, denn ihm stehen Wind und Meer zu Gebot. Zwar ist der Prophet Jona die Person auf dem Schiff, von der die Stillung des Sturmes abhängt; aber dies gilt nur mittelbar. Jona selbst hat keine Macht über das Meer. Er weiß vielmehr, dass der Sturm um seinetwillen entstanden ist, genauer: dass Gott ihn um seinetwillen hat entstehen lassen. Deshalb muss mit ihm in einer bestimmten Weise verfahren werden, damit Gott den Sturm wieder stillt. Dagegen handelt Jesus als Herr über die Chaosmächte <i>in göttlicher Macht</i>.<br />
<br />
Dass Jesus in göttliche Macht eingesetzt ist, gehört zu den wesentlichen Inhalten des Osterglaubens. Jesus ist auferstanden – dies besagt nicht nur die Überwindung des Todes Jesu. Eingeschlossen ist auch der Gedanke der Erhöhung, und deshalb kann der Auferstandene erwartet werden als die für Gericht und Heil entscheidende Person; deshalb kann er auch angerufen werden mit der alttestamentlichen Gottesbezeichnung »Herr« (<i>Kyrios</i>). Dieses Bekenntnis ist in der Geschichte von der Stillung des Sturmes erzählerisch umgesetzt – ein Stück narrativer Christologie. Was der Glaube zu Jesus Christus bekennt, seine Einsetzung in göttliche Macht, wird entfaltet in einer Geschichte, die von der Macht Jesu über Wind und Meer erzählt.<br />
<br />
Wenn die Erzählung den Christusglauben der Urgemeinde voraussetzt und in ihrer konkreten Formung auf eine literarische Größe Bezug nimmt (Jon 1), ist ein konkreter Haftpunkt im Wirken Jesu für das Geschilderte nicht wahrscheinlich zu machen. Mk 4,35-41 ist nicht Niederschlag eines Erlebnisses der Jünger mit dem geschichtlichen Jesus. Die Erzählung kann aber trotzdem als Niederschlag von <i>Erfahrung </i>verstanden werden, nämlich als Niederschlag einer Glaubenserfahrung, die die Glaubenden mit dem erhöhten Christus machen: nicht mit dem vergangenen Jesus der Geschichte, sondern mit dem in der Gemeinde gegenwärtigen Christus. Sein Beistand, seine Nähe, die den Glaubenden geschenkt ist, wird umgesetzt in eine Erzählung von Jesus. Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com14tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-29634617809176994972015-04-05T14:30:00.000+02:002017-03-22T00:12:40.382+01:00Auferstehung und leeres GrabVor einigen Wochen wurde <i>Klaus Berger</i> mit einer erschreckenden statistischen Erkenntnis zum Zustand des Osterglaubens zitiert: »An den theologischen Fakultäten glauben nur zwei von hundert Lehrenden … an die Auferstehung Christi«. (s. <a href="http://blog.forum-deutscher-katholiken.de/?p=4499" style="font-style: italic; font-weight: bold;" target="_blank">hier</a><b style="font-style: italic;"> </b>im 6. Absatz). Bei allem Respekt vor Bergers Gelehrsamkeit: Woher weiß er das? Und wichtiger noch: Was meint er genau? Der Autor des Blog-Beitrags, der ihn zitiert, fragt danach – kaum überraschend – nicht, aber man kann vermuten, wie er den Satz versteht, denn er fährt fort: »Dieses fasste ein katholischer Priester in Baden in einer Predigt so zusammen: 'Die Krippe in Bethlehem war leer und das Grab in Jerusalem war voll.'« Muss man, um an die Auferstehung Jesu zu glauben, daran glauben, dass das Grab leer war? Gehen wir dieser Frage ein wenig nach.<br />
<br />
<b>Die Mehrdeutigkeit des leeren Grabes </b><br />
<br />
Dass das Grab Jesu leer war, spielt im Neuen Testament nur im Zusammenhang der Erzählung vom Gang der Frauen bzw. von Petrus und dem geliebten Jünger zum Grab eine Rolle (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%2016%2C1-8/bibel/text/lesen/ch/a9e7d1ff2c3c788fc344598e50406946/" target="_blank">Mk 16,1-8</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2028%2C1-8/bibel/text/lesen/ch/bc20672bb3c0bdfed9bd64af1530f47f/" target="_blank">Mt 28,1-8</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lk%2024%2C1-12/bibel/text/lesen/ch/162d93f1f6e5f4d3d8a1738f20eda071/" target="_blank">Lk 24,1-12</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2020%2C1-10/bibel/text/lesen/ch/71c86152a10efc086c8453cfcb0c0e85/" target="_blank">Joh 20,1-10</a></i></b>). Außerdem setzt die Geschichte vom Betrug der Hohenpriester (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2028%2C11-15/bibel/text/lesen/ch/e64661d519351bb4947a72d45edbdded/" target="_blank">28,11-15</a></i></b>) beim leeren Grab an. Sie zeigt freilich, wie mehrdeutig das Faktum eines leeren Grabes ist. In keinem Fall führt von ihm ein Weg zum Glauben an die Auferweckung Jesu. Das zeigt nicht nur das von Matthäus angeführte Gerücht vom Leichendiebstahl durch die Jünger (Mt 28,13); auch die Grabesgeschichten selbst sind so angelegt, dass das Leersein des Grabes den Osterglauben nicht begründet (wenn wir vom Sonderfall des geliebten Jüngers in Joh 20,8 absehen). Maria Magdalena meint, der Leichnam Jesu sei fortgeschafft worden (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2020%2C13-15/bibel/text/lesen/ch/a359201e33e8e839c46dff81867de24a/" target="_blank">Joh 20,13.15</a></i></b>), Petrus kommt angesichts des leeren Grabes über das Sichwundern nicht hinaus (Lk 24,12). Ohne die Botschaft des Engels (»er ist auferweckt worden«) bliebe das leere Grab stumm und offen für gegensätzliche Interpretationen. Schon aus diesem Grund kann sich am leeren Grab der Osterglaube nicht entscheiden.<br />
<br />
<b>Die begrenzte Bezeugung des leeren Grabes </b><br />
<br />
Sodann gibt der genannte Tatbestand zu denken, dass das leere Grab außerhalb der angeführten Erzählungen im Neuen Testament keine Rolle spielt. Die älteste, von Paulus aufgenommene Ostertradition kennt es nicht. Die Formel in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/1Kor%2015%2C%203-5/bibel/text/lesen/ch/5cf8541ad20d7285eec489e1638c09aa/" target="_blank">1Kor 15,3b-5</a></i></b> spricht zwar vom Begräbnis Jesu (für einen Gekreuzigten keineswegs selbstverständlich), aber nicht vom leeren Grab. Die Funktion, die die Begräbnis-Notiz in der ersten Strophe der Glaubensformel übernimmt (Bestätigung der vorangegangenen Aussage: »Christus ist gestorben«), hat in der zweiten Strophe die Rede von der Erscheinung (Bestätigung der vorangegangenen Aussage: »er ist auferweckt worden«).<br />
<br />
Dass die Erwähnung des Begräbnisses nur erklärlich sei, wenn sie auf die leibliche Auferstehung aus dem Grab bezogen sei, trifft nicht zu. Die bestätigende Funktion, die sich aus der parallelen Struktur ergibt, ist sinnvoll: Sie markiert die Auferweckung Jesu als endzeitliche Totenauferstehung, von der die in den Gräbern betroffen sind. Auch sonst spricht Paulus nie vom leeren Grab. Es hat in der ältesten Ostertradition und in den ältesten neutestamentlichen Zeugnissen keinen Ort. Wenn man meint, die Begräbnisnotiz sei erwähnt als Vorbedingung für das Herausgehen aus dem Grabe und deshalb ein Zeugnis für das Leersein des Grabes, so stellt sich die Frage, warum sich die Formel nur für die Vorbedingung interessiert und keine Aussage über das leere Grab trifft. Auch »implizit« kommt das leere Grab nicht in die Paulusbriefe.<br />
<br />
<b>Die Unterschiedlichkeit der Grabesgeschichten</b><br />
<br />
Bereits dieser Tatbestand lässt daran zweifeln, dass die Auffindung des leeren Grabes am Sonntag nach der Kreuzigung Jesu am Ursprung des Osterglaubens steht. Bestärkt wird solcher Zweifel durch die Unterschiedlichkeit der Erzählungen. Nur einige Beispiele: Wer ist eigentlich zum Grab gegangen: Eine Frau (Joh 20,1), zwei Frauen (Mt 28,1), drei (Mk 16,1) oder noch mehr (Lk 24,10)? Wollten die Frauen den Leichnam salben (Mk 16,1; Lk 24,1) oder das Grab sehen (Mt 28,1)? Wieviele Engel waren im Grab: einer (Mk 16,5; Mt 28,5) oder zwei (Lk 24,4; Joh 20,12)? Was hat der Engel gesagt: Hat er die Jünger indirekt nach Galiläa geschickt (Mk 16,7; Mt 28,7) oder mit Rücksicht auf den Auftrag des Erscheinenden (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lk%2024%2C49/bibel/text/lesen/ch/5295930c8f5114277b35a4bc05c56526/" target="_blank">Lk 24,49</a></i></b>) lieber darauf verzichtet (Lk 24,5-7)? Die Unterschiede weisen darauf, dass die Erzählungen nicht als Berichte über Geschehenes zu lesen sind, sondern als Niederschlag narrativer Theologie, in der das bereits bestehende Osterbekenntnis (»er ist auferweckt worden«) erzählerisch gestaltet wird.<br />
<br />
Der Versuch, die Widersprüche zu leugnen und die Grabesgeschichten als Tatsachenberichte zu lesen, wie er jüngst <a href="http://kath.net/news/50058" target="_blank"><i><b>hier</b></i></a> unternommen wurde, zeigt nur: Wenn man sich der Aufgabe widmet, »die Evangelienberichte irgendwie unter einen Hut zu bringen«, muss man eine neue, von keinem Evangelium bezeugte Geschichte erzählen. »Irgendwie« mag dieses Hütchenspiel gelingen, überzeugend geschieht es nicht. Wenn »die Wahrheit der Bibel als Wort Gottes« von solchen Phantastereien oder Privatoffenbarungen (Maria Valtorta steht im Hintergrund dieser Evangelienharmonie) abhinge, wäre es schlecht um sie bestellt. Aus dem »Fehlen eines chronologisch kohärenten Berichtes« abzuleiten, die Ostererzählungen der Evangelien seien »Zeugnisse aus erster Hand«, zeugt von einer erstaunlichen Unbekümmertheit. Wer fragt: »Warum sollten sie (=die Evangelisten) sich vor Widersprüchen fürchten, wo sie doch nur das wiedergaben, was tatsächlich geschehen war?«, hat sich von historischer Argumentation nicht im Übermaß beeindrucken lassen. Es sind ja gerade die Widersprüche, die daran zweifeln lassen, dass berichtet wird, was tatsächlich geschehen war. Wenn man davon <i>ausgeht</i>, dass Geschehenes berichtet wird, kann man dann auch die Geschichte dazuerfinden, in die sich die einzelnen Stücke »irgendwie« einfügen lassen. Die »Echtheit des Zeugnisses« ist, anders als die Autorin meint, nicht davon abhängig, dass die voneinander abweichenden Erzählungen von der Auffindung des leeren Grabes historisch exakt sind. <br />
<br />
Damit zurück zum literarischen Befund. Nur eingebettet in die Passionsgeschichte ist von der Auffindung des leeren Grabes die Rede, sei es als Abschluss (Mk 16,1-8), sei es als Übergang zur Erscheinungserzählung (Mt 28,7.<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2028%2C16/bibel/text/lesen/ch/e4d08d57addbda7d5a079dcfa12019b2/" target="_blank">16</a></i></b>: Galiläa; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lk%2024%2C22-24/bibel/text/lesen/ch/78dac5366e699cfa19342a6d9152dfbb/" target="_blank">Lk 24,22-24</a></i></b>: erzählerischer Rückgriff; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2020%2C1-18/bibel/text/lesen/ch/0edcff607245f78b85b1aac99a969525/" target="_blank">Joh 20,1-18</a></i></b>: Einordnung in die Magdalenen-Erzählung). Die Grabeserzählung spielt ihre Rolle innerhalb eines größeren literarischen Rahmens, ohne dass sich ein historischer Kern erheben ließe.<br />
<br />
<b>Historische Probleme </b><br />
<br />
Das ergibt sich auch bei Betrachtung der ältesten Erzählung in Mk 16,1-8. In historischer Hinsicht gibt es doch einige Auffälligkeiten: die Salbungsabsicht am dritten Tag nach dem Tod; die Unbekümmertheit, mit der die Frauen mit dieser Absicht zum Grab gehen und erst unterwegs merken, dass es Schwierigkeiten mit dem Verschlussstein des Grabes geben könnte; das Schweigen der Frauen nach der Begegnung mit dem Engel. Ausgangspunkt der Erzählung ist also höchstwahrscheinlich kein Erlebnis von Jüngerinnen am Sonntag nach dem Tod Jesu. Dass der erste Impuls zum Osterglauben nicht von der Entdeckung des leeren Grabes ausging, lässt auch die an Galiläa geknüpfte Erscheinungstradition (Mt 28,16-20; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2021%2C1-14/bibel/text/lesen/ch/aa81a81b2267efe16fabd23cb859842b/" target="_blank">Joh 21,1-14</a></i></b>; s.a. Mk 16,7) leichter verstehen: Die Jünger waren nach dem Karfreitag zurückgekehrt in ihre Heimat, kein aufsehenerregendes Ereignis hat sie zum Verbleib in Jerusalem bewogen.<br />
<br />
<b>Erscheinungen als Ausgangspunkt</b><br />
<br />
Nirgends wird, wie gesehen, in den Evangelien der Osterglaube der Jünger mit der Entdeckung des leeren Grabes in Verbindung gebracht. Entscheidend sind die Erscheinungen – hier ist auch der historische Ort der Entstehung des Osterglaubens zu suchen. Das Urteil, die Erscheinungen könnten nur vor dem Hintergrund des leeren Grabes eindeutig mit der Vorstellung der endzeitlichen Totenauferweckung verbunden werden, verkennt zwei Punkte: zum einen den endzeitlichen Kontext der Reich-Gottes-Verkündigung Jesu, der Vorgaben für die Deutung der Ostererfahrung liefert; zum andern die Tatsache, dass es für diesen Zusammenhang kein neutestamentliches Zeugnis gibt. Das leere Grab klärt nichts.<br />
<br />
<b>Notwendigkeit des leer gefundenen Grabes?</b><br />
<br />
Muss man die Auffindung des leeren Grabes aber dennoch annehmen, weil sich die Christusverkündigung in Jerusalem nicht hätte halten können, wenn man auf den Leichnam Jesu im Grab hätte verweisen können? Muss deshalb das leere Grab bekannt gewesen sein? Wenn die erste christliche Verkündigung auf äußerst scharfen Widerstand gestoßen und deshalb ein zweifelsfrei leeres Grab Jesu unabdingbar gewesen sein soll, so wundert man sich, dass dies so geringe Spuren in der Tradition hinterlassen hat. Das Motiv vom leeren Grab dürfte dann nicht auf die Erzählungen von dessen Auffindung begrenzt bleiben, sondern müsste auch die Bekenntnistradition prägen. Deren Gestalt zufolge scheint der Zustand des Grabes Jesu aber kein Diskussionspunkt in der Reaktion auf die Osterbotschaft gewesen zu sein. Das von Matthäus bezeugte Gerücht unter Juden, der Leichnam Jesu sei von den Jüngern gestohlen worden (Mt 28,11-15), ist nicht als alt zu erweisen und bleibt zu vereinzelt, um die Existenz einer Diskussion um die Bewertung des Grabes Jesu begründen zu können.<br />
<br />
Versetzen wir uns trotzdem einmal in die damaligen Akteure und fragen, ob jemand an der Überprüfung des Grabes gelegen sein konnte, um die Osterbotschaft zu widerlegen oder zu bekräftigen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass in frühjüdischem Kontext Totenauferstehung nur mit dem Verschwinden des Leichnams aus dem Grab denkbar gewesen sei, ergeben sich hier Schwierigkeiten. Hätten Zweifler an dieser Botschaft wirklich Grund gehabt, deren Wahrheitsgehalt durch Öffnung des Grabes zu überprüfen? Eher nicht, sie müssten ja fürchten, dass das Grab bereits präpariert und der Leichnam Jesu weggeschafft ist, ehe sie ihren Test durchführen konnten. Auf der anderen Seite hatten auch die ersten Christuszeugen keine Veranlassung, das Grab zu öffnen. Dies hieße, dass sie ihrem durch die Erscheinungen gewonnenen Glauben nicht trauen würden und eine empirische Überprüfung vorzögen. Damit wären die neutestamentlichen Ostergeschichten, wie bereits bemerkt, auf den Kopf gestellt. In ihnen klärt nicht das leere Grab die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn, sondern diese lässt umgekehrt erst das leere Grab verstehen.<br />
<br />
Es hatte also niemand Veranlassung, das Grab zu öffnen. Da sich die Tatsache, dass ein auf wunderbare Weise als geöffnet und leer aufgefundenes Grab den Ausgangspunkt des Osterglaubens bildete, als unwahrscheinlich erwiesen hat (s.o.), liegt in historischer Hinsicht nahe: Das Grab Jesu blieb geschlossen. Ob es »voll« oder »leer« war, lässt sich historisch nicht entscheiden.<br />
<br />
<b>Auferstehung und Verschwinden des Leichnams</b><br />
<br />
Allerdings ist die genannte Voraussetzung eigens zu befragen: Setzt die Botschaft von der Auferweckung Jesu ein Verschwinden seines Leichnams voraus? Und allgemein gefragt: Ist die Auferstehungsvorstellung daran gebunden, dass vom toten Körper nichts Materielles übrig bleibt, dieser vielmehr in eine Auferstehungsleiblichkeit eingehe? Die Frage wird kontrovers diskutiert, wie man beispielhaft an den Beiträgen von <i>Martin Hengel </i>und <i>Jürgen Becker </i>sehen kann (bibliographische Angaben unten). Becker erkennt eine größere Vielfalt als Hengel, für den sich »in der Regel das Grundmuster der leiblichen Auferstehung aus den Gräbern« (<i>Martin Hengel, </i>Begräbnis 168) ergibt (zum Ganzen ebd. 150-172). Der von Becker gestreute Zweifel an einem solchen Grundmuster ist nicht unberechtigt: Die Vorstellung einer Auferstehungsleiblichkeit scheint in der frühjüdischen Tradition nicht notwendig verbunden zu sein mit dem Hervorgehen der Toten aus den Gräbern, also mit der Vorstellung einer Wiederherstellung des irdischen Leibes (<i>Jürgen Becker, </i>Auferstehung 182-208).<br />
<br />
Ein solches Urteil spiegelt sich insofern im Befund zum Neuen Testament, als auch dort das Motiv des Herausgehens aus den Gräbern nur in zwei Fällen belegt ist (<i><a href="htts://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2027%2C52f/bibel/text/lesen/ch/e5d3b2c7924f7a7a05bf6db6c009ba3b/" target="_blank"><b>Mt 27,52f</b></a></i>, <b><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%205%2C28f/bibel/text/lesen/ch/7f436c717f466603deadc5a7a977ad8e/" target="_blank"><i>Joh 5,28f</i></a></b>). Die Grabesgeschichten der Passionsgeschichten erzählen ja nicht, dass Jesus das Grab verlässt. Auch die Öffnung des Grabes in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2028%2C2-6/bibel/text/lesen/ch/4751bd76e407023e7ecf8958af03e7f6/" target="_blank">Mt 28,2</a></i></b> hat nicht den Sinn, den Weg für den Auferweckten frei zu machen, sondern den Blick in das leere Grab zu erlauben (28,6). Paulus bezeugt, wie oben dargestellt, nur, dass der Leichnam Jesu ins Grab hinein-, nicht, dass er herauskam.<br />
<br />
<b>Das Zeugnis des Paulus</b><br />
<br />
Vor allem die korinthische Korrespondenz bietet wichtige Hinweise für unsere Fragestellung. Paulus macht sich in 1Kor 15 die ausführlichsten Gedanken im Neuen Testament über das Wie der Auferstehung. Gegen die Bestreitung der Totenauferstehung in der Gemeinde von Korinth (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/1Kor%2015%2C12/bibel/text/lesen/ch/1099928f224c04cf8df487ea468f16b6/" target="_blank">1Kor 15,12</a></i></b>) betont er die Leiblichkeit der Existenz der Auferweckten, setzt diese aber von den irdischen Verhältnissen ab:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt in Unvergänglichkeit, gesät wird in Unehre, auferweckt in Herrlichkeit, gesät wird in Schwäche, auferweckt in Kraft. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein geistlicher Leib« (15,42-44).</blockquote>
Paulus liegt also daran, die Andersartigkeit der Auferstehungsleiblichkeit zu betonen; mit stofflich-materieller Beschaffenheit hat sie nichts zu tun. So heißt es auch etwas später:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht erben, und die Vergänglichkeit erbt nicht Unvergänglichkeit« (1Kor 15,50). </blockquote>
In <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/2Kor%205%2C1/bibel/text/lesen/ch/542bc69aeb4464feb7fa682c7de8b2f6/" target="_blank">2Kor 5,1</a></i></b> ist vom Abbruch des irdischen Zelthauses die Rede, dem das nicht mit Händen gemachte (also von Gott gewirkte) Haus gegenübergestellt wird.<br />
<br />
Paulus sagt nicht ausdrücklich, dass sich diese geistliche Leiblichkeit mit dem Verbleib des toten Körpers im Grab verbinden lasse. Andererseits deutet nichts auf die Vorstellung, dass ein verwester Leichnam in der Totenauferstehung wiederhergestellt werde, im Gegenteil. Wenn der »geistliche Leib« so anders ist (s. die in 1Kor 15,42f genannten Gegensatzpaare), welchen Sinn hätte es dann, dass der irdische Leib mit der Auferweckung aus dem Grab verschwindet? Dies würde entweder bedeuten, dass er in irgendeiner Form in die Auferweckungsleiblichkeit eingehen würde – das aber will Paulus gerade ausschließen. Oder es hieße, dass das Alte vernichtet werden müsse, damit das Neue entstehen kann. Da der vergängliche Leib aber in jedem Fall dem Untergang geweiht ist und vergeht, müsste man sich schon recht deutlich nach dem Sinn dieser Vorstellung fragen.<br />
<br />
Selbstverständlich liegt Paulus auch an einer Kontinuität: Es ist derselbe Mensch, der zuvor »im irdischen Zelthaus« gelebt hat und in der Auferweckung einen »geistlichen Leib«, ein »nicht mit Händen gemachtes Haus« erhält. Die personale Identität hängt aber gerade nicht daran, dass die irdische Materie in den Auferweckungsleib eingeht (und sicher noch weniger an der Vernichtung des materiellen Körpers; s.o.). Diese Materie gehört zu dem, was »gesät wird« (Vergänglichkeit, Unehre, Schwäche: 15,42f); Paulus setzt es ab von der Auferstehungswirklichkeit (Unvergänglichkeit, Herrlichkeit, Kraft). Das Motiv der Verwandlung (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/1Kor%2015%2C51f/bibel/text/lesen/ch/26828ef937f830fc7364e4fee2170f98/" target="_blank">1Kor 15,51f</a></i></b>) setzt nicht voraus, dass der Leichnam erst in seiner Materialität wiederhergestellt werden müsse, um dann verwandelt zu werden. Verwandlung geschieht dadurch, dass »die Toten als Unverwesliche« erweckt werden. Paulus kann den Vollendungszustand nur leiblich denken. Das bedeutet aber nicht, dass es eine Kontinuität zwischen dem toten irdischen Leib und dem auferweckten »pneumatischen Leib« geben müsse.<br />
<br />
Wenn dies für die Glaubenden gilt, dann auch für Christus als »Erstling der Entschlafenen« (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/1Kor%2015%2C20/bibel/text/lesen/ch/9b8acd1cf37cee80e0b5f982999a7477/" target="_blank">15,20</a></i></b>). Dass sich Paulus für den Zustand des Grabes Jesu nicht interessiert, lässt sich also sehr gut verstehen. Wenn leibliche Auferweckung nicht die Wiederherstellung des verfallenden materiellen Körpers bedeutet, würde auch auch ein »volles Grab« die Botschaft von der Auferweckung nicht widerlegen.<br />
<br />
<b>Zur Bedeutung des leeren Grabes</b><br />
<br />
Werden diese Überlegungen entkräftet durch die Erzählungen vom leeren Grab in den Evangelien? Muss man deshalb die Auferstehung Jesu doch in jedem Fall als Wiederbelebung seines Leichnams denken? Ordnet man diese Texte einer bestimmten Form von Entrückungserzählungen zu, ist die Frage zu verneinen. Die Vorstellung einer Entrückung zu Gott muss nicht mit Aussagen über den Zustand des Grabes verbunden sein. Wenn aber von der Nichtauffindbarkeit des Leichnams die Rede ist, dann soll dies als Hinweis auf Entrückung zu Gott gelesen werden. Dies ist der entscheidende Punkt solcher Erzählungen. Dass von dem Toten keine Spur bleibt, eröffnet keine Überlegung über die Leiblichkeit der postmortalen Existenz, in die der Körper eingegangen oder verwandelt wäre. Jürgen Becker weist in diesem Zusammenhang auf eine Gegenprobe hin: Bis ins 2. Jahrhundert wird in der frühchristlichen Literatur, sofern die leibliche Auferstehungswirklichkeit zum Thema wird, nicht auf die Tradition vom leeren Grab zurückgegriffen (<i>Jürgen Becker, </i>Auferstehung 26).<br />
<br />
Die Deutung der neutestamentlichen Ostertraditionen wird umstritten bleiben. Es geht mir nicht darum, die hier vertretene Interpretation als die allein mögliche darzustellen. Aber sie kann in jedem Fall ernsthafte Gründe vorweisen. Und es sollte deutlich geworden sein, dass der Glaube an die Auferstehung Jesu nicht davon abhängt, welche Vorstellung man vom Zustand des Grabes Jesu und von der Leiblichkeit der Auferstehung hat. Die Aussage, zwei Prozent der Lehrenden an Theologischen Fakultäten würden an die Auferstehung Jesu glauben, heißt vielleicht, wenn man die Frage nach der empirischen Basis eines solchen Urteils einmal außer Acht lässt: »Zwei Prozent glauben auf dieselbe Weise wie ich an die Auferstehung Jesu.«<br />
<br />
---<br />
<br />
<i>Jürgen Becker,</i> Die Auferstehung Jesu Christi nach dem Neuen Testament. Ostererfahrung und Osterverständnis im Urchristentum, Tübingen 2007.<br />
<i><br /></i>
<i>Martin Hengel, </i>Das Begräbnis Jesu bei Paulus und die leibliche Auferstehung aus dem Grabe, in: Auferstehung – Resurrection, hrsg. v. F. Avemarie u. H. Lichtenberger (WUNT 135), Tübingen 2001, 119-183.Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com26tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-65618288814757490182015-04-03T00:50:00.002+02:002017-04-13T09:44:01.598+02:00Der Sieg am Kreuz<i>Zum Karfreitag einige Beobachtungen zur Besonderheit der johanneischen Passionsgeschichte. </i><br />
<br />
Das Johannes-Evangelium unterscheidet sich auch in der Darstellung der Passion sehr stark von den anderen drei Evangelien. Es beschreibt Jesu Leiden nicht als Weg in die Niedrigkeit, sondern stellt sie als ein Geschehen dar, das von Jesus selbst souverän bestimmt wird. Das Kreuz ist nicht Ort von Schmach und Ohnmacht, sondern der Vollendung und Verherrlichung.<br />
<br />
<b>Vorverweise im Evangelium</b><br />
<br />
Dass die Passion Jesu in diesem Sinn zu verstehen ist, klärt der Evangelist durch Vorverweise im Verlauf des öffentlichen Wirkens Jesu. Solange die Stunde Jesu nicht gekommen ist, können auch seine Widersacher ihm nichts anhaben (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%207%2C30/bibel/text/lesen/ch/85e08a41f8c64c187b00defddf1e9b21/" target="_blank">Joh 7,30</a><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%207%2C44/bibel/text/lesen/ch/a8465bc087e4d1fb1edecea9b8bf4605/" target="_blank">.44</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%208%2C20/bibel/text/lesen/ch/ccb8f5a6f751f86c98c75699e3266dba/" target="_blank">8,20</a></i></b>). Sie bestimmen ihr Handeln gegen Jesus nicht selbst, sondern sind darin abhängig von der festgesetzten Zeit. Noch klarer äußert sich der johanneische Jesus freilich selbst im Rahmen der Hirtenrede: Niemand hat die Macht, ihm das Leben zu nehmen, er gibt es selbst, von sich aus; er hat die Vollmacht es zu geben und wieder zu nehmen, in Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2010%2C18/bibel/text/lesen/ch/2d9505a50db7fce84028c74c8a5f8760/" target="_blank">10,18</a></i></b>). So wissen die Leser schon vor Beginn der Passion, dass in ihr die Gegner über Jesus keine Gewalt gewinnen.<br />
<br />
<b>Der Beginn der Passion in weiterem Sinn</b><br />
<br />
In einem weiteren Sinn kann man die Leidensgeschichte im Johannes-Evangelium bereits in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2013%2C1/bibel/text/lesen/ch/63dc989088f7400bd5c504be2e0c1e2b/" target="_blank">13,1</a></i></b> beginnen lassen. Diesem Anfang zufolge geht Jesus bewusst ins Leiden: Er weiß, dass seine Stunde gekommen ist (ähnlich <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2026%2C1f/bibel/text/lesen/ch/b18293e9a5153e5fe5bed9b94fe2f3c2/" target="_blank">Mt 26,1f</a></i></b>). Auch die Umschreibung des Todes Jesu als <i>Hinübergang zum Vater</i> gibt schon ein Signal, wie sein Tod zu verstehen ist. Es ist im Sinne dieser Passionsdarstellung nur folgerichtig, dass das von Angst gekennzeichnete Gebet Jesu in Getsemani nicht erzählt wird.<br />
<br />
<b>Die Verhaftung Jesu</b><br />
<br />
Im engeren Sinn beginnt die Passionsgeschichte nach den Abschiedsreden mit der Verhaftungsszene. Diese ist ganz von Jesus bestimmt. Gegen ihn rückt eine große bewaffnete Schar heran. Im griechischen Text ist ein Ausdruck verwendet, der mit »Kohorte« zu übersetzen ist (σπεῖρα). Dies würde bedeuten, dass Judas mit mehr als 600 Soldaten anrückt. Aber nicht die Kohorte ergreift Jesus, sondern Jesus geht im Wissen um das nun Kommende hinaus und stellt sich ihr entgegen (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2018%2C4/bibel/text/lesen/ch/ca6d69c0624bfecf8fcc35a75b1b6308/" target="_blank">Joh 18,4</a></i></b>). Die Machtlosigkeit der Soldaten und die Hoheit Jesu wird demonstriert an der Reaktion auf die Aussage Jesu »Ich bin es«: Die Gegner Jesu stürzen zu Boden. Die Bewahrung vor einem Zugriff der Soldaten verdanken die Jünger nicht ihrer Flucht, sondern einem Wort Jesu, der den Soldaten unwidersprochen Befehle erteilt (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2018%2C8/bibel/text/lesen/ch/ac167d136c6ca9c71d54871a6626ceaf/" target="_blank">18,8</a></i></b>).<br />
<br />
<b>Das Verhör vor Hannas</b> <br />
<br />
Das Verhör vor Hannas (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2018%2C19-24/bibel/text/lesen/ch/906b12dc5a1e69210c00cbb3a88d5cd0/" target="_blank">18,19-24</a></i></b>) erweist die Hilflosigkeit der jüdischen Obrigkeit. Jesus verweigert mit Blick auf sein öffentliches Wirken jede Auskunft. Darauf bleibt der Gegenseite nur das Mittel ungerechtfertigter Gewalt, wie die Gegenfrage Jesu zeigt (Joh 18,23). Jesus behält das letzte Wort. Hannas, der in der ganzen Szene nicht direkt als Redender auftritt und so gegenüber Jesus im Hintergrund steht, bleibt nichts anderes, als den Festgenommenen dem Kajaphas zu überstellen. So endet das erste Verhör mit einem Fiasko für die Ankläger. Zu einem Schuldspruch kommt es nicht, die Anklage vor Pilatus hängt damit vollständig in der Luft.<br />
<br />
<b>Das Kernstück: Verhör vor Pilatus </b><br />
<br />
Johannes konzentriert die Vernehmung und Verurteilung Jesu ganz auf das Verhör vor Pilatus, in dem alle entscheidenden Akteure der Passion in einer überlegt gestalteten Szene vereinigt werden. Die Juden als Ankläger, Pilatus als Richter, Jesus als Angeklagter. Wir sehen uns die verschiedenen Handlungsträger etwas näher an.<br />
<br />
Die <i>Juden </i>stehen <i>draußen </i>und verlangen die Verurteilung Jesu, ohne zunächst eine Anklage zu formulieren – nach dem Ausgang des Verhörs vor Hannas durchaus konsequent. Das Thema des Königtums Jesu wird erst von Pilatus im Verhör mit Jesus eingebracht. So schwanken denn die Ankläger, die selbst keine Anklage formuliert haben, in der Angabe der Schuld Jesu: Ist es einmal das jüdische Gesetz, demzufolge Jesus sterben muss, weil er sich selbst zum Sohn Gottes gemacht hat (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C7/bibel/text/lesen/ch/35b4a072a9bfb3d9a2bf2d5088450a69/" target="_blank">19,7</a></i></b>), so greifen »die Juden« später zum Mittel der politischen Anklage, Jesus habe sich selbst zum König gemacht und damit dem Kaiser widersetzt (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C12/bibel/text/lesen/ch/4c2233411c950a38b5928009e8d96ef0/" target="_blank">19,12</a></i></b>). Als selbst daraufhin der Statthalter noch nicht so recht zur Verurteilung Jesu kommen will, fällt der Satz aus dem Mund der Hohenpriester: »Wir haben keinen König außer dem Kaiser« (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C15/bibel/text/lesen/ch/f480732f19c9fe1598b5e5a5ba3514c0/" target="_blank">19,15</a></i></b>). Dies ist das Stichwort für die Auslieferung Jesu zur Kreuzigung. So ist die Verurteilung Jesu nur zu dem Preis der Aufgabe der messianischen Erwartung (des endzeitlichen Königs) zu haben. Die Ankläger »müssen sich zu Untertanen des römischen Cäsaren degradieren und ihre messianische Hoffnung verbal aufgeben« (<i>Jürgen Becker</i>, Das Evangelium nach Johannes, Bd. 2, 3.Aufl., Gütersloh 1991, 558).<br />
<br />
<i>Pilatus </i>ist vordergründig der Gerichtsherr, er spricht das Urteil und eröffnet die Dialoge (vgl. ebd.). Gleichwohl handelt er alles andere als souverän, muss immer <i>zwischen drinnen und draußen</i> hin- und herlaufen. Dieser Wechsel der Orte hat sicher symbolische Bedeutung als Wechsel zwischen zwei entgegengesetzten Bereichen: Drinnen steht Jesus, draußen die Juden. Dass Johannes diese Bereiche trennt, kann man auch daran ersehen, dass Pilatus in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C9/bibel/text/lesen/ch/5980a35ed012aa13567d0e4678eb3404/" target="_blank">19,9</a></i></b> wieder nach drinnen zu Jesus geht, obwohl Jesus im Anschluss an die Geißelung herausgeführt worden war (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C5/bibel/text/lesen/ch/45c9ef0a18082ec1b3577d72e74a90de/" target="_blank">19,5</a></i></b>). Während drinnen dem Statthalter nach dem Willen Jesu Offenbarung gewährt oder verweigert wird, ist draußen die Gegnerschaft des göttlichen Offenbarers versammelt. Draußen wird dann auch die Auslieferung Jesu beschlossen. Pilatus schwankt zwischen beiden Bereichen, beugt sich dann aber doch dem Druck, der von »draußen« auf ihn ausgeübt wird. Den Dialog zwischen Jesus und Pilatus nutzt Johannes zur Klärung des christlichen Messiasverständnisses. Es geht nicht um einen politischen Anspruch, der die Römer auf den Plan rufen müsste, sondern um ein Königreich, das »nicht von dieser Welt« ist; Jesu Königtum ist auf die Wahrheit (als Ausdruck für die Wirklichkeit Gottes) bezogen, von der er Zeugnis gibt. Der Statthalter begreift das letztlich nicht, wie seine Frage »Was ist Wahrheit?« zeigt; aber er versteht doch, dass ein Grund für die Verurteilung Jesu nicht vorliegt. Überdeutlich beansprucht Johannes Pilatus als Zeugen für die Unschuld Jesu (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2018%2C38/bibel/text/lesen/ch/a5449fc41753042e68405a20c65012d1/" target="_blank">18,38</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C6/bibel/text/lesen/ch/b8dbffeba99e2eb214b52af7638a1027/" target="_blank">19,6</a></i></b>.<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C12/bibel/text/lesen/ch/4c2233411c950a38b5928009e8d96ef0/" target="_blank">12</a></i></b>).<br />
<br />
Souverän agiert in dieser Szene allein <i>Jesus</i>. Auf die erste Frage des Statthalters stellt er selbst eine Gegenfrage und konfrontiert Pilatus mit dem wahren Verständnis seines Königtums. Auch Geißelung und Verspottung durch die Soldaten (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C1-3/bibel/text/lesen/ch/1a001f27e1a072edcd41d9360eb1efa8/" target="_blank">19,1-3</a></i></b>) ändern an dieser überlegenen Haltung nichts. Die nächste Frage des Pilatus (»Woher bist du?«) beantwortet Jesus nicht und teilt dem Präfekten auf dessen Hinweis auf die ihm zukommende Macht hin seine untergeordnete Rolle mit: Seine Macht verdankt sich nur der Gabe von oben, eigentlich hat er keine Macht über Jesus (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C11/bibel/text/lesen/ch/c96d830853a2e24aacf9414ae14a5acc/" target="_blank">19,11</a></i></b>).<br />
<br />
<b>Kreuzigung und Tod Jesu </b><br />
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://1.bp.blogspot.com/-9KVgRuMidbU/WO8quUByUVI/AAAAAAAADXk/rqbeLCBOxN0dcZoC70DZyPlw4qptT4oswCLcB/s1600/church-535155_1280.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 0,5em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="240" src="https://1.bp.blogspot.com/-9KVgRuMidbU/WO8quUByUVI/AAAAAAAADXk/rqbeLCBOxN0dcZoC70DZyPlw4qptT4oswCLcB/s1600/church-535155_1280.jpg" width="320" /></a></div>
Auch nach der Verhandlung vor Pilatus ändert sich nichts an diesem Bild Jesu. So trägt er sein Kreuz selbst nach Golgota hinauf. Die Kreuzigung erfolgt <i>nicht </i>zwischen zwei <i>Räubern</i>, was in den synoptischen Evangelien die Erniedrigung Jesu herausstellt. Allein das Mitgekreuzigtwerden von zwei anderen wird erwähnt, wobei die Stellung Jesu in der Mitte sprachlich noch stärker als in den synoptischen Evangelien betont wird (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C18/bibel/text/lesen/ch/f1ef28fa857fc89f2080b10b16267f6a/" target="_blank">19,18</a></i></b>).<br />
<br />
Um die Aufschrift »Jesus, der Nazoräer, König der Juden« entwickelt sich ein Streit zwischen den Juden und dem Statthalter, der dieses Mal aber fest bleibt (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C20-22/bibel/text/lesen/ch/b4fd6f9f64db429725088947e2aaaa40/" target="_blank">19,20-22</a></i></b>). Die Juden wollen nur den von ihnen abgelehnten Anspruch Jesu lesen (»Jener sagte: Ich bin der König der Juden«). Die Intention des Evangelisten kann in diesem Abschnitt mehrschichtig sein. Einmal richtet sich die Inschrift gegen die Juden selbst, die zuvor Kaisertreue beteuerten und deshalb die Hoffnung auf den messianischen König überhaupt preisgaben. Dies wird ihnen mit dem gekreuzigten Messiaskönig nun deutlich gemacht. Zum Zweiten wird die von Jesus selbst bestätigte Königswürde (18,37: »ich bin ein König«) proklamiert, und dies in den Sprachen, die in der damaligen Welt besonders verbreitet waren. Der königliche Anspruch Jesu wird also universal erhoben.<br />
<br />
In der auf die Verteilung der Kleider folgenden Szene, die die Frauen unter dem Kreuz und den geliebten Jünger in die Darstellung einbringt (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C25-27/bibel/text/lesen/ch/a8cb191b62c8665d19a3b43794367823/" target="_blank">19,25-27</a></i></b>), findet das hoheitliche Bild Jesu in der Passion am Kreuz seine Vollendung. So trifft Jesus Verfügungen für die Zeit nach seinem Tod und ist auch nicht Gegenstand von Verspottung. Hier hängt in der Tat ein König am Kreuz. Er trinkt nicht etwa, weil er Durst hätte, sondern damit sich die Schrift erfüllt (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%2019%2C28f/bibel/text/lesen/ch/67a606ca8e4af8d3ecb613df253f5443/" target="_blank">19,28f</a></i></b>). Dass Jesus einen zum Trinken gereichten mit Myrrhe gewürzten Wein nicht annähme (so <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%2015%2C23/bibel/text/lesen/ch/0fe0ab2a71ea7ff657ee95f44ab1b4ad/" target="_blank">Mk 15,23</a></i></b>), würde nicht in das Bild der Johannespassion passen. Genauso wenig ein Ausruf der Gottverlassenheit oder ein Todesschrei. Vielmehr hat man den Eindruck, dass Jesus im Johannes-Evangelium den Zeitpunkt seines Todes selbst bestimmt. Er stellt fest, dass alles – das vom Vater aufgetragene Werk zum Heil der Menschen – vollbracht sei, und stirbt daraufhin.<br />
<br />
<b>Auslegung in Bachs Johannes-Passion</b><br />
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Josef Blank hat darauf hingewiesen, dass die Johannes-Passion von Johann Sebastian Bach eine ausgezeichnete Auslegung das johanneischen Textes bietet. Dies sei schon im <b><i><a href="https://www.youtube.com/watch?v=lZkQro0CLwo" target="_blank">Eingangschor </a> </i></b>zu erkennen, der »in lapidarer Form und in jeder Hinsicht zutreffend die theologische Absicht der johanneischen Passionsgeschichte« ausdrücke (<i>Josef Blank</i>, Das Evangelium nach Johannes, Bd. 3, Düsseldorf 1977, 7): »Herr, unser Herrscher, dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist! Zeig uns durch deine Passion, dass du, der wahre Gottessohn, zu aller Zeit, auch in der tiefsten Niedrigkeit, verherrlicht worden bist.« Ein weiteres Indiz für das rechte Verständnis der johanneischen Passionsgeschichte in dem musikalischen Werk (vgl. ebd.): Zwischen den Sätzen »Es ist vollbracht« und »und neigte das Haupt und starb« ist eine <b><i><a href="https://www.youtube.com/watch?v=AOoe8K1yj50" target="_blank">Arie </a></i></b>eingefügt, die mit den Worten endet: »Der Held aus Juda siegt mit Macht. Und schließt den Kampf, es ist vollbracht.«<br />
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Bild: <i><a href="https://pixabay.com/de/kirche-fenster-kirchenfenster-535155/" target="_blank">falco/pixabay</a></i>Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-37245685898777307662015-03-14T00:51:00.000+01:002017-03-22T00:13:28.118+01:00Exegese-Bashing<i>Veit Neumann</i> hat mit <i>Klaus Berger </i>Gespräche geführt und daraus ein Buch gemacht (<b><i><a href="http://shop.echter-verlag.de/die-theologie-als-abenteuer.html">Theologie als Abenteuer</a></i></b>). Das Werk schreitet den Lebensweg Bergers ab und bietet ihm zahlreiche Gelegenheiten, die eigene Großartigkeit darzustellen – in einem weiten Bogen von den Bestnoten in Latein und Griechisch über die vollsten Hörsäle und meisten Doktoranden bis zum Errichten von Sandburgen allein mit einer Schaufel (ohne Formen oder Förmchen!). Dass Berger dabei ordentlich austeilt, überrascht nicht. Erstaunlich sind dagegen nicht wenige der Fragen, die den Eindruck auch nur minimaler Distanz zum Gesprächspartner erfolgreich vermeiden. Besonders bedauerlich ist das im Blick auf die öffentliche Debatte um die Kirchenzugehörigkeit Bergers. Ganz ungestört von lästigem Nachfragen darf sich Berger als Opfer inszenieren, das froh ist, das Ganze überlebt zu haben. Zu mehr als »Ich will die Dinge nun nicht gerade herunterspielen« lässt sich der Fragesteller nicht hinreißen, nimmt aber selbst diese Aussage nicht nur durch seinen Fragestil zurück, sondern gleich durch seinen nächsten Satz (»Im Nachhinein hat jemand anderes stets leicht reden«).<br />
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Sei's drum, ich will das hier nicht vertiefen. Denn mein Thema ist das Vorwort, in dem der Dominikaner <i>Wolfgang H. Spindler</i> die Keule gegen die historisch-kritische Exegese schwingt. Dieser Beitrag ist nicht nur erstaunlich, sondern in hohem Maße ärgerlich. Um den Ärger etwas zu kanalisieren, wird, wie bereits in einem <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2011/07/in-sieben-schritten-zur-polemik-gegen.html">früheren Fall</a></i></b>, ein fiktives Strategiepapier der fiktiven Firma <i>PolemicConsult</i> zitiert (ich bin also in jenem Modus, der den Hinweis auf die <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/p/arznei-warnhinweis.html">Nebenwirkungen</a></i></b> notwendig macht). Dieses Papier könnte die Vorlage für das Vorwort abgegeben haben, allein den letzten Rat (7.) hat dessen Autor nicht befolgt.</div>
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<i>1. Stellen Sie den Gegner, in diesem Fall also die historisch-kritischen Exegeten, in seiner Böswilligkeit dar und machen Sie ihn für alles verantwortlich. </i><br />
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Machen Sie gleich mit dem ersten Satz klar, in welche Richtung die Reise geht und dass Sie sich mit Differenzierungen nicht unnötig aufhalten wollen: </div>
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»Die Krise der Kirche ist zuerst eine Krise der Bibelwissenschaft.« </blockquote>
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Erwecken Sie den Eindruck, da hätten irgendwelche böswilligen Exegeten den Glauben »systematisch ausgehöhlt«. Vermeiden Sie jede Verbindung der historisch-kritischen Bibelauslegung zu umfassenden geistesgeschichtlichen Verschiebungen, die es in den letzten 200 Jahren gegeben hat. Möglich ist höchstens die Notiz, die historisch-kritische Methode sei »ein typisches Produkt der (klassischen) Moderne«. Durch die Klammerbemerkung wird angedeutet, dass das schon ein veraltetes Phänomen ist (deshalb könnten Sie auch irgendwo die »Mottenkiste des 19. Jahrhunderts« fallen lassen und davon reden, dass die Moderne »in die Jahre gekommen« sei). Aber die Bemerkung ist nicht ungefährlich, könnte sie Leser doch auf die Idee bringen, dass die von Ihnen kritisierte Exegese nicht in glaubenszerstörerischer Absicht unternommen wurde, sondern als Reaktion auf die Herausforderungen, die mit den epochalen Umwälzungen der Aufklärung verbunden sind. Wenn Sie die »Aufklärung« erwähnen, dann also nur im Zusammenhang mit deren »rationalistische[n] Engführungen«. Unterlassen Sie jede Anspielung auf das Scheitern des antimodernistischen Kurses der katholischen Kirche aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und geben Sie auch keinen Hinweis darauf, dass die historisch-kritische Methode kirchlich anerkannt ist. </div>
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Dagegen sollte aus Gründen der Stimmungsmache unbedingt zur Sprache kommen, dass die deutschen Universitätstheologen in unkündbarer Beamtenstellung arbeiten. Das erweckt den Eindruck von Saturiertheit und mangelndem Engagement. Vielleicht kriegen Sie irgendwo, am besten im ersten Absatz, folgenden Satz über die Exegeten unter: </div>
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»Hierzulande meist an staatlichen Lehranstalten angesiedelt und mit kirchlichem Auftrag ausgestattet, beziehen ihre Vertreter Solde und Pensionen für ein fragwürdiges Geschäft.« </blockquote>
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<i>2. Lassen Sie unbedingt den Namen »Bultmann« fallen. </i></div>
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Dies ist ein absolutes Erfordernis für Ihr Vorwort. Bei der angezielten Leserschaft kann Schnappatmung oder Juckreiz hervorgerufen werden, wenn die Buchstaben <i>a, b, l, m, n</i> (2x) <i>t </i>und <i>u</i> in der angegebenen Form angeordnet werden. Außerdem darf das Zitat mit dem elektrischen Licht und dem Radioapparat nicht fehlen – Sie wissen schon: das Zitat, das in diesem Zusammenhang immer kommt. Das ist zwar nicht originell, aber auf Originalität muss es Ihnen in Ihrem Text ja als Allerletztes ankommen. Viel wichtiger ist der Eindruck, man könne mit dem Entmythologisierungsprogramm aus dem Jahr 1941 zugleich die ganze gegenwärtige Exegese treffen. Entscheidend ist nicht, ob das stimmt, sondern dass Ihre Leser das glauben. </div>
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<i>3. Marginalisieren Sie eventuelle dunkle Punkte und bauen Sie ein strahlendes Gegenbild zu Bultmann und Epigonen (also alle Exegeten seit 1930 außer einem) auf: einen einsamen Held, der den Mächten des Bösen trotzt. </i></div>
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Sie schreiben das Vorwort zu einem Buch, das Klaus Berger als exegetischen Leuchtturm unter lauter Teelichtern darstellt. Allerdings hat es öffentliche Debatten gegeben, die Bergers Licht nicht uneingeschränkt hell strahlen ließen (Stichwort: <b><i><a href="http://kath.net/news/11976">Dementi aus dem Vatikan</a></i></b> zu der angeblich akzeptierten Doppelmitgliedschaft in evangelischer und katholischer Kirche). Da das Interviewbuch sich zu diesem heiklen Punkt (anders als zu den Details der Bergerschen Sandburgenbaukunst) einen konsequenten Frageverzicht auferlegt, könnten Sie diese Lücke füllen. Wir schlagen folgende Strategie vor: Erwähnen Sie die Diskussionen um Bergers Kirchenzugehörigkeit; lassen Sie auch durchblicken, dass nicht alles, was Berger dazu geäußert hat, überzeugen muss. Geben Sie dabei aber auch Anhaltspunkte für die Opferrolle (etwa: »kam dabei fast unter die Räder«) und bringen Sie einen entlastenden Bibelspruch. Passend wäre Mt 7,1: »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet!« Dass man damit jede Kritik abwürgen kann, macht den Spruch so brauchbar. Sie müssen nicht fürchten, dass das angezielte Lesepublikum aus dem Jesuswort den Schluss zieht, dass Sie gerade selbst über Exegese und Exegeten zu Gericht zu sitzen.<br />
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Außerdem müssen Sie Berger zu einem lebenslangen Gegenmodell zur historisch-kritischen Exegese stilisieren, z.B. so: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Das vorliegende Interviewbuch stellt einen Theologen vor, der seit mehr als einem halben Jahrhundert einen anderen Umgang mit der Schrift pflegt.« </blockquote>
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Dass das nicht stimmt, Berger vielmehr über lange Jahre am historisch-kritischen Diskurs teilgenommen hat, ohne gegen die »liberale Exegese« zu wettern, tut nichts zur Sache. Schreiben Sie über die </div>
<blockquote class="tr_bq">
»tiefe Liebe zur heiligen Schrift, zur einen Heiligen und Apostolischen Kirche, zu Jesus Christus«,</blockquote>
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die Sie in Bergers Sätzen spüren (übertreiben Sie ruhig: in <i>allen </i>Sätzen), und setzen Sie diesem Superengagierten </div>
<blockquote class="tr_bq">
»die vielen blutleeren Gestalten« gegenüber, »die das wechselseitige Promotions-, Habilitations- und Zitationskartell an die Katheder des theologischen Betriebs spült«. </blockquote>
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Ja, schreiben Sie: <i>spült</i>, denn so entsteht der Eindruck, dass anonyme Kräfte die Lehrstühle mit denen besetzen, die sich einfach treiben lassen. Haben Sie keine Sorge, dass jemand nachfragt, wie viele der blutleeren Gestalten Sie eigentlich kennen und wie sich wohl die genannten Kartelle nachweisen lassen. Die Behauptung genügt. </div>
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<i>4. Psychologisieren Sie über Motive, auch wenn Sie davon nichts wissen können. </i></div>
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Unterstellen Sie, dass der im Wissenschaftsbetrieb völlig normale Vorgang von »einander ablösende[n] und widersprechende[n] Hypothesen« und die dadurch entstehende Verunsicherung »auf einem Sicherheitsbedürfnis« beruht. Kennzeichnen Sie historisch-kritische Exegese gewissermaßen als Ersatzreligion, in der man wegen des verloren gegangenen Vertrauens in die kirchliche Tradition Halt sucht. Lassen Sie durchblicken, dass dieser Verlust »oft« biographische Gründe hat, jedenfalls keine wissenschaftlich relevanten. Keinesfalls aber darf deutlich werden, dass die selbstverständliche Gültigkeit der Tradition seit der Epoche der Aufklärung zerbrochen ist (s.o. 1.). </div>
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An die Stelle einer geistesgeschichtlichen Ortsbestimmung muss vielmehr die individuelle Perspektive treten. Bringen Sie auch ruhig biographische Einzelfälle aus Ihrem Bekanntenkreis ein, aus denen die zerstörerische Wirkung der historisch-kritischen Exegese hervorgeht, und tun Sie so, als wäre dies ein Argument. Um den Eindruck zu vermitteln, dass exegetische Annahmen keinen Sachgrund haben, können Sie den Exegeten einfach »ungestillte Lust« zu phantasiereichen Hypothesen unterstellen – am besten in einem Satz, dem zufolge die Exegeten selbst etwas unterstellen (das lenkt etwas von Ihrer eigenen Unterstellung ab). Das kann ruhig auch ein wenig schwülstig klingen: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»… die zu unterstellen manche Exegeten offenbar ungestillte Lust verspüren.« </blockquote>
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Auch im Blick auf die institutionelle Ebene empfiehlt sich eine psychologisierende Strategie. Dass sich bestimmte Grundannahmen über lange Zeit halten, könnte zwar daran liegen, dass sie die Mehrheit der Forscher überzeugen; ein solcher Eindruck muss aber um jeden Preis vermieden werden. Bringen Sie deshalb </div>
<blockquote class="tr_bq">
»das Beharrungsvermögen etablierter Institutionen und <i>scientific communities</i>« ins Spiel und sagen Sie, dass »die Mehrheitstheologen wie kaum eine andere Zunft« zu einem solchen Block »zusammengeschweißt sind«. </blockquote>
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Gut wäre es auch, wenn Sie irgendwo fallen lassen könnten, dass es in der Exegese ein »Dogma« und ein »große[s] <i>Tabu</i>« gebe, am besten vielleicht im Zusammenhang mit der Datierung der Evangelien. So kann man mit zwei Begriffen die seltsamerweise von so Vielen vertretene Position, dass die Evangelienproduktion um 70 beginnt, als unbegründet erscheinen lassen. Das ist recht praktisch, denn es erzielt bei minimalem Einsatz (9 Buchstaben!) den größten Effekt. </div>
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<i>5. Bringen Sie außerfachliche Expertise ein, um die historisch-kritische Exegese als unhaltbares und längst überholtes Unternehmen zu kennzeichnen. </i></div>
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Um die historisch-kritische Exegese als wissenschaftlich unhaltbares Unternehmen zu kennzeichnen, ist man nicht nur auf die verzerrte Darstellung ihrer Positionen angewiesen (s. dazu 6.). Ein weiteres probates Mittel ist, sie aus der Perspektive anderer Fächer als überholt zu charakterisieren. Sprechen Sie dabei unbestimmt im Plural und suggerieren Sie eine Einmütigkeit, über deren tatsächliche Existenz Sie ja keine Rechenschaft ablegen müssen. Nehmen Sie einen in Ihrer Sicht kritischen Punkt und sagen Sie, dessen Zurückweisung gelte »für Historiker und Altphilologen als längst ausgemacht«, oder es seien Gegenargumente »nicht zuletzt von Historikern und Klassischen Philologen zusammengetragen worden«. Hüten Sie sich vor einem Beleg dieser Behauptung, nennen Sie keine Namen. Im Übrigen: Wenn sich jeweils zwei Vertreter finden ließen, wäre Ihre unbestimmte pluralische Formulierung schon gerechtfertigt, selbst wenn diese zwei in ihrem Fach Außenseiter wären.<br />
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Gut wäre in diesem Zusammenhang auch noch eine autobiographische Note. Sie haben ja Jura studiert und können Ihrem Entsetzen über die Exegese im Theologiestudium dadurch einen seriösen Anstrich geben, dass Sie die Exegese an den Standards der Rechtswissenschaft scheitern lassen: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Das wäre unter Juristen undenkbar gewesen.« </blockquote>
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Erklären Sie nicht, was das Undenkbare genau ist, sondern wählen Sie eine polemische Umschreibung: Beziehen Sie es z.B. darauf, »wie hartnäckig hier an Vorurteilen und fraglich gewordenen Prämissen festgehalten wurde«. Natürlich wäre der Nachweis entscheidend, dass es wirklich so elend um die Exegese steht, wie Sie hier behaupten. Das können Sie aber durch den Bezug auf die eigene Erfahrung verdecken: Wenn der Jurist die Exegese so wissenschaftlich verlottert wahrgenommen hat, dann wird das schon stimmen. Und Sie müssen nur dafür sorgen, dass die Leser Ihres Vorworts genau diesen Eindruck gewinnen. Beachten Sie dazu die Ausführungen im nächsten Punkt. </div>
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<i>6. Vor allem: Verzerren Sie die Position, die Sie angreifen, um sie besser lächerlich machen zu können. </i></div>
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Sie müssen sich die historisch-kritische Exegese als leichten Pappkameraden aufbauen, den Sie mit einem Hauch Ihres Mundes umpusten können. Hier bieten sich verschiedene Möglichkeiten an. Sie können tatsächlich stattfindende Debatten unterschlagen und Einmütigkeit suggerieren – etwa zur Auswertung von Mk 13,2 für die Datierung des Markus-Evangeliums: Ob Markus das Ende des Krieges voraussetzt, wird zwar nicht ganz so einmütig beurteilt; es wird außerdem vertreten, dass Mk 13,2 wie 14,58 auf ein Jesuswort vom Ende des Tempels zurückgeht. Aber das muss Sie nicht bekümmern. </div>
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Sie können die Unterscheidung verschiedener Schichten in einem Text dadurch <i>ad absurdum </i>führen, dass Sie einen modernen literarischen Text nehmen, dessen Material nicht zuvor durch die mündliche Überlieferung gegangen ist und der auch nicht aus einem Milieu kommt, in dem literarische Fortschreibung ein bekanntes Verfahren ist. Demonstrieren Sie an diesem modernen Stück (wie wär's mit Kafkas <i>Prozeß</i>?) das Scheitern einer Methode, die für eine andere Art von Text entwickelt wurde. Das ist zwar nicht sachgerecht, aber wirkungsvoll. Tun Sie es außerdem so, als ließe die mit dem »Schichtungsmodell« verbundene historische Rückfrage von Jesus nur übrig, er sei ein »Fresser und Säufer« gewesen. Verschweigen Sie, dass es in der Exegese eine Diskussion über die Leistungsfähigkeit dieses Modells gibt (wahrscheinlich müssten wir dazu nicht auffordern, weil Sie es gar nicht wissen).<br />
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Sie können auch eine banale Aussage treffen und dabei den Eindruck erwecken, sie stünde im Gegensatz zu den Annahmen der historisch-kritischen Exegese. Vorschlag: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Wenn zutreffend gesagt wird, Jesu Botschaft habe sich zentral um das Reich Gottes gedreht, dann heißt das nicht, dass andere 'Themen', etwa Gerichtsdrohungen, als 'unecht' auszuschließen sind.« </blockquote>
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Operieren Sie mit unklaren Begriffen. Sie können ruhig zugeben, dass sich in das Neue Testament </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Passagen 'eingeschlichen' haben, die nicht direkt aus dem Mund Jesu oder etwa des Paulus hervorgegangen sind«. </blockquote>
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Fragen Sie dann nach, ob das Jesuswort durch unterschiedliche Rezeption »unecht« sei. Setzen Sie das »unecht« unbedingt in Anführungszeichen (dann weiß man dann nicht so genau, was das Wort bedeuten soll) und unterschlagen Sie, dass sich die historisch-kritische Exegese auch mit solchen Rezeptionsprozessen befasst und »unechte« Texte keinesfalls als belanglos verwirft. </div>
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In der Frage falscher Verfasserangaben können Sie alle Hemmung ablegen und die Verzerrung auf die Spitze treiben. </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Geradezu lächerlich wird es ... , wenn Paulus als Autor eines Briefes verneint wird, nur weil in diesem andere Gedanken als in den für 'echt' gehaltenen Paulus-Briefen vorgetragen werden. Schreibt jemand den gleichen Brief mehrmals?« </blockquote>
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Das ist zugegebenermaßen so platt, dass jemand auf die Idee kommen könnte, selbst die Exegeten könnten nicht so dumm sein, eine falsche Verfasserangabe allein daraus abzuleiten, dass der Inhalt des fraglichen Briefes nicht bereits in einem anderen der Paulusbriefe steht. Schieben Sie deshalb noch einen Satz hinterher: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Kausalitäten lassen sich nicht bejahen, indem man Ersatzursachen hinzudenkt.« </blockquote>
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Was das in diesem Zusammenhang genau bedeuten soll, wissen wir auch nicht. Das spielt aber keine Rolle; Hauptsache, es klingt gelehrt. </div>
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<i>7. Was man nicht machen sollte: Steilvorlagen für den Gegner </i></div>
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<i><br /></i></div>
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Eindringlich warnen wir davor, einen Satz Klaus Bergers über <i>Thomas von Aquin </i>zu zitieren: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Er war unfähig, dummes Zeug zu reden.« </blockquote>
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Sollte nämlich doch einmal jemand das Vorwort lesen, der nicht zur Zielgruppe gehört, sich also nicht alle Vorurteile über die ungläubige historisch-kritische Exegese bestätigen lassen will, so könnte sich die Assoziation einstellen, dass es einen entscheidenden Unterschied gebe zwischen Thomas von Aquin und dem Autor des Vorworts zu dem Gesprächsband. </div>
</div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com17tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-31881581979540612022015-03-07T01:21:00.000+01:002017-03-24T22:55:06.030+01:00OsterpredigtDer Bischof von Passau, <i>Stefan Oster</i>, hat <i>kath.net</i> kritisiert, und das hat Redaktion und Freunde des Portals ziemlich hart getroffen. Der Gegenwind aus dieser Richtung kam überraschend und war durch keinen Wetterdienst angekündigt. Bischof Oster hat sich nicht nur an der einfachen Textübernahme seiner Predigten gestoßen, die den Eindruck erwecken könnten, die Texte seien <i>kath.net</i> exklusiv überlassen worden. Außerdem tut er sich schwer mit der <br />
<blockquote class="tr_bq">
»zunehmend tendenziösen Berichterstattung und dem damit einher gehenden Versuch oder wenigstens entstehenden Effekt, eine Polarisierung von Bischöfen, Priestern, Theologinnen und Theologen in klar identifizierbare Lager voranzutreiben … In den Foren wird solche Polarisierung in der Regel vertieft und die Redaktion tut aus meiner Sicht zu wenig, um wirklich auch differenzierte Positionen hören und verstehen zu wollen und zu würdigen«. (s. <b><i><a href="https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1560157827587371&id=1399859893617166&substory_index=0">hier</a></i></b>)</blockquote>
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Dass man einen <b><i><a href="https://www.facebook.com/Kath.Net/photos/a.184834058243810.46166.156691044391445/817765404950669/?type=1&theater">Hinweis aus der Pressestelle des Bistums Passau</a></i></b> braucht, um nicht einfach ohne Quellenangabe einen Text aus der Facebook-Seite des Bischofs zu kopieren und auf die eigene Seite zu stellen, stellt der journalistischen Arbeit nicht das beste Zeugnis aus. Im Bilderstreit mit dem Bistum Erfurt hatte sich ja bereits gezeigt, dass man bei <i>kath.net</i> das Internet für einen Selbstbedienungsladen hält (s. <b><i><a href="http://www.bistum-erfurt.de/front_content.php?idart=24431">hier</a></i></b>). Der Redakteur <i>Christof T. Zeller-Zellenberg</i> bestätigt dies, wenn er in einem Kommentar zu Osters <b><i><a href="https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1561256950810792&id=1399859893617166">zweitem Facebook-Post </a></i></b>zum Thema schreibt:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Weiters ist zu sagen, daß bereits vorher jeder Artikel mit Texten von Ihnen, klar als Text von Bischof Oster gekennzeichnet war und sogar in den meisten Fällen die Gelegenheit (Predigt) bei der er abgefaßt wurde, erwähnt wurde - Exklusivität hingegen wurde niemals insinuiert. Journalistisch ist daran also nichts auszusetzen.«</blockquote>
Man hat also den richtigen Autor angegeben und hält deshalb das Kopierverfahren für journalistisch einwandfrei. Erstaunlich. Möglicherweise wurde Exklusivität nicht <i>insinuiert</i>, die Leser könnten es aber durchaus so auffassen; in jedem Fall entsteht durch das Weglassen der Quellenangabe der Eindruck, dass der Bischof <i>kath.net </i>als Publikationsorgan nutzen will. Dies ist jene Vereinnahmung, die sich der Redaktion, »bei aller Bemühung um Verständnis«, nicht erschließt. Vielleicht muss man die Bemühung noch ein wenig steigern.<br />
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<b>Der Kritiker ist lieblos</b><br />
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Ganz bizarr wird die Reaktion auf die Kritik, wenn man diese als Lieblosigkeit brandmarkt. Der Bischof hätte seine Vorbehalte in einem Privatgespräch mit der Redaktion vortragen müssen. Er hatte doch »unsere direkten Email-Adressen und unsere Mobiltelephone« und hätte »jederzeit das persönliche Gespräch suchen können«, hat aber »keine dieser Möglichkeiten für einen liebevollen Umgang genützt«! So habe er er auch gegen die Weisung des Paulus verstoßen, der da sagt: »wenn Du tadeln mußt, dann tue das zuerst unter 4 Augen, dann erst nimm einige Älteste mit und erst dann tadle vor der ganzen Gemeinde.« Paulus sagt das zwar nicht, aber etwas Ähnliches ist immerhin im Matthäus-Evangelium zu lesen. Als Strategie der Immunisierung gegen öffentliche Kritik taugt freilich auch Mt 18,15-17 nicht. Und ein Publikationsorgan, das sich, wenn es selbst kritisiert, in der Lautstärke so wenig Zurückhaltung auferlegt wie ein Hirsch in der Brunftzeit, gibt ein jämmerliches Bild ab, wenn es fordert, seine Zurechtweisung müsse dezent und heimlich erfolgen.<br />
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<b>Die beste Bestätigung der Kritik</b><br />
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Völlige Verständnislosigkeit der Kritik gegenüber dokumentiert Zeller-Zellenberg, wenn er »eine kleine Unschärfe« in des Bischofs Kritik richtigstellen zu müssen meint. Zitiert wird zunächst Osters Aussage »...wenn sie nicht die Position von kath.net teilen....«; dagegen wird festgestellt:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Es gibt keine Position von kath.net sondern nur eine Position des Magisteriums der Kirche und dieser Position fühlt sich kath.net verpflichtet.«</blockquote>
Damit beschreibt er recht genau das Problem: die Gleichsetzung von sich selbst mit dem Lehramt. Es ist ja nicht so, dass auf <i>kath.net</i> nur lehramtliche Texte zitiert werden, sondern man mischt sich massiv in laufende Debatten ein und »stellt fest«, wo sich angeblich Häresien ausbreiten, welcher Theologe die Lehre der Kirche verunglimpft habe, welchem Verband das Katholischsein abgesprochen werden muss (Stichwort: »BD?J«). Hierin steckt viel »Position«. Kräftiger als mit der Behauptung, es gäbe diese nicht, kann man die Kritik nicht bestätigen, <i>kath.net</i> gebärde sich als »Lehramt von unten«. Oder etwas zurückhaltender mit den Worten Bischof Osters:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Es ist allzu offensichtlich, dass einige Gläubige von kath.net favorisiert werden und andere als nicht katholisch oder nicht mehr katholisch gelten«. Er ist »der Meinung, dass in der Beurteilung der Glaubensüberzeugung Anderer vieles weniger klar ist, als es kath.net und seine Autorinnen und Autoren nach meiner Wahrnehmung allzu häufig unterstellen«.</blockquote>
<b>Das Problem der »Lesermeinungen«</b><br />
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Es trifft auch vollkommen zu, dass das Phänomen <i>kath.net</i> nicht unabhängig von den Leserkommentaren betrachtet werden kann. Oster kritisiert, in den Foren werde »solche Polarisierung in der Regel vertieft« und die Redaktion tue »zu wenig, um wirklich auch differenzierte Positionen hören und verstehen zu wollen und zu würdigen.« Das Problem ist nicht mangelndes Personal (Zeller-Zellenberg schlägt, natürlich nicht ernst gemeint, vor, das Bistum Passau könne 3 Mitarbeiter bezahlen). Schon häufiger hat man davon gelesen, dass abweichende Positionen nicht durchdrangen oder wieder gelöscht wurden, und wichtiger noch: Der Chefredakteur selbst beteiligt sich als <i>Gandalf </i>an den Debatten und trägt eher zur Verschärfung bei (s. auch <a href="http://episodenfisch.blogsport.de/2011/09/13/erfahrungsbericht-aus-dem-kath-net-forum/" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a> zum <i>kath.net</i>-Forum). In einem Fall ist die Sache derart aus dem Ruder gelaufen, dass nachträglich sogar der Bezugsartikel entschärft wurde (s. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/46354">hier</a></i></b>). Beim Angriff auf den Grazer Pastoraltheologen <i>Rainer Bucher</i> hat Gandalf offen den Rauswurf durch Bischof Kapellari gefordert (heute nicht mehr zugänglich, Beleg <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/11/jager-des-verlorenen-satzes.html">hier</a> </i></b>am Ende des Beitrags). Der Chefredakteur ist selbst Teil der Meute, die über das jeweilige Opfer herfällt.<br />
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Wer dem Portal wohlwollend gegenübersteht und auf ihm publiziert wie <i>Christian Spaemann</i>, mag »kath.net nie als aggressiv erlebt« haben (Zitat im Kommentarbereich der Facebook-Seite von Bischof Oster). Spaemann liest freilich nach eigener Aussage die Lesermeinungen nie, hat aber kein Problem, die Schuldigen auszumachen: Wenn die Lesermeinungen<br />
<blockquote class="tr_bq">
»teilweise aggressiv sein sollten, dann wäre das umso mehr Anlass zur Sorge der Bischöfe über so viel Verletzung und Verbitterung, die sie bei vielen treuen Gläubigen verursachen!«</blockquote>
Dies bestätigt die beklagte Polarisierung: Wenn es sich bei den Unflätigen um »treue Gläubige« handelt, also um die richtige Seite, sind sie Opfer. Wer die Erfahrung macht, aufgrund einer falschen Anschuldigung als Häretiker bezeichnet zu werden, der exkommuniziert werden müsse (s. <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/02/in-eigener-sache.html">hier</a></i></b>), will das nicht so leicht den Bischöfen in die Schuhe schieben, die den armen Kommentator in die Verzweiflung getrieben hätten. Es ist wohl ein Gesetz, dass die Empfindlichkeiten sehr unterschiedlich ausgeprägt sind, je nachdem ob sich die Aggressivität gegen die eigene oder eine nicht geteilte Position richtet. So meint denn einer der Kommentatoren auf der Facebook-Seite des Bischofs:<br />
<blockquote class="tr_bq">
»Es wäre aber sehr hilfreich, wenn Sie die Texte von kath.net, die Ihrer Ansicht nach die 'Polarisierung von Bischöfen, Priestern, Theologinnen und Theologen in klar identifizierbare Lager' vorantreiben und wenigstens einige der 'allzu häufigen' Texte, aus denen hervorgeht, dass kath.net und seine Autorinnen und Autoren etwas als klar unterstellen, einstellen und so Ihre Vorwürfe belegen würden.«</blockquote>
<b>Polarisierung und Aggressivität</b><br />
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Nun, dem Mann kann geholfen werden. Im Blick auf den Sprachgebrauch kann er sich auf die Suche nach dem nicht zurückhaltend verteilten Etikett <i>antirömisch </i>machen, das mit einer Sicherheit verteilt wird, als trügen es die so Bezeichneten am Revers (z.B. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/33157">hier </a></i></b>und <b><i><a href="http://www.kath.net/news/37235">hier</a></i></b>). Man kann die Zuteilung des Adjektivs <i>umstritten </i>untersuchen und wird darauf kommen, dass es bei <i>kath.net</i> immer nur diejenigen sind, mit denen die Redaktion nicht übereinstimmt (z.B. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/29211">hier</a></i></b>, <b><i><a href="http://kath.net/news/42935">hier</a></i></b>, <b><i><a href="http://kath.net/news/45834">hier </a></i></b>oder <b><i><a href="http://www.kath.net/news/23164">hier</a></i></b>). Ein Pfarrer, der von liberaler Seite »gemobbt« wird (s. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/33408">hier</a></i></b>), ist natürlich ein »beliebter Seelsorger« (s. z.B. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/33162">hier</a></i></b>), jedenfalls bei »gläubigen Katholiken«, nicht bei den anderen Katholiken (s. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/33135">hier</a></i></b>; beim <b><i><a href="http://episodenfisch.blogsport.de/2011/09/21/was-hat-dich-bloss-so-ruiniert/">Episodenfisch</a> </i></b>kann man nachlesen, wie hier durch Auslassung eine schiefe Darstellung entsteht).<br />
<br />
Und wer <b><i><a href="http://kath.net/news/43844">attackiert</a></i></b>, <b><i><a href="http://kath.net/news/43458">greift an</a></i></b> (auch <b><i><a href="http://kath.net/news/43453">hier </a></i></b>und <b><i><a href="http://kath.net/news/40190">hier</a></i></b>), <b><i><a href="http://kath.net/news/44495">beschimpft </a></i></b>(auch <b><i><a href="http://kath.net/news/48324">hier</a></i></b>)? Natürlich immer diejenigen, deren Positionen <i>kath.net</i> nicht teilt. Hier finden sich auch Belege für die Polarisierung von Bischöfen, denn Kardinal Lehmann, einst ein bevorzugtes Kampagnenziel, ist ein <b><i><a href="http://www.kath.net/news/33366">Angreifer Papst Benedikts</a></i></b> und <b><i><a href="http://www.kath.net/news/29969">Kardinal Brandmüllers</a></i></b>. Sorgt dagegen Kardinal Meisner dafür, dass einer seinen Job verliert, dann ist das keine Attacke, sondern eine <b><i><a href="http://www.kath.net/news/27774">Intervention</a></i></b>.<br />
<br />
Neben Lehmann wurden auch die Bischöfe Zollitsch (z.B. <a href="http://www.kath.net/news/36952" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a><b style="font-style: italic;">, </b><a href="http://www.kath.net/news/38231" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a><b style="font-style: italic;">, </b><a href="http://www.kath.net/news/39334" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a><b style="font-style: italic;">, </b><i><b><a href="http://www.kath.net/news/41012">hier</a> </b></i>und <a href="http://www.kath.net/news/42412"><b><i>hier</i></b></a>)<b style="font-style: italic;"> </b>und <b><i><a href="http://www.kath.net/news/31543">Fürst</a> </i></b>heftig angegangen, Kardinal Kasper wurde während der außerordentlichen Bischofssynode im vergangenen Herbst zum Hauptfeind von <i>kath.net</i>. Welches Spiel mit dem angeblichen Interview über afrikanische Bischöfe gespielt wurde, habe ich <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/10/synodenbeschuss.html">hier</a> </i></b>dargestellt. Das Motto der Satire-Sendung <i>Postillon24 Nachrichten</i> – »wir berichten, bevor wir recherchieren« – ist hier ganz unsatirisch umgesetzt worden. Vom ursprünglichen Artikel (»Kardinal Kasper: Synode soll afrikanische Bischöfe nicht ernst nehmen«) blieb schließlich nicht mehr viel übrig. Und dieselben Leute, die das verantworten, fordern von Bischof Oster ein, vor oder statt der Veröffentlichung von Kritik auf dem Mobiltelefon angerufen zu werden! Manchmal ist es schon erstaunlich, wie weit Selbst- und Fremdwahrnehmung auseinandergehen. In der Zwischenzeit ist Kardinal Marx Hauptziel, er konnte sich bereits auf dem oberen Banner neben der Frage »Quo vadis?« betrachten.<br />
<br />
Wer ein Beispiel für Polarisierung sucht, kann auch studieren, wie man bei <i>kath.net</i> mit dem Einsiedelner Abt <i>Martin Werlen</i> umgegangen ist. Er wurde als <b><i><a href="http://www.kath.net/news/39013">Brandstifter</a></i></b> gebrandmarkt. Man überschrieb eine Nachricht über einen Vorschlag von ihm mit der Zeile »<b><i><a href="http://www.kath.net/news/38861">Wirre Gedanken</a></i></b>«, setzt noch ein verschämtes Fragezeichen dahinter, ohne dass die Leser über die Beantwortung dieser Scheinfrage im Unklaren bleiben. Man plant, ein Interview als Boxkampf zu führen, und wundert sich, dass der andere nicht mitmachen will (s. dazu <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2012/12/das-verweigerte-interview.html">hier</a></i></b>). Und als der (natürlich »umstrittene«) Abt turnusgemäß zurücktritt, wird das als »<b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2013/01/unverschamte-frohbotschaft.html">good news</a></i></b>« verkündet. Der Hinweis, <i>kath.net</i> habe während einer Erkrankung Werlens für ihn gebetet und mehrfach sorgenvoll über seine Gesundheit berichtet, wirkt der Polarisierung nicht entgegen, im Gegenteil: Wer betont, dies sei »trotz der bekannten Positionen von Abt Werlen« geschehen (s. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/38958">hier</a></i></b>), gibt dem Gebet die Aura der Großzügigkeit – als wären unterschiedliche Positionen eigentlich ein Hindernis für jenes Gebet.<br />
<br />
Neben Bischöfen und Äbten sind auch Theologen bevorzugtes Ziel der Attacken, die von <i>kath.net</i> subjektiv wahrscheinlich als Vorwärtsverteidigung oder gar als Notwehr empfunden werden (es attackieren ja immer die anderen, s.o.). Dennoch ist das Prädikat »Attacke« nicht nur meinem Standpunkt geschuldet, sondern darin begründet, dass die Vorwürfe häufig, wenn nicht auf bewusster Verdrehung, so doch wenigstens auf Unverständnis beruhen. Wir haben das etwa zu <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2011/04/kathnet-der-theologenpranger.html">Klaus Müller</a></i></b> gesehen, zu <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2013/11/lugengeschichten.html">Joachim Valentin</a></i></b>, zu <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/11/jager-des-verlorenen-satzes.html">Rainer Bucher</a></i></b> und auch zu mir (s. <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/02/wie-man-geschichte-nicht-schreiben-soll.html">hier</a></i></b>). Diese Liste strebt Vollständigkeit nicht an.<br />
<br />
Der aggressive Charakter wird auch dadurch unterstrichen, dass Kontaktdaten angegeben werden, sei es des Angegriffenen selbst (s. z.B. <i style="font-weight: bold;"><a href="http://www.kath.net/news/31516">hier</a> </i>oder<i style="font-weight: bold;"> <a href="http://www.kath.net/news/43691">hier</a></i>), sei es des zuständigen Bischofs (s. <a href="http://www.kath.net/news/48324" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a><b style="font-style: italic;"> </b>oder<b style="font-style: italic;"> <a href="http://www.kath.net/news/44700">hier</a></b>) oder auch der Nuntiatur (s. <a href="http://www.kath.net/news/33343" style="font-style: italic; font-weight: bold;">hier</a><b style="font-style: italic;">, <a href="http://www.kath.net/news/33351">hier</a>, </b>oder<b style="font-style: italic;"> <a href="http://www.kath.net/news/33354">hier</a></b>). Man gibt sich nicht damit zufrieden, eine bestimmte Position abzulehnen; es soll auch Druck aufgebaut werden, damit der, der sie vertritt, gemaßregelt oder gar aus dem Amt entfernt wird (s. Gandalf zu Bucher: RAUSWURF). Dies vertieft die Gräben weiter. Denn wenn die kirchlichen Behörden nicht reagieren, weil die Streitfragen gewöhnlich, sagen wir zurückhaltend, unterkomplex dargestellt werden und die Empörung sich auf ein Trugbild richtet, dann bestärkt dies den Eindruck der Empörten vom desolaten, unkatholischen Zustand der Katholischen Kirche in Deutschland. Dass man ernsthaft anderer Meinung sein könnte als von <i>kath.net</i> vertreten, wird den Lesern ja nicht vermittelt, hat man selbst doch »keine Position«, sondern folgt einfach dem Lehramt der Kirche (s.o.).<br />
<br />
Die Wortmeldung von Bischof Oster ist wertvoll, weil sie von einem kommt, dem sich <i>kath.net</i> inhaltlich verbunden fühlt. Wenn nach seinem Urteil vieles nicht so eindeutig ist wie auf dem Portal vertreten und die Grenzen des Katholischen nicht so eng gezogen werden müssen und dürfen, dann könnte das ja vielleicht den Effekt übertreffen, den man erzielt, wenn man eine Schildkröte auf dem Rücken kitzelt. Mein Beitrag hier sollte auch nicht missverstanden werden als Ausdruck einer Genugtuung oder Freude über die bischöfliche Kritik. Er sollte nur zeigen und belegen, dass diese Kritik den Kern des Problems trifft.<br />
<br />
Wenn ich mich recht erinnere, hat Bischof Oster bei seiner Amtseinführung dazu aufgerufen, die Gräben zwischen den verschiedenen Lagern in der Kirche zu überwinden. Seine öffentliche Kritik an <i>kath.net</i> kann man diesem Anliegen zuordnen. Es wäre schön, wenn sie in diesem Sinn wirken würde. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-76608206744605178332015-01-23T23:53:00.001+01:002017-03-24T22:55:30.493+01:00Rätselhaftes in der ZEITEin Fundstück: Auf was könnten Fragen zielen, auf die u.a. folgende Antworten zutreffen?<br />
<blockquote class="tr_bq">
Prostituierte<br />
Erforschung<br />
Reisesegen<br />
Die Zeugung Marias<br />
SMS-Abo für Bibelverse während der Fastenzeit.</blockquote>
<div>
Die Antworten stammen aus der Rubrik »Was studieren?« der ZEIT und gehören zu einem Quiz, das unter der Überschrift »Einführung in die Katholische Theologie« firmiert (s. <b><i><a href="http://www.zeit.de/studium/uni-leben/2015-01/was-studieren-katholische-theologie">hier</a></i></b>) Das Ganze ist nicht als Satire erkennbar. Aber wer sich lustig machen wollte über landläufige Vorstellungen vom Studium der katholischen Theologie (»Müsst Ihr die Prüfungen im Knien ablegen?)«, könnte sich bei diesem Fragenkatalog bedienen. Die ausnahmsweise erlaubten Kondome sind dabei, Mariä Empfängnis, die Inquisition, aber auch eine Besonderheit des »Ergänzungsstudiums Katholische Theologie« an der Universität Hamburg. Immerhin kommen auch Fachbegriffe zur Bezeichnung theologischer Disziplinen vor, wenn auch nicht besonders präzise. Die <i>Homiletik </i>gilt als ein »zentraler Begriff in der Theologie«, die <i>Pneumatologie </i>wird »spirituellen Aspekten des Christentums« zugeordnet. </div>
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<br /></div>
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Dass tatsächlich eine zentrale Disziplin im Fächerkanon der Theologie vorkommt, ist zumindest für die Exegeten wenig tröstlich. Die fünfte Frage lautet: </div>
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<blockquote class="tr_bq">
»Was in der Bibel steht, klingt oft nicht eindeutig und lässt sich auf verschiedene Weisen interpretieren. Das Fach, das der Frage nachgeht, wie die christliche Botschaft verstanden werden kann und soll, heißt…« </blockquote>
Wer meint, die Aufgabe schwierige Bibeltexte zu erläutern, sei Aufgabe der Exegese, scheint zu irren. Offensichtlich gibt es hier gar nichts zu erklären, sondern lässt sich halt »auf verschiedene Weisen interpretieren«. Und dann muss jemand anders kommen, der (seltener: die) sagt, wo es lang geht, indem er (seltener: sie) erklärt, »wie die christliche Botschaft verstanden werden kann«. Sein (seltener: ihr) Fach heißt <i>Dogmatik</i>. Vielleicht ist dem einen oder der anderen eine solche Vision von Theologie recht angenehm, aber noch ist die Biblische Exegese nicht aus dem Fächerkanon verbannt. </div>
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<br /></div>
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Auf die Frage »Was studieren?« findet man in den 10 Fragen keine bessere Orientierung, als wenn man aus dem Wissen um die Schuhgröße Einsteins eine Empfehlung für das Studium der Physik ableiten oder wegen der Kenntnis des Kürzels BWL die Betriebswirtschaftslehre als Studienfach nahelegen würde. Wie auch die korrekte fachliche Zuordnung des Namens <i>Jörg Kachelmann</i> kein Motiv sein sollte, Meteorologie zu studieren. Und wer weiß, dass ein Paragraphenreiter kein Pferdesportler ist, muss nicht unbedingt Erfüllung im Jura-Studium finden. </div>
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Wer sich dafür interessiert, was das Studium der Katholischen Theologie <i>nicht </i>ist, hat ungezählte Informationsmöglichkeiten, etwa: Telefonbuch, Beipackzettel von Medikamenten, IKEA-Katalog – oder eben die 10 Fragen zur »Einführung in die Katholische Theologie« in der ZEIT. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-33651507187061681592015-01-05T23:30:00.000+01:002017-03-24T22:55:53.805+01:00Der dunkle DomHeute Abend wurde die die Außenbeleuchtung des Kölner Domes während einer Pegida-Demonstration ausgeschaltet, als »unübersehbares Zeichen des Protests gegen Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Rassismus«, wie das Kölner Domkapitel mitteilt. Diese Entscheidung findet nicht nur Zustimmung. <i>Peter Winnemöller </i>hält sie in einem Gast-Kommentar auf <i>kath.net</i> für »peinlich« (s. <b><i><a href="http://www.kath.net/news/48867">hier</a></i></b>). Er malt ein Bild vor Augen, in dem die Hirten im verdunkelten Haus, »womöglich hinter heruntergelassenen Rollläden« sitzen, während draußen die Schafe vorbeiziehen. Es gehe daneben, wenn »'Kirche' politisch wird, statt sich um Menschen zu kümmern, die als Staatsbürger politisch aktiv werden«. Stromabschaltung statt Seelsorge – ein willkürlich konstruierter Gegensatz, der das Ziel der Abdunklung verkennt. <br />
<br />
Winnemöller bezweifelt, dass »die Demonstration von Pegida ein Ausdruck von 'Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Rassismus' sein wird«, denn:<br />
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<blockquote class="tr_bq">
»Die offiziellen Stellungnahmen von Pegida geben das nicht her.« </blockquote>
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Dieser Begründung kann man insofern nicht widersprechen, als die offiziellen Stellungnahmen von Pegida, wenn man dem <b><i><a href="http://www.menschen-in-dresden.de/wp-content/uploads/2014/12/pegida-positionspapier.pdf">Positionspapier</a></i></b> folgt, fast gar nichts hergeben (auf das »fast« kommt es allerdings noch an). <br />
<ul>
<li>Da finden sich allgemein formulierte Positionen, die auch von der etablierten Politik gewöhnlich nicht in Frage gestellt werden (1., 8., 10., 12., 16., 18., 19.). </li>
<li>Zu anderen Punkten fragt man sich, was genau damit gemeint ist und wie es politisch und rechtlich umgesetzt werden soll: Pflicht zur Integration ins Grundgesetz (2.); Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewebern und Migranten (9.); für den Schutz der christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur (13.); gegen das Gender-Mainstreaming (17.).</li>
<li>Über anderes kann man im Rahmen der üblichen politischen Debatten diskutieren (3., 4., 5., 6., 7., 11., 14., 15.).</li>
</ul>
</div>
<div>
Angesichts dieses Positionspapiers stellt sich die Frage, warum sich die Bewegung in ihrem Namen gegen die <i>Islamisierung </i>des Abendlandes wendet. Es wird nicht ausgeführt, was mit »Islamisierung« gemeint ist, woran man das Phänomen näherhin festmacht, welche Gefahr von ihm ausgehen soll und mit welchen Mitteln man ihm begegnen will. Das Auseinanderklaffen von Namen und vorgetragenen Positionen und die teilweise verwaschen bleibenden Formulierungen zeigen, dass die Anhängerschaft der Pegida-Bewegung nicht durch die Zustimmung zu einem bestimmten Programm gebildet wird. Im Hintergrund stehen eher Vorurteile dem Fremden gegenüber, wohl auch Angst vor Veränderung und eine Abneigung gegen »die da oben«. Auf Letzteres deutet unter anderem, dass der Initiator der Bewegung die Forderung des Bundesinnenministers nach schnellerer Abschiebung krimineller Ausländer, die ja auf seiner eigenen Linie liegt (so ließe sich jedenfalls Punkt 9 des Positionspapiers verstehen), als Augenwischerei und Beruhigungstaktik abtut (s. <b><i><a href="http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-12/pegida-dresden-thesen/seite-2">hier</a></i></b>). </div>
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<br /></div>
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Wie will sich diese Bewegung in den politischen Diskurs einbringen, wenn man Einladungen zu Gesprächsforen ablehnt und sich den Medien verweigert (s. vorherigen Link)? Es ist keineswegs aus der Luft gegriffen, in ihr »Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Rassismus« zu erkennen (man findet dazu auch Belegmaterial in den Lesermeinungen des oben verlinkten <i>kath.net</i>-Artikels, z.B. mit dem Suchbegriff »Türke«). Vorurteil und gefühlte Machtlosigkeit schaffen sich ein Feindbild. Deshalb erscheinen in dem Positionspapier – damit komme ich auf das oben genannte »fast« zurück – als Problemfelder Zuwanderung, Migranten, Asylbewerber, Scharia-Gerichte, Hassprediger (eindeutig konnotiert, auch wenn es heißt: »gleich welcher Religion«). Wenn es denn in ihm eine Strategie gibt, so scheint sie zu sein: Formuliere keine offen rassistische Position, aber lass durchblicken, dass die nicht durch unsere Kultur geprägten Zuwanderer unser Problem sind. </div>
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<br /></div>
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Einem derart motivierten Protest keine Bühne zu bieten, ist ein gut begründetes Anliegen. Peter Winnemöller bestärkt diese Einschätzung, wenn er schreibt: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»Dann retten wir das Abendland eben ohne die Kirche, wird man sich sagen. Aber es ist eben nicht das Abendland, das gerettet werden soll. Es ist eine postchristliche, zu tiefst (sic) materialistische Unkultur, deren Rettung man vorgibt zu planen.« </blockquote>
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Genau dafür soll der Dom nicht als Kulisse verwendet werden. Wenn der Dom dunkel bleibt, wird signalisiert, dass mit Ängsten gegen das Fremde das »christlich-jüdisch geprägte Abendland« nicht geschützt wird und nicht zu retten ist. Pegida wird durch die Verdunklung nicht aufgewertet. Die Bilder mit dem unbeleuchteten Dom mögen in den sozialen Netzwerken die Runde machen. Sie würden das aber auch tun, wenn die Beleuchtung eingeschaltet wäre. Und das wäre ein starkes Bild, das den Anspruch der »patriotischen Europäer« unterstreichen würde: »Wir schützen die abendländische Kultur, deren Symbol ihr im Hintergrund seht!« Der dunkle Dom signalisiert die Verweigerung gegenüber einer solchen Instrumentalisierung des Kirchengebäudes. </div>
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Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-66008996542958926962014-12-25T23:24:00.001+01:002017-03-24T22:56:15.803+01:00Stephanus und die »Hellenisten«<div>
Stephanus ist als der erste Märtyrer der Kirche bekannt. Er hat aber nicht nur durch sein Zeugnis im Tod Bedeutung für die Kirche, sondern mindestens ebenso durch sein Wirken davor. Er gehörte zum Kreis der »Hellenisten«, die in der Apostelgeschichte neben den »Hebräern« genannt werden. Man versteht darunter gewöhnlich zwei Gruppen in der Jerusalemer Urgemeinde, die sich vor allem durch ihre Sprache unterscheiden. Die Hellenisten sind griechisch sprechende Judenchristen, die ursprünglich aus der Diaspora stammten; mit den Hebräern sind aramäisch sprechende palästinische Judenchristen gemeint. Die »Hellenisten« sind also keine Griechen im Sinne von Heiden, auch nicht Juden, die der hellenistischen Kultur angepasst waren.<br />
<br />
Beide Gruppen geraten in Konflikt miteinander, nach Darstellung der Apostelgeschichte aufgrund von Missständen bei den gemeinsamen Mahlzeiten: Die Witwen der Hellenisten seien hier übersehen worden. Daraufhin werden sieben Männer ausgewählt (alle mit griechischen Namen), die den Tischdienst übernehmen sollen, damit sich die Apostel ihrer eigentlichen Aufgabe widmen können (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/apg%206%2C1-6/bibel/text/lesen/ch/e316d78bd2c28d13a91c90219b597833/">Apg 6,1-6</a></i></b>). Stephanus ist einer der Sieben, tritt in der Folge aber gerade als <i>Verkünder </i>in Jerusalem auf (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Apg%206%2C8-8%2C1/bibel/text/lesen/ch/848be34c65feecc9c1565dbdb2ae7c7c/">6,8-8,1</a></i></b>). Auch Philippus, an zweiter Stelle jener Sieben genannt, wird keineswegs als Gemeindepfleger o.ä. vorgestellt, sondern als Missionar in Samaria (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Apg%208%2C4-13/bibel/text/lesen/ch/cdb1d463da18ebfe1a271929b5931b66/">8,4-13</a></i></b>).</div>
<br />
Näherin zeigen die beiden Missionare ein besonderes theologisches Profil. (1) Stephanus gerät in eine tödlichen Konflikt mit den jüdischen Autoritäten in Jerusalem. Mit seiner Hinrichtung verbindet sich eine Verfolgung, die nach <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Apg%2011%2C19f/bibel/text/lesen/ch/5ba35ddf9b6c0ddd1fb1a1826dbbe31b/">Apg 11,19</a></i></b> – anders als nach <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Apg%208%2C1/bibel/text/lesen/ch/571d703ea9c27487485ccca9491590a5/">8,1</a></i></b> – nicht die ganze Gemeinde betraf. Aus dem Kreis derer, die deshalb aus Jerusalem geflohen waren, kamen die ersten Heidenmissionare (11,20). (2) Philippus überschreitet mit der Missions- und Tauftätigkeit in Samaria »die Ränder des innerjüdischen Konsenses um ein kleines aber grundlegendes Stück: Die Taufe ... wird – wohl zunächst ausnahmsweise – auch denen gewährt, die sich zum selben Gott bekannten, jedoch nur eine relative Nähe zum Judentum aufweisen« (<i>Jürgen Becker,</i> Paulus – Apostel der Völker, Tübingen 1989, 68; zu den Samaritanern s. den Artikel in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/samaritaner-3/ch/df2e7e481b2f10e9f7eb054e4f3b7853/">WiBiLex</a></i></b>). <br />
<br />
Diese Beobachtungen ergeben zusammen das Bild einer Gruppe, die aus der Christusbotschaft Konsequenzen zog, die für fromme Juden problematisch sein konnten. Denkbar ist, dass der theologische Ausgangspunkt das Bekenntnis zum Sühnetod Jesu war: Wenn im Tod Jesu von Gott endzeitlich-endgültig Sündenvergebung gewährt worden war, dann hatten die Sühne-Opfer am Tempel letztlich keine Bedeutung mehr. Damit war zumindest indirekt auch die Bedeutung der Tora, der fünf Bücher Mose, angefragt, nach deren Bestimmungen die Opfer ja dargebracht wurden. Wie weit die »Hellenisten« in diesem Punkt gingen, lässt sich kaum noch rekonstruieren. Doch ist nach dem Gesagten wahrscheinlich, dass in diesem Kreis die Ansätze entwickelt wurden, die schließlich zur gesetzesfreien Heidenmission führten. Darauf weist die bereits genannte Notiz in Apg 11,19f.<br />
<br />
Außerdem bietet auch die Stephanus-Überlieferung einen Anhaltspunkt dafür, dass der Konflikt um Tempel und Tora geführt wurde. Die Anklage gegen Stephanus wird mit dessen Rede gegen Tempel und Gesetz begründet (6,13). Zwar wird dies von Lukas als Falschzeugnis dargestellt (6,11.13), dennoch ist ein Anhalt in der Tradition sehr wahrscheinlich. Denn Lukas hat in der Passionsgeschichte das Wort über das Niederreißen des Tempels ausgelassen (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%2014%2C58/bibel/text/lesen/ch/6658dcaa082cf10856d630f91dfa0fea/">Mk 14,58</a></i></b>), so dass er es hier kaum ohne Anhalt in der Stephanus-Überlieferung einfügt (vgl. <i>Alfons Weiser,</i> Zur Gesetzes- und Tempelkritik der »Hellenisten«, in: K. Kertelge [Hg.], Das Gesetz im Neuen Testament, Freiburg 1986, 146-168, hier: 162). Dies wird im Übrigen auch durch eine grundsätzliche Überlegung gestützt. Ein religiös begründeter tödlicher Konflikt konnte im zeitgenössischen Judentum nur entstehen, wenn die Gesetzestreue grundsätzlich zur Debatte stand.<br />
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<br />
Die Gruppe, deren Exponent Stephanus war, hat wahrscheinlich theologisch die Weichen dafür gestellt, dass die Verkündigung der Christusbotschaft nicht auf Israel beschränkt blieb. Paulus war der wirkmächtigste Bote des Evangeliums für die Heiden, er baute aber auf dem Grund auf, den andere gelegt hatten.<br />
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Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-35205274375465701322014-12-23T00:37:00.000+01:002017-03-24T22:58:04.550+01:00Pegidaisierung des AbendlandsIch habe hier nicht vor, auf die Diskussionen um die Montagsretter des Abendlands<i> </i>einzugehen. Aber wer wissen will, warum sich so viele an den <i>Pegida-</i>Demonstrationen beteiligen, könnte auch die Rolle der auflagenstärksten deutschen Tages»zeitung« bedenken. Wie es zur angeblichen Forderung von Politikern und dem Zentralrat der Muslime kam, muslimische Lieder in den Weihnachtsgottesdiensten zu singen, ist auf <b><i><a href="http://www.bildblog.de/62469/vom-untergang-des-abendlandes-kann-bild-ein-liedchen-singen/">bildblog.de</a></i></b> dokumentiert.<br />
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Wenn eine Redakteurin bei einem Politiker anruft und ihn für ihre zu Weihnachten üblichen guten Nachrichten fragt, ob er der Idee zustimmen könne, in Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder zu singen, und wenn der Politiker darauf antwortet: nein, höchstens wenn auch christliche Lieder in der Moschee gesungen werden, und daraus (wie aus weiteren aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten) die Überschrift gebastelt wird: »Christen sollen im Weihnachts-Gottesdienst muslimische Lieder singen« – dann wüsste ich nicht, wie man besser illustrieren könnte, was Stimmungsmache, Desinformation und Kampagnenjournalismus ist. Man provoziert Aussagen, die dann so eingeordnet werden, dass sich ein weiterer Beleg für die gefürchtete »Islamisierung des Abendlands« präsentieren lässt. </div>
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Dass <i>kath.net</i> darauf einsteigt, überrascht nicht im Übermaß: »<b><i><a href="http://www.kath.net/news/48789">Politiker schlagen vor: In Christmetten muslimisches Lied singen</a></i></b>«. Es gab im Lauf des Tages zwar ein Update, in dem eine Äußerung des Pressesprechers der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, wiedergegeben wird. Nichts aber zu den Hintergründen der BILD-Kampagne, obwohl die KNA einen entsprechenden Bericht publiziert hat (s. <b><i><a href="http://www.katholisch.de/de/katholisch/themen/gesellschaft/141222_muslimische_lieder_weihnachten_debatte.php">hier</a></i></b>) und auch in den Kommentaren auf <i>kath.net</i> darauf hingewiesen wurde. Ob eine solche Korrektur noch vor dem (nicht gebotenen) Gedenktag des Hl. Nimmerlein kommt? Sie nähme fast allen »Lesermeinungen« zu diesem Artikel den Gegenstand der Empörung. </div>
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<br /></div>
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Eine sei aber eigens erwähnt. Wenn nämlich <i>speedy </i>recht hat: </div>
<blockquote class="tr_bq">
»deswegen protestieren die menschen von pegida ...«,</blockquote>
<div>
geht die größte Gefahr für das Abendland von seinen patriotisch-europäischen Verteidigern aus.<br />
<br />
<br />
<b><i>Update, 23.12.14, 10 Uhr</i></b>: Anders als vermutet, hat <i>kath.net</i> die Stellungnahme von<i> Omid Nouripour</i> erfreulicherweise bereits an dem für die Kommemoration vorgesehenen Gedenktag des Hl. Johannes von Krakau in einem Update mitgeteilt.<br />
<br />
Dass die Vermutung, mit Kampagnen im Stil von BILD würden Pegida-Anhänger erzeugt oder wenigstens bestärkt, nicht abseitig ist, bestätigt eine Meldung in der heutigen Ausgabe der <i>Süddeutschen Zeitung</i>, die leider ganz der Darstellung in BILD verpflichtet ist und die Hintergründe der Geschichte nicht mitteilt<i>. </i>Unter der Voraussetzung, es sei tatsächlich von einem muslimischen Politiker der Grünen vorgeschlagen worden, es sollten in Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder gesungen werden, wird der FDP-Politiker Christian Lindner mit den Worten zitiert, solche Vorschläge würden die Menschen »in die Arme der Pegida-Populisten treiben«. Man kann sich der Folgerung kaum entziehen, dies sei das Ziel der perfiden BILD-Aktion gewesen. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com4tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-9560542551373295722014-12-22T21:16:00.000+01:002017-03-24T22:58:38.515+01:00Rein und unrein<div>
<i>In den Kommentaren kam neulich die Frage auf, wie das biblische Konzept von Reinheit und Unreinheit zu verstehen sei (s. </i><b><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/11/hinweis.html" target="_blank">hier</a></b><i>). Im Folgenden versuche ich auf die Frage zu antworten. Das ist kein besonders adventliches oder weihnachtliches Thema, einen kleinen kirchenjahreszeitlichen Abstecher habe ich dennoch unternommen. </i><br />
<i><br /></i></div>
<div>
Im Alten Testament wird in unterschiedlichen Zusammenhängen von Reinheit und Unreinheit gesprochen. In weisheitlichen und prophetischen Überlieferungen kann mit der Rede von Unreinheit auf moralische Verhältnisse gezielt werden (z.B. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Spr%2020%2C9/bibel/text/lesen/ch/c8de382b9d6b2551113c6caf12579d29/" target="_blank">Spr 20,9</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Jes%206%2C5/bibel/text/lesen/ch/4b004822546461e8bb332fba66ec81cd/" target="_blank">Jes 6,5</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Ez%2036%2C17/bibel/text/lesen/ch/40f52f4f6132e3259e01cb6d8c9de4b7/" target="_blank">Ez 36,17</a></i></b>), dies ist aber bereits Metaphorisierung eines ursprünglich anderen Konzepts. Darin geht es allgemein gesprochen um die Kennzeichnung dessen, was von der kultischen Begegnung mit Gott ausschließt oder vom Menschen grundsätzlich zu meiden ist. Unfähig zur Teilnahme am Kult wird man durch alles, was mit den <i>Sphären von Sexualität oder Tod</i> verbunden ist. Menschen mit <i>Hautanomalien </i>sind nicht nur vom Kult ausgeschlossen, sondern können auch von der menschlichen Gemeinschaft abgesondert werden. <i>Bestimmte Tiere</i> kommen nicht als Nahrung in Frage. <i>Gegenstände</i>, die mit unreinem Sphären in Berührung gekommen sind, können diese Qualität übertragen.<br />
<br />
<b>Reine und unreine Tiere</b><br />
<br />
Welche Vorstellungen hinter den Bestimmungen bestehen, worin sie begründet oder veranlasst sind, wird in den alttestamentlichen Texten nicht gesagt. Deshalb ist die Deutung schwierig und umstritten. Hinter der Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren scheint ein Ordnungsdenken zu stehen. In der Welt wird eine Ordnung erkannt. Was ihr entspricht, ist rein; was sie durchbricht, ist unrein und zu meiden. Das Normale ist, dass Paarhufer Wiederkäuer sind. Paarhufer, die nicht wiederkauen, oder Wiederkäuer, die keine gespaltenen Hufe haben, durchbrechen diese Normalität und sind unrein (s. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2011%2C3-8/bibel/text/lesen/ch/a6634fe11d76d5e9c81eb1142c38fefb/" target="_blank">Lev 11,3-8</a></i></b>). Wassertiere haben gewöhnlich Flossen und Schuppen. Was diese Bedingung erfüllt, ist rein. »Alles im Wasser, was keine Flossen und Schuppen hat, sei euch ein Gräuel« (Lev 11,12). Nicht immer wird das Ordnungssystem genannt. Zu den Vögeln wird nur aufgezählt, welche unrein sind (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2011%2C13-19/bibel/text/lesen/ch/eb5dc8eee1e0c06877dd45cbc873e642/" target="_blank">11,13-19</a></i></b>; s.a. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2011%2C29f/bibel/text/lesen/ch/9d244e7fab38cb91c1b2157ce27fa601/" target="_blank">11,29f</a></i></b> zu Kleintieren am Boden). Sofern Begründungen geboten werden, zeigt sich aber: Unreinheit besteht dort, wo gegebene Abgrenzungen durchbrochen werden – deshalb vielleicht auch die Aufmerksamkeit für Hautkrankheiten in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2013/bibel/text/lesen/ch/258d675b4ccb381c82aed0df9838ac3e/" target="_blank">Lev 13f</a></i></b>. Durch die irreguläre Körperöffnung wird eine eigentlich gegebene Grenze geschwächt.</div>
<div>
<b><br /></b>
<b>Kultische Reinheit</b><br />
<br /></div>
Die Sorge um kultische Reinheit gründet in der Vorstellung, dass der Mensch Gott wegen dessen Heiligkeit nur in einem Zustand gegenübertreten kann, der alles Widergöttliche ausschließt. Dieses »Widergöttliche« nimmt wohl uralte Tabuvorstellungen auf, die sich in Grundzügen in vielen anderen alten Religionen finden. Im Hintergrund steht die Erfahrung von Kräften, die Macht über den Menschen gewinnen können und deshalb in der kultischen Begegnung mit Gott zu meiden sind (symbolistische Deutungen können dagegen in die Richtung gehen, die auch in der eingangs erwähnten Anfrage genannt wurde: Unreinheit bezogen auf Lebensschwund und Tod; s.a. den Literaturlink unten). Dazu zählen vor allem Sexualität und Tod, damit zusammenhängend auch das Blut. Der monotheistische Anspruch im Glauben Israels bringt des Weiteren mit sich, dass alles unrein macht, was mit dem Dienst an fremden Göttern zusammenhängt (vgl. <i>Johann Maier</i>, Zwischen den Testamenten, Würzburg 1990, 222).<br />
<br />
<b>Tod und Unreinheit</b><br />
<br />
Da archaische Vorstellungen aufgegriffen sind, überrascht nicht, dass der Gedanke kultischer Reinheit oder Unreinheit bestimmt ist von einer uns heute fremden <i>Dinglichkeit</i>. Wer im wörtlichen Sinn in Berührung kommt mit einem der genannten Bereiche, wird kultisch unrein; ob dies absichtlich oder unabsichtlich geschieht, spielt keine Rolle: Die Berührung allein entscheidet. So wird etwa kultisch unrein, wer einen Leichnam berührt, da er mit der Sphäre des Todes in Verbindung gekommen ist. Das Beispiel zeigt deutlich den Unterschied zwischen kultischer und moralischer Reinheit. Es ist ja für Juden Pflicht, die Toten der Familie zu bestatten, so dass kultische Unreinheit in diesem Fall unumgänglich, ja moralisch geboten ist. Durch diese Tat wird der Mensch also nicht schuldig vor Gott, sondern nur in einen Zustand versetzt, der ihn unfähig macht zur kultischen Begegnung mit Gott für eine bestimmte Zeit bzw. bis zum Vollzug bestimmter Reinigungsriten. <br />
<br />
<b>Sexualität und Unreinheit</b><br />
<br />
<div>
Analog gilt dasselbe für die Sexualität. Sie macht kultisch, nicht moralisch unrein, weil durch sie die Menschen mit geheimnisvollen Kräften in Berührung kommen. Entsprechend wird den Israeliten, die am Sinai Gott begegnen, vorher geboten, sich zu »heiligen«, und d.h. eine bestimmte Zeit vor der Begegnung keinen Geschlechtsverkehr zu haben (vgl. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Ex%2019%2C15/bibel/text/lesen/ch/11cb54b045622990806ea1bc547c8907/" target="_blank">Ex 19,15</a></i></b>). Auch was dinglich mit Sexualität zusammenhängt, hat verunreinigende Wirkung, also Menstruationsblut und Wochenfluss bei der Frau, Sperma bei Mann. Nach <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2015%2C22/bibel/text/lesen/ch/04b52ce878b17a4cf24296bda64a9e69/" target="_blank">Lev 15,22</a></i></b> z.B. wird jeder unrein, der irgendetwas berührt, worauf eine blutflüssige Frau gesessen ist. Berücksichtigt man, was oben über den Hintergrund solcher Bestimmungen gesagt wurde, ist klar, dass die Sexualität hier nicht abgewertet ist. Man muss in jenen kultischen Bestimmungen vielmehr die Anerkennung der Macht sehen, die die Sexualität über die Menschen hat; und daraus folgend den damaliger Welterfahrung entsprechenden Versuch, zu verhindern, dass diese Macht die Menschen zu ihrem Unheil beherrscht.<br />
<br />
<b>»Reine Magd«</b><br />
<br />
Durch den Verzicht auf sexuelle Akte rein zu sein, hat also biblisch nichts damit zu tun, dass man in sich negativ gewertete Handlungen unterließe. Wenn es im Weihnachtslied zu Maria heißt, sie sei trotz der Geburt eines Kindes »reine Magd« geblieben, so liegt dem ein anderer Begriff von Reinheit zugrunde. Es ist nicht gemeint, Maria sei entgegen den Bestimmungen von <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2012%2C1-4/bibel/text/lesen/ch/a2ee750b98743902f48e3f50de58bb7d/" target="_blank">Lev 12,1-4</a></i></b> durch die Geburt nicht kultisch unrein geworden und habe entsprechend kein Reinigungsopfer darbringen müssen; Reinheit meint hier die grundsätzliche Abstinenz von sexuellen Handlungen, weshalb in dieser späteren Traditionslinie das Interesse an der <i>bleibenden </i>Jungfräulichkeit Mariens entsteht. Greifbar ist diese Linie erstmals im »Protevangelium des Jakobus« (2. Hälfte des 2. Jahrhunderts), in dem festgestellt wird, dass die Geburt Jesu das Hymen der Maria nicht verletzt habe (19f). Dass sich an Maria keine Spuren sexueller Akte zeigen, auch nicht nach der Geburt Jesu, weist auf eine grundsätzlich reservierte Haltung der Sexualität gegenüber. Wir finden sie auch sonst in Schriften aus dem 2. Jahrhundert, etwa den <i>Paulusakten</i>, in denen Paulus als Prediger der Enthaltsamkeit gezeichnet wird, der er nach Ausweis seiner Briefe nicht war.<br />
<br />
<b>Zum Befund in den Evangelien</b><br />
<b><br /></b></div>
<div>
In den Evangelien stoßen wir im Zusammenhang der alttestamentlichen Reinheitstora vor allem auf die Diskussion um <i>Speisegebote</i>. Dabei zeigt sich deutlich, wie der Standpunkt des jeweiligen Evangelisten die Behandlung des Themas prägt. Im Markus-Evangelium, das in heidenchristlichem Milieu entstanden ist, werden die Speisegebote kurz und bündig für aufgehoben erklärt. Aus dem Wort Jesu, dass nichts, was von außen in den Menschen komme, ihn unrein machen könne (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%207%2C15-19/bibel/text/lesen/ch/d4012c1baf824198a20f84062d36054d/" target="_blank">Mk 7,15-19</a></i></b>), wird gefolgert: »Damit erklärte er alle Speisen für rein« (7,19). Der Judenchrist Matthäus übernimmt diese Folgerung nicht, sondern wendet das Jesuswort auf die Ausgangsfrage der Szene an: »Mit ungewaschenen Händen zu essen macht den Menschen nicht unrein« (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2015%2C20/bibel/text/lesen/ch/81a428598020254644270aa7b05af1fe/" target="_blank">Mt 15,20</a></i></b>). Hier bezieht Jesus eine Position, die von der der Pharisäer abweicht, aber die Speisegebote mit ihrer Unterscheidung von reinen und unreinen Tieren nicht grundsätzlich hinter sich lässt.<br />
<br />
Das dürfte im Grundsatz der Haltung Jesu entsprechen, denn eine <i>prinzipielle </i>Aufhebung der Grenze von reinen und unreinen Speisen hätte deutlichere Spuren in der Jesustradition hinterlassen müssen. Der Befund im Lukas-Evangelium kann diese Sicht bestätigen. Dort ist nämlich die ganze Diskussion um rein und unrein nicht zu lesen. Der Grund für diese Auslassung dürfte darin liegen, dass Lukas in seinem zweiten Werk, der Apostelgeschichte, von der Geschichte der Urkirche erzählt. Und dabei zeigt sich, dass die Urkirche die Unterscheidung von rein und unrein keineswegs eindeutig hinter sich gelassen hat.<br />
<br />
<b>Urkirchliche Debatten </b><br />
<br />
In der ersten christlichen Generation wurde darum gerungen, zu welchen Bedingungen die Grenze Israels in der Verkündigung des Evangeliums überschritten werden durfte. <i>Paulus </i>vertrat die Position, Heiden könnten als Heiden aufgenommen werden, ohne sie auf die Einhaltung der Tora zu verpflichten. Dem stimmte auch <i>Jakobus </i>zu. Für ihn gab es aber, anders als für Paulus, keinerlei Kompromiss, was die Toratreue der Judenchristen betraf; sie mussten weiter das Mose-Gesetz vollumfänglich halten. Im »antiochenischen Zwischenfall« (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Gal%202%2C11-14/bibel/text/lesen/ch/018c007cfae944461873527053119329/" target="_blank">Gal 2,11-14</a></i></b>) wird dies an den Speisegeboten deutlich: Eine Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen war für Jakobus ausgeschlossen, weil die Judenchristen dabei die Vorschriften der Tora übertreten hätten. Die<i> Gegner des Paulus in Galatien</i> lassen (wie die »Falschbrüder« auf dem Apostelkonzil: <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Gal%202%2C4/bibel/text/lesen/ch/fa36e083e46a41fd912dfe16a78a718e/" target="_blank">Gal 2,4</a></i></b>; s.a. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Apg%2015%2C1/bibel/text/lesen/ch/5ed0239c34f65da2845e4710b8c5ef0f/" target="_blank">Apg 15,1</a></i></b>) überhaupt keine Relativierung der Mose-Gesetzes zu, auch nicht im Blick auf die Heidenchristen, von denen sie Tora-Gehorsam verlangen.<br />
<br />
Die Speisegebote sind kein nebensächlicher Teil der Tora, nicht nur weil sie das alltägliche Leben betreffen. Sie bestimmen (neben Beschneidung und Sabbat) entscheidend die Identität Israels nach innen und die Abgrenzung nach außen. Hätte Jesus sie bereits grundsätzlich aufgehoben, wären die Debatten um diese Frage im Urchristentum schwer zu verstehen – vor allem dass eine solche Haltung Jesu nach Ausweis der Quellen in den Debatten keine Rolle spielte.<br />
<br />
Die Dominanz des Heidenchristentums seit dem Ende des 1. Jahrhunderts führte dazu, dass die Bestimmungen der Tora zu rein und unrein die christliche Tradition nicht mehr prägten. Was den Kult betrifft, so war das frühe Christentum nach antikem Verständnis kultlos, da keine Opfer in einem heiligen Bezirk dargebracht wurden. Die Sorge um kultische Reinheit, die in den alttestamentlichen Bestimmungen aus dargelegten Gründen greifbar ist, konnte auch deshalb den frühchristlichen Gottesdienst nicht bestimmen. Insofern besteht der in der Anfrage genannte Gegensatz zwischen christlicher Liturgie und dem Konzept kultischer Reinheit tatsächlich. Allerdings wurden später auch Elemente traditionell kultischen Denkens in die christliche Liturgie aufgenommen. Doch darüber sollen sich Berufenere als ich äußern.<br />
<br />
<i>Eine ausführliche Erfassung des alttestamentlichen Befundes findet sich in </i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33086/" target="_blank"><b>WiBiLex</b></a>, <i>dort mit einer Deutung des Phänomens im Rahmen eines religiösen Symbolsystems, in dem </i>Reinheit <i>mit unversehrtem Leben verbunden ist, Unreinheit mit dessen Beeinträchtigung oder Verlust. </i></div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com6tag:blogger.com,1999:blog-2121147346748591466.post-31336579363863812882014-12-18T23:28:00.002+01:002017-03-24T23:00:27.112+01:00Who's who (13) - LösungDer Gesuchte wird in allen vier Evangelien des Neuen Testaments erwähnt. In mancher Hinsicht fällt seine Beschreibung detaillierter aus als diejenige Jesu, wird doch sein Speiseplan ebenso mitgeteilt wie das, was er aus seinem Kleiderschrank herausholt ... (der ganze Text noch einmal <b><i><a href="http://www.lectiobrevior.de/2014/12/whos-who-13-ratsel.html" target="_blank">hier</a></i></b>)<br />
<br />
<a name='more'></a>Gesucht wurde <b>Johannes der Täufer. </b><br />
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Der Gesuchte wird in allen vier Evangelien des Neuen Testaments erwähnt. In mancher Hinsicht fällt seine Beschreibung detaillierter aus als diejenige Jesu, wird doch sein Speiseplan ebenso mitgeteilt wie das, was er aus seinem Kleiderschrank herausholt. Dass das kein besonders feiner Zwirn ist, stellt Jesus einmal ausdrücklich fest.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Als Nahrung werden Heuschrecken und wilder Honig genannt, zur Kleidung heißt es, sie sei aus Kamelhaaren gewesen; außerdem habe Johannes einen ledernen Gürtel um seine Hüften getragen (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%201%2C6/bibel/text/lesen/ch/13d2107034570a3a467a6c9d86800853/" target="_blank">Mk 1,6</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%203%2C4/bibel/text/lesen/ch/91971c9a3ddb6f6a07b8990f2e603004/" target="_blank">Mt 3,4</a></i></b>). Die Deutung dieser Notizen ist umstritten. Es könnte die bedürfnislose, asketische Lebensweise akzentuiert sein oder in erster Linie ein Zusammenhang mit dem Aufenthaltsort gegeben sein: Johannes tritt <i>in der Wüste</i> auf, nährt sich von dem, was dieses Umfeld hergibt und kleidet sich ihm entsprechend. Dass die Kleidung des Johannes der Wüste angepasst war, gibt auch Jesus in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/ch/bd5682d9560f044e1ce13aa2cd4c2e0f/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mt+11%2C7f" target="_blank">Mt 11,7f</a></i></b> zu verstehen. Einen Menschen »in weichen Kleidern« trifft man an Königshöfen an, nicht in der Wüste. Die beiden genannten Nuancen müssen sich natürlich auch nicht gegenseitig ausschließen. Im ledernen Gürtel wird häufig, allerdings nicht unbestritten, ein Verweis auf Elija erkannt (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/2K%C3%B6n%201%2C8/bibel/text/lesen/ch/cb22bfe854ebaef991166e28aecdbc7f/" target="_blank">2Kön 1,8</a></i></b>). </span></blockquote>
Der Gesuchte ist auf Wasser angewiesen, und das liegt in seinem Fall nicht nur daran, dass Leben, wie wir es kennen, nun einmal Wasser benötigt.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Für Johannes war das Taufen offensichtlich so kennzeichnend, dass er über diese Tätigkeit identifiziert und von anderen Trägern dieses Namens unterschieden wird. In allen Evangelien wird er deshalb mit der Jordangegend in Verbindung gebracht (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/ch/bd5682d9560f044e1ce13aa2cd4c2e0f/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mk+1%2C5" target="_blank">Mk 1,5</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%203%2C6/bibel/text/lesen/ch/4e969997719c0eda109cc0bd0b77733d/" target="_blank">Mt 3,6</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lk%203%2C3/bibel/text/lesen/ch/c23f60c339480fc3f2388a7d9fd30d24/" target="_blank">Lk 3,3</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%201%2C28/bibel/text/lesen/ch/46ec7770ebd750219b278cb3079af9a3/" target="_blank">Joh 1,28</a></i></b>). </span></blockquote>
In der Frage irregulärer Ehen hat er sich als konsequenter Verfechter vorgegebener Norm positioniert, ist dabei aber größere Risiken eingegangen, als es in heutigen Debatten der Fall ist. Zwei Evangelisten erzählen diese Geschichte; einer scheint von ihr so mitgenommen, dass er dabei erzähltechnisch etwas aus dem Tritt kommt.<br />
<div>
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Johannes </span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">kritisierte </span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">die Ehe des Herodes Antipas mit Herodias als torawidrig , war Herodias doch die Frau eines seiner Brüder (s. <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2018%2C16/bibel/text/lesen/ch/75360c98d713caa9f2bb723502e59ca2/" target="_blank">Lev 18,16</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lev%2020%2C21/bibel/text/lesen/ch/dc39bf94386a4521b30a0d3856b9d54f/" target="_blank">20,21</a></i></b>). Nach <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2014%2C1-12/bibel/text/lesen/ch/77317c485cd569d323d435fb9349c9e0/" target="_blank">Mt 14,1-12</a></i></b> hat sich der Täufer dadurch die Todfeindschaft des Herrschers zugezogen, <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%206%2C17-29/bibel/text/lesen/ch/3582444aaac617de7aade7a71aace975/" target="_blank">Mk 6,17-29</a></i></b> zufolge war</span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;"> die Frau die treibende Kraft hinter der Beseitigung des Täufers. Folgt man Flavius Josephus, war die Hinrichtung des Johannes in politischem Kalkül begründet, da Herodes ein Anwachsen der dann nicht mehr kontrollierbaren Täuferbewegung fürchtete (<b><i><a href="http://www.uni-siegen.de/phil/kaththeo/antiketexte/ausser/2.html?lang=de" target="_blank">Antiquitates XVIII 116-119</a></i></b>). </span></blockquote>
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Matthäus durchbricht nach dem Ende der Erzählung vom Tod des Täufers die Chronologie: Diese Geschichte beginnt nämlich als Rückblick, geht also hinter den laufenden Erzählfaden zurück; nach ihrem Abschluss geht es aber weiter, als wäre die fortlaufende Chronologie nicht verlassen worden, wenn Jesus auf die Nachricht vom Tod des Täufers mit Rückzug reagiert und mit dieser Notiz der weitere Erzählgang eingeleitet wird (Mt 14,12f). Markus ist hier konsequenter: Er füllt mit dem Rückblick auf den Tod des Täufers die erzählerische Lücke zwischen der Aussendung der Jünger (6,7-13) und deren Rückkehr (6,30). </span></blockquote>
</div>
<div>
Auf Fragen nach seiner Identität kann der Gesuchte sehr ausweichend reagieren.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Im Johannes-Evangelium antwortet Johannes auf der Frage, wer er sei, mit dem Hinweis darauf, wer er nicht sei: </span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">»Wer bist du?</span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">« – </span><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">»Ich bin nicht der Messias.« Im vierten Evangelium ist deutlich das Interesse an der Abgrenzung des Täufers von Jesus erkennbar (s.a. </span><b style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%201%2C7f/bibel/text/lesen/ch/b83c1e114a16aeb61c84abe29754c7e8/" target="_blank">1,7f</a></i></b><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">; </span><b style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%203%2C26-30/bibel/text/lesen/ch/9993462a49a746cb01704b6154569844/" target="_blank">3,26-30</a></i></b><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">). Deshalb bezeugt Johannes hier ausdrücklich, nicht der Messias zu sein, sondern Wegbereiter für den Herrn (</span><b style="font-family: Arial, Helvetica, sans-serif;"><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%201%2C23/bibel/text/lesen/ch/77a6ffe97efa0f80c7d22a17357ba7da/" target="_blank">1,23</a></i></b><span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">). </span></blockquote>
Auch die Evangelisten sind sich in dieser Frage nicht ganz einig.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Unter den abgelehnten Titeln für Johannes ist auch der des Elija (Joh 1,21). Das Gegenteil ist in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2011%2C14/bibel/text/lesen/ch/de5b88a1bf39d42ca19b974db68961f4/" target="_blank">Mt 11,14</a></i></b>; <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2017%2C10-13/bibel/text/lesen/ch/70575337cc5ec3e7ff188c9e6920d137/" target="_blank">17,13</a></i></b> zu lesen, wo Johannes ausdrücklich mit dem wiederkehrenden Elija gleichgesetzt wird (in <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mk%209%2C11-13/bibel/text/lesen/ch/80274be10f2367d9537b16468d0944de/" target="_blank">Mk 9,11-13</a></i></b> können sich die Leser diese Identifizierung erschließen). Im Hintergrund stehen wahrscheinlich unterschiedliche Traditionen von der Wiederkunft des Elija. Diese bezieht sich nach <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/ch/bd5682d9560f044e1ce13aa2cd4c2e0f/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=Mal+3%2C23" target="_blank">Mal 3,23</a></i></b> auf den »Tag Jahwes«. In dieser Form bleibt kein Platz für eine Heilsgestalt neben Elija, der Prophet ist unmittelbar dem Erscheinen <i>Gottes </i>zugeordnet. Dies hat wohl der vierte Evangelist im Blick, wenn er Johannes eine Gleichsetzung mit Elija verneinen lässt. Matthäus geht dagegen von einer urchristlich adaptierten Form der Elija-Erwartung aus, in der das Kommen des Propheten dem <i>Messias </i>zugeordnet und damit eine heilsgeschichtliche Einordnung des Täufers möglich wird. </span></blockquote>
Das muss aber insofern nicht verwundern, als auch das, was der Gesuchte zu sagen hat, recht unterschiedlich dargestellt werden kann.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Der bedeutendste Unterschied besteht darin, dass nach den synoptischen Evangelien (Mk, Mt, Lk) der Täufer an keiner Stelle Jesus ausdrücklich als den angekündigten Kommenden identifiziert. Nur in dem Dialog <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%203%2C14f/bibel/text/lesen/ch/7fb735edccc3a4279f38038c9d6322d8/" target="_blank">Mt 3,14f</a></i></b> (aber nicht in seiner öffentlichen Verkündigung) erkennt Johannes Jesus als die von ihm angekündigte Gestalt. Ansonsten kommt der Täufer nur bis zur <i>Frage</i>, ob Jesus der Kommende sei (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Mt%2011%2C2-6/bibel/text/lesen/ch/43da5cc914fb264aa75b48b00b11c825/" target="_blank">Mt 11,2-6</a></i></b>). Im Johannes-Evangelium ist der Täufer dagegen ausdrücklicher Zeuge für Jesus als Feuertäufer und Sohn Gottes (<b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Joh%201%2C29-34/bibel/text/lesen/ch/95495150588437fc0d4ed37001ea3706/" target="_blank">Joh 1,29-34</a></i></b>). </span></blockquote>
In einem Evangelium kann er sich sogar non-verbal, allein durch Bewegung, mitteilen, in einem anderen liefert er die Vorlage für einen liturgischen Text. </div>
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<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">In <b><i><a href="http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/luther-bibel-1984/lesen-im-bibeltext/bibelstelle/Lk%201%2C44/bibel/text/lesen/ch/b44060e5f24eb39c5b0b12f1af376e65/" target="_blank">Lk 1,44</a></i></b> heißt es im Rahmen der »Kindheitsgeschichte«, das Kind im Leib der Elisabet sei bei der Begegnung mit der schwangeren Maria vor Freude gehüpft. Nach Joh 1,29 weist Johannes auf Jesus hin mit den Worten: »Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.«</span></blockquote>
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Im Ganzen kann man in den Evangelien das Bemühen erkennen, das Verhältnis der erfragten Person zu Jesus zu klären. In einem Werk führt das zu einem Satz, aus dem man ableiten könnte, dass Jesus kleinwüchsig und der Gesuchte übergewichtig sei.<br />
<blockquote class="tr_bq">
<span style="font-family: "arial" , "helvetica" , sans-serif;">Joh 3,30: »(Johannes sprach:) Jener muss wachsen, ich muss abnehmen.«</span></blockquote>
Da das aber nur in der deutschen Übersetzung möglich ist und der erwähnte Speiseplan einen zu hohen Body-Mass-Index ausschließt, lässt sich eine solche Hypothese historisch nicht stichhaltig begründen. </div>
Gerd Häfnerhttp://www.blogger.com/profile/01333676114968488511noreply@blogger.com3