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Es werden Posts vom 2017 angezeigt.

Die sechste Bitte

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Die Zahl derer, die der sechsten Bitte des Vaterunsers in unserer Medienwelt Schlagzeilenpotential zugetraut haben, dürfte überschaubar sein. Tatsächlich hat es Papst Franziskus mit seiner Kritik an Übersetzungen dieser Bitte  sogar auf die Titelseite der Bild am Sonntag geschafft. »Führe uns nicht in Versuchung« sei eine schlechte Übersetzung, weil nicht Gott den Menschen in Versuchung stürze: »Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan«. Ob eine Übersetzung gut oder schlecht ist, entscheidet sich freilich nicht an der Übereinstimmung mit einer theologischen Überzeugung, sondern am Text, der übersetzt wird. In Mt 6,13 und Lk 11,4 heißt es: μὴ εἰσενέγκῃς ἡμᾶς εἰς πειρασμόν. μὴ εἰσενέγκῃς ist verneinter Imperativ, gebildet mit dem Konjunktiv Aorist von εἰσφέρω (hineinbringen, hineintragen), also: »bringe nicht hinein«. ἡμᾶς ist Personalpronomen, und zwar 1. Person Plural im Akkusativ: »bringe uns nicht hinein«. D

In der Fertigungshalle einer Eklatfabrik

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» Erneut Eklat um katholisch.de-Mitarbeiter Odendahl « so wird ein Aufreger angekündigt, der zeigt, wie man einen Eklat dadurch produziert, dass man über ihn schreibt. Es geht um eine Diskussion auf Facebook, die von einem Kommentar des früheren Sprechers des Bistums Limburg, Martin Wind, ausging. Der hatte in Reaktion auf eine Meldung über den neuen »Social Media Codex« im Bistum Augsburg geschrieben: »Es gibt ein vorgeblich katholisches Portal, dem wäre manches erspart geblieben, hätten die Mitarbeiter (einer beleidigte AfD-Wähler und -mitglieder via Twitter als "Arschlöcher") und andere Subalterne (schrieben herablassend-rassistisch über Christen Afrikas und versuchen permanent römisch-katholische Christen der Lächerlichkeit auszusetzen) zumindest diese Richtlinien beachtet, wenn schon ihre Erziehung solche Entgleisungen nicht verhindern konnte ...« Diese recht unfreundliche Wortmeldung hat einer der Angegriffenen ebenfalls unfreundlich kommentiert: »Herr Wind, da ha

Osterwitz-Figur Nikodemus

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In den letzten Tagen hat ein Osterwitz in verschiedenen Variationen die Runde gemacht: Nikodemus versucht entweder Josef von Arimathäa zur Herausgabe seines Familiengrabes für die Beisetzung Jesu zu gewinnen oder sich vor seiner Frau zu rechtfertigen, dass er selbst das Familiengrab für diesen Zweck hergegeben hat. Entscheidendes Argument in beiden Fällen: »Es ist ja nur für das Wochenende« (wahlweise: »nur für drei Tage)«. Zuerst habe ich gelacht, dann meldete sich der Exeget und sagte: »Eine interessante Fortschreibung der johanneischen Figurenzeichnung!« Man muss Exegeten nicht dafür bedauern, dass sie Osterwitze nicht ohne Hintergedanken genießen können. Wie sich zeigen wird, kann man Osterwitze auch exegetisch ausschlachten. Aber der Reihe nach: Schauen wir uns die Nikodemusfigur im Johannes-Evangelium etwas näher an. Das nächtliche Gespräch mit Jesus Erstmals taucht Nikodemus in 3,1 auf. Nachts besucht er Jesus. Dabei soll er als Vertreter einer Gruppe wahrgenommen werd

Wenn der kleine Hunger Jesu kommt

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» Mit leerem Bauch zur Tempelreinigung « , so lautet der Titel eines Interviews mit Thomas Schwartz, dem Autor des jüngst erschienenen Buches »Auch Jesus hatte schlechte Laune«. Solches Wissen über Jesu Mageninhalt und Gemütsverfassung sowie den Zusammenhang zwischen beidem macht selbstverständlich neugierig. Im Markus-Evangelium erfolgt die Tempelreinigung ( 11,15-18 ) im Anschluss an eine äußerst rätselhafte Episode, die einen hungrigen Jesus präsentiert ( 11,12-14 ). Jesus verflucht einen Feigenbaum, weil der, Jesu Hunger zum Trotz, keine Früchte trägt – ja nicht einmal tragen kann, weil gerade nicht »die Zeit der Feigen ist« (11,13). Deutet man die Handlung Jesu als Ausdruck schlechter Laune und geht man davon aus, dass Jesus auch in der Zwischenzeit an keinem Falafel-Stand vorbeigekommen ist, dann mag sich auf den ersten Blick nahelegen, dass Jesus »quasi bauchgesteuert zur Tempelreinigung schreitet« und »einfach stinksauer in den Tempel geht, weil er vorher nichts zu essen beko

Die eingebildete »Entgöttlichung Christi«

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Die Blogpause des vergangenen Jahres war über weite Strecken auch ein kath.net -Sabbatical. Nun kehre ich zurück und finde mich gleich wieder zurecht: Die Theologenbeschimpfung gehört nach wie vor zum Programm des Portals. Es kündigt » Gedanken eines Nichttheologen « an. Zum Teil wird das auch eingelöst, nämlich in der Umschreibung des Autors. Dass für die Rolle des Watschenmanns Kardinal Marx vorgesehen ist, lässt auch nach einer längeren Zeit der Abwesenheit sofort Gefühle der Vertrautheit aufkommen. Die angebliche Tendenz Der Kardinal hat etwas gesagt, das in Verbindung mit einer am 3. Fastensonntag gehörten Predigt eine Tendenz belegen soll. Die Predigt legte das Gespräch Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen »als Beispiel einer gelungenen Begegnung zwischen Menschen unterschiedlicher Völker und Religionen« aus. Der Hörer und Autor des Beitrags vermisste den Bezug auf die allein Jesus zukommende Würde.  »Aber am Jakobsbrunnen begegneten sich doch nicht einfach eine samaritisch

Wie oft starb Judas?

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Wer keine Reinkarnationsvorstellungen vertritt, wird sich zutrauen, die Frage, wie oft Judas starb, eindeutig zu beantworten. In historischer Sicht ist denn auch unstrittig, dass es sich beim Tod des Judas um ein einmaliges Ereignis handelte. Umso mehr fällt auf, dass das Neue Testament zwei verschiedene Versionen von diesem Ereignis bietet, die sich gegenseitig ausschließen ( Mt 27,3-10 ; Apg 1,16-20 ). Matthäus zufolge hat sich Judas aus Verzweiflung über seine Tat erhängt, nachdem ihm von den Hohenpriestern bedeutet worden war, er müsse selber mit den Folgen seiner Tat fertig werden (27,4: »Sieh du zu«). Dagegen heißt es in der Apostelgeschichte, Judas sei kopfüber gestürzt und geplatzt, so dass seine Eingeweide hervorquollen (Apg 1,18). Ein Eingreifen Gottes kommt zwar nicht ausdrücklich zur Sprache, wird aber durch die Todesart nahegelegt, zumal da Judas durch diesen Tod daran gehindert wird, das Grundstück in Besitz zu nehmen, das er sich vom Lohn für den Verrat gekauft hat.

Das Bier im Kühlschrank und die Theologie

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Seit dem letzten Post ist nun ein Jahr vergangen. Zeit und Energie haben nicht gereicht, um dieses Blog weiter mit Beiträgen zu beliefern. Nach dieser Pause wage ich einen Neueinstieg in der Hoffnung, dass die beiden genannten Größen in der Zukunft nicht so knapp bemessen sind. Den letzten Anstoß zum erneuten Versuch gab eine Bemerkung, mit der die Naturwissenschaft von Theologie (und Esoterik) abgegrenzt werden sollte. Auf sie bin ich durch das Münsteraner Forum für Theologie und Kirche gestoßen. Vince Ebert , Diplom-Physiker, Moderator, Kabarettist, fördert nicht nur das Interesse an Naturwissenschaften, sondern bietet auch Sinnstiftung angesichts der Endlichkeit menschlicher Existenz an. Für die Aussicht auf Unsterblichkeit braucht er keinen dreifaltigen Gott, die »drei Hauptsätze der Thermodynamik reichen dafür vollkommen aus« (s. Video  hier ab 41:45). Die 10 28 Atome, aus denen der Mensch besteht, gehen im Tod nicht verloren; »nichts von uns verschwindet, wir sind einfach nu