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Es werden Posts vom Dezember, 2011 angezeigt.

Sonntagsevangelium (6)

Oktavtag von Weihnachten: Lk 2,16-21 Wie schon im ersten Teil der Weihnachtsgeschichte ( 2,1-14 ) spielt auch beim Besuch der Hirten das neugeborene Kind selbst nur eine Nebenrolle. Allein eine kurze Bemerkung, dass die Hirten das Kind in der Krippe fanden (2,16): kein Niederfallen, keine Anbetung, kein Lobpreis – sofort rückt die Bot­schaft über das Kind in den Mittelpunkt (2,17). Deshalb staunen auch nicht die Hirten (über das Kind), sondern Leute, die ganz unvermittelt in der Szene auftauchen (2,18). Dass plötzlich ein solches Auditorium für die Botschaft der Hirten anwesend ist, deutet darauf, dass sich der Evangelist die Szene nicht in einem abgelegenen Stall vorstellt. Von einem Stall ist in der Weihnachtsgeschichte nirgends die Rede, sondern nur von der Krippe. In sie wird das neugeborene Kind gelegt, weil »in der Herberge kein Platz für sie war«. Das griechische Wort, das zumeist mit »Herberge« übersetzt wird (κατάλυμα/ katalyma ), hat eine weitere Bedeutung, als es diese Übe

Sonntagsevangelium (5)

In der Heiligen Nacht: Lk 2,1-14 Am Beginn der Weihnachtsgeschichte des Lukas steht der Kaiser Augustus. Er bringt mit seinem Befehl, den ganzen Erdkreis aufzuschreiben, das Geschehen in Gang. Deutlich ist das theologische Interesse des Evangelisten, denn seine Angaben lassen sich historisch nicht bestätigen. Dass das ganze römische Reich in einer allgemeinen Steuerschätzung erfasst wurde, ist in den Quellen sonst nicht überliefert. Folgt man Flavius Josephus, hat Quirinius erst im Jahr 6 n. Chr. einen Zensus durchgeführt (beschränkt auf Judäa, Samaria und Idumäa); außerdem deckt sich seine bekannte Amtszeit nicht mit der Regierungszeit des Herodes. Die Annahme einer früheren Statthalterschaft in Syrien bleibt spekulativ; ebenso der Versuch, eine Steuerschätzung zur Zeit des Herodes zu rekonstruieren.  Das Anliegen der Weihnachtserzählung wird verpasst, wenn man es in historischer Korrektheit sucht. Lukas berichtet nicht, sondern verkündigt. Die Figur des Augustus nutzt er, um d

Wer behält den Überblick in der Herodes-Dynastie?

Der Versuch eines Klatsch-Blattes, sich fiktiv in die Zeit Jesu zurückzuversetzen, hat im Zusammenhang mit Jesu Geburt zu einem eher unbefriedigenden Ergebnis geführt (s. hier ). Tatsächlich könnte man sich vorstellen, dass andere Themen diesem Genre besser entsprochen hätten. Wenn es also Blätter wie das neue im 1. Jahrhundert schon gegeben hätte, dann hätten sie sich auf dem Gebiet nützlich machen können, auf dem sie zuhause sind.  An Herodes dem Großen hätte die Klatsch-Presse mit ihrem (wissenschaftlich noch nicht restlos geklärten) Interesse für Königshäuser und ihre Skandale ihre wahre Freude gehabt. Hätte es zu seiner Zeit schon Paparazzi gegeben, Herodes und sein Haus hätte sie regelmäßig mit Stoff versorgen können: Mit zehn Frauen verheiratet (nicht nur nacheinander), brachte Herodes eine nicht geringe Menge von Nachkommen mit erheblichem Intrigenpotenzial hervor. Die Fülle bringt aber ein Identifizierungsproblem mit sich. Einfallslosigkeit bei der Namensgebung, in Dynasti

Sonntagsevangelium (4)

Vierter Adventssonntag (B): Lk 1,26-38 Die Geschichte von der Ankündigung der Geburt Jesu ist nach alttestamentlichen Vorbildern gestaltet, nicht nur in einzelnen Wendungen wie »fürchte dich nicht!« (s. z.B. Gen 15,1 ; Jos 8,1 ), »bei Gott ist kein Ding unmöglich« ( Gen 18,14 ) oder »der Herr ist mit dir« ( Ri 6,12 ). Auch die Struktur ist geprägt durch Erzählungen von der Verheißung der Ge­burt bedeutender Ge­stalten der Heilsgeschichte. Solche Er­zählungen sind nach einem bestimm­ten Muster aufgebaut. Ein himmlisches Wesen erscheint, Gott selbst oder ein Engel. Es kündigt die Geburt eines Sohnes an und bestimmt dessen Namen. Schließlich wird die Zukunft des Kindes offen­bart – sicher der zentrale Erzählzug einer Geburts­verhei­ßung (vgl. z.B. Gen 16,7-12 ; 17,15-19 ).  Wenn sich die Geschich­te des Lukas dieses Musters bedient, dann muss ihr wesent­liches Aussageziel in den Sätzen liegen, die von der künf­tigen Bedeutung Jesu sprechen (VV. 32f). Sie greifen eben­falls zu

Die Bibel als Klatsch-Blatt

Wer mit der so genannten Yellow-Press nur beim Friseur oder in Wartezimmern von Ärzten in Berührung kommt, staunt gewöhnlich darüber, dass es für diese Titel ein offenbar zahlungsbereites Lesepublikum gibt. Das Staunen des Außenstehenden wird noch größer, wenn die Zeitschrift das neue , vielleicht weil ihr zur heiligen Schrift nur noch das Testament fehlt, eine ganz besondere Weihnachtsnummer herausgebracht hat. Chefredakteur Jörg Mandt fragt: »Liebe Leserin, lieber Leser, wie würde unser Weihnachtsheft aussehen, wenn es uns vor zwei Jahrtausenden schon gegeben hätte?« Man könnte streng sein und sagen: Wenn es das Heft das neue vor zweitausend Jahren schon gegeben hätte, dann hätte es über die Geburt Jesu sicher nichts berichtet. Dies würde sich nicht allein aus einem kritischen historischen Urteil ergeben, sondern auch aus den Geschichten um die Geburt Jesu, wie sie im Neuen Testament überliefert sind: Nirgends wird erzählt, dass Jesu Geburt auf ein breiteres öffentliches Intere

Sonntagsevangelium (3)

Dritter Adventssonntag (B): Joh 1,6-8 . 19-28 Alle Evangelisten erzählen vom Wirken des Täufers, ehe Jesus öffentlich auftritt. Nur im Johannes-Evangelium aber legt der Täufer ausdrücklich Zeugnis ab für Jesus ( 1,29-34 ). Auch wird in keinem anderen Evange­lium die Frage nach der Bedeutung des Täufers so di­rekt ge­stellt wie in Joh 1,19: »Wer bist du?«  Der Evange­list Jo­hannes lässt den Täufer alle Hoheitstitel zurückwei­sen, nach denen er ge­fragt wird – sogar einen, nach dem er nicht gefragt wird. Die Identität des Täufers wird nämlich zu­nächst negativ geklärt: Er ist nicht der Messias (1,20), tritt also nicht in Kon­kurrenz zu Jesus. Er ist aber auch nicht Elija (1,21). Diese Bestimmung über­rascht, denn Mat­thäus setzt zweimal den Täufer mit Elija ausdrücklich gleich ( Mt 11,14 ; 17,13 ), Markus deutet eine solche Identifizierung an (vgl. Mk 9,11-13 ).  War­um wird dies im Johan­nes-Evangelium abgelehnt? Wahrschein­lich bezieht sich der Evangelist auf die ur­sprün

Falsche Polemik gegen den SPIEGEL

In der Reihe »Der Spiegel/Geschichte« ist ein Heft über Jesus von Nazareth erschienen. Es hat den Unmut von Rolf Hille , Vorsitzender des Arbeitskreises für Evangelikale Theologie, auf sich gezogen. Er stellt enttäuscht fest: Im »Spiegel« ist nicht der Jesus der Bibel (auch hier ). Mit gleichem Recht könnte er in der Apotheken-Umschau den Sportteil vermissen. Dass ein Heft zur geschichtlichen Gestalt des Jesus von Nazareth sich auf historische Methoden beschränkt, ist kein Mangel, sondern eine Notwendigkeit.   Objektive Fassbarkeit der Offenbarung?  Das methodisch notwendige Absehen vom Wirken Gottes bedeutet für Hille: »Dass Gott als Person redet und handelt, wird damit praktisch ausgeschlossen.«

Sonntagsevangelium (2)

Zweiter Adventssonntag (B): Mk 1,1-8 Markus beginnt sein Werk mit Johannes dem Täufer, dem »Anfang des Evangeliums von Jesus Christus« (1,1). Zu­nächst wird mit Rückgriff auf die Schrift die Bedeutung des Täufers als Wegbe­reiter des Herrn geklärt (1,2f). Anders als in Vers 2 angekündigt, bietet Markus nicht nur ein Zitat aus dem Jesaja-Buch, sondern schaltet ihm noch ein Mischzitat aus Ex 23,20 und Mal 3,1 vor. Während im folgenden alttestamentlichen Bezugstext Jes 40,3 mit dem »Herrn« JHWH gemeint ist, bezieht Markus auf der Linie urchristlicher Verkündigung den Titel auf Christus. Für die frühen Christen war es wichtig, die Gestalt des Täufers in die Christusbotschaft zu integrieren. Dies geschah auch durch Neuinterpretation von Schrifttexten. Im Anschluss schildert der Evangelist das Auf­treten des Johannes in der Wüste . Dadurch wird der end­zeitliche Charakter des Täuferwirkens deutlich. Die Wüste galt in der jüdischen Tradition als Ort des endzeitlichen Neubeginns. Es ga