Sonntagsevangelium (4)
Vierter Adventssonntag (B): Lk 1,26-38
Auch die Struktur ist geprägt durch Erzählungen von
der Verheißung der Geburt bedeutender Gestalten der Heilsgeschichte. Solche
Erzählungen sind nach einem bestimmten Muster aufgebaut. Ein himmlisches
Wesen erscheint, Gott selbst oder ein Engel. Es kündigt die Geburt eines Sohnes
an und bestimmt dessen Namen. Schließlich wird die Zukunft des Kindes offenbart
– sicher der zentrale Erzählzug einer Geburtsverheißung (vgl. z.B. Gen 16,7-12; 17,15-19).
Wenn sich die Geschichte des Lukas dieses Musters bedient,
dann muss ihr wesentliches Aussageziel in den Sätzen liegen, die von der künftigen
Bedeutung Jesu sprechen (VV. 32f). Sie greifen ebenfalls zurück auf das Alte
Testament, auf die Verheißung an David, dass sein Königtum dauerhaften Bestand
haben wird (2Sam 7,8-16). Diese Verheißung wird aber messianisch interpretiert:
Es geht nicht mehr um Dauerhaftigkeit im Sinne einer fortlaufenden Reihe von
Königen, sondern um den einen Sohn Davids, der erwartet wurde als
idealer Herrscher der Heilszeit. Dass Jesus dieser Messias ist, ist die
zentrale Aussage der Erzählung.
Ein zweites Erzählmuster wird aufgegriffen: die Prophetenberufung. Zwar erfolgt in der Verkündigungsgeschichte keine Berufung, die anderen Bausteine des Schemas lassen sich aber in ihr entdecken: Bedenken werden vorgebracht (V.34), die Bedenken werden durch eine Erklärung zerstreut (V.35), die Erklärung wird durch ein Zeichen bekräftigt (VV.36f; vgl. etwa Jer 1,4-10; Ri 6,12-21).
Deutet man die Verkündigungsgeschichte in diesem Sinn als narrative Theologie, und nicht als Erlebnisbericht, erklärt sich auch die Schwierigkeit von Marias Einwand (»Wie soll das geschehen ...?«): Als Verlobte müsste sie sich über eine angekündigte Schwangerschaft eigentlich keine Gedanken machen. Im Rahmen einer realen Szene wäre zu erwarten, dass Maria diese Ankündigung auf ihre künftige Ehe bezieht und nicht fragt, wie eine Schwangerschaft möglich sein soll. Als literarisches Motiv bietet der Einwand keine Probleme: Er gibt den Anlass für die Aussage von der geistgewirkten Empfängnis.
Berücksichtigt man die verschiedenen Gattungen, ist zu folgern: die Aussage von der geistgewirkten Empfängnis ist nicht der eigentliche Zielpunkt der Erzählung. Sie soll die Offenbarung Jesu als des Messias und Gottessohnes unterstützen: Dass der Ursprung der menschlichen Existenz Jesu mit dem Geist Gottes verbunden wird, bekräftigt die enge Verbindung zwischen Gott und dem verheißenen Kind, die in der Geburtsankündigung bereits ausgesprochen wurde (s.o. zu VV.32f). Diese Gewichtung wird durch eine weitere Beobachtung gestützt: Die geistgewirkte Empfängnis ist im ganzen Neuen Testament nur hier und in Mt 1,18-25 erwähnt; dagegen zieht sich das Bekenntnis zu Jesus als Messias und Gottessohn durch alle Schichten der neutestamentlichen Verkündigung.
Wer keinerlei Schwierigkeiten hat, sich Lk 1,26-38 als historische Szene vorzustellen, muss sich das durch die vorgetragenen Überlegungen zur literarischen Eigenart der Erzählung nicht austreiben lassen. Diese Überlegungen zeigen aber: Wer den Text als Theologie in Form einer Erzählung versteht, verkürzt die biblische Botschaft nicht.
Die vorgestellte Deutung greift zurück auf Gerhard Lohfink, Jetzt verstehe ich die Bibel, Stuttgart 1973, 109-120.
Ein zweites Erzählmuster wird aufgegriffen: die Prophetenberufung. Zwar erfolgt in der Verkündigungsgeschichte keine Berufung, die anderen Bausteine des Schemas lassen sich aber in ihr entdecken: Bedenken werden vorgebracht (V.34), die Bedenken werden durch eine Erklärung zerstreut (V.35), die Erklärung wird durch ein Zeichen bekräftigt (VV.36f; vgl. etwa Jer 1,4-10; Ri 6,12-21).
Deutet man die Verkündigungsgeschichte in diesem Sinn als narrative Theologie, und nicht als Erlebnisbericht, erklärt sich auch die Schwierigkeit von Marias Einwand (»Wie soll das geschehen ...?«): Als Verlobte müsste sie sich über eine angekündigte Schwangerschaft eigentlich keine Gedanken machen. Im Rahmen einer realen Szene wäre zu erwarten, dass Maria diese Ankündigung auf ihre künftige Ehe bezieht und nicht fragt, wie eine Schwangerschaft möglich sein soll. Als literarisches Motiv bietet der Einwand keine Probleme: Er gibt den Anlass für die Aussage von der geistgewirkten Empfängnis.
Berücksichtigt man die verschiedenen Gattungen, ist zu folgern: die Aussage von der geistgewirkten Empfängnis ist nicht der eigentliche Zielpunkt der Erzählung. Sie soll die Offenbarung Jesu als des Messias und Gottessohnes unterstützen: Dass der Ursprung der menschlichen Existenz Jesu mit dem Geist Gottes verbunden wird, bekräftigt die enge Verbindung zwischen Gott und dem verheißenen Kind, die in der Geburtsankündigung bereits ausgesprochen wurde (s.o. zu VV.32f). Diese Gewichtung wird durch eine weitere Beobachtung gestützt: Die geistgewirkte Empfängnis ist im ganzen Neuen Testament nur hier und in Mt 1,18-25 erwähnt; dagegen zieht sich das Bekenntnis zu Jesus als Messias und Gottessohn durch alle Schichten der neutestamentlichen Verkündigung.
Wer keinerlei Schwierigkeiten hat, sich Lk 1,26-38 als historische Szene vorzustellen, muss sich das durch die vorgetragenen Überlegungen zur literarischen Eigenart der Erzählung nicht austreiben lassen. Diese Überlegungen zeigen aber: Wer den Text als Theologie in Form einer Erzählung versteht, verkürzt die biblische Botschaft nicht.
Die vorgestellte Deutung greift zurück auf Gerhard Lohfink, Jetzt verstehe ich die Bibel, Stuttgart 1973, 109-120.
Kommentare
Aus heutiger Sicht, in einer Gesamtschau aller vier Evangelien, würde ich zur Unterstützung des Prophetischen bei Maria auch das Joh (obwohl es Lk nicht vorlag) hinzu nehmen und ihr so die Rolle zuschreiben, den Logos, das Wort, auf die Welt zu bringen. Nur ist das wohl keine ganz saubere Exegese...
Da in der Verkündigungsgeschichte an Maria kein Auftrag erteilt wird (sie hört, was geschehen wird) und die Motive aus der Prophetenberufung vom Einwand Marias abhängen, scheint mir das Moment der Beufung nicht im Vordergrund zu stehen.
Zu Ihrem Vorschlag hinsichtlich der Auslegung des JohEv vermuten Sie bereits, dass er exegetisch nicht ohne Probleme ist. Der Logos-Begriff ist weiter zu fassen als allein auf das "Wort" hin, so dass von hier aus keine Brücke speziell zum Prophetischen gebaut werden kann (so habe ich Ihren Vorschlag verstanden). Und Maria (im JohEv nirgends namentlich erwähnt) wird mit der Fleischwerdung des Logos nicht direkt in Verbindung gebracht. Joh denkt in abstrakteren Kategorien. So spricht er von der Menschwerdung des Logos und erzählt nicht von der Geburt Jesu.
Wenn man Maria nach prophetischem Vorbild verstehen will, so scheint mir auch das Magnifikat als der beste Anknüpfungspunkt, da Maria hier vom Handeln Gottes an den Niedrigen kündet und sich als "Magd des Herrn" bezeichnet.
Nein, wird der Text wirklich nicht verkürzt?
Wird nicht die geistgewirkte Empfängis so weit an den Rand gedrängt, daß sie zur Nebensache wir? – Zu einer Nebensache, die man auch ganz streichen kann, ohne am Inhalt was zu ändern?
Wenn Sie der Meinung sind, man aufgrund der vorliegenden Bibeltexte folgern muß, daß Jesus nicht durch den Heiligen Geist empfangen wurde, dann sagen sie es doch frei heraus.