Finanzberatung für Theologie und Kirche

Der Freiburger Pastoraltheologe Hubert Windisch hat sich in einem Gastkommentar mit dem Titel Kaputte Kirche? auf kath.net zu Wort gemeldet. Der Text ist nicht besonders originell, aber gerade deshalb nicht uninteressant, fragt sich doch, welches Bedürfnis zu seiner Veröffentlichung führte. Der Papstbesuch wird ein Anlass sein, er verbindet sich aber mit einem grundsätzlichen Anliegen. Windisch erinnert an eine Aussage von Erzbischof Zollitsch aus dem Frühjahr, den Papst werde eine lebendige Kirche erwarten, und versteht sie als »das berühmte Pfeifen im Walde«. Darin drücke sich die Angst vor der Wahrheit über den Zustand der Kirche hierzulande aus. Damit der Papst sich keine Illusionen macht, bringt der Pastoraltheologe diese Wahrheit ans Licht. Weil von Windischs Pauschalkritik auch die universitäre Theologie betroffen ist, gehe ich hier auf seinen Kommentar ein.

Im Blick auf den »Zustand der Kirche und ihrer Theologie in Deutschland« diagnostiziert Windisch einen Prozess »rasante[r] Minderung an Christlichkeit und Kirchlichkeit, und zwar in quantitativer und qualitativer Hinsicht«. Ich übergehe die Seitenhiebe auf »die protestantischen Kirchen«, in denen der Autor die Ökumene auf ähnliche Weise vorantreibt wie Arnd Brummer in der September-Nummer von chrismon (s. dazu hier). Betrachten wir zunächst, wie der Zustand der deutschen Theologie analysiert wird.




Kniefälle vor dem Rektorat? 

Zu beklagen sei ein »Profilverlust ... ohnegleichen«. Welches Profil kam abhanden? Nun, so genau äußert sich Windisch dazu nicht. Die Theologie sei dabei, »ihr Selbstverständnis und ihren Selbstand zu verlieren«. Schuld daran habe die Einbindung in die deutsche Universitätslandschaft, »in die politischen und marktlogischen Vorgaben der zuständigen Ministerien«. Man hört die Nachtigall schon trapsen, aber gedulden wir uns noch ein wenig.

Was an jener Einbindung so zerstörerisch ist, bleibt ohne nähere Erläuterung; als Wirkung wird allein festgehalten: »Verlust der spirituellen Dimension, ... Verlust der Seele in der Theologie«. Darf man bei derart scharfen analytischen Kategorien auf einen konkreten Ausweg hoffen? Wir lesen:

»Die Theologie braucht wieder den Kniefall vor dem Tabernakel in der Kirche.«
Dies ist das Gegenbild zum »Kniefall mancher Theologen vor der Tür des Rektorats«. Da wissen also »manche Theologen« nicht einmal mehr, wo sich das Allerheiligste befindet. Das größte Problem daran sind nicht die angeblich verlorenen Maßstäbe, sondern die überzogenen Bilder, mit denen sich in frommem Anstrich derb polemisieren lässt (andere polemische Ausfälle gegen Theologen lasse ich hier beiseite).


Theologie an der Universität?   

Für den Kniefall am rechten Ort braucht es, so hören wir, »produktive Widerständigkeit«. Die aber hat einen gewissen Preis:
»Theologie würde den gängigen Denk- und Praxisplausibilitäten im Wissenschaftsverständnis und -betrieb gegenüber noch fremder werden als sie es ohnehin schon ist.«
Im Klartext heißt das: Die Theologie soll sich aus dem Diskurs mit den anderen Wissenschaften zurückziehen in ihre eigene Welt. Was wäre die Konsequenz?
»Es könnte zu einem neuen rechtlichen Status der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten kommen, was auch persönliche Konsequenzen für die Theologen hätte.«
Wenn sich die Theologie »den gängigen Denk- und Praxisplausibilitäten im Wissenschaftsverständnis und -betrieb gegenüber noch fremder« macht, kommt es aber nicht »zu einem neuen rechtlichen Status der theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten«, sondern zu einem Auszug (oder Rauswurf) aus diesen Universitäten.


Reformkalauer: »Geldhahn zudrehen!«  

In den Vorstellungen zum Ort der Theologie zeigt sich, dass die Forderung nach Reformen keineswegs ein Proprium der »Memorandums-Theologen« ist. Und wer diesen, wie Windisch, vorwirft, nur »Reformkalauer« zu produzieren, muss auf seine Position im Glashaus möglicherweise erst hingewiesen werden. Vielleicht wird dann auch bewusst, dass in jenem Begriff kein Sachargument steckt. Vorstellungen können gerade deshalb wiederholt vorgetragen werden, weil sie dringlich sind und dennoch unbeachtet bleiben. »Reformkalauer« ist ein rhetorischer Kniff, um genau von dieser Möglichkeit abzulenken.

Auch Windischs Lösung haben wir in der zurückliegenden Zeit durchaus häufiger vernommen: 

»Eine echte Reform der Kirche fängt, so banal es klingt, beim Geld und d.h. bei der staatskirchlichen Finanzverquickung an. Es muß diesbezüglich wieder Gottes und des Kaisers sein, was Gottes und des Kaisers ist, ansonsten wird das an sich nie spannungsfreie Miteinander von Kirche und Staat zur finanzierten Kumpanei.«
Die Kirche werde auf diese Weise unfrei, »zum Tanzbär in der Manege der Tagespolitik«. Es fällt schwer, dieses Bild mit konkreten Inhalten zu füllen: In welchen Zusammenhängen wird die Kirche denn von wem »mit dem Geldring in der Nase« herumgeführt? Genauer wird das nicht benannt. Stattdessen muss ein Jesuswort herhalten (Mk 12,17), dem es allerdings nicht um die notwendige Abgrenzung zwischen dem Bereich Gottes und dem »des Kaisers«, des Staates, geht. Das Wort zielt im Kontext des Streitgesprächs Mk 12,13-17 darauf, dass man nicht gegen den von Gott erhobenen Anspruch auf alleinige Verehrung verstößt, wenn man dem Kaiser gibt, was ihm gebührt (die Steuer).

Aber es geht ja in erster Linie nicht um Exegese. Der Pastoraltheologe hat vielmehr »einige einfache Vorschläge« parat, damit »Kirche und ihrer Theologie wieder zu einer ihr angemessenen Souveränität« finden:

»Bischöfe sollten nicht mehr vom Staat bezahlt werden. Pfarrer und Theologieprofessoren auch nicht. Bischöfe sollten keinen Eid mehr auf die staatlichen Verfassungen leisten. Und Kirchensteuer und Freiwilligkeit der Gläubigen dürften sich nicht mehr ausschließen.«
Wer der Tanzbär-Metapher misstraut und die bis dahin gegebenen Hinweise auf den Zustand der katholischen Theologie und Kirche ernst nimmt, erkennt: In Wirklichkeit geht es vorrangig nicht um zu große Staatsnähe, sondern darum, dass das deutsche Kirchensteuersystem ein »selbstreferentielles System mit einem hochdotierten und aufgeblähten Pastoral- und Theologenapparat« ermöglicht, mit dessen Ausrichtung man nicht einverstanden ist. Deshalb soll ihm die finanzielle Basis entzogen werden. Im Fall der Theologen lautet die Botschaft: Macht sie finanziell abhängig von der Kirche, dann bleiben sie schon kirchlich. 


Ungeahnte Koalitionen?  

Was bleibt, wenn die Krise über den Geldbeutel gelöst ist?
»Was bliebe, wäre sicherlich eine neue kirchliche Bescheidenheit – jedoch getragen von großem Selbstbewusstsein.«
Vielleicht könnte man sich zur Erreichung des Ziels kirchlicher Bescheidenheit mit der Humanistischen Union zusammentun, oder mit der Giordano-Bruno-Stiftung, mit den sozialen und demokratischen LaizistInnen, dem Bund für Geistesfreiheit München oder dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten e.V. Da könnten ganz ungeahnte Koalitionen entstehen, das Angebot ist groß.

Dass Windisch eine Zusammenarbeit mit diesen Gruppen anstrebt, ist eher unwahrscheinlich. Möglicherweise hat er aber gelesen, was Kardinal Meisner in einem Interview nach seiner Klage über die Theologen ohne Sinn für das Mysterium der Kirche gesagt hat:

»Wenn ich jünger wäre, würde ich wahrscheinlich so etwas machen wie einst Kardinal Lustiger in Paris. Ich würde sagen: Ich eröffne eine eigene Ausbildungsstätte für unsere Mitarbeiter im priesterlichen Dienst und im Gemeindedienst. Lustiger war erfolgreich – er hat doppelt so viele Priester wie alle Suffragan-Bistümer in Paris zusammen. Die von ihm gegründete Hochschule hat inzwischen auch das Promotionsrecht. Wenn sich bei uns der gegenwärtige Zustand nicht positiv ändert, wird das hoffentlich ein tatkräftiger und guter Nachfolger einmal machen.«
Der behandelte Gastkommentar muss kein Bewerbungsschreiben sein. Aber dass sich die kirchlichen Stimmen mehren, die für einen Auszug der Theologie aus der Universität plädieren, ist beunruhigend.

Kommentare

Volker Schnitzler hat gesagt…
Herr Windisch hat hoffentlich gestern die Rede des Papstes im Bundesag gehört. Dann wird er vielleicht verstehen, weshalb es so wichtig ist, dass die Theologie sich aus dem Wissenschaftsbetrieb an den Universitäten nicht ausklammert. Nicht im stillen, abgeschotteten, kirchlichen Kämmerlein, nein, in der Öffentlichkeit sieht der Papst den Ort von Kirche und Theologie (Nimmt man ihn mal als kompetenten Vertreter für beide). Hier hat sie der Unvollständigkeit einer allein positivistischen Vernunft entgegenzuwirken. Auf diese Stimme sollte die Kirche nicht verzichten. Aber das hat sie, so denke ich, auch nicht vor. Abschottungs- und Rückzugtendenzen haben lediglich ängstliche Gemüter, die befürchten, ihr Glaube hielte der kritischen Reflexion nicht stand.

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