Sonntagsevangelium (92)

22. Sonntag im Jahreskreis (C): Lk 14,1.7-14

Zum dritten Mal im Ablauf des Lukas-Evangeliums ist Jesus bei einem Pharisäer zu Gast (s.a. 7,36; 11,37). Diese Gastmahlszenen zeigen einerseits, dass Lukas das Verhältnis von Jesus und Pharisäern nicht nur im Sinne der Konfrontation gestaltet; andererseits sind die Begegnungen keineswegs spannungsfrei. Dieses Moment steigert sich sogar in der Abfolge der Szenen: vom inneren Widerspruch (7,39) über den Anstoß am Verhalten Jesu (11,38, wohl als Äußerung zu verstehen) hin zu einer grundsätzlich kritischen Haltung Jesus gegenüber: Im Haus des Pharisäers wird Jesus »beobachtet« (14,1), man richtet sich auf einen Verstoß gegen die Tora ein.

Dies knüpft wesentlich an der Zeitangabe »Sabbat« an, hatte das Wirken Jesu doch bereits mehrfach zu Konflikten wegen des Verhaltens Jesu am Sabbat geführt (s. Lk 6,1-5.6-11 [hier ebenfalls das »Beobachten«]; 13,10-17). In der Szene Lk 14,1-24 ist diese Einleitung auf die Geschichte in 14,2-6 bezogen, in der das Problem der Heilung am Sabbat zum Tragen kommt. Dass der gelesene Text diese Erzählung auslässt, führt zu einem wenig glücklichen Textzusammenhang: Zeitangabe und feindliche Haltung der Pharisäer hängen in der Luft, da die Worte Jesu über das rechte Verhalten bei einem Gastmahl damit nicht in Zusammenhang stehen.


Diese Worte, die Jesus an die Gäste richtet, stellen zunächst eine recht banale Klugheitsregel dar: Man soll sich nicht die besten Plätze aussuchen, weil man sonst durch den Gastgeber beschämt werden könnte (14,8-10; s.a. Spr 25,6f). Als Aufruf zur Demut klingt dies sogar anstößig. Wird hier nicht eine berechnende, letztlich egoistische Demut empfohlen? Bleibt man auf der Ebene des beschriebenen Verhaltens bei einem Gastmahl, muss man die Frage bejahen. Diese Ebene wird aber verlassen und ins Grundsätzliche gewendet: Wer sich erniedrigt, wird durch Gott erhöht werden (14,11). Es geht also wesentlich um die Verheißung, dass demütiges Verhalten von Gott angenommen wird. Die Klugheitsregel bietet für eine solche Annahme ein Beispiel auf der zwischenmenschlichen Ebene, das mit den Begriffen von »Ehre« (gr.: δόξα) und »Schande« (gr.: αἰσχύνη) zwei Grundkategorien des Wertgefüges der antiken Welt einbringt.

Der Beispielcharakter drückt sich wohl auch in der Einleitung der Jesusworte aus: Jesus sagt ein Gleichnis (14,7), obwohl kein Gleichnis im eigentlichen Sinn erzählt wird (wahrscheinlich deshalb gibt die Einheitsübersetzung an dieser Stelle Gleichnis recht frei mit Lehre wieder). Damit ist schon angedeutet, dass die Situation des Gastmahls nicht den eigentlichen Zielpunkt der Aussage darstellt. Entsprechend haben auch die Worte an den Gastgeber (14,12-14) einen weiteren Horizont: Sie mahnen, den Besitz für diejenigen einzusetzen, die zu keiner Gegenleistung fähig sind – nur dann steht die Vergeltung für die endzeitliche Zukunft noch aus (s.a. Lk 6,34f).

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

auch heute, selbst in diesem einfachen Text, aus dem man das banale Bild eines gegen die Obrigkeit aufbegehrenden Heilspredigers herleitet, wird wieder deutlich, dass es Lukas um diesen nicht gegangen sein kann.

Schon wenn Sie schreiben, dass Lukas das Verhältnis Jesus zu den Pharisäern "gestaltet" machen Sie selbst klar, dass es hier nicht um wörtliche Aufzeichnungen aus einer Essenseinladung geht, wo etwa ein Wandkynikern bei Gelehrten zu Gast war und kritisch beobachtet wurde.

Und auch wenn man weiß, wie diese Geschichten heute aus Logien-/Lehrtexten damaliger Weisheit abgeleitet werden, dann braucht man nicht der üblich historischen Kritik um deutlich zu machen, dass es bei Lukas nicht um die Schilderung eines gemeinsamen Essens von einem charismatischen Junghandwerker und jüdischen Gelehrten und wörtliche Aufzeichnungen des dort geführten Dialoges gehen kann.

Aber da Sie wissen, wer bei den Gastmählern der damaligen Zeit immer dabei war, wie in der damaligen Zeit die Vernunftlehren diskutiert wurde, können Sie davon ausgehen, dass die Geschichte keine freie Erfindung des Lukas ist. Und Lukas auch nicht einem jungen Rebellen nur Lehrsprüche der damaligen Vernunft-Diskussion in den Mund gelegt hat.

Lukas kann mit Sicherheit nicht das Verhältnis eines jüdischen Aussteigers zu der Lehrmeinung der Traditionshörigkeit geschildert haben. Vielmehr machen auch diese Dialoge um die Bedeutung des Sabbats, aber auch um die Rangfolge am Tisch die reale Diskussion der damaligen Zeit deutlich.

Wenn bei Symposien bzw. Gastmählern damals über die Traditionshörigkeit nachgedacht wurde, die sich gerade in einem auf die Spitze getriebenen und damit zum Selbstzweck gewordenen Sabbatgebot zeigt, dann ging es nicht um die Meinung eines jungen Mannes, der jetzt alles etwas besser wusste. Auch hier saß die von Schöpfung ausgehende Vernunft mit am Tisch, die als lebendiges Wort verstanden wurde und heute wieder wahrzunehmen wäre. Ebenso, wie bei der theologischen Debatte um die Rangfolge am Tisch des Herrn und der Auswahl der Gäste. Wo mit Sicherheit den theologischen Inhalten nicht nur eine Aufforderung zur Armenspeisung angehängt wurde.

Aber egal: Zeigen Sie doch selbst, dass es hier nicht um den wörtlichen Dialog bei einer Essenseinladung eines jungen Besserwissers ging, sondern Lehrmeinungen der von Schöpfung ausgehenden Vernunft, die damals auch Aussagen zu sozialen Aspekten machte.

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Aber was soll das alles? Wie unter "WWW.jesus-lebt-wirklich.de" bereits im Vorwort deutlich gemacht, hatte damals wie heute der, den Sie für historisch halten, weder was zu dem zu sagen was Recht wäre, der theologischen Rangfolge oder dem sozialen Miteinander, noch kann er Grund des Glaubens gewesen sein.

Wenn das ehemalige Oberhaupt der Kirche als Kenner deren Geschichte eine "Ökologie des Menschen" beschreibt und aus realer schöpferischer Ordnung ableitet, dann wird deutlich, wer auch bei Lukas gesprochen hat. Wer sich zur Sabbatlehre geäußert hat, dem richtigen Platz in der theologischen Tischordnung oder auch dem Verhältnis der Menschen untereinander war kein besserwissender Wanderprediger.

Anonym hat gesagt…
Den Text von Herrn Prof. Häfner fand ich gut verständlich, die Kommentare allerdings nicht. Der erste Kommentator wiederholt sich eigentlich in jedem Absatz...
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Aber die Argumente, die in jedem Abatz aufgeführt werden, bleiben leider ohne Antwort.

Und wer trotz aller Argumente (vertieft unter: www.Jesus-lebt-wirklich.de), dass es den Verfasser der hier vorgestellten Texte um einen wundertätigen Wanderguru nicht ging, diesen gegen alles gegebene Wissen an den Anfang stellen will, der will und wird nicht verstehen.

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