Sonntagsevangelium (115)

5. Sonntag im Jahreskreis (C): Mt 5,13-16

Die Bildworte vom »Salz der Erde« und vom »Licht der Welt« schließen direkt an die Seligpreisungen an. In deren Verlauf findet Wechsel statt, der für das Verständnis der ganzen Bergpredigt bedeutsam ist: Sind die Seligpreisungen zunächst in der 3. Person gehalten (»Selig die Armen im Geist, die Trauernden ...«), so wechselt die letzte in die Anredeform (»Selig seid ihr, wenn sie euch schmähen ...«: 5,11f). Man kann diese Gestaltung in Zusammenhang mit dem doppelten Publikum der Bergpredigt sehen. Ausgelöst wird die Rede dadurch, dass Jesus die ihm nachfolgenden Scharen sieht; zugleich heißt es aber, dass die Jünger zu ihm traten (5,1). Der Abschluss der Bergpredigt macht deutlich, dass die Scharen Hörer der Rede sind (7,28f), also nicht an eine interne Belehrung des Jüngerkreises gedacht ist. Dennoch enthält die Bergpredigt im Wesentlichen Inhalte, die sich an die Jünger wenden - für Matthäus Typen der Glaubenden. Der Wechsel in die Anredeform markiert den Wechsel der primären Adressatenschaft. Denn wer um Jesu willen geschmäht oder verfolgt wird (5,11), kann nur einer sein, der sich zu Jesus bekennt.


Die beiden Bildworte vom Salz und Licht führen nun diese Linie fort, indem die Jünger betont angesprochen werden: »Ihr seid das Salz der Erde ... Ihr seid das Licht der Welt«. Das Wort vom Salz ist nicht leicht zu deuten. Salz konnte als Reinigungs- und als Konservierungsmittel, vor allem aber als Würze eingesetzt werden. Diese gewöhnlichste Verwendung wird in dem ähnlichen Wort Mk 9,49f aufgegriffen, und auch Matthäus dürfte sie im Blick gehabt haben. Er betont allerdings nicht, dass das Salz als Würze unersetzlich ist, sondern dass das Salz nutzlos ist, wenn es nicht mehr würzt (5,13). Dadurch erhält das Wort einen mahnenden Ton: Wenn die Jünger als »Salz« bezeichnet werden, so müssen sie dieser Bestimmung auch gerecht werden. Was das bedeutet, klärt sich am Ende des Abschnitts, im Zusammenhang des Bildes vom »Licht«.

Während im Johannes-Evangelium Jesus sich als »Licht der Welt« verkündet (Joh 8,12), wird dies hier den Jüngern zugeschrieben. Allerdings steht auch nach Matthäus diese Bedeutung der Jünger in Beziehung zu Jesus, der im Zitat von 4,16  als Licht für das in der Finsternis sitzende Volk bezeichnet wurde. Das zweite Bildwort ist ebenfalls so formuliert, dass es nicht allein um einen Zuspruch geht, sondern auch um die daraus folgende Aufgabe: Das Licht hat die Funktion zu leuchten. Was im ersten Spruch durch die Rede von der Nutzlosigkeit ausgedrückt ist, kommt nun durch eine absurde Handlung in den Blick. Ein Licht wird nicht unter ein Gefäß gestellt, sondern auf einen Leuchter, weil es nur so seine Funktion erfüllen kann.

Die abschließende, für Matthäus typische Konkretisierung macht deutlich, was die Bildworte im Klartext meinen: Die guten Werke sollen von den Menschen gesehen werden können (5,16). Wahrscheinlich hat Matthäus dabei das Verhalten im Blick, das im nachfolgenden Hauptteil der Bergpredigt zur Sprache kommt (5,17-7,12). In jedem Fall geht es um eine Mission, die sich durch das Tun vollzieht. Ihr Horizont ist weltweit (»vor den Menschen«), ihr Ziel nicht die Verherrlichung der Jünger, sondern Gottes, des Vaters.

Kommentare

Gerhard Mentzell hat gesagt…
Da ist es doch weit naheliegender an eine jungfräuliche Geburt zu glauben, als dass die Verfasser hier einen Heilsprediger und seine Fischerfreunde vor Augen hatten und sie als Licht der Welt bzw. Salz der Erde bezeichnet. Und sich dann anschließend über das traditionell geltende Gesetz stellt.

Wer einer Zeit, in der von Vernunft ausgehende phil. Lehren galten, die über die Tradition gestellt wurden, weiter unterstell, sie hätte sich an die Worte eines wundertätigen Wanderpredigers als das wahre Gesetz gehalten. Der kann doch eher glauben, dass eine junge Hebräerin trotz fünffacher Geburt noch Jungfrau war.

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