Sonntagsevangelium (118)

8. Sonntag im Jahreskreis (A): Mt 6,24-34

Nach der Entfaltung der »größeren Gerechtigkeit« im Verhältnis zu den Menschen (5,21-48) wie auch zu Gott (6,1-18) wechselt das Thema der Bergpredigt zur Warnung vor Reichtum und Daseinssorge (6,19-34). Der Lesungstext streift den ersten Aspekt zu Beginn, legt den Schwerpunkt aber auf den zweiten, indem die Grundbedürfnisse leiblicher Existenz zur Sprache kommen: Nahrung und Kleidung. Die Mahnung richtet sich darauf, sich um beides nicht zu sorgen. Der Grundgedanke ist klar: Solche Sorge ist falsch, weil der (himmlische) Vater um das Bedürfnis von Nahrung und Kleidung weiß und für seine Geschöpfe sorgt. Nach vorne wird mit diesem Gedanken eine Verbindung zum Vaterunser hergestellt. Das Gebet erscheint bei Matthäus als Gegenentwurf zum »Plappern« der Heiden, die meinen, nur durch viele Worte Erhörung zu finden, während der himmlische Vater doch weiß, was die Jünger brauchen (6,7f).

Was genau ist mit »sorgen« gemeint? Zwei Aspekte kommen in Frage: zum einen die ängstliche Sorge, die meint, das Leben selbst sichern zu können; zum andern das Sichabmühen, die aktive Besorgung der lebensnotwendigen Güter. Man muss beide Aspekte nicht gegeneinander ausspielen, denn für beide gibt es Anhaltspunkte in der Spruchreihe. Der erste kann an den ängstlichen Fragen ansetzen (»Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Was sollen wir anziehen?«) und an der Rede vom Kleinglauben (6,30). Dass aber auch ein geschäftiges Handeln zurückgewiesen sein kann, lässt sich an der Beschreibung von Vögeln und Lilien ablesen, die sich durch ein Nicht-Handeln auszeichnen (»sie säen nicht ...«, »sie spinnen nicht ...«). Auch das Gegenbild vom Suchen des Reiches Gottes (6,33) weist darauf, dass das abgelehnte Sorgen etwas mit der Aktivität des Menschen zu tun hat.

Nicht ganz einfach fügt sich die in 6,25 gegebene Begründung dieser Mahnung ein. Man soll sich nicht um Nahrung und Kleidung sorgen, weil »das Leben mehr ist als die Speise und der Leib mehr als die Kleidung.« Etwas sperrig ist diese Begründung insofern, als es doch gerade die Sicherung der leiblichen Existenz ist, auf die sich die Sorge um Nahrung und Kleidung richtet. Warum wird dann eine Spannung zwischen den jeweiligen Größen mittels einer Überordnung (Leben mehr als Nahrung, Leib mehr als Kleidung) eingebracht? 

In der Auslegung werden zwei unterschiedliche Antworten vorgeschlagen. Die erste denkt von Gott als dem Urheber von Leben und Leib  her: Wenn er als Schöpfer hinter diesen übergeordneten Größen steht, so wird er doch auch für deren Erhaltung durch Nahrung und Kleidung sorgen. Dies steht zwar in Einklang mit dem Fortgang des Textes, der ja gerade auf die Sorge Gottes für seine Geschöpfe abhebt. Die Formulierung in 6,25 macht aber einen Bezug auf Gott nicht deutlich, also könnte jene Sinnspitze erst im Nachhinein erkennbar werden. Deshalb bietet sich als zweite Möglichkeit eine weisheitliche Deutung an. Ihr zufolge zielt die Begründung auf die Warnung vor einer übermäßigen Sorge um Nahrung und Kleidung, die das eigentliche und übergeordnete Ziel (Erhaltung von Leib und Leben) aus den Augen verliert und so gerade das Leben verpasst. Wenn Leben und Leib mehr sind, müssen sie im Zentrum des Interesses stehen; Nahrung und Kleidung sind nur insofern wichtig, als sie der Erhaltung des Menschen in seiner leiblichen Existenz dienen.

Die Zurückweisung der Daseinssorge bedeutet keine Relativierung von Leib und Leben. Es wird nicht gesagt, der Lebenserhalt sei zweitrangig, weil es nur darauf ankomme, ins Reich Gottes zu gelangen. Die weisheitliche Mahnung zielt vielmehr darauf, die aktive Bemühung, das Suchen, an der richtigen Stelle einzusetzen (6,33: »Sucht zuerst das Reich Gottes!«) und darauf zu vertrauen, dass Gott für das zum Leben Notwendige sorgt.

Entsprechend ist auch 6,27 nicht fatalistisch auszulegen:
»Wer von euch kann seinem Lebensalter eine Elle hinzufügen?«
Der mit »Lebensalter« übersetzte Begriff (ἡλικία) kann auch »Körpergröße« bedeuten, der Sachzusammenhang weist aber eher auf zeitlichen Sinn: Niemand kann seinem Lebensalter von sich aus etwas hinzufügen, also seine Lebensdauer verlängern. Dass dies unmöglich ist, soll nicht dazu ermuntern, alles als gottgegeben hinzunehmen. Im Kontext betrachtet, wird mit diesem Hinweis zur Zurückhaltung in der Lebenssorge motiviert: Ihr sind von vornherein Grenzen gesetzt. Sich mit der Frage zu plagen »was sollen wir essen, was sollen wir trinken, was sollen wir anziehen?« ist deshalb die falsche Lebenseinstellung.

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

vielen Dank für die weitere Deutung der Bergpredigt. Denn auch heute wird wieder deutlich, dass hier eine von Schöpfung (im Text: dem Himmlischen Vater) ausgehende Vernunft gesprochen hat. Es nicht um die Meinung eines wunderpredigenden Gutmenschen geht, wie er heute als hist. gilt.

Allein schon Ihr Bezug zum "Vater unser" sowie zum Urheber des schöpferischen Geschehens machen deutlich, dass es hier nicht zufällig mitgeschnittene Worte eines Wanderkynikers oder die Meinung eines sonstigen Besserwissers ging, der zufällig den Namen Jesus hatte.

Weit unglaubwürdiger, wie die jungfräuliche Geburt einer Hebräerin, wäre es doch, Matthäus nur den Mitschnitt eines antiken Aussteigers (Kynikers) mit Namen Jesus zu unterstellen.

Allein aufgrund der Verschiedenheit und Entstehung der Texte, ihrer Herkunft aus Weisheitslogien der Zeit wissen Sie doch, dass Matthäus hier (und auch sonst) nicht von einem jungen Mann handelt, der auf geheimnisvolle Weise ein besonderes Verhältnis zum göttlichen Vater hatte und daher alles etwas besser wusste.

Die Meinung eines egal wie gearteten Menschen wäre nicht nur antiken Denkern völlig am Hintern vorbeigegangen, sondern hätte auch heute nichts zu sagen.

Auch wenn die Nähe der Aussagen zu jüd.-hellenistischen Weisheitslogien und im heutigen Text zu phil. Lehren, wie die der Kyniker, deutlich wird, so ging es doch auch in diesen Lehren nicht um Meinungen der Lehrer. Es war der Logos: eine von natürlicher Schöpfung ausgehende Vernunft, die zur Zeitenwende in diesen Lehren zur Sprache gebracht wurde. Die als Wiederverstand dessen, was den Hebr. Wort war, in Josua, gr. Jesus Geschichte wurde.

Nichts wäre für die heutige Welt unbedeutender, als die Ansichten eines antiken Aussteigers zur Daseinsfürsorge, dem Lebenserhalt bzw. der richtigen Lebensweise...

Doch eine Vernunft, die von Schöpfung ausgeht, wie sie heute nicht nur als ökologische, wahrhaft ökonomische oder ganzheitliche und auch sozial nachhaltige Lebensweise zu definieren ist, die hätte was zu sagen.

Nur wer hört da schon hin, wenn es angeblich im chr. Glauben nur um die Worte eines jungen Wanderpredigers ging?

Gerhard Mentzel hat gesagt…
"Dem unsagbaren Schöpfer sei Dank"

lässt sich heute belegen, dass selbst im heutigen Text keine menschliche Meinung/Ideologie, sondern auch auf dem Berg eine von nat. Schöpfung ausgehende Vernunft zur Sprache gebracht wurde, die heute wieder zu definieren ist: für Christen Jesus wäre.

Nicht nur das heutige Wissen um die vielfältigen Wurzeln des chr. Kultes bzw. die Geschichtsrealität der Zeit macht deutlich, dass da kein junger Mann mit Namen Jesus zu seinen Anhängern gesprochen hat und dann monotheistischen Griechen und Reformjuden als eine Art Gott galt bzw. vergöttert wurde.

Und nicht nur in den Lebensgeschichten Jesus, die dann meist als bei den Göttern und Mythen (die damals heidnischer Ausdruck schöpferischer Vernunftordnung waren) oder dem AT abgeschrieben gewertet werden, sondern auch in diesem Text wird klar:

An keinem Ort, in keiner der anfänglichen Bewegungen, in keinem Satz der Texte, weder des NT, noch der vielfältigen apokryphen kann es um den gegangen sein, der heute im buchstäblichen Verständnis als hist. Jesus gilt.

Anonym hat gesagt…
Uiuiuiuiui
auauauauau!

So, Herr Dr Menzel, hörtwn wir gestern abend immer wieder bei "Määnz blaibt Määnz"!
Und so möchte ich nach Ihrem Beitrach aach singe:

Uiuiuiuiui
auauauauau!
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Uiuiui,
auauaua!

Das habe ich gestern Abend auch gedacht, als ich mir noch mal einem vor Jahren gelesenen Buch betrachtete, wohin die heutige Hypothese führt und warum sie historisch unhaltbar ist:

Kein zweiter Gott. Jesus und das Ende des kirchlichen Dogmas ...
Harry M. Kuitert

Auch wenn das Buch weder die versprochene Antwort auf die hist. Aufklärung, noch für den chr. Glauben einen zukunftsfähigen Grund zu bedenken gibt, so ist es doch lesenswert.

Zeigt es doch, wohin die heutige historische Hypothese, die im buchstäblichen Verständnis nur einen jungen Guru an den Anfang stellt, führt und warum ich mit meinen Überlegungen recht allein bin.

Kutiert ist zuzustimmen. Ein Dogma kann nicht mehr tragen. Ein Heilsprediger kann auch nicht Gott bzw. der Grund allen kreativen Werdens sein, noch das, was die Hebr. Wort nannten, das vom unsagbaren kreativen Grund ausging. Was dann im Neuverstand antiker Aufklärung Josua, gr. als Jesus Geschichte wurde. Eine damals wissenschaftlich definierte Vernunft, die heute als Evolution oder Ökologie beschrieben wird, kann nicht in dem inkarniert gewesen sein, der heute einzig als historisch hinterfragt wird. Das wäre Unsinn.

Doch wenn selbst in den Texten, die uns Prof. Häfner hier Woche für Woche auslegt, mehr als deutlich wird, dass ein Wandprediger nicht das Thema der Texte war, aus denen er buchstäblich herausgelesen wird, dann sollte doch das zu bedenken geben.

Denn wenn den Verfasser und anfänglichen Denkern der Schwachsinn unterstellt wird, dass sie einen jungen Juden als das gesehen haben sollen, was hier an theologischen Bedeutungsaussagen gedeutet wird, als mehr als Moses, Grund des Glaubens, der Verhaltenslehren... dann kann man nur mit singen wie in Mänz...

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