Todestag Jesu und Paschafest

An den Passionsgeschichten lässt sich besonders deutlich erkennen, was auch im Ganzen für die Evangelien gilt: sie sind geprägt vom Ineinander von Geschichte und Deutung. Einerseits können sie als geschichtliche Quellen ausgewertet werden, weil sie keine frei geschaffenen, rein fiktionale Erzählungen sind; andererseits sind sie aber keine Berichte, die einfach festhalten wollten, was geschehen ist. Es geht in den Evangelien in erster Linie um die Bedeutung, die dem erzählten Geschehen nach Meinung der Autoren zukommt. Was daraus für den Umgang mit diesen Texten folgt, kann an einer Detailfrage aus den Passionsgeschichten studiert werden.

Alle Evangelien stimmen darin überein, dass der Todestag Jesu ein Freitag war: der nächste Tag ist immer ein Sabbat (Mk 15,42; Mt 27,62; 28,1; Lk 23,54; Joh 19,31). In der näheren Bestimmung dieses Tages unterscheiden sich aber Markus, Matthäus und Lukas - die Synoptiker - von Johannes: ihnen zufolge handelt es sich um den 1. Tag des Paschafestes, an dessen Vorabend das Paschamahl gegessen wird, nach dem jüdischen Kalender der 15. Tag des Frühlingsmonats Nisan; bei Johannes ist der Todestag Jesu der Rüsttag zum Pascha, also der 14. Nisan. Folgt man Johannes, war das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern kein Paschamahl. In einer Übersicht lässt sich diese Verschiebung um einen Tag folgendermaßen darstellen:





Donnerstag
Freitag
Sabbat

Letztes Mahl
Tod Jesu

Johannes-Evangelium

Rüsttag zum Pascha: Schlachten der Paschalämmer; Paschamahl am Abend
Paschatag
Synoptische Evangelien
Rüsttag zum Pascha: Schlachten der Paschalämmer; Paschamahl am Abend
Paschatag



Probleme

Die Annahme, dass die Unterschiede auf zwei verschiedene Kalendersysteme zurückzuführen seien, lässt sich nicht erhärten. Man muss sich in der historischen Beurteilung entscheiden für die eine oder andere Darstellung.

Eine Entscheidung wird dadurch erschwert, dass beide Versionen aufgrund theologischer Überlegung entstanden sein können. Nach Johannes stirbt Jesus zu dem Zeitpunkt, da im Tempel die Paschalämmer geschlachtet werden; Jesus wird so als das wahre Paschalamm dargestellt. In der synoptischen Fassung könnte das leitende Interesse gewesen sein, das Abendmahl als Paschamahl zu präsentieren, um so die urkirchliche Herrenmahlfeier in die Paschatradition einzuordnen.

Argumente pro und contra

Für die Chronologie der Synoptiker spricht, dass das letzte Mahl Jesu schon traditionell als nächtliches Mahl (s. 1Kor 11,23) dargestellt wird. Das passt zu einem Paschamahl, das anders als gewöhnliche Abendmahlzeiten nach Sonnenuntergang eingenommen wurde. Auch die Tatsache, dass das Mahl in Jerusalem abgehalten wird, verweist auf die Vorschriften zum Paschamahl. Zwingend sind diese Beobachtungen aber nicht, denn das letzte Mahl kann als Abschiedsmahl besonderen Bedingungen unterliegen, die von der gewöhnlichen Praxis abweichen lassen. Ein nächtliches Mahl ist auch dann möglich, wenn es sich nicht um ein Paschamahl gehandelt haben sollte. Der Hinweis auf Jerusalem ist ebenfalls nur notwendig, aber nicht hinreichend für den Bezug auf das Paschamahl: Auch ein feierliches Mahl kann in Jerusalem abgehalten worden sein.

Vertreter der johanneischen Chronologie verweisen auf die historische Unwahrscheinlichkeit der Passionsereignisse, wie sie von den Synoptikern geboten werden. Der Hohe Rat hätte in der kurzen Zeitspanne bis zum frühen Paschamorgen zusammenkommen, einen Prozess mit Zeugen führen, ein Todesurteil verhängen und den Verurteilten den heidnischen Behörden zur Hinrichtung überstellen müssen. Hier wird allerdings die Frage des Todesdatums mit der Frage nach den genauen Geschehnissen verquickt. Selbst wenn die synoptische Darstellung des Prozesses Jesu nicht zutreffen sollte, ist damit noch nicht das von ihnen vorausgesetzte Todesdatum Jesu widerlegt. Unmöglich ist die Darstellung der Synoptiker deshalb trotzdem nicht; denn auch hier kann mit einer (aus der Sicht des Hohen Rates bzw. führender Vertreter dieses Gremiums) außergewöhnlichen Situation gerechnet werden, die auch besondere Maßnahmen erforderlich macht.

Wichtiger scheint deshalb ein anderer Hinweis aus den Reihen derer, die auf die Richtigkeit der johanneischen Angaben abheben. Die synoptische Chronologie hängt letztlich an einer einzigen Aussage: der Frage der Jünger, wo sie das Paschamahl vorbereiten sollen (Mk 14,12; Lk 22,15 ist eine sekundäre Folgerung des Evangelisten aus der Mk-Vorlage). Weder wird das letzte Mahl Jesu in seinem Verlauf als Paschamahl kenntlich gemacht – vom Essen des Paschlammes ist ja nirgends die Rede –, noch spielt im Zusammenhang des Todes Jesu der Paschatag eine Rolle. Deshalb ist gut möglich, dass die Charakterisierung des letzten Mahles Jesu als Paschamahl erst nachträglich in die Passionserzählung eingetragen wurde. 

Außerdem hat die johanneische Chronologie den Vorteil, die Barabbas-Episode besser erklären zu können. Die Amnestie eines jüdischen Gefangenen zum Paschafest ergibt nur dann Sinn, wenn der Entlassene noch am Paschamahl teilnehmen kann - und das ist nur am 14. Nisan möglich. Entscheidend für das Argument ist nicht, dass die Geschichte von Barabbas historisch ist; sie könnte aber verraten, dass hinter den Passionsgeschichten von Markus, Matthäus und Lukas ursprünglich ein anderes Todesdatum, nämlich der 14. Nisan, anzunehmen ist. Die gesammelten Beobachtungen favorisieren also insgesamt die johanneische Chronologie.

Zwei Lektüre-Ebenen

Die Diskussion um die Zuordnung des Todesdatums Jesu zum Paschafest ist ein gutes Lehrstück für die Differenzierung zwischen den verschiedenen Ebenen, auf denen biblische Texte gelesen werden können. Auf der historischen Ebene müssen wir uns, wie dargestellt, entscheiden zwischen zwei Möglichkeiten. Die Chronologie des Johannes und die der synoptischen Evangelien können nicht beide zutreffen. Auf der literarischen Ebene gilt dieses »entweder - oder« nicht. Hier kann gewürdigt werden, dass die Evangelisten unterschiedliche Deutungen der Passion Jesu vorlegen, die sich als theologische Aussagen nicht gegenseitig ausschließen. Johannes stellt Jesus als das wahre Paschalamm dar (s.a. 1Kor 5,7) – eine Kategorie, die für Matthäus, Markus und Lukas keine erkennbare Rolle spielt. Umgekehrt scheint Johannes kein Interesse zu haben an der Rückführung der Herrenmahlfeier auf das letzte Mahl Jesu (er bietet in diesem Rahmen keine Abendmahlstradition) und an der Zuordnung dieses Mahls zum Ablauf des Paschafestes. 

Wie man auf der historischen Ebene die Unterschiede nicht verwischen darf, so auch nicht auf der theologischen - allerdings in unterschiedlicher Ausrichtung: bei der historischen Rückfrage geht es darum, eine zuverlässige Basis für die Rekonstruktion zu gewinnen, und dies kann dazu führen, dass bestimmte Traditionen ausscheiden; auf der theologischen Ebene dagegen ist die Unterschiedlichkeit Ausdruck des Reichtums von Jesusdeutungen, ein Reichtum, der nur dann gewahrt werden kann, wenn die verschiedenen Deutungen nebeneinander stehen bleiben. Andernfalls wäre die Vierzahl der Evangelien im Kanon des Neuen Testaments sinnlos. 

Kommentare

Jordanus hat gesagt…
Aber ist nicht diese "historische Ebene" eigentlich auch nichts anderes als DEUTUNG? Sie enthält gewisse methodische Vorentscheidungen. Zum Beispiel gehört dazu die Vorstellung, man könnte herausfinden, "wie es eigentlich gewesen". Ist das nicht eine Illusion, der die Existenz von vier Evangelien von vorneherein Rechnung trägt? Wir kennen doch aus der Geschichtswissenschaft gerade auch der Gegenwart den Sachverhalt, dass auch die nächste Geschichte ständigen Umdeutungen unterworfen ist und selbst die Beteiligten nach relativ kurzer Zeit nicht mehr genau wissen, wie es im Detail sich zugetragen hat.
Gerd Häfner hat gesagt…
Wenn man historische und theologische Ebene unterscheidet, erhebt man nicht notwendig den Anspruch, darstellen zu können, »wie es eigentlich gewesen ist«. Ein solches Ziel gilt mit Recht als unerreichbar. Vergangene Ereignisse lassen sich nicht als solche wiederherstellen, jede Darstellung geht durch den Filter der Sprache und bringt eine bestimmte Perspektive ein oder enthält, wie Sie mit Recht sagen, das Element der Deutung. Dennoch kann man darüber diskutieren, ob eine Darstellung angesichts der verfügbaren Quellen einem vergangenen Ereignis adäquat ist oder für welche Darstellung das am stärksten zutrifft. Sicher ist jede Darstellung durch neu zugängliche Quellen oder anders wertende Argumente revidierbar. Das gehört zur Natur historischer Erkenntnis. Aber sie unterscheidet sich von der theologischen Deutung der Gestalt Jesu etwa in den Passiongeschichten durch das Erkenntnisziel: eine auf geschichtliche Fakten bezogene Darstellung, die diesen Fakten möglichst gerecht werden soll.

Dabei kann es, wie das oben diskutierte Beispiel zeigt, durchaus schwierig sein, die Faktenlage zu klären. Wenn man historisch fragt, muss dies aber in jedem Fall das Ziel sein (auch wenn es nicht immer mit wünschenswerter Klarheit möglich ist). In der Frage nach dem Todesdatum Jesu bedeutet das, dass man sich entscheiden muss zwischen der Darstellung der Synoptiker und derjenigen des Johannes-Evangeliums. Auf der theologischen Ebene wäre dies aber nicht sachgerecht. Historische Urteile begründen keine theologischen Werturteile. Auch diejenige Darstellung, die sich als historisch unwahrscheinlich erweist, hat theologisch ihr Recht. Darauf wollte ich vor allem hinweisen.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

es freut mich, dass Sie die historische und die theologische Ebene nicht einfach trennen und auch das Recht der theologischen in der biblischen Geschichte betonen. Letztlich wird das ja auch dadurch deutlich, dass sie Johannes, der oft als ungeschichtlich, eine Art spätere Gnosis, Logos-Christologie/-Theologie... abgetan wurde, in Ihre historische Beurteilung einbeziehen.

Das erinnert mich an einen Verfasser, der in dem von Ihnen herausgegebenen "Jesus von Nazareth in der wissenschaftlichen Diskussion" (auch bei Ihnen) nicht ganz so gut weggekommen ist. U.a., weil er Johannes als geschichtlich liest und einfach den biblischen Jesus bzw. das dort beschriebene theologische Wesen als den wahren Jesus hinstellt, wie wenn es die historische Kritik nicht gäbe.

Nun habe ich zufällig auch den früheren historischen Kritiker, den in Holland lehrenden Neutestamentler Gustaaf Adolf van den Bergh von Eysinga in die Hand bekommen, der in seinen frühchristlichen Studien ("Lebt Jesus oder hat er nur gelebt") zum Schluss kam, dass am Anfang der Logos stand, wie ihn die Griechen erklärten, die Vernunft als jüdisches Wort das historische Wesen der biblischen Geschichte bzw. der vielfältigen anfänglichen Bewegungen war. In einem Historizierungsprozess zu dem wurde, was in der biblischen Geschichte theologisch-geschichtlich - nicht nur von Johannes - beschrieben wird.

Gleichzeitig wird nun aber dem angeblich nur einen kirchlichen, persönlichen, biblischen... (angeblich jedenfalls Fall keinen historischen) Jesus beschreibenden Kirchenoberhaupt in einem anderen Band mit wissenschaftlichen Beiträgen("Jesus von Nazareth kontrovers"), in dem auch Sie Prof. Ratzinger bzw. den Papst-Jesus kritisieren, von Ihrem Kollegen Albert Franz unterstellt, er hätte in seinem platonischen Denken und seinem Bezug auf den Logos bzw. die schöpferische Vernunft, nur genau den beschrieben, den Ihr holländischer Vorgänger (der radikalen Schule, die, allein was "Jesus und Herkules" betrifft, von dem Statuetten selbst am See Genezareth ausgegraben wurden und der damals bekanntlich auch dort eine reale phil. Größe als Gottessohn und Logos war, unbeantwortet beendet ist)als den historische bzw. den biblischen Jesus als Logos hingestellt.

Da auch in dem von Ihnen herausgegebenen Band viele auf das Kirchenoberhaupt einstürmen, er hätte sich nur an den "biblischen" oder den "Jesus der Kirchenväter", nicht den historichen Jesus gehalten, stellt sich für mich erneut die Frage: Ist es für eine Wissenschaft, die deutlich macht, wie AT-Darstellungen als theologische Aussagen über das Wesen Jesus von allen Evangelisten aufgegriffen wurden oder Johannes als geschichtlich lesen, nicht langsam Zeit, den, der von Johannes im Prolog als Jesus aufzeigt, auch in den anderen Evangelien und der allegorisch zu verstehenden Real-Geschichte von Ostern als geschichtlich zu lesen?

Oder anderer: Wenn doch der biblische und der frühchristiche wie kirchliche Jesus (nicht nur der des Johannes) als hoheitlich-theolgoisches Wesen bzw. Logos im Wieder-Verstand antiker Aufklärung immer deutlich wird. Woher nehmem wir das Recht, einen hingerichteten jungen Heilspredediger als einzige wissenschaftliche historische Hypothese hinzustellen?

Was spricht historisch-kritisch dagegen, die Spur der holländischen Schule wieder aufzunehmen: Die vom Papst entsprechend dem NT und der frühen Denker betonte Bedeutung, den Logos als Jesus (Wort/Vernunft im jüdisch-monoth. Sinne) als historischen Grund für einen neuen Bund bzw. all das, was biblisch beschrieben und entsprechend dem AT oder gar griechischer Vorbilder bebildert ist, wissenschaftlich zu bedenken?

Damit weder die Historizität Jesus oder die im NT beschriebene und ständig hier auch von Ihnen dargelegte christologische Heilsbedeutung abzustreiten oder sie im Nebel dogmatischer Behauptungen bzw. geheimnisvoller Christologie eines Gottmenschen zu lassen, an die man dann gegen alle Vernunft glauben muss.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Mir geht es nicht um eine Verneinung des historischen Jesus oder gar dessen Auferstehung im Sinne bisheriger Radikalkritik, sondern das Gegenteil: Den Wiederverstand des historischen und hoheitlichen Jesus.

Ja, die Worte der Abschiedsreden Jesus, wie sie dann am Ostersonntag gepredigt wurden und die Auferstehung sind keine Halluzinationen bzw. Erscheinungen eines unheimlichen Geistes, Gemeindebildung...

Wenn die historisch Wissenschaft aufhört, nur einen hingerichteten Wanderguru an den Anfang stellen zu wollen, um den es weder den vielfältigen anfänglichen Bewegungen, den Evangelien oder den Kirchenvätern ging, kann die Auf(v)erstehung des leiblichen (historischen und des hoheitlichen in seiner Bedeutung)Jesus wahr werden: Eine aufgeklärt zu verstehende Vernunft"bestimmung", die in einer als Wort/Vernuft verstandenen rationalen Welterkärung von mündigen Menschen entsprechend ihrer kulturellen Wurzel (bei Christen Jesus, dessen menschliche Seite als sinnvoll verstanden wird) wahrgenommen wird. Und so in Begeisterung für die heute auf universale Weise kausal erklärte kreative=schöpferische Wirklichkeit (wie sie z.B. die Ökologieerklärung oder Evolutionslehre noch rein säkular, in Gegnerschaft zu aller Vergeisterung abgibt) zur Verant-wort-untung führt.

Bei Christen im Namen dessen, der von der Schriftgelehrtheit immer weiter abgeschrieben wird und für die Welt des Alltags nur noch einen lächerlichen Bart hat, der allenfalls an Weihnachten zur festlichen Erbauung dient.

Die Zeit der holländisch-historisch-kritischen Schule, die den gleichen Jesus (als Logos in geschichtlicher/kulturvernünftiger Gestalt, von der Kirche zur Welt gebracht) indendifizierte, wie er nun vom dem angeblich nur einen biblischen/kirchlichen Jesus präsentierenden Prof. Ratzinger unterstellt wird, ist vorbei.

Vor dem Bundestag hat Benedikt XVI. die schöpferische Vernunft, die er meist nur "dogmatisch" als Wesen des christlichen Glaubens, lebendiges Wort hinstellt, gleichwohl er sich auf die Ratio der griechischen Wissenschaft beruft, in der heutigen Welterkärung (in seinem Beispiel der Ökologielehre) zu bedenken geben.

Wer das zusammendenken, für den ist dann der Logos, den m.E. die jüd. orientierten antiken Neu-Month. (im Wiederverstand des Alten antiker Aufklärung) als Jesus idendifizierten, kein metaphysisches Gebilde mehr bzw. ein menschliches Gotttesgebilde. Vielmehr eine kreative=schöpferische Wirklichkeit, die dann müding als Wort, auch in Geschichtswirktlichkeit bzw. Geschichts-gestalt verstanden, Christen in Verant-wort-ung nimmt.

Auch wenn mir bewusst ist, wie sehr sich die Hypothese von einem historischen Wanderpediger verselbständigt hat und bei allen derzeitigen Lehren/Büchern... vorausgesetzt wird.

Wiso es aufgrund der dargestellten Beobachtung der Diskussion unwissenschaftlich bzw. keiner Frage Wert sein soll, über eine heute wieder wissenschaftlich-vernünftige erklärte zweckmäßgige Vernunft/Logik nachzudenken, die nicht einfach ein metaphysischer Gott in Menschengestalt ist, aber für die Väter unseres Glaubens eine menschlich-kulturelle und schöpferische Realität (Gott und Mensch war, die die Person des Unsagbaren zeitgemäß offenbarte, nicht einnahm), das wüsste ich gerne.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Entschuldigung Herr Prof. Häfner,

bei dem obigen Kommentar ist mir eine große Dummheit unterlaufen. La Palma, wo ich nicht nur die frühchristlichen Studien des letzten historischen Radikalkritikers der holländischen Schule "Lebt Jesus oder hat er nur gelebt" (Hercules-Christus, Historizierter Mythos, Jesus Christus als Logos, Die Entstehung der kath. Kirche) so wie die beiden Bände über "Jesus von Nazareth - in der wissenschaftlichen Diskussion und kontrovers" gelesen habe, war weit von Ihrem Blog entfernt. So dass ich den in Nijmegen kath. Theologie lehrenden Hermann Häring (Herausgeber eines Bandes und einer der Kritiker des pästlichen Jesus wegen Ausblendung hisorischer Kritik) mit Ihnen verwechselte.

Doch an der Sache ändert das wenig. Nicht zuletzt auch durch die Auswertung der wissenschaftlichen Kritik am angeblich nur kirchlich-biblischen Papst-Jesus, dem dann der gleiche Jesus unterstellt wurde, wie ihn die holländische Radikalkritik als historizierten Logos/Vernunft/Sinn der griechisch-antiken Welterkärung nachzeichnete, bleibt die Frage:

Wäre es nicht gerade nach Ostern die Aufgabe der neutestamentlichen Theologie, den Auferstandenen zu verkünden, statt nur eine Predigt auf einen hingerichteten Heilsprediger zu halten. Dessen Auferstehung dann nicht nur von Lüdemann abgestritten wird, sondern oft auch in der der Aufklärung folgenden Theologie nur als eine Art geistige Verherrlichungsrede, Gemeindebildung... gesehen wird. Gleichwohl man Sonntags weiterpredigt, wie wenn nichts gewesen wäre.

Denn wenn es beim biblischen/urchistlichen/kirchlichen/historischen Jesus nicht um hoch-gepriesenen Heilsprediger ging, sondern den Wiederverstand des in antiker Aufklärung erklärten Logos im hebräischen Sinne als Wort (hebr. Vernunft) mit Name Josua/gr. Jesus, dann steht der Auferstehung nichts im Wege.

Warum sollte sich die Vernunfterklärung allen Werdens, die von Seneca oder Cicero eine am Anfang unserer kausalen Welterkärung reale Größe war und entsprechden dem hellenistischen Kult in der Götter-Gestalt von Herakules als Sohn gesehen/vermittelt wurde, nicht in aufgeklärter Weise verstehen lassen?

Warum kann es nicht Aufgabe der kath. Theologie sein, deutlich zu machen, warum nicht der in Hercules zum Audruck gebrachte Logos der Heiden, der doch an den geschichtlichen Anfängen der Kirche als Konkurrenz zu Jesus galt, sondern Jesus die messiansiche Wirkung/geschichtliche Wirklichkeit für die Weiterentwicklung der westlichen Kulturwelt war?
Gerd Häfner hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Nentzel,

ich weiß nicht, wie ich Ihnen antworten soll, ohne all die Dinge zu wiederholen, die ich bereits gesagt habe. Deshalb nur dieses zur historischen Rückfrage: Dass man in Fragen nach dem äußeren Rahmen des Wirkens Jesu auf das Johannes-Evangelium zurückgreifen kann, macht dieses nicht zu einer den Synoptikern gleichrangigen historischen Quelle. Wenn es um die Rekonstruktion der Botschaft Jesu geht, muss man sich zwischen der Darstellung der Synoptiker und der des Johannes entscheiden. Und dann spricht alles dafür, dass die Entwicklung hin zu Johannes gegangen ist und nicht umgekehrt. Diese Bevorzugung der Synoptiker gilt allerdings nur auf der Ebene der historischen Rückfrage und ist kein theologisches Werturteil.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Danke für die Antwort Herr Prof. Häfner,

auch wenn sie keine Antwort auf die vorgebrachten Argumente enthält. Wie im Beispiel der Kritik am hoheitlich-historischen Jesus des Kirchenoberhauptes deutlich gemacht, ist es die wissenschaftliche Welt, die deutlich macht, dass es auch bei den Synoptikern nicht um den geht, der bisher als historisch galt. Vielmehr die historische Realität Jesus dort zu suchen wäre, wo die Kritik schon vor den Weltkriegen war. Allerdings im damaligen Kurz-schluss den historischen Jesus verneinte. Nur ein leeres Kirchenkonstrukt hinterließ, wie es heute in den Augen der aufgeklärte Welt als hoheitlichen Jesus bzw. Christus weiterpepredigt wird: Damit den christlichen Glauben bzw. dessen Bedeutungsinhalte lächerlich macht, statt ihre Logik/Vernunft zu erkären.

Denn wenn die heutige historische Wissenschaft dem Papst einen kanonischen/kirchlichen Jesus unterstellt, wenn er lt. seinen Kritikern von der schöpferischen Vernunft schreibt, dann muss doch zumindest klar sein, dass die bisherige Hypothese von einem egal wie gearteten Heilsprediger, der nachösterlich von seinen Jünger, von Johannes... hoheitlich hingestellt wurde oder war, nicht mehr haltbar ist.

Wie mann angesichts all des heute vorhandenen Wissens sich weiter auf die Synoptiker als Zeugen eines jungen Juden berufen will, ist mir schleierhaft. Und wie man dann dann die hochtheologischen Inhalte der Texte in der von Ihnen praktizierten Weise verdeutlicht und den Verfassern dann den Schwachsinn unterstellt, es wäre ihnen dabei um einen jungen Juden und seine Fischerfreude gegangen, das will mir nicht in den Sinn.
Gerd Häfner hat gesagt…
Sie schreiben: “Denn wenn die heutige historische Wissenschaft dem Papst einen kanonischen/kirchlichen Jesus unterstellt, wenn er lt. seinen Kritikern von der schöpferischen Vernunft schreibt, dann muss doch zumindest klar sein, dass die bisherige Hypothese von einem egal wie gearteten Heilsprediger, der nachösterlich von seinen Jünger, von Johannes... hoheitlich hingestellt wurde oder war, nicht mehr haltbar ist.”

Die Logik dieser Wenn-dann-Beziehung erschließt sich mir nicht. Ich sehe nicht, wie das Zweite (“dann....”) mit dem ersten (“wenn …”) zusammenhängt.

Sie schreiben: “Wie man angesichts all des heute vorhandenen Wissens sich weiter auf die Synoptiker als Zeugen eines jungen Juden berufen will, ist mir schleierhaft.” Das ist einer der Punkte, über den wir schon seit langem verschiedener Auffassung sind, ohne uns anzunähern. Auf die Gefahr, mich zu wiederholen: Die Synoptiker erzählen die Geschichte eines jungen Juden, der als Künder der Gottesherrschaft auftrat, “Fischerfreunde” in seine Nachfolge berief, in Jerusalem hingerichtet und nach seinem Tod von seinen Jüngern als Auferweckter verkündet wurde. Wer die synoptischen Texte auslegen will, kann diese Geschichte nicht ausblenden.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Dem Papst wird von unzähligen Neutestamentlern unterstellt, er hätte sich nicht an den "Historischen Jesus" gehalten, sondern den Jesus der Bibel beschrieben bzw. den der frühen Kirchenväter. Gleichzeitig wird ihm unterstellt, er hätte vom Logos geschrieben, der schöpferischen Vernunft, auf die er sich immer beruft. Und die er nun vor dem Bundestag aus dem metaphysischen Dogma befreite: Als ökologische Welterkärung zu bedenken gab, an der sich die menschliche Vernunft zu orientieren hätte.

Wie will man sich dann noch auf die gleichen Synoptiker, die man Benedikt XVI. als Grundlage für seinen Logos-Christologie vorhält berufen und dort einen banalen Heilsprediger als historischen Jesus herauslesen?

Die Diskussion bestätigt doch, was schon vor Marx und Engels den wissenschaftlich arbeitenden historischen Kritikern/Neutestamentlern klar war. Diese allerdings noch zum Abstreiten des historischen Jesus führte, statt zu dessen aufgeklärtem Verständnis, incl. seiner Heilswirkung/-bedeutung in der Kultur-Geschichte der westlichen Welt.

Dass die Synoptiker die Geschichte eines jungen Juden und seiner Fischerfreude erzählen, ist mir klar. Aber auf diese Geschichten berufen sich auch das Kirchenoberhaupt, dem man eine Logos-Christologie nach neuplatonischer Machart vorwirft, wie die Vorkriegskritiker, die bereits zum gleichen Schluss über den Anfang unserer christlichen Kultur in Vernunft kamen.

Die Evangelien anzuweifeln, die wundersamen, bei buchstäblicher Auslegung dem rationalen Weltbild der Aufklärung Weltbild entgegenstehene Aussagen zu entfernen oder sie hinsichtlich ihrer hoheitlichen Aussagen als kirchliche Konstrukte in Zweifel zu ziehen, wie das Lüdemann tut, ist Schnee von Gestern. Das geht aufs Konto einer Hyothese vom historischen Jesus, die - wie dargelegt - heute selbst von der neutestamentlichen Wissenschaft wiederlegt wird. Auch wenn diese sie sonderbarer Weise immer noch wie selbstverständlich voraussetzt.

Lüdemann ist danach nur der Leichengräber eines historischen Jesus, der, auch nach ihrer hochtheologischen Deutung der Geschichten vom guten Jungen mit Namen Jesus nach den Synoptikern, längst nicht mehr haltbar ist.

Bei, Wüstenversuchung ebenso wie der Wanderung um den See, bei Tot und Auferstehung Jesus geht es nicht um einen Heilsprediger, der sich für eine Art Gott hielt oder von Refomjuden (denen so was im Traum nicht in den Sinn gekommen wäre) gesehen wurde. Was von der Schriftgelehrtheit oder der römischen Macht verurteilt wurde und geschichtlich Auferstanden ist, kann nur das lebendige Wort gewesen sein. Der von den Christen im allegrischen Verständnis des AT als gesetzgebender Josua/gr. Jesus definierte Logos. Nur davon aus wurde Wasser in Wein verwandelt, von Blindheit befreit und Gelähmtheit Forschritt gebracht. All das ist ebenso auf vernünftige Weise zu verstehen, wie der neue universal für Juden und Heiden geltende Bund oder gar die Geburtsgeschichte, der Stammbaum...

Mit einem Heilsprediger ist all das nicht wirklich zu machen: Da kann nur Aber-glaube trotzdem (mit all seinen Folgen) herauskommen.
Gerd Häfner hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Mentzel,

ich kann nicht erkennen, dass die Neutestamentler dem Papst die Synoptiker als Grundlage seiner Logos-Theologie vorhalten und so in einen Widerspruch kommen, wenn sie Jesus als Heilsprediger darstellen. Die Kritik am Jesus-Buch des Papstes ging im Wesentlichen dahin, dass in ihm unter dem Etikett “historisch” nicht mit historischen Methoden gearbeitet wird.

Sie schreiben: “Dass die Synoptiker die Geschichte eines jungen Juden und seiner Fischerfreude erzählen, ist mir klar.” Aber Sie nehmen die Gestalt dieser Erzählungen nicht ernst, sondern meinen: “Was von der Schriftgelehrtheit oder der römischen Macht verurteilt wurde und geschichtlich Auferstanden ist, kann nur das lebendige Wort gewesen sein. Der von den Christen im allegrischen Verständnis des AT als gesetzgebender Josua/gr. Jesus definierte Logos.” Ich will als Neutestamentler bei dem bleiben, wovon die Erzählungen der Evangelien handeln. Ihnen zufolge starb ein junger Jude, der als Verkünder der Gottesherrschaft auftrat, am Kreuz, und nicht ein von den Christen im allegorischen Verständnis des AT als gesetzgebender Jesus definierter Logos.

Im Übrigen drehen wir uns hier ständig im Kreis, kommen immer wieder bei denselben Differenzen an. Ich für meinen Teil akzeptiere, dass ich Sie nicht von meinem Standpunkt überzeugen kann. Vielleicht ist das umgekehrt auch Ihnen möglich.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Es war einmal ein Wissenschaftler, der erklärte das unendliche Universum und die sichbare kosmische Ordnung auf wunderbare Weise. Auch warum in wenigen Minuten die Sonne im Osten pünktlich aufgehen wird.

Und als er die Sonne dann im Meer untergehen sah, dann rief er dazu auf, ins Boot zu steigen, um das ewige Licht tauchend zu suchen. (Denn sonst scheint ja bei den Synoptikern nach heutiger Jesushypothese nicht zu sehen, als ein Heilsprediger.)

Aber wenn er jetzt auftaucht und weiter vom ewigen Licht schwärmt, das die Sonne für die Erde sei. Macht er da nicht nur seine eigene Wissenschaft lächerlich, sondern auch die Sonne bzw. gesamte kosmische Ordnung?


Übrigens:

Die "Zeitschrift für Neues Testament", die ich Gestern bekam und in der ihre Kollegen den neuesten Stand wissenschaftlicher Diskussion vermitteln, werde ich abbestellen. Das Geld kann ich mir sparen.

Was soll es, wenn ihre Kollegen z.B. den Hebräerbrief (war ja schon immer ein schwerer Brocken) vor hellenistischem Hintergrund erklären. Ihn mit mittelplatonistischen Vorstellungen, Philo oder Plotin begründen. Was soll diese Hellenisierung dessen, von dem wir genau wissen, dass es nur ein gutherziger wundertätiger Heilsprediger war, der in Sonntagspredigten zu verkünden ist oder hier hochtheologisch als Heiland hingestellt wird?

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