Sonntagsevangelium (83)

13. Sonntag im Jahreskreis (C): Lk 9,51-62

Mit 9,51 ist ein wichtiger Einschnitt im Aufbau des Lukas-Evangeliums erreicht: Nun beginnt der Weg Jesu nach Jerusalem, an den der Evangelist noch zweimal erinnert (13,22; 17,11). Der Einschnitt ist auch durch eine besondere sprachliche Gestaltung herausgehoben, vor allem durch die auffallende Zeitbestimmung. Lukas spricht von den »Tagen seiner Aufnahme«, die »dabei waren, sich zu erfüllen«, und drückt damit den Gedanken eines von Gott gesetzten Zeitmaßes aus (vgl. Michael Wolter, Das Lukasevangelium, Tübingen 2008, 369). Der jetzt auf die Passion in Jerusalem und die Ostereignisse bis zur Himmelfahrt zulaufende Weg Jesu gründet also in Gottes Willen. Zugleich legt der Erzähler nahe, dass Jesus im Wissen um das gesetzte Zeitmaß auf Jerusalem zugeht.

Die Rede von »Erfüllung« kann auch einen Bezug zum Willen Gottes wachrufen, wie er (als Verheißung) in der Geschichte Israels gegenwärtig war. Dazu passt, dass der Vers 9,51 sehr stark von biblischer Sprache geprägt ist (ein für Lukas insgesamt typischer Zug). Am stärksten fällt in diesem Zusammenhang wohl die Formulierung auf: Jesus richtete sein Gesicht fest darauf, nach Jerusalem zu gehen (in der Einheitsübersetzung sachgerecht mit entschließen wiedergegeben). 

Für den derart eröffneten Weg hat die Geschichte von den ungastlichen Samaritern (9,52-56) grundsätzliche Bedeutung. Jesus erfährt Ablehnung, doch den Gedanken des Strafgerichts weist er zurück. Und so führt, am Ende des Weges in Jerusalem, seine Hinrichtung nicht zum Gericht an Israel, sondern zur Christusverkündigung (Apg 2,14-39; 3,12-26; zu den Samaritern siehe auch Apg 8,5-25). Die Jünger aber haben den Sinn des Weges Jesu noch nicht verstanden. 

Dieser zuletzt genannte Aspekt der kleinen Erzählung könnte auch der Grund dafür sein, dass Lukas drei knappe Szenen mit Jesusworten zur Nachfolge als nächsten Abschnitt angefügt hat. Die erste und dritte Szene ist jeweils dadurch gekennzeichnet, dass nicht Jesus aus eigener Initiative beruft, sondern Nachfolgewillige sich an Jesus wenden. Deren Bereitschaft wird insofern auf die Probe gestellt, als die besonderen Anforderungen, die sich mit der Nachfolge Jesu verbinden, zur Sprache kommen. Im ersten Fall (9,57f) wird Nachfolge als Teilhabe an der Wanderexistenz charakterisiert: Wer mit Jesus zieht, muss sich auf das Unbehaustsein einstellen.

Die zwei folgenden Szenen verbindet, dass die Nachfolgewilligen um einen kurzen Aufschub bitten.  Die Gründe für die Bitte sind gewichtig: die Bestattung des Vaters, der Abschied von der Familie - Jesus lehnt sie trotzdem ab. Die Aufforderung »Lass die Toten ihre Toten begraben!« geht nicht davon aus, dass der Vater unbestattet bliebe; sie kennzeichnet vielmehr den Bereich außerhalb der Gottesherrschaft als Bereich des Todes (»Du aber geh hin und verkünde das Reich Gottes!«). Und wie im dritten Fall wird das Drängende des Aufbruchs betont. Es bleibt kein Raum mehr für Handlungen, die mit der bisherigen Lebenswelt verbinden. Was Elischa gewährt wurde, der Abschied von seinen Eltern (1Kön 19,20), wird dem nachfolgewilligen Jünger abgeschlagen. Dass er sonst nicht tauglich sei für das Reich Gottes, ist wohl auf der Linie der vorherigen Szene zu deuten: nicht geeignet für die Verkündigung des Reiches Gottes.

Ob der Ruf in die Nachfolge oder die Bereitschaft dazu in den drei Fällen zum Erfolg führt, wird nicht erzählt. Es geht in erster Linie nicht um individuelle Jüngerfiguren und ihre Geschichte (als Personen bleiben alle drei ohne Kontur), sondern um die Kennzeichnung dessen, was Nachfolge bedeutet. 

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