Sehnsucht nach der Höllenpredigt?
Kardinal Reinhard Marx hat Post aus Siena bekommen (s. hier). Katharina heißt jetzt Victoria und lebt in Wien. Eine Pressemitteilung über eine Katechese des Kardinals war für sie Anlass, einen Brief zu schreiben, der nicht nur eine Fülle begeisterter Leserkommentare hervorgebracht hat, sondern auch Fanpost, die wiederum als Beitrag auf kath.net erschienen ist (s. hier). Der Erzbischof von München und Freising wird gerügt für seine Aussagen über Hölle und Fegefeuer. Folgendes wird aus der Katechese zitiert und wiedergegeben:
Dass Kardinal Marx »eine Hölle mit Folter, Gefängnis und Siedeofen« nicht in die über den Tod ausgreifende Hoffnungsperspektive aufnehmen wollte, scheint für die Verkündigung des Evangeliums (»gute Nachricht«) nicht ganz unangemessen zu sein. Er zieht sich aber den Vorwurf zu, die kirchliche Lehre zu verkürzen, zu der doch Fegefeuer und Hölle gehörten. Der Vorwurf vermittelt den Eindruck, dass im Zentrum der Katechese nicht das Evangelium von der in Christus erwiesenen Liebe Gottes zu stehen habe, das unter sich ändernden Bedingungen zu verkünden ist, sondern eine definierte Größe, von der nicht ein Stück fehlen darf, wenn man das Prädikat »katholisch« nicht aufs Spiel setzen will. Ein solches Paket gilt als Lehre, »die Christus hinterlassen hat«. Dass die Lehre der Kirche über die Jahrhunderte etwas flexibler war und dass sie weniger eindeutig ist, als es Katechismus-Nummern erscheinen lassen, kommt nicht in den Sinn.
PR-Strategie?
Dieses Denken hat durchaus betrübliche Konsequenzen. Da dem Kardinal noch zugestanden wird, katholisch zu sein, werden die zitierten Aussagen aus der Katechese als »PR-Strategie« verstanden. Als solche hat sie Katharina von Siena rediviva, Studentin der Kommunikationswissenschaft, als Übungsbeispiel in ein Seminar eingebracht. Diagnostiziert wurde dort ein »klassischer PR-Fehler: scheinbare Sympathiepunkte durch Nestbeschmutzung«. Unterstellt wird also, dem Kardinal sei es gar nicht ernst mit der Kritik an vergangener Höllenpredigt; er wolle daraus auch gar nichts lernen für die Zukunft, sondern nur Imagepflege betreiben und das mache er verkehrt. Der Dozent meinte,
Allversöhnungslehre?
Eine zweite Konsequenz der Fixierung auf die genau abgrenzbare kirchliche Lehre besteht darin, dass man bei den Kritisierten dogmatische Aussagen erkennt, wo diese gar nicht gemeint sind. Die Absage an die Höllenpredigt wird dann zum Ausdruck einer Allversöhnungslehre. Diese wird auch nicht in ihrem positiven Anliegen gewürdigt (»lässt sich der in Christus erwiesene Heilswille Gottes so denken, dass er nicht nur universal ausgerichtet ist, sondern sich auch so verwirklicht?«), sondern mit einem Schlager aus den 1950er Jahren karikiert: »Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel ...« Man kann sich recht zuversichtlich darauf verlassen, dass diejenigen, die meinen, es müsse mehr vom Gericht gepredigt werden, diesen Titel zitieren – als wäre sein Inhalt die einzige Alternative zu ihrer Position. Es ist eine bewährte Methode, den eigenen Standpunkt dadurch zu stärken, dass man der abweichenden Sicht schwache Aussagen unterstellt. Fair ist sie nicht.
Zum Verständnis von Gerichtsaussagen
Wer seine Freude hat am Katechismus, dem soll sie nicht genommen werden. Aber ganz so eindeutig wie angenommen sind die dort gegebenen Antworten nicht. Sie mögen den zufriedenstellen, für den »nichts plausibler und logischer ist als der Glaube der Katholischen Kirche« (so der Fanpost-Schreiber). Bei näherem Zusehen stellen sich dann aber doch einige Fragen. In der Nummer des KKK, die Victoria von Siena zitiert, heißt es:
Die sprachliche Intention dieser Gerichtstexte ist die Mahnung, wie ja auch der Katechismus festhält. Vor Augen gestellt wird also die Möglichkeit, das Heil zu verspielen. Wenn in Mt 25 eine Gerichtsszene beschrieben wird, in der es heißt: »Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist«, so wird sie erzählt, damit die Hörer alles tun, um diesen Ausgang zu vermeiden. Man kann aus solchen Gerichtsszenarien also nicht ableiten, es müsse die Hölle geben, weil in ihnen Verdammte zu ihr verurteilt werden. Ein Text wie Mt 25,31-46 will nicht beschreiben, was einmal sein wird. Als Vorhersage will er sich vielmehr selbst zunichte machen, weil er ja darauf zielt, dass die Hörer die Werke der Barmherzigkeit tun, aus denen die Rettung folgt.
Nimmt man diesen Charakter von Gerichtstexten ernst, ergeben sich drei Folgerungen. (1) Es werden keine Heilsgarantien gegeben, eine Allversöhnungslehre lässt sich aus dem neutestamentlichen Zeugnis nicht ableiten. (2) Aus der Möglichkeit des Heilsverlustes ergibt sich nicht notwendig, dass es Verdammte geben müsse. Der Satz »es gibt die Hölle« schließt die Fortsetzung nicht aus: »…, aber sie könnte leer sein«. Entsprechend hat die Kirche sich zwar dazu geäußert, dass bestimmte Menschen bei Gott vollendet sind, in keinem Fall aber sich ein Urteil darüber angemaßt, wer das Erbarmen Gottes nicht gefunden hat. (3) Was es genau bedeutet, das Erbarmen Gottes nicht zu finden, bleibt offen. Die Rede vom ewigen Feuer ist ein Bild, was sich schon daraus ergibt, dass sie als realistisch gemeinte Beschreibung nicht gut verträglich ist mit der äußersten Finsternis, die ebenfalls als Unheilsort genannt ist (z.B. Mt 22,13; 25,30).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie unangemessen es ist, die Notwendigkeit einer Gerichts- und Höllenpredigt mit einem Vergleich aus der Straßenverkehrsordnung zu illustrieren, wie es in dem Brief an Kardinal Marx geschieht:
Die Anstößigkeit der Vergebung
Gerade diese Verbindung mit einem Gebotssystem bestätigt eine Vermutung: Wenn auf der Notwendigkeit einer Höllenpredigt bestanden wird, so äußert sich darin ein Unbehagen gegenüber einer Vorstellung, nach der Gott keinen Unterschied macht zwischen Frommen und Sündern, zwischen denen, die sich um die Beachtung seiner Gebote kümmern, und jenen, die nach anderen Maßstäben leben. In einem Kommentar zu dem Fanpost-Beitrag heißt es:
Die Vergebungsbotschaft Jesu ist anstößig, und wer sich an ihr reibt, hat vielleicht mehr von ihr verstanden als diejenigen, die sie problemlos akzeptieren. Dennoch: Für die, die sich in der Nachfolge Jesu verstehen, scheint es nicht unangemessen, diese Herausforderung anzunehmen. Die Jesustradition zeigt, dass deshalb das Thema des Gerichts nicht fehlt, dass die Annahme der Vergebung zur Umkehr führen soll. An erster Stelle aber steht die Güte Gottes, und diese Gewichtung darf in der Verkündigung des Evangeliums nicht verloren gehen. Sie begründet im Übrigen auch die Möglichkeit einer Hoffnung auf die Allversöhnung (nicht der Lehre davon): dass die Entschiedenheit Gottes zur Vergebung so groß ist, dass die Gerichtsmahnung, wenn sie ihr Ziel verfehlt, dennoch nicht zum Gericht führt.
Zurückhaltung gegenüber einer solchen Hoffnung mag begründet sein in der Schwierigkeit, sie zu denken, ohne über die Opfer der Geschichte hinwegzugehen. Auch kann man fragen, ob zur Freiheit des Menschen nicht die Möglichkeit gehört, sich der Rettung durch Gott zu verschließen. Aber in einer Familienkatechese nicht von der Hölle zu sprechen, sondern Hoffnungsbilder einzufordern ist nicht Verkürzung des Evangeliums. Das würden wir ja auch nicht Paulus vorwerfen, der den Christen in Rom schrieb:
»Die Kirche habe mit Bildern wie dem des Fegefeuers und der Hölle Angst vor dem Tod gemacht, 'und dafür müssen wir Buße tun'. Denn Jesus ginge es nicht darum, Sünden aufzuzählen, sondern jedem Menschen Heil und Rettung zuzusagen. 'Die Kirche muss im Miteinander die Angst vertreiben', unterstrich Kardinal Marx. Um sich vorzustellen, was nach dem Tod komme, brauche der Mensch Bilder, 'aber das müssen Bilder der Zuversicht, der Hoffnung sein, Bilder, die uns helfen und voranbringen, auch wenn sie uns keine endgültige Antwort geben können'.«Nun wird der Kardinal aus dem Katechismus belehrt,
»dass die Hölle eben kein Bild ist sondern eine bittere Realität, und dass sie ewig dauert (KKK 1035).«In der zitierten Aussage des Kardinals geht es allerdings nicht um den Gegensatz von Bild und Realität, sondern darum, dass die Aussicht auf Heil und Gericht in vergangener kirchlicher Verkündigung häufig falsch eingesetzt wurde, nämlich so, dass von der freimachenden Kraft des Evangeliums nicht viel übrig blieb. »Frohbotschaft statt Drohbotschaft« ist inzwischen zur Floskel geworden; die Wendung entstand aber als Gegenprogramm zu tatsächlicher kirchlicher Verkündigungspraxis. Dass das nicht unbedingt mitbekommen hat, wer, wie die Absenderin der Siena-Post, 1991 geboren ist, glaubt man sofort. Warum ihr aber etwas fehlt und sie die »panische Angst« von Priestern beklagt, »die letzten Dinge anzusprechen, Worte wie 'Hölle' oder 'Fegefeuer' auch nur in den Mund zu nehmen«, erschließt sich deshalb noch nicht.
Dass Kardinal Marx »eine Hölle mit Folter, Gefängnis und Siedeofen« nicht in die über den Tod ausgreifende Hoffnungsperspektive aufnehmen wollte, scheint für die Verkündigung des Evangeliums (»gute Nachricht«) nicht ganz unangemessen zu sein. Er zieht sich aber den Vorwurf zu, die kirchliche Lehre zu verkürzen, zu der doch Fegefeuer und Hölle gehörten. Der Vorwurf vermittelt den Eindruck, dass im Zentrum der Katechese nicht das Evangelium von der in Christus erwiesenen Liebe Gottes zu stehen habe, das unter sich ändernden Bedingungen zu verkünden ist, sondern eine definierte Größe, von der nicht ein Stück fehlen darf, wenn man das Prädikat »katholisch« nicht aufs Spiel setzen will. Ein solches Paket gilt als Lehre, »die Christus hinterlassen hat«. Dass die Lehre der Kirche über die Jahrhunderte etwas flexibler war und dass sie weniger eindeutig ist, als es Katechismus-Nummern erscheinen lassen, kommt nicht in den Sinn.
PR-Strategie?
Dieses Denken hat durchaus betrübliche Konsequenzen. Da dem Kardinal noch zugestanden wird, katholisch zu sein, werden die zitierten Aussagen aus der Katechese als »PR-Strategie« verstanden. Als solche hat sie Katharina von Siena rediviva, Studentin der Kommunikationswissenschaft, als Übungsbeispiel in ein Seminar eingebracht. Diagnostiziert wurde dort ein »klassischer PR-Fehler: scheinbare Sympathiepunkte durch Nestbeschmutzung«. Unterstellt wird also, dem Kardinal sei es gar nicht ernst mit der Kritik an vergangener Höllenpredigt; er wolle daraus auch gar nichts lernen für die Zukunft, sondern nur Imagepflege betreiben und das mache er verkehrt. Der Dozent meinte,
»das wäre so, wie wenn der hochbezahlte PR-Chef einer Ölfirma auch ganz betroffen darüber wäre, wie sehr seine Firma das Meer verpeste.«Irgendwie wird man nicht so recht froh über diesen Vergleich mit einer Firma, die Schaden anrichtet. Vielleicht hätte an dieser Stelle auch die Briefschreiberin ein wenig ins Grübeln kommen können, ob sie mit Ihrer Unterstellung einer PR-Strategie auf dem richtigen Weg ist.
Allversöhnungslehre?
Eine zweite Konsequenz der Fixierung auf die genau abgrenzbare kirchliche Lehre besteht darin, dass man bei den Kritisierten dogmatische Aussagen erkennt, wo diese gar nicht gemeint sind. Die Absage an die Höllenpredigt wird dann zum Ausdruck einer Allversöhnungslehre. Diese wird auch nicht in ihrem positiven Anliegen gewürdigt (»lässt sich der in Christus erwiesene Heilswille Gottes so denken, dass er nicht nur universal ausgerichtet ist, sondern sich auch so verwirklicht?«), sondern mit einem Schlager aus den 1950er Jahren karikiert: »Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel ...« Man kann sich recht zuversichtlich darauf verlassen, dass diejenigen, die meinen, es müsse mehr vom Gericht gepredigt werden, diesen Titel zitieren – als wäre sein Inhalt die einzige Alternative zu ihrer Position. Es ist eine bewährte Methode, den eigenen Standpunkt dadurch zu stärken, dass man der abweichenden Sicht schwache Aussagen unterstellt. Fair ist sie nicht.
Zum Verständnis von Gerichtsaussagen
Wer seine Freude hat am Katechismus, dem soll sie nicht genommen werden. Aber ganz so eindeutig wie angenommen sind die dort gegebenen Antworten nicht. Sie mögen den zufriedenstellen, für den »nichts plausibler und logischer ist als der Glaube der Katholischen Kirche« (so der Fanpost-Schreiber). Bei näherem Zusehen stellen sich dann aber doch einige Fragen. In der Nummer des KKK, die Victoria von Siena zitiert, heißt es:
»Jesus spricht öfters von der 'Gehenna' des 'unauslöschlichen Feuers', die für jene bestimmt ist, die bis zum Ende ihres Lebens sich weigern, zu glauben und sich zu bekehren, und wohin zugleich Seele und Leib ins Verderben geraten können. Jesus kündigt in ernsten Worten an, dass er 'seine Engel aussenden' wird, die 'alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und…in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt', und dass er das Verdammungsurteil sprechen wird: 'Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!' (Mt 25,41).« (KKK 1034)Sicher ist nicht zu bestreiten, dass das Gericht ein wiederkehrendes Thema der Jesustradition ist. Schwieriger ist es, aus dem Zeugnis des Neuen Testaments einen Maßstab für das Gericht zu erheben. Dass es diejenigen treffe, die sich »weigern zu glauben«, ist dort nicht zu lesen. Mt 25,41, im KKK angeführt, gehört in eine Szene, die allein die erwiesenen oder verweigerten Taten der Barmherzigkeit als Kriterium benennt – ohne jeden Bezug zum Glauben. Nach Mt 12,36f sind es die Worte, über die man im Gericht Rechenschaft ablegen muss. Paulus kann zwar von denen sprechen, die verloren gehen (1Kor 1,18), und er kennt die Rede vom Gericht; von einem endgültigen Strafort sagt er aber nichts und er hat, wenn er von der künftigen Vollendung handelt, allein das Los der Geretteten im Blick. Wenn auch die Glaubenden vor den Richterstuhl Christi treten müssen (2Kor 5,10; Röm 14,10), so wird daran erinnert, dass sie für ihr Tun verantwortlich sind.
Die sprachliche Intention dieser Gerichtstexte ist die Mahnung, wie ja auch der Katechismus festhält. Vor Augen gestellt wird also die Möglichkeit, das Heil zu verspielen. Wenn in Mt 25 eine Gerichtsszene beschrieben wird, in der es heißt: »Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist«, so wird sie erzählt, damit die Hörer alles tun, um diesen Ausgang zu vermeiden. Man kann aus solchen Gerichtsszenarien also nicht ableiten, es müsse die Hölle geben, weil in ihnen Verdammte zu ihr verurteilt werden. Ein Text wie Mt 25,31-46 will nicht beschreiben, was einmal sein wird. Als Vorhersage will er sich vielmehr selbst zunichte machen, weil er ja darauf zielt, dass die Hörer die Werke der Barmherzigkeit tun, aus denen die Rettung folgt.
Nimmt man diesen Charakter von Gerichtstexten ernst, ergeben sich drei Folgerungen. (1) Es werden keine Heilsgarantien gegeben, eine Allversöhnungslehre lässt sich aus dem neutestamentlichen Zeugnis nicht ableiten. (2) Aus der Möglichkeit des Heilsverlustes ergibt sich nicht notwendig, dass es Verdammte geben müsse. Der Satz »es gibt die Hölle« schließt die Fortsetzung nicht aus: »…, aber sie könnte leer sein«. Entsprechend hat die Kirche sich zwar dazu geäußert, dass bestimmte Menschen bei Gott vollendet sind, in keinem Fall aber sich ein Urteil darüber angemaßt, wer das Erbarmen Gottes nicht gefunden hat. (3) Was es genau bedeutet, das Erbarmen Gottes nicht zu finden, bleibt offen. Die Rede vom ewigen Feuer ist ein Bild, was sich schon daraus ergibt, dass sie als realistisch gemeinte Beschreibung nicht gut verträglich ist mit der äußersten Finsternis, die ebenfalls als Unheilsort genannt ist (z.B. Mt 22,13; 25,30).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie unangemessen es ist, die Notwendigkeit einer Gerichts- und Höllenpredigt mit einem Vergleich aus der Straßenverkehrsordnung zu illustrieren, wie es in dem Brief an Kardinal Marx geschieht:
»Ist es wirklich langfristig gesehen hilfreich, den deutschen Autofahrern aus Rücksichtnahme auf ihre sensiblen Seelchen die Geschwindigkeitsbegrenzungen der österreichischen Autobahn zu verschweigen? Werden sie mir dankbar sein, wenn ich ihnen zuerst sage: 'Fahrt so schnell ihr Euch wohl fühlt, es ist vor allem gut, dass es Euch gibt!' und dann flattert ein Strafzettel nach dem anderen herein?«Der Zusammenhang von Geschwindigkeitsübertretung und Strafzettel setzt eine Eindeutigkeit des Gerichtsmaßstabs voraus, den wir bei den »letzten Dingen« gerade nicht haben. Der Vergleich mit seiner Verbindung von Gebotsübertretung und Bestrafung führt zu einem Gottesbild, das vor allem durch das Aufstellen von Verbotsschildern gekennzeichnet ist. Ich bezweifle, dass dies den im Evangelium verkündeten Gott trifft.
Die Anstößigkeit der Vergebung
Gerade diese Verbindung mit einem Gebotssystem bestätigt eine Vermutung: Wenn auf der Notwendigkeit einer Höllenpredigt bestanden wird, so äußert sich darin ein Unbehagen gegenüber einer Vorstellung, nach der Gott keinen Unterschied macht zwischen Frommen und Sündern, zwischen denen, die sich um die Beachtung seiner Gebote kümmern, und jenen, die nach anderen Maßstäben leben. In einem Kommentar zu dem Fanpost-Beitrag heißt es:
»Die Predigt einer falschen Barmherzigkeit macht das Reden von der Gerechtigkeit Gottes und das Verkünden der von Gott geoffenbarten Wahrheit, insbesondere seiner Gebote und deren Beachtung, einfach überflüssig.« (Kathole)Auf solchen Widerspruch dürfte auch die Vergebungsbotschaft Jesu getroffen sein. Es ist der Widerspruch, den der ältere Bruder im Gleichnis vom verlorenen Sohn äußert: »Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe niemals dein Gebot übertreten, und mir hast du niemals einen Ziegenbock gegeben, damit ich mit meinen Freunden feiern kann« (Lk 15,29). Es ist der Protest, den die Arbeiter der ersten Stunde im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg gegen die Güte des Weinbergbesitzers vorbringen: »Diese Letzten haben eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir die Last des Tages und die Hitze getragen haben« (Mt 20,12). Der Widerspruch ist verständlich, es ist der Widerspruch der Frommen, die die Verkündigung des voraussetzungslos gütigen Gottes nicht unter einen Hut bringen mit dem Anspruch der Tora auf Erfüllung ihrer Weisungen.
Die Vergebungsbotschaft Jesu ist anstößig, und wer sich an ihr reibt, hat vielleicht mehr von ihr verstanden als diejenigen, die sie problemlos akzeptieren. Dennoch: Für die, die sich in der Nachfolge Jesu verstehen, scheint es nicht unangemessen, diese Herausforderung anzunehmen. Die Jesustradition zeigt, dass deshalb das Thema des Gerichts nicht fehlt, dass die Annahme der Vergebung zur Umkehr führen soll. An erster Stelle aber steht die Güte Gottes, und diese Gewichtung darf in der Verkündigung des Evangeliums nicht verloren gehen. Sie begründet im Übrigen auch die Möglichkeit einer Hoffnung auf die Allversöhnung (nicht der Lehre davon): dass die Entschiedenheit Gottes zur Vergebung so groß ist, dass die Gerichtsmahnung, wenn sie ihr Ziel verfehlt, dennoch nicht zum Gericht führt.
Zurückhaltung gegenüber einer solchen Hoffnung mag begründet sein in der Schwierigkeit, sie zu denken, ohne über die Opfer der Geschichte hinwegzugehen. Auch kann man fragen, ob zur Freiheit des Menschen nicht die Möglichkeit gehört, sich der Rettung durch Gott zu verschließen. Aber in einer Familienkatechese nicht von der Hölle zu sprechen, sondern Hoffnungsbilder einzufordern ist nicht Verkürzung des Evangeliums. Das würden wir ja auch nicht Paulus vorwerfen, der den Christen in Rom schrieb:
»Ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Künftiges, weder Mächte noch Höhe oder Tiefe oder irgendein anderes Geschöpf uns scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn« (Röm 8,38f).
Kommentare
http://www.youtube.com/watch?v=0GmR4KBL8Jo
Auch wenn ich davon ausgehe, dass diese Einordnung der Gerichtsrede stimmt, so bleiben zwei Fragen:
1.) Macht eine Mahnung nicht nur dann Sinn, wenn es eine Möglichkeit gibt, das Ignorieren der Mahnung zu sanktionieren? Wohl kaum, deswegen ist die Allversöhnungslehre - wie Sie ja auch konzedieren - nicht biblisch. sie wäre nicht einmal logisch.
2.) Noch mehr aber beschäftigt mich ein zweiter Aspekt: Sicher kann man die Aussage ""Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer ..." als Mahnung interpretieren. Intuitiv erfasse ich diese Aussage jedoch im Indikativ. Den frühen Lesern dieser Texte scheint es auch so gegangen zu sein, denn sonst wäre nicht das Konzept der Erlösungsbedürftigkeit entstanden. Wenn ein Ort der letzten Verworfenheit nicht gegeben wäre, fiele dann nicht die gesamte christliche Soteriologie in sich zusammen? Dann bleibt nur noch, den Erlösungsakt psycholgisch oder symbolisch aufzulösen, was aber letzten Endes nichts mehr mit dem Christusverständnis zu tun hätte, das bis vor fast 2000 Jahre Dogma war.
Danke für den Link. Ich habe die Nummer mit der satirisch überspitzten Gleichsetzung von Glaube und Höllenerwartung (Hölle für die anderen) schon einmal gehört, aber sie war mir nicht mehr präsent.
@ Anonym
Zu Ihrer ersten Frage: Ich stimme hier vollkommen zu. Die Möglichkeit, das Heil zu verspielen, muss gegeben sein, damit eine Mahnung Mahnung sein kann. Nur muss man, wenn man die Gerichtsaussagen textpragmatisch als Mahnung deutet, nicht annehmen, dass es, weil solche Szenen wie Mt 25,41 erzählt werden, in jedem Fall Verdammte geben müsse, da sonst falsche Ankündigungen über Gerichtsvorgänge und -ausgänge mitgeteilt worden wären. Wenn diese Texte keine (vorweggenommenen) Berichte sind, bleibt auch die Möglichkeit einer Allversöhnung. Das neutestamentliche Zeugnis berechtigt nicht dazu, von einem solchen Ausgang menschlicher Geschichte auszugehen; es verbietet aber auch nicht, darauf zu hoffen (wenn man denn dazu in der Lage ist).
Zu Ihrer zweiten Frage: Dass die christliche Soteriologie in sich zusammenfiele, wenn ein »Ort letzter Verworfenheit nicht gegeben wäre«, kann ich nicht erkennen. Da Sie dies mit dem »Konzept der Erlösungsbedürftigkeit« verbinden, vermute ich folgenden Gedankengang: Wenn es einen solchen Ort nicht gäbe, stünde allen das Heil offen, niemand müsste erlöst werden. In dieser Weise müsste das »Leersein der Hölle« aber nicht gedacht werden; also nicht als eine grundsätzliche Vorgegebenheit, sondern als ein Ausgang des göttlichen Gerichts, der in der Entschiedenheit Gottes zur Rettung der Welt gründet, die er in der Sendung Jesu Christi erwiesen hat.
da haben Sie sich aber viel Arbeit gemacht, um den Beitrag eines putzigen kleinen Mädchens mit Abitur, das uns den Dunning-Kruger-Effekt am lebenden Objekt vorführt, intellektuell zu adeln, indem Sie ihn kompetent (und letztlich auch vernichtend) zerlegen.
(Diese Kritik soll die Hochachtung vor Ihrer Analyse in der Sache keinesfalls schmälern)
Dass allerdings das Gefühl der kleinen Vicoria von Linz, eine Wiedergeburt der großen Katharina von Siena zu sein, nicht ganz von der Hand zu weisen ist, sieht man daran, dass sie sich, obschon erst 1991 wiedergeboren, an das Jahr 1952 erinnern kann, als Katharina schon im Himmel saß und Jupp Schmitz davon singen hörte.
die Arbeit habe ich mir nicht etwa gemacht, um »ein putziges kleines Mädchen mit Abitur« vorzuführen. Ich war zum einen ein wenig erschrocken über die Begeisterung, die dieser Beitrag ausgelöst hat, über die Freude an dem Fehlurteil, man könne mit dem Verweis auf zwei Katechismus-Nummern dem Kardinal die Ohren lang ziehen. Zum andern ist die in diesem Brief erkennbare Grundhaltung in dem Teil des deutschsprachigen Katholizismus weit verbreitet, der anderen recht schnell das Katholischsein abspricht – mit Verweis auf eine eindeutig abgrenzbare kirchliche Lehre.
wie Sie schreiben, kann das "Leersein der Hölle" so gedacht werden, dass der Ausgang des göttlichen Gerichts einen jeden von seiner Schuld losspricht und infolge dieser Amnestie kein Mensch eine jenseitige, absolut gedachte Strafe zu befürchten hat.
Damit ist aber das Problem ja nur nach hinten verschoben: Es ist bei dieser Erklärung zwar nicht so, dass es keine Hölle gebe, doch dank der Amnestie ist sie leer. Dann bleibt die Frage bestehen, wozu es überhaupt die Denkfigur der durch das Christusereignis vermittelten Erlösung braucht. Wenn Gott ohnehin alle freispricht, ist die soteriologische Dimension obsolet.
Der christliche Erlösungskauf ist - zumindest bis vor fünfzig Jahren hätten da nur wenige Katholiken widersprochen - vom Opfer bestimmt. Jesus, so die traditionelle Formel, hat uns losgekauft, doch diesr Loskauf hat die Voraussetzung , dass es Menschen geben muss, die endültig "verworfen" sein können. Warum sonst sollte das Opfer und der Loskauf notwenig sein.
Nun hat die Theologie heute mit diesem Gedanken so ihre Schwierigkeiten. Das Kreuzesereignis wird zum psychologisch oder existentialistisch zu deutenden Ereignis, doch ohne Hölle verliert es nun mal den originären Charakter, der über Jahrhunderte den Kern christlicher Spiritualität geprägt zu haben scheint.
Ist die postsoteriologische Christologie aber für die Verkündigung wirklich so hilfreich? Denn wer will noch bei einer Olympiade teilnehmen, bei der im Voraus schon festseht, dass doch eh alle die Goldmedaille gewinnen?
Ich habe nicht gemeint, dass das Leersein der Hölle so gedacht werden kann, dass »infolge dieser Amnestie kein Mensch eine jenseitige, absolut gedachte Strafe zu befürchten hat«, sondern dass ein solcher Ausgang des göttlichen Gerichts nicht ausgeschlossen werden muss. Die kursiv gesetzte Formulierung würde eine Allversöhnungslehre bedeuten, die ich nicht vertreten habe. Ich meine allerdings, dass es vom neutestamentlichen Befund her nicht verboten ist, eine Allversöhnung als Ausgang des göttlichen Gerichts für möglich zu halten (nur eben nicht im Sinne einer Heilsgarantie).
Sie schreiben: Die christliche Erlösungsvorstellung beinhalte, »dass es Menschen geben muss, die endültig 'verworfen' sein können«. Wenn das im Sinn des Ausschlusses der Heilsgarantie gemeint ist, stimme ich zu. Das »können« ist also entscheidend. Dass es Menschen geben muss, die endgültig verworfen sind, folgt aus der christlichen Soteriologie nicht – jedenfalls wenn es richtig ist, dass »Gott will, dass alle Menschen gerettet werden« (1Tim 2,4). Das bedeutet nicht, dass »im Voraus schon feststeht, dass doch eh alle die Goldmedaille gewinnen«. Im Übrigen scheint mir, dass heutige Evangeliumsverkündigung gut beraten ist, wenn sie nicht mit dem Lohngedanken arbeitet.
Sicher wäre es falsch, den Lohngedanken zum Hauptgegenstand der Evangeliumsverkündigung zu machen. Auch Angst sollte nicht geschürt werden. Doch die Möglichkeit des Gerichts vollkommen auszuschließen - wie mir das heute viel eher der Fall zu sein scheint - und sich anstelle explizit theologischer Topoi mit organisatorischen Strukturfragen, wie Zölibat, Frauenpriestertum und 15000 Euro-Badewannen zu beschäftigen - all das ist sicher ebenso falsch. Daher, nebenbei bemerkt, schätze ich es, dass Sie sich einer Diskussion wie dieser überhaupt stellen, während die öffentliche Wahrnehmung von Theologie und Kirche heute eher auf Administratives gerichtet zu sein scheint. Ein typisches Phänomen von Weltanschauungen und Organisationen, deren ursprünglischer Inhalt prekär geworden ist.
Zurück zur Sache: Nehmen wir einmal an, dass "textpragmatisch" die Gerichtsreden Jesu nur als Mahnung oder allegorisch oder wie auch immer zu fassen wären. Jesus bzw. die Evangelisten hatten, so nehme ich einmal an, den einfachen, im besten Falle durchschnittlich gebildeten Hörer bzw. Leser vor Augen. Dessen Hermeneutik muss an den Text herangetragen werden.
"Gehet ein durch die enge Pforte ... schmal ist der Weg, der zum Leben führt ... Und wenige sind es, die ihn finden ..." (Mt 7, 13f), "Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer" (Mt 25, 41).
Als einfacher, bestenfalls durchschnittlich gebildeter Leser sehe ich hier eine indikativische Aussage. Es muss eine in gewissem Sinne "nachösterliche" Hermeneutik sein, der es gelingt, diese klaren Worte nur als Mahnung zu lesen und weiterhin sagen zu können, dass die Hölle vielleicht auch leer sei. Jesus sagte oft: "Selig sind ...", aber - das wissen Sie noch besser als ich - viel öfter sagte er: "Wehe ...".
Wenn Gott sich beim Gericht aller erbarmen können sollte, wie ist es dann möglich, dass Jesus so oft und so drastisch das Feuer in der Hölle anheizt?
Liest man Gerichtstexte als Mahnung, heißt das nicht, dass man sie nur als Mahnung liest. Es soll damit nicht behauptet werden, diese Texte seien nicht ernst gemeint; allein ein wörtliches Verständnis wird zurückgewiesen. Oder soll man wirklich annehmen, das Aufkommen von Zorn und der Gebrauch eines Schimpfwortes werde mit dem Höllenfeuer geahndet (Mt 5,22); ein verweigertes Werk der Barmherzigkeit führe unweigerlich zur endgerichtlichen Verurteilung (Mt 25,41-46)? Ich wüsste gar nicht, was wir da als Evangelium noch zu verkünden hätten. Bestätigt wäre die bisweilen an der Bibel geübte Kritik, in ihr würde ein inhumaner und ungerechter Gott gepredigt, der zeitlich beschränktes Fehlverhalten mit ewigen Strafen versehe.
Außerdem: Würde man eine Szene wie Mt 25,31-46 als vorweggenommenen Bericht über den Ablauf des Endgerichts lesen, müsste man annehmen, dass die Leser des Matthäus-Evangeliums von diesem Gericht nicht betroffen sind (was Mt ziemlich sicher nicht sagen will). Denn alle, deren Verhalten da beurteilt wird, wissen nicht, dass ihnen in den Geringsten der Menschensohn begegnet ist; die Leser des MtEv aber wissen es, weil ihnen ja dieses Szene vorgestellt wird. Anders gesagt: Als Vorhersage macht sich diese Szene selbst zunichte. Dies weist deutlich darauf hin, dass es nicht um Vorhersage geht, sondern darum, zu Werken der Barmherzigkeit aufzufordern. Aber dass auch der noch eine Chance hat, der an diesem Maßstab scheitert, widerspricht der Intention des Textes nicht. Andernfalls würde er einen im Namen der Barmherzigkeit unbarmherzigen Gott verkünden.
Das Feuer der Hölle wird in neutestamentlichen Texten sehr unterschiedlich »angeheizt«. Recht stark ist dieses Thema im MtEv vertreten (ohne dass aber der Unheilsort besonders ausgemalt würde). Die Verkündigung muss darauf achten, dass die Rede von Gericht und Hölle nicht den Charakter des Evangeliums als frohe Botschaft und den Vorrang der Heilspredigt verdunkelt, der sich in der Verkündigung Jesu wie in der urchristlichen Christusbotschaft zeigt. Dass dies in der Vergangenheit häufig nicht gelungen ist, ist der Hintergrund der Aussagen von Kardinal Marx, die in der Pressemitteilung zitiert wurden.
Ihr Argument, Mt 25 nicht als vorweggenommenen Bericht des Endgerichts lesen zu können, macht formallogisch natürlich Sinn. Und doch habe ich Probleme mit dieser Art des Textverständnisses. Denn die Frage ist doch, ob der Evangelist bei den Lesern voraussetzte, sich in die Position des in der Gerichtsrede Angesprochenen zu versetzen, um dann festzustellen, dass diese noch gar nicht Jesus als Menschensohn erkannt haben, so dass wiederum die Schlussfolgerung gezogen werden muss, dass der Text ganz anders gedeutet werden darf. Kurzum: Erwarteten die Schreiber dieser Texte solche Winkelzüge des interpretierenden Lesers, an deren Ende gewissermaßen die Umkehrung des offensichtlich Gesagten steht? Mir scheint diese Form der Exegese doch etwas konstruiert, allein mit dem Ziel, den Text so zu lesen, wie wir ihn heute vielleicht gerne hätten. Zahllose Generationen von Lesern haben mit mir wohl die Lesart geteilt, die den Text so sprechen lässt, wie er sich darstellt.
Selbst wenn wir aber den Text so lesen würden, dass er - o Wunder der Literarkritik - das Gegenteil dessen aussagt, was da steht, dass wir also die Hölle wegerklären, dann haben wir ein weiteres Problem: was muss die Welt von einer Religion halten, die jahrhundertelang mit der Hölle gedroht hat, die aber jetzt, weil der "heutige Mensch" - wie auch immer dieser zu verstehen sein soll - nicht mehr in die Hölle mag, ganz rasch erklärt, die Hölle könne auch leer sein! Oder jedenfalls sie nur noch als Mahnung nimmt und diese selber wieder relatviert, indem sie den sich auf "jeden Menschen erstreckeneden Heilswillen Gottes" auch bei allen zum Ziel gekommen sieht!
Einen solchen Opportunismus, wenn ich das einmal so nennen darf, wird bei der Mehrheit der Menschen nicht mal mehr mit grinsender Verachtung bestraft. Schlimmer noch, sie scheint schlichtweg ignoriert zu werden. Könnte nicht auch das einer der Gründe sein, weshalb die Massen aus einer Kirche streben, die auf einmal nur noch den Himmel über sich haben will?
Die »Umkehrung des offensichtlich Gesagten« entstünde, wenn es nicht mehr um einen Aufruf zu Taten der Barmherzigkeit ginge. Das lässt die von Ihnen kritisierte Auslegung aber stehen. Ich habe Gründe für die Auffassung vorgelegt, dass es Wirkabsicht des Textes ist, (durchaus ernst) zu Taten der Barmherzigkeit aufzufordern, und nicht, ein künftiges Geschehen zu beschreiben. Damit ist nicht das Gegenteil dessen, was dasteht, ausgesagt, sondern sein Sinn erläutert. Die Hölle ist auch nicht wegerklärt; es ist nur bestritten, dass nach diesem Text ein nicht erwiesenes Werk der Barmherzigkeit unweigerlich mit ewiger Höllenstrafe geahndet wird. Ich versuche den Text zu verstehen, nicht »ihn so zu lesen, wie wir ihn gerne hätten«. Dass man bei Gerichtstexten mit einem Verständnis, das »den Text so sprechen lässt, wie er sich darstellt«, in Schwierigkeiten kommen kann, zeigt sich auch an der recht hohen Zahl von Einäugigen sowie Hand- und Fußamputierten, die in diesem Fall nach Mt 5,29f; Mk 9,45 im Reich Gottes versammelt sein müssten.
Den Vorwurf, allein aus Opportunismus werde die Höllenpredigt relativiert, halte ich nicht für fair. Immerhin ist die Allversöhnungslehre (der ich mich nicht angeschlossen habe) von großen Theologen in der Alten Kirche vertreten worden, also kein modernes Phänomen. Sicher, eine Kirche, die nur aus Opportunitätsgründen ihre Lehre ändert, überzeugt nicht; aber wenn sie aufgrund geänderter Verstehensvoraussetzungen zu neuen Einsichten kommt, ist ein anderer Fall gegeben. Jahrhundertelang hat man die Schöpfungstexte wörtlich gelesen. Ist es Opportunismus, wenn man es heute nicht mehr tut?
Was Sie den Exegeten vorwerfen, findet sich z.B. auch beim Christentumskritiker Franz Buggle. Die »Erklärungskünste« moderner Theologen und Exegeten lässt er nicht gelten, er hält sie für nicht akzeptable Aufweichungen eines allein zutreffenden wörtlichen Verständnisses. Daraus ergibt sich für ihn aber nicht eine anerkennenswerte Konsequenz des Christentums, sondern dessen Inhumanität und die Notwendigkeit, es hinter sich zu lassen (er baut sich den Gegner so auf, dass er ihn leicht abschießen kann). In diese Richtung geht die Reise, wenn wir auf ein wörtliches Verständnis der Gerichtstexte festgenagelt werden. Dass »die Massen aus einer Kirche streben, die auf einmal nur noch den Himmel über sich haben will«, halte ich für eine abwegige Zeitdiagnose.
Halten Sie es wirklich für so abwegig, dass "die Massen aus einer Kirche streben, die auf einmal nur noch den Himmel über sich haben will"? So abwegig scheint es mir nicht zu sein.
Warum? Wenn eine Dogmatik - und mit ihr die Exegese - biblische Grundlagentexte so liest, dass zu einem in ihren Augen rechten Verständnis gedankliche Akrobatik anstelle eines intuitiv fassbaren Begreifens gehört, dann passiert etwas mit einer Kirche. Oder besser: Diese Herangehensweise ist die Konsequenz dessen, was zuvor der Kirche passiert ist: Sie will jetzt nämlich die Aufklärung nacholen. Kindlich empfundene Vorstellung sollen dem heutigen "Verständnishorizont" angepasst werden.
Leider hat man dabei, wohl unbeabsichtigt, mit dem Bad das Kind, mit den schlichten alten Bildern der Religion auch ihre Essenz ausgeschüttet. Es sind nicht die rationalen interpretatorischen Gymnastikübungen, aus denen die Relgion lebt. Glaube lebt aus archaischen Schichten heraus. Und etwas ganz Archaisches ist: Kein Leben ohne Tod, keine Auferstehung ohne Kreuz - und kein Himmel ohne Hölle.
Sie kennen sicher K. Rahners berühmte Geburtstagsrede, die er kurz vor seinem Tod hielt. An dessen Ende steht ein Satz, eine ganze Seite umfassend, mit dem er seine Vorstellung von "Jenseits" beschreibt. In diesem unendlich langen Satz schreibt er, dass er nach dem Tod "seine persönliche Geschichte" als "nichtigen Müll" den "Engeln des Todes" vorwirft. In diesem Schachtelsatz Rahners stimmen Inhalt und Form völlig überein: Beides ist völlig verunglückt. Was für ein theologisches Gehirn ist das, dass seine eigene Geschichte als "Müll" bezeichnet, was für eine Kreatur will wirklich einem "nackten Gott" begegnen, der im Augenblick des Todes in die "entmüllte Seele" "hineinstürzt". Ja, wo keine Hölle mehr, da verlieren auch die Bilder des Himmels ihre Kraft - und die Menschen verabschieden sich.
leider beweisen Sie, durch Ihre Ausführungen zu Rahner, dass Sie ihn nicht verstanden haben. Sie referieren von dem Satz, "mit dem er [Rahner; M.H.] seine Vorstellung von "Jenseits" beschreibt." Irrtum. Er möchte gerade alle Vorstellungen vermeiden. Vorstellungen sind in der systematischen Theologie ohnehin tabu. Das schreibt schon Boethius in seinen theologischen Traktaten.
Im übrigen ist Rahner der Satz, den Sie als Schachtelsatz, ich jedoch als elegante Periode auffasse, sehr wohl geglückt. Alle Sprachbilder stimmen, die Konstruktionen sind grammatisch korrekt ausgeführt. Im Übrigen setzt Rahner nicht die eigene Geschichte mit Müll gleich, sondern spricht vom Müll der Geschichte. Der vergeht - die wahre Essenz der getanen Freiheit bleibt. Ich empfehle Ihnen den Text genau zu lesen, ehe Sie ihn kritisieren. Und last, but not least: Es geht nicht nur um eine Gottesbegegnung, sondern darum, Jesus/Gott zu sehen. Das ist älteste christliche Lehre und seit der Bulle Benedikt XII. "Benedictus Deus" (finden sie im Denzinger unter Nr. 1000) auf dogmatisch deginiert.
Schon Paulus passt seine Verkündigung an den heidnischen "Verständnishorizont an! Und gerade Paulus sagt sinngemäß, dass es um das Christentum geschehen ist, wenn Jesus nicht gekreuzigt gestorben, begraben und auferstanden ist. Ich würde mich hüten hier nur von "alten Bildern der Religion" zu sprechen!
Ihre Aufforderung, den Text gründlich zu lesen, bevor man ihn kommentiert, kann ich nur begrüßen.
Daher nochmal zum Einüben dieses Vorsatzes: Rahner spricht in der Rede ausdrücklich davon, dass es ihm in besagtem Satz um, so wörtlich, "ein besseres Vorstellungsmodell vom ewigen Leben" geht.
Ferner spricht er nicht vom Müll einer abstrakten Geschichte, sondern er hat die je persönliche ("unsere") Geschichte im Blick: "Wenn die Engel des Todes all den nichtigen Müll, den wir UNSERE Geschichte nennen, aus den Räumen unseres Geistes hinausgeschafft haben ..."
Ja, solche verschwurbelten Vorstellungen bereitet uns eine Theologie, die sich den "modernen Verstehensbedingungen" anpasst. Dass Sie für 95 Prozent aller Zeitgenossen unlesbare Satzungetüme als elegante Satzperioden betrachten, ist wiederum persönliche Geschmackssache. Selbst das ändert aber nichts an dem abstrusen Inhalt, der mich kaum noch an den katholischen Himmel, vielmehr aber an Heideggerianismus für Anfänger erinnert.
1) Sie schreiben: „Rahner spricht in der Rede ausdrücklich davon, dass es ihm in besagtem Satz um, so wörtlich, ‚ein besseres Vorstellungsmodell vom ewigen Leben‘geht.“
Das ist eine schlichte Unwahrheit. Rahner schreibt: „Ich gestehe, daß es mir eine quälende, nicht bewältigte Aufgabe des Theologen von heute zu sein scheint, ein besseres Vorstellungsmodell für dieses Ewige Leben zu entdecken, das diese genannten Verharmlosungen von vornherein ausschließt.“ Mit anderen Worten: Rahner schreibt selbst, dass ein adäquateres (man beachte den Komparativ!) Vorstellungsmodell nicht nur nicht von den TheologInnen der Gegenwart bislang gefunden ist. Sie folgern daraus, dass der sich anschließende Satz ein solches Vorstellungsmodell bietet. Das ist so grotesk, dass es fast schon putzig ist.
Und dann schreibt Rahner im von Ihnen unverstandenen Satz noch folgendes: „...so ungefähr möchte ich nicht eigentlich beschreiben, was kommt, aber doch stammelnd andeuten, wie einer vorläufig das Kommende erwarten kann...“ Das ist so ziemlich alles – nur kein Vorstellungsmodell.
2) Vom Müll einer ABSTRAKTEN Geschichte schrieben weder Rahner noch ich. Dass Rahner einen bestimmten Geschichtsbegriff hat, den er in Geist in Welt und Hörer des Wörtes der Heilsgeschichte entgegensetzt, ist Ihnen entgangen. Er hat damit mitnichten die „persönliche Geschichte“ eines Menschen im Blick.
3) Rahner wehrt unpassende Vorstellungen ab (er ist da in boethianischer Tradition). Gute Theologen passen sich immer den zeitgenössischen Bedingungen des Verstehens an. Das tat ein Johannes Chrysostomos („synkatabasis“ heißt es bei ihm) ebenso wie ein Thomas von Aquin (quidquid recipitur, ad modum recipientis recipitur: Was auch immer empfangen/wahrgenommen wird, wird nach der Weise des Empfangenden/Wahrnehmenden empfangen/wahrgenommen). Übrigens: Gott passt sich selbst selbstverständlich auch den Verstehensbedingungen des Menschen an. Das feiern wir nächste Woche!
4) Es ist bedauerlich, dass – wie Sie meinen – 95% unserer Zeitgenossen elegante Satzperioden nicht als ungemein schön wahrnehmen können. Das ist ein Mangel unseres Bildungssystems, nicht ein Mangel der Sprache Rahners, für welche er mit dem Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa ausgezeichnet worden ist. Vielleicht üben Sie ein bisschen mit Cicero, das würde Ihnen gewiss nicht nicht schaden.
5) Dass Sie offenkundig das Zentrum der christlichen Seligkeit, die auch Rahner klar benennt, nämlich die Schau Jesu, kaum an einen „katholische Himmel“ erinnert, sagt nichts über Rahner, aber viel über Sie aus!
Famos! Durch Ihren Beitrag zeigen Sie, dass Sie nicht zu jenen gehören, die Andersdenkende persönlich angreifen. Stets bleiben Sie sachlich im Ton, sind freundlich und fröhlich.
Ihre Diktion lässt nun aber auch darauf schließen, und eine ehrliche Haut wie Sie macht da sicher keinen Hehl daraus, dass Sie ganz und nicht zu den sogenannten „Intellektuellen“ gehören wollen. Einfach und gerade aus, lautet Ihre Devise. Ich mag das. Ich mag das Einfache.
Allein dass Sie noch immer, heute, im Jahr 2013(!), sich ernsthaft mit Rahner zu beschäftigen scheinen, stimmt mich traurig. Ich mag keine Texte, die Komplexität simulieren. Daher abschließend, um Ihnen ein klein wenig zu helfen – wenn ich das darf -, noch einige Sätze zu dieser tragischen Figur aus dem Breisgau.
Mein Gott, Karl Rahner, wir hatten ihn schon längst vergessen. Wer, außerhalb der staatlich subventionierten akademischen Theologie, kennt ihn noch? Vielleicht nur noch wir beide, Michael, Sie und ich? Diesen Karl Rahner also, dank angestrengter PR seitens seines damals noch einflussreichen Ordens, versuchte man in den späten letzten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts, gemäß einer der Denkfiguren der damaligen Zeiten, ihn zum „größten Theologen aller Zeiten“ aufzubauen. Bei genauer Lektüre zeigt sich nun, dass sich viele Texte unseres „Jahrhundertheologen“ sehr tiefsinnig geben, allein die verquirlte Sprache suggeriert selbst jedem Halbgebildeten, dass da ganz Kompliziertes produziert zu werden scheint. Nun ist es aber so, dass das Tiefsinnige in den meisten Fällen, bei genauerer Betrachtung, zum Stumpfsinnigen gehört. Der hier schon diskutierte Satz ist dafür das beste Beispiel. Natürlich will Rahner ein Vorstellungsmodell des Himmels geben. Nur eben, wie er sagt, ein dahingestammeltes. Aber auch ein gestammeltes Vorstellungsmodell bleibt nun mal ein Vorstellungsmodell. Warum beschreibt auf einmal Rahner die von einigen als „elegante Satzperiode“ empfundenen Verschwurbelungen selbst als Gestammel? Begann er am Ende seines Lebens gar, sich selber auf die Schliche zu kommen? Da, wo der Glaube an den katholischen Himmel fehlt (den Sie übrigens in jeder Barockkirche genauer studieren können als in der Theologie), bleibt nur noch als Tiefsinn getarntes „Gestammel“. Man könnte es auch als Geschwafel bezeichnen. Eine abschließende Definition Rahners: Ein zweitklassiger Heidegger-Epigone, der weniger der Tradition als eher dem Existentialismus nachgefolgt ist und, das macht sein Leben so tragisch, muss das Ergebnis dieses Weges am Ende selbst als Geschwafel oder Gestammel bezeichnen.
Aber lassen wir das. Meine Zeit, und sicher auch die ihre, ist viel zu wertvoll, als dass wir sie mit längst vergessenen Zeitgeistphänomenen der Siebziger verschwendeten. Nur müssen wir aufpassen, dass ein anthropologisch gewendetes Neuheidentum keine Proselyten macht.
Ansonsten gilt für mich mit Blick auf Rahner „De mortuis nil nisi bene“ (das ist ein lateinischer Satz, lieber Michael, den Sie nicht unbedingt verstehen brauchen, wichtig ist nur, dass die Diskussion über Rahner damit abgeschlossen ist, sie ist hier eh off-topic).
„Hyazinthen und Korallen sind sie (die huris) vergleichbar“ (55. Sure, Vers 58)
„Schwellend ihre Brüste“ (78. Sure, Verss 33)
„Als Jungfrauen sind sie geschaffen, heiß liebend“ (56. Sure, Verse 36 und 37).
Das sind keine „eleganten Satzperioden“, sondern klare, starke Hypotaxen. Hoffnungsbilder, die 95 Prozent aller Menschen auf Anhieb verstehen. Zumindest sind sie das erquickende Gegenteil jenes Todessturzes in die „ungeheuerlich schweigende Leere“, den uns Karl Rahner verheißt. Also was soll ich tun? Geschwind den Sonntag Sonntag bleiben lassen und das Freitagsgebet pflegen? Noch bin ich nicht so weit (wenngleich die Theologie der „modernen Verstehensvoraussetzungen“ daran arbeitet). Aber wir sehen, dass dort, wo die Religion noch vital ist, eine klare Sprache gesprochen und inspirierende Bilder geglaubt und erbauliche Gedanken gedacht werden. Geben wir die Hoffnung nicht auf, dass auch die Kirche nach Zeiten der existentialistischen „Todesstürze“ das wieder von Neuem lernt.
Ihr herablassender Ton ist ähnlich unerträglich wie das substanzlose (»bei genauer Lektüre«, »bei genauerer Betrachtung«) Rahner-Bashing. Es leuchtet ja ein, dass jemand, der die wiedergegebenen Passagen aus dem Koran als »klare, starke Hypotaxen« bezeichnet, mit Rahner-Texten nichts anfangen kann. Aber das muss nicht gegen Rahner sprechen. Im Übrigen wäre ein kleiner Hinweis auf Hans Conrad Zanders Buch »Warum ich unsterblich bin«, an das sich Ihre Kommentare z.T. erkennbar angelehnt haben (z.B. in der Auswahl der drei Koran-Suren, der Kritik an der Satzperiode Rahners, aber auch in manchen Formulierungen), nicht ganz unpassend gewesen. Und wenn Sie meinen, mit einem lateinischen Allerweltszitat auf einen Mit-Kommentator herabsehen zu sollen (»das ist ein lateinischer Satz, lieber Michael, den Sie nicht unbedingt verstehen brauchen«), dann sollte das wenigstens in korrekter Syntax geschehen: »… den Sie nicht unbedingt zu verstehen brauchen«.
Zurückgehend auf das Thema kann ich nicht verstehen, warum die Aussicht auf den Himmel die Hölle braucht. In einem Ihrer vorangegangenen Kommentare schreiben Sie (mit Zander), der Glaube sei etwas »ganz Archaisches … : Kein Leben ohne Tod, keine Auferstehung ohne Kreuz - und kein Himmel ohne Hölle.« Zander dekretiert, das sei »urtümlich in unser aller Seelen gesenkt«. Vielleicht meint er, man könne keine Vorstellung vom Himmel ohne eine Vorstellung von Hölle haben. Aber bedenklich wäre, wenn man Erlösung nur denken kann, wenn es zugleich Verdammte gibt.
Aber, aber. Herablassungen waren in meinem letzten Beitrag rein reaktiv. Falls Ihnen das entgangen sein sollte. Seltsamerweise bekam ich da von Ihrer Seite keine moderierende Unterstützung. Aber ich teile ja auch nicht Ihre Meinung, und habe daher keinen Bonus.
Als Quelle meiner Gedanken habe ich natürlich Zander herangezogen. Aber wird das Gesagte dadurch falsch? Ganz im Gegenteil. Viele Augenpaare sehen mehr als eins. Wir sind doch alle nur Zwerge, die auf den Schultern von Riesen stehen.
Bezüglich Ihrer grammatikalischen Korrekturen: Die Lektüre Ihres Blogs zeigt mir immer wieder, dass meine Kenntnisse der deutschen Sprache und Stilistik mindestens so gut sind wie die ihren. Doch bei freudig-erregtem Schreiben in einer Kommentarsplte, die in zehn Tagen wieder völlig vergessen sein wird, verzichte ich auf nun mal auf das Korrekturlesen und verwende hinter "brauchen" mal den falschen Infinitv. Das mag mein Fehler sein. Ihr Fehler, wenn es denn bei so hochgebildeten Menschen wie Ihnen einen solchen überhaupt geben sollte, scheint mir ganz woanders zu liegen!
Nachdem ich nun auf Ihren liebenswürdigen Umgang mit anderen Meinungen ausreichend eingegangen zu sein meine, könnte ich wieder auf die Sache eingehen. Aber in Anbetracht der epistemologischen und vor allem psychologischen Voreingenommenheiten in dieser Community hier macht das eigentlich weder Spass noch Sinn.
Daher wünsche ich Ihnen schöne Weihnachten, was auch immer die Interpretationskünste des modernen Verstehenshorizonts damit verbinden mögen.
Ich habe schon vermutet, dass Ihnen das Austeilen mehr liegt als das Einstecken. Aber dass Sie den neuen Ton nicht wahrnehmen, der mit Ihrem vorletzten Kommentar hereingekommen ist, überrascht doch etwas.
Keineswegs bezweifle ich dass Ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und Stilistik mindestens so gut sind wie die meinen, aber es ist sicher richtig, dass Sie darauf hinweisen. Nur zur Klärung: Das fehlende »zu« habe ich nur deshalb aufs Tapet gebracht, weil der Fehler in einen unsäglich oberlehrerhaften Satz eingebaut war (»das ist ein lateinischer Satz, lieber Michael, den Sie nicht unbedingt verstehen brauchen«). Und was die Anlehnung an Zander betrifft, so geht es nicht darum, dass etwas durch Anlehnung an andere falsch würde, sondern um das Gebot der Redlichkeit, die Übernahme fremder Gedanken und Formulierungen zu kennzeichnen. Und wenn es darauf ankäme, dass viele Augenpaare mehr sehen als eines, dann wäre ja gerade ausdrücklich zu machen, dass man sich auf einen anderen stützt, es also mehrere Augenpaare gibt.
Auf Ihre Meinung habe ich immer sachlich reagiert, nur nicht auf Ihren herablassenden Ton, der keineswegs »rein reaktiv« war. Der ironische Hinweis auf meinen »liebenswürdigen Umgang mit anderen Meinungen« verschiebt den Tatbestand, aber das macht es natürlich auch leichter, den anderen Voreingenommenheit vorzuwerfen und ihnen den Schwarzen Peter an einer spaß- und sinnlosen Kommunikation zuzuschieben.
Jetzt sind wir endlich da angekommen, wo ich bei Aktionen wie diesen immer hin will. Weil Sie mir irgendwie sympathisch sind, mache ich Ihnen ein kleines Geschenk: Ich verrate Ihnen etwas!
Wie Sie richtig sehen, habe ich einige Passagen aus C. Zanders Buch eingebracht. Zander schreibt, wie Sie wissen, keine wissenschaftlichen Sachbücher, sondern Satire.
Und jetzt ein kleiner Syllogismus, mal schauen, ob Sie die Conclusio erfassen!
1. Prämisse: Satire dient nicht vornehmlich des objektiven Austauschs von Meinungen, sondern der Lust an der Provokation.
2. Prämisse: Ich habe ein wenig bei Zander abgeschrieben.
Schlussfolgerung? Na? Tut sich was?
Ich weß, es ist unfair, auch menschlich nicht in Ordnung, aber es macht halt irre Spaß. Natürlich, würde ich weniger rauchen, mehr Sport treiben und öfter kochen, anstatt Fertigpizzen essen, dann hätte ich diese Form der Gaudi gar nicht nötig. Aber es ist nun mal so, wie es ist.
Vor einiger Zeit habe ich unter dem Pseudonym "Porschefahrer" bei einem Blog zum Klimawandel produktive Unruhe gestiftet. Da hatte ich zwecks Vorbereitung sogar ein Porsche-Autohaus besucht, war ziemlich aufwendig. Hier war es einfacher, da reichte die Lektüre eines Buches, das mir meine katholische Tante zu Ostern schenkte, und ein wenig Einlesen in gedrechseltes "Geisteswissenschaften"-deutsch und fertig war das fiktive Ich.
Ein Kumpel von mir gibt sich z. Zt. übrigens bei einem Veganerforum als Metgzermeister aus. Berichtet auch von einer riesen Gaudi. Aber eines habe ich bereits festgestellt: Noch weit vor den Umweltschützern erweist sich, dass die Erregungsbereitschaft bei Katholiken, egal ob progressiv oder konservativ, am größten ist. Da macht es dann am meisten Laune. Sie selber wurden erst, für religiöse Foren, recht spät persönlich. Der Mit-Kommentator Hauber schlug weniger aus der Art, der legte schon im ersten Kommentar los, im zweiten dann ging's richtig los: "Sie verstehen den Text nciht", "Das sagt mehr über sie aus", "Lesen sie mal richtig" - und das, obwohl ich bis dahin nur in der Sache, aber nicht gegenüber Mit-Kommentatoren direkt polemisch war. Na, nun mal ehrlich, aus meiner Rolle heraus gesehen waren Sie da nicht fair, das haben Sie, wie ich schon schrieb, ja einfach so stehen lassen. Aber egal, ich kam da hin, wo ich hinwollte, und gerade bei denen, die auch noch die linke Wange hinhalten sollen, ist das für mich immer ein persönlicher Spaß-, aber auch Erkenntnisgewinn.
Wissen Sie, ich bin Informatiker (mit philosophischen Interessen) und als solcher sind mir Themen wie Hölle oder Himmel realiter eher fern. Aber es fasziniert mich, wie man mit diesen Themen Leute schneller aus der Reserve locken kann als mit den meisten anderen Inhalten. Versuchen Sie mal, auf einem C++-Forum Reaktionen wie die von Herrn Hauber oder am Ende auch die ihre herauszulocken. Da müssen Sie sich schon etwas mehr Mühe machen. Allein der Gedanke, dass es mir gelungen ist, Sie oder einer Ihrer Zuarbeiter dazu zu animieren, fein säuberlich ein in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenes Zander-Buch nach Textstellen abzusuchen, die ich übernommen haben könnte, bereitet mir eine, ich muss es gestehen, diabolische Freude. Beim nochmaligen Lesen stelle ich aber fest, dass aber auch wirklich eine richtig professionelle Komposition aus Eigenem und Plagiiertem rausgekommen ist. Der Thread bekommt einen oberen Platz in meinem Archiv.
„Das gönne ich Ihnen, Sie armer Tropf“, werden Sie jetzt vielleicht erwidern wollen, „wenn Sie keine anderen Freuden haben ...“ Diese Argumentationsschiene würde es vielleicht sogar gut treffen. Sehen sie, im Job muss man funktionieren, man hat nur eine einzige Rolle, aber hier im Netz – hier ist alles möglich. Vielleicht hat es nicht zum Stiere foppenden Torero gereicht, aber zum Cyper-Punk doch allemal. Das hier ist Cyper-Kultur pur, Herr H. Hier gibt es nicht mehr die eine Identität, Projekte wie diese sind ein Zeichen dafür, dass im virtuellen Zeitalter nicht mehr das Sein, sondern im besten Fall die Virtualisierung von Sein, der Schein von Sein regiert. Hier werden wir zu fließenden Identitäten.
Habe ich Sie mit dieser Offenbarung meines Tuns beruhigt oder noch mehr provoziert? In dem Sinne, dass Sie in der Kommunikation nun Mittel zum Zweck geworden sind. Das wiederum wäre ja eine Provokation höherer Ordnung? Damit wird alles noch diabolischer. Noch virtueller. Vexierspiele ganz neuer Art. Inhaltlich gebe ich Ihrer Position recht: Die Zeiten, in denen ein „starkes Denken“ (Vattimo, ich kann natürlich auch die Quellen nennen!) möglich, war, diese Zeiten sind vorbei.
Sei’s drum. Ich versuche von diesem Fake-Trip wieder runter zu kommen. Für einige Wochen zumindest. Doch da ist so ein Kitzeln in den Fingern. Auf jeden Fall verkündet dieses ICH, das hier schreibt, nun feierlich, dass es sich, wenn der Drang wieder zu stark wird, beim nächsten Mal in einem rechtskatholischen Blog versuchen wird. Höchstwahrscheinlich als Drewermann-Schüler ...
Es ist ein skurriles Vergnügen, dem Sie sich hingeben und anders als @Martin Rödder nehme ich Ihnen die Story ab. Ich bin ja auch schon einmal einem Typen aufgesessen, der als »Stefan Mirwalt« seine Freude an provozierenden Kommentaren hat, sich dabei aber wesentlich weniger Mühe gibt als Sie.
Wenn Sie Zander für Ihr gefaktes Kommentar-Ich brauchten, konnten Sie ihn natürlich nicht zitieren, und angesichts Ihrer Zielsetzung kann Ihnen natürlich das Guttenberg-Syndrom egal sein. In einer Hinsicht muss ich Ihre Freude allerdings ein wenig trüben. »Allein der Gedanke, dass es mir gelungen ist, Sie oder einer Ihrer Zuarbeiter dazu zu animieren, fein säuberlich ein in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenes Zander-Buch nach Textstellen abzusuchen, die ich übernommen haben könnte, bereitet mir eine, ich muss es gestehen, diabolische Freude«. Zunächst einmal: Ich habe keine Zuarbeiter, sondern mache das in diesem Blog alleine. Aber viel erstaunlicher angesichts Ihres Berufs ist die Tatsache, dass Sie meinen, ich hätte ein Buch mühsam abgesucht. Nein, ich habe einfach eine der von Ihnen zitierten Suren bei Google eingegeben, und bin bei Zanders Buch herausgekommen (google-books, nur ausschnittsweise wiedergegeben). Dass Ihre ganze Identität ein Fake ist, hätte ich allerdings nach diesem Fund nicht für möglich gehalten. Denn Sie haben allein den Rahner-Verriss übernommen, während Zander auch Gerhard Ludwig Müller durch den Kakao zieht. In diesem Punkt haben Sie Ihre Rolle wirklich gut gespielt – entweder durch Zufall oder weil Sie das katholische Milieu besser kennen als Sie zugeben.
In einem Punkt bleibe ich aber hartnäckig. Da Sie es darauf anlegen, zu persönlichen Angriffen zu provozieren, nehmen Sie diese offensichtlich schon in geringer Dosierung wahr. Was Matthias Hauber geschrieben hat, und was Sie als persönlichen Angriff werten, ist doch harmlos. Da habe ich hier schon ganz andere Dinge ertragen. Ich bleibe dabei: Sie müssen die Empörung schon kräftig aufpumpen, damit sie eine relevante Größe erreicht. Und um mich zu einer Replik zu provozieren, haben Sie dann viel kräftiger auf den Sack gehauen und behauptet, Sie seien vorher angegriffen worden. Dieses Spiel finde ich nicht ganz fair.
Ansonsten gönne ich Ihnen tatsächlich Ihre Freude, die Hersteller von Fertigpizza sollen auch leben können. Nur bin ich ein wenig enttäuscht über die Einfallslosigkeit, sich als »Anonymus« gemeldet zu haben, wenn es andernorts der »Porschefahrer« bei den Klimaschützern oder der »Metzgermeister« bei den Veganern ist. Für die Zukunft schlage ich Ihnen vor: Cappa Magna, Bußgürtel oder Mundkommunion bzw. wenn Sie sich der anderen Seite des Spektrums widmen wollen: Wiederverheirateter Geschiedener, Kamphaus-Fan oder Zeit-Geist.
Vielen Dank für Ihren Tipp mit den Pseudonymen, wenngleich der "Kamphaus-Fan" bei der Gegenseite zu wenig provokantes Potential hat.
Dass mit google-books haben Sie wirklich geshickt hingekiegt. Die Welt des Virtuellen ist doch unberechenbar. Punkt an Sie!
Ein Punkt wiederum geht an mich, insofern ich es geschafft habe, Sie so zur Weißglut zu bringen, dass Sie die Sachebene doch gelegentlich verlassen verlassen haben. Zumindest waren Ihre Argumente am Schluss schon ein wenig auf meine Person, weniger auf die Behauptungen bezogen, während es mir gelang, wenn Sie mal von dem lateinischen Satz absehen, nicht härter augeteilen zu haben als Herr Haubner. Zumindest habe ich mit den Focus erst dann auf die PErson gelegt, als er gleich in dem 2. Kommentar das Feld eröffnete(O-Ton:"das sagt mehr über Sie aus". Aber die katholischen Empfindlichkeiten konnte ich schon auf der Sachebene ganz schnell, nach dem zweiten Zug, zum Kochen bringen. Bingo!
Klar weiß ich einiges über das katholische Milieu. Auf diese Art verarbeite ich vielleicht die Traumata einer katholischen Erziehung. Das hier hat also einen größeren KAtharsis-Effekt, als wenn ich auf Atheistenblogs mit den Wölfen mitheulte. Insofern bieten Sie auf ganz aparte Art mit Ihrem Blog auch Lebenshilfe. Sie sehen, es läuft auf ein versöhnliches Ende hinaus.
Aber Achtung: Ein skurriles Vergnügen wie die Lust an der Provokation vergeht auch irgendwann. Vielleicht gebe ich mich dann mal auf einer Seite wie dem "Kirchenvolksbehren" als "wiederverheirateter Geschiedener" - oder hier als "Exegese-Fan" aus und genieße es, einfach im Strom mitzuschwimmen und die Harmonie zu genießen. Ob Sie sich dann auch die Mühe machen, meine kenntnissugerierenden Guttenbergaktionen zu dechiffrieren? Es bleibt spannend.
Es grüßt abschließend
bisher Anonymus, evtl. Exegese-oder Rahner Fan in spe
Übrigens, ingesamt: Chapeau, Herr Professor Häfner! Ich lese immer wieder gern Ihre homepage! Dass ich mich jetzt mal zu Wort gemeldet hatte, lag an der eigenen Begeisterung für Rahner und an einer großen Wut, die ich nicht mehr zurückhalten konnte bei so unsachlichem Rahnerbashing!
ich weiß nicht, ob die Kommentare zu diesem Artikel noch gelesen werden. Ich habe ihn leider erst gerade entdeckt und möchte trotzdem kurz etwas anmerken. Denn die Art und Weise, wie Sie dieses Thema behandeln, erstaunt mich doch sehr.
Ihrem Text entnehme ich zwei Aussagen: (1) Inhaltlich widersprechen Sie nur beschränkt. Auch Sie gehen von der Möglichkeit aus, das eigene Heil zu verspielen. Sie wollen darüber aber nicht reden, weil es keinen eindeutigen Gerichtsmaßstab gibt. Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich Sie falsch verstanden habe. (2) Die Sehnsucht nach der Höllenpredigt führen Sie auf Besitzstandswahrungsbedürfnisse der Frommen zurück. Victoria gehe es nur darum, den Himmel nicht mit den Sündern teilen zu müssen. Sie möchte dem verlorenen Sohn das Festmahl vorenthalten.
Den ersten Teil finde ich zwar nicht besonders überzeugend, kann aber damit leben, dass man das so sieht. Die zweite Aussage allerdings ist, mit Verlaub, fast schon unverschämt. Nirgends in ihrem Text schreibt die Autorin etwas, das einen solchen Vorwurf nahelegen könnte. Was Sie da tun ist eine bewährte Methode, den eigenen Standpunkt dadurch zu stärken, dass man der abweichenden Sicht schwache Aussagen unterstellt. Fair ist sie nicht.
Leute wie Vitoria beklagten nicht, dass der verlorene Sohn ein Festmahl bekommt. Sie beklagen im Gegenteil, dass die Kirche ihre verlorenen Söhne nicht mehr zum Festmahl zurückruft. Es geht gerade nicht darum, jemanden auszuschließen und in die Hölle zu schicken. Es geht darum, die Menschen vor der Hölle zu bewahren, indem man ihnen klarmacht, dass es im Hause des Vaters schöner ist als in der Ferne. Gerade weil wir alle hoffen, dass die Hölle leer ist, und wollen, dass das auch so bleibt, müssen wir darüber sprechen.
Das Abdriften Ihres Textes in dieses ad hominem Strohmannargument hätten Sie vermeiden können, wenn Sie an einer anderen Stelle weitergedacht hätten. Sie schreiben weiter oben „Warum ihr aber etwas fehlt und sie die »panische Angst« von Priestern beklagt, »die letzten Dinge anzusprechen, Worte wie 'Hölle' oder 'Fegefeuer' auch nur in den Mund zu nehmen«, erschließt sich deshalb noch nicht.“
Es ist schade, dass sich Ihnen das nicht erschließt, aber das müsste ja nicht so bleiben. Statt die Wünsche anderer als Selbstgerechtigkeit der Frommen abzubügeln, könnten Sie sich oder Betroffene ja einfach mal fragen, was jungen Menschen wie Victoria fehlt. Warum ihre Sehnsucht nach Gott von den üblichen Sonntagspredigten nicht gestillt wird. Wäre das wirklich zu viel verlangt?
Herr Professor Häfner, ich verstehe Sie nicht. Sie sind katholischer Theologe. Ich unterstelle, dass die Kirche für Sie mehr als ein Arbeitgeber ist. Sie müssten doch eigentlich vor Freude an die Decke springen, wenn zwanzigjährige Menschen sich noch ernsthaft für die Kirche interessieren und Gott suchen. Wenn Studentinnen sich nicht für ihren Glauben schämen, sondern mit ihren Kommilitonen über Gott sprechen. Und es müsste Sie doch schmerzen festzustellen, dass gerade diese „motivierten“ Christen sich in der Amtskirche heute alleine gelassen und verloren fühlen.
Nicht?
Zu Ihrem ersten Punkt: Ich halte angesichts des neutestamentlichen Befundes die Aussage für schwierig, die Hölle sei für »jene bestimmt ..., die bis zum Ende ihres Lebens sich weigern, zu glauben und sich zu bekehren«. Hier wird eine Eindeutigkeit behauptet, die aufgrund des uneinheitlichen Gerichtsmaßstabs, der z.T. fehlenden »Höllenvorstellung« sowie der sprachlichen Intention der Mahnung in Gerichtsaussagen nicht besteht. Da Sie offensichtlich die Hoffnung teilen, dass die Hölle leer ist, müssten Sie den zitierten Satz aus dem Katechismus ebenfalls relativieren, denn angesichts der bisherigen Menschheitsgeschichte scheint mir ausgeschlossen, dass Glaube und Bekehrung universal verwirklicht worden wären. In dem kritisierten Text sah ich zudem in dem Vergleich mit der Straßenverkehrsordnung einen Hinweis darauf, dass die Autorin in der schlichten Zuordnung von Gebotsübertretung und Strafe und damit im Rahmen eines eindeutigen Gerichtsmaßstabs denkt. Dass ich nicht über das Gericht reden wolle, trifft so nicht zu; aber ich meine, dass die Drohung mit dem Gericht in der kirchlichen Verkündigung der Vergangenheit das Evangelium genug verdunkelt hat. Sicher bleibt das Problem, wie Gnade und Gerechtigkeit zusammengehen können – die große Frage an die Alleversöhnungsvorstellung. Aber wenn Kardinal Marx in einer Familienkatechese den Verzicht auf die Höllenpredigt einfordert, verdient er dafür keine Kritik.
Zu Ihrem zweiten Punkt: Da haben Sie etwas missverstanden. Ich unterstelle der von mir kritisierten Position nicht, es ginge ihr »nur darum, den Himmel nicht mit den Sündern teilen zu müssen«. Der Einspruch, auf den die Verkündigung Jesu vom zuvorkommend gütigen Gott traf, ist ein ernstzunehmender Einspruch. So hieß es in dem Beitrag: »Die Vergebungsbotschaft Jesu ist anstößig, und wer sich an ihr reibt, hat vielleicht mehr von ihr verstanden als diejenigen, die sie problemlos akzeptieren«. Ich unterstelle niemandem, den Himmel nicht mit den Sündern teilen zu wollen und bügle keine Selbsgerechtigkeit der Frommen ab. Man kann ja auch den Protest des älteren Sohnes und der Arbeiter der ersten Stunde nicht als grundlos beiseite schieben. Es geht um die Frage, ob der Gott noch gerecht ist, der Sünde und Fromme gleich behandelt.Das ist eine sehr ernste Frage, aber ich meine, dass es zur Verkündigung des Evangeliums gehört, den anstößigen Impuls Jesu zu bewahren.
Sie schreiben, ich könnte mich »einfach mal fragen, was jungen Menschen wie Victoria fehlt. Warum ihre Sehnsucht nach Gott von den üblichen Sonntagspredigten nicht gestillt wird«. Ich wüsste nicht, wie ich diese Frage beantworten könnte, vor allem sehe ich nicht, wie die Sehnsucht nach Gott ausgerechnet durch Höllenpredigt gestillt werden sollte. Dass »zwanzigjährige Menschen sich noch ernsthaft für die Kirche interessieren und Gott suchen«, ist tatsächlich eine Grund zur Freude. Wenn sie aber meinen, mit Berufung auf eine angebliche Katechismus-Eindeutigkeit einem Bischof öffentlich die Ohren lang ziehen zu müssen, dann macht mir das eher Angst. Ich erlebe es gerade, wie schnell solch unerleuchtete Haltung dazu führt, andere als Häretiker darzustellen.
Zunächst einmal vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit Ihrem ersten Punkt habe ich, wie gesagt, gar nicht so viele Probleme. Ich habe ja auch nicht behauptet, dass ich Victoria in allem inhaltlich völlig zustimme. Ich meine aber schon, dass man die Kirche nicht auf die Verkündung reduzieren darf. Die Kirche hat nach meinem Verständnis nicht nur den Auftrag zu sagen, dass es ein Heil gibt, sondern auch den Auftrag, die Schafe dort hin zu führen. Und dazu ist eine irgendwie geartete Vorstellung vom Heilsweg erforderlich.
Sicher wäre es eine Anmaßung, angesichts der Frage, über die wir sprechen, einen konkreten Fahrplan vorzulegen oder konkrete Vorhersagen zu machen (nach dem Motto: tust du X, kommst du in den Himmel, tust du Y, kommst du in die Hölle). So funktioniert es sicher nicht. Ich bestreite auch nicht, dass es in der Geschichte der Kirche Zeiten gegeben hat, in denen viel in dieser Richtung schief gelaufen ist. Ich meine aber, dass wir das Heil durch die Führung und Leitung in der Gemeinschaft der Kirche erwarten dürfen, zum Beispiel durch das Vorbild unserer Heiligen.
Das heißt nicht zwingend, dass wir alle anderen ausschließen müssen, aber wir müssen auch nicht in anything goes abdriften. Und bei vielen, was man heutzutage von Seiten kirchlicher Amtsträger hört, scheint ein gewisses anything goes Denken durch. Natürlich muss nicht jeden Sonntag von der Hölle gepredigt werden, und evtl. ist es auch eine Familienkatechese nicht der richtige Ort. Aber ein Verhältnis von 1 zu 9 fände ich schon angemessen.
Und das ist letztlich auch der Punkt, den meiner Erfahrung nach eben gerade junge Menschen an der Kirche vermissen:
Junge Menschen haben naturgemäß einen Hang zum Idealismus. Wenn sie sich entscheiden, Christ zu werden, dann wollen sie keine halben Sachen (Ich zB habe diese Entscheidung recht spät, mit etwa 20 getroffen). Und was man in der Sonntagspredigt hört, hinterlässt oft den Eindruck halber Sachen. Wenn man ein Evangelium hört und danach der Pfarrer behauptet, dass Jesus das ja alles gar nicht so gemeint hat und wir uns keine Sorgen machen müssen, kommt man sich irgendwie seltsam vor. Und das passiert leider recht häufig. Um Ihnen ein konkretes Beispiel (leider kein biblisches, aber ich hab es eben gerade so im Kopf) zu nennen: Letztes Jahr an Christkönig wurde uns in der Predigt gesagt, dass dieses triumphalistische Bild von Jesus als König ja total out sei. Stattdessen seien wir ja alle Könige, wenn – ja wenn – wir nur den Armen helfen. „Königlich geben“ war das Motto. Nun habe ich sicher nichts gegen caritative Aktionen. Aber Christkönig fand ich immer schön als Tag, an dem wir gefeiert haben, dass eben nicht der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank der letztlich Tonangebende ist, sondern dass da ein König auf uns wartet, der alles überragt. Welch eine hoffnungsfrohe Botschaft! Aber davon will man bei mir in der Gemeinde nichts mehr hören.
Und das bringt mich zum Hauptpunkt: „Die Sehnsucht nach der Höllenpredigt“, wie Sie es nennen, ist letztlich eine Sehnsucht nach der Himmelspredigt. Ich kann mich in den letzten 5 Jahren genau an eine Predigt erinnern, die das Jenseits thematisierte. Der Rest hatte entweder den Charakter eines Kindergottesdiensts (wir haben uns alle lieb und kauft später bitte noch etwas fair-trade-Zeug) oder den Charakter einer Selbstfindungsgruppe für Menschen in den Wechseljahren („Jesus lädt uns ein, Mensch zu werden“). Ich fühle mich von sowas weder menschlich gefordert noch ernst genommen. Ich möchte in der Tat etwas über die göttliche Herrlichkeit hören; über Auferstehung und Engel. Über etwas Großes und Schönes, worüber und worauf ich mich freuen kann. Eben über unsere Hoffnung auf das Himmelreich.
Ich meine, es ist ein Unterschied, ob ich jemandem unterstelle, einem anderen etwas nicht zu gönnen, oder ob es um die Frage der Gerechtigkeit Gottes geht. Das eine wäre ein etwas niederes Motiv, das andere benennt ein ernstes Problem. Ich wollte eigentlich in dem von Ihnen monierten Sachverhalt andeuten, dass ein solcher Widerspruch gegen den zuvorkommend gütigen Gott nicht als oberflächlich abgebügelt werden kann; dass wir uns aber der Herausforderung stellen müssen, wie es auch vom älteren Sohn im berühmten Gleichnis verlangt wird.
Der Idealismus und die Radikalität junger Menschen ist sicher ein hohes Gut, aber mein Problem ist, dass dies in eine falsche Richtung gelenkt erscheint, wenn eine Zwanzigjährige meint, sie müsse auf die Pressemeldung über die Katechese eines Bischofs öffentlich reagieren und ihm den Katechismus erklären. Ich bin, um das Mindeste zu sagen, nicht glücklich über diesen Zug zur satzhaften Eindeutigkeit, den Hang, mit dem Rekurs auf die Lehre der Kirche die Komplexität des Lebens hinter sich lassen zu können. Vieles in Theologie und Kirche ist komplizierter, als es sich in Katechismus-Nummern ausdrücken lässt.
Was Ihre Predigterfahrungen betrifft, so kann die Zurückhaltung, über das Jenseits zu sprechen, heute auch darin begründet sein, dass man früher zu viel über das Jenseits wusste. Wenn jemand hier detaillierte Auskunft gibt, ist das nicht unproblematisch (mir wurde von einer kürzlich gehaltenen Predigt erzählt, in der versprochen wurde, dass in der Zeit, in der man bestimmte Gebete spräche, die Qualen der Seelen im Fegfeuer gelindert würden). Und grundsätzlich ist es sicher nicht falsch, die Bedeutung des Evangeliums in diesem Leben zu entfalten. Wenn dies in die Banalität abgleitet, ist das natürlich bedauerlich, entwertet aber die genannte Ausrichtung nicht grundsätzlich.
Lassen Sie uns nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und einen misstrauischen Generationenkonflikt anzetteln. Versuchen wir uns gegenseitig zu verstehen. Dazu ist aber notwendig, dass Ihre Generation mal anerkennt, dass ihre Kinder unter anderen Vorzeichen aufgewachsen sind. Wo Sie mit der Enge klarer Normen gekämpft haben, war bei uns die Leere die antiauthoritären Scheissegal-Gesellschaft. Wo Sie Verkrustungen aufgebrochen haben, suchen wir nach klaren Strukturen und Orientierung. Sie haben Recht, das Leben ist komplex und es war vielleicht nie so komplex wie heute mit all der Freiheit und den Möglichkeiten. Vielleicht aber gerade deshalb die Sehnsucht nach der Klarheit des Katechismus. Das Problem lösen Sie aber nicht, indem Sie es kritisieren, sondern in dem Sie darauf eingehen.
Die grds Denkrichtung der Diesseitspredigt, halte ich aus denselben Gründen für falsch. Ob es in der Vergangenheit zu viel von etwas gab, ändert an der Gegenwart nichts. Ein Hauptproblem der Gegenwart sehe ich darin, dass die Menschen ohne Jenseitsbezug leben. All die verzweifelten Glücksratgeber, alle die deprimierten Leute, die hektisch ihre todo Liste des Lebens abhaken. Damit alles erledigt ist, bevor alles zu Ende ist. Du hast ca 80 Jahre, its my life, jetzt mach was draus. Eine furchtbare Vorstellung.
Nein, glücklich in Diesseits kann man nur leben, wenn man auch das Jensseits hat.