Sonntagsevangelium (153)

33. Sonntag im Jahreskreis (A): Mt 25,14-30 (oder 25,14-15.19-21)

Das Gleichnis vom anvertrauten Geld ist in zwei sehr unterschiedlichen Fassungen überliefert (s.a. Lk 19,11-27). Sie gehen so weit auseinander, dass fraglich ist, ob Matthäus und Lukas dieselbe Vorlage benutzt haben, sie also auf einen Text der ihnen gemeinsamen Spruchquelle (Q) zurückgreifen konnten. Möglich ist auch, dass sie verschiedene Versionen aus der mündlichen Überlieferung aufgenommen haben.

Vergleicht man beide Fassungen bei der Suche nach der ursprünglichen Gestalt, ist keine eindeutig zu favorisieren. Sekundäre Merkmale begegnen sowohl bei Matthäus als auch bei Lukas (vgl. Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Bd. III, Neukirchen-Vluyn/Ostfildern 1997, 496f). So dürfte im dritten Evangelium die Einbettung in ein machtpolitisches Szenario (mit Anspielungen auf die Geschichte des Herodessohns Archelaos) ein späteres Element sein. Matthäus dagegen bietet wohl eine nachträglich erhöhte Geldsumme; die Rede vom »Eingehen in die Freude deines Herrn« (25,21.23) passt besonders zum Kontext der Endzeitrede und zum Gerichtsbild in 25,30 – beides findet sich bei Lukas nicht und gehört deshalb wahrscheinlich nicht zum Grundbestand des Gleichnisses. Dasselbe Urteil trifft wohl auch für das Wort in 25,29 zu (par Lk 19,26: »Wer hat, dem wird gegeben ...«). Es ist auch in anderen Zusammenhängen belegt und fügt sich nicht glatt an das Gleichnis, in dem es in erster Linie nicht um das Haben geht.

Der Herr im Gleichnis, der sein Geld seinen Sklaven überlässt, damit sie es vermehren, ist eine ambivalente Figur (besonders deutlich in der lukanischen Fassung). Der dritte Knecht rechtfertigt sich damit, dass der Herr hart sei und seinen Besitz ohne Arbeit vermehre (er »erntet dort, wo er nicht gesät hat«: vielleicht eine Anspielung auf Finanzgeschäfte). Der Herr widerspricht ihm darin nicht, sondern wirft ihm nur vor, aus dem Wissen um seinen Charakter nicht die richtigen Konsequenzen gezogen zu haben. Mehr hat der Herr von ihm erwartet als das Geld nur zu sichern. Der Fehler des Knechtes liegt nicht allein in der Untätigkeit, sondern in deren Motiv: Aus Angst vor dem Herrn hat er das Geld vergraben. Er hat das Risiko gescheut, die gegebene Chance aber hätte mutig genutzt werden müssen, ohne Furcht vor Versagen.

Wenn man versucht, das so zugespitzte Gleichnis in die Botschaft Jesu einzuordnen, bietet sich vielleicht am ehesten das Gleichnis vom ungerechten Verwalter als Parallele an (Lk 16,1-8, s. dazu hier). Auch dort geht es um einen Aufruf zu entschlossenem Handeln. Die Hörer des Gleichnisses sollen (wie der ungerechte Verwalter im Gleichnis) ihre gegenwärtige Lage erkennen und daraus die Konsequenzen ziehen. Diese Lage ist durch den Anbruch der Gottesherrschaft gekennzeichnet. Die Chance, die sich angesichts der eingeläuteten Wende zur endzeitlichen Rettung bietet, soll ergriffen werden.

Beide Gleichnisse sind auch dadurch miteinander verbunden, dass in ihnen moralisch fragwürdige Figuren auftreten: der vorbildlich handelnde Knecht, der Schuldscheine fälscht (Lk 16,8) bzw. der etwas zwielichtig bleibende Herr, dem es um die Mehrung seines Reichtums mit allen Mitteln geht. Dass dieser Herr im ursprünglichen Gleichnis die Stelle Gottes vertritt, scheint deshalb fraglich. Es kommt wohl nur auf den Handlungsimpuls an: Die Hörer des Gleichnisses sollen nicht aus Furcht vor dem Scheitern die sich in der Verkündigung vom Reich Gottes bietende Chance ungenutzt verstreichen lassen. Vielleicht liegt dem Einsatz von Negativzügen in der Figur des Herrn der Schluss vom Geringeren auf das Größere zugrunde: Wenn schon angesichts eines solchen Herrn die Furcht vor dem Versagen falsch ist, um wieviel mehr muss dies dann im Verhältnis zum von Jesus verkündeten Gott gelten.

Matthäus hat das Gleichnis in die Endzeitrede eingeordnet und dadurch neu gedeutet. In diesem Rahmen ist es auf Wiederkunft Christi und Gericht zu beziehen. Die Glaubenden sollen sich wiederentdecken in der Situation der Knechte, denen der Herr vor seinem Weggang unterschiedliche Geldsummen hinterlässt. Dies klärt sich im Verlauf der Geschichte auch dadurch, dass die Bildwelt aus dem Finanz- und Geschäftswesen gesprengt wird. Die guten Knechte »gehen ein in die Freude ihres Herrn« (25,21.23), der schlechte wird »hinausgeworfen in die äußerste Finsternis« (25,30) – damit wird deutlich auf das Urteil im Endgericht angespielt.

Der Herr ist also Christus; er wird die Glaubenden danach richten, wie sie der ihnen übertragenen Verantwortung gerecht geworden sind. Sie werden nicht überfordert, jeder erhält nach seiner Fähigkeit (25,15). Dass sich der dritte Knecht auf die Strenge des Herrn beruft (25,24f), ist deshalb für Matthäus nur eine Ausrede (im ursprünglichen Gleichnis blieb das zumindest offen). Wenn der Fehler dieses Knechtes darin liegt, dass er nichts aus den ihm anvertrauten Gaben macht, klingt deutlich das für Matthäus so wichtige Thema an: Die Glaubenden müssen den Worten Jesu entsprechend handeln. Nach diversen Anspielungen auf dieses Thema wird es im letzten Abschnitt der Endzeitrede ausdrücklich entfaltet (25,31-46).

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

ich mir liegt es fern, Sie auf penetrante Weise zur Vernunft bekehren zu wollen, die in der Geschichte in der Person (menschlichen Rolle/Aufgabe) als Jesus (Josua) Fleisch (Lehre, Leben) wurde. Die nicht nur nachweislich am Anfang des Monotheismus galt und in der Antike das Thema der Theologie/Christologie war. Sondern die heute neu wissenschaftlich zu definieren wäre, um mündige Menschen in schöpferische Verant-wort-ung zu nehmen, zu einer auf gemeinsame Zukunft ausgerichteten Vernunft zu bringen.

Aber was sagt die zur Zeitenwende geltende Weisheit, die nach Ihrer Deutung als Logien-Quelle Lieferant des heutigen Textes war (Spruchquelle, bei der es mit absoluter Sicherheit nicht um die aufnotierten Weisheiten eines Wandergurus ging), zu einem Knecht im Weinberg des Herrn, der das Vermögen von 10 Pfunden hätte und die im Boden vergräbt?



Gerhard Mentzel hat gesagt…
Entschuldigung,

aber auch der heutige Text macht doch wieder mehr als deutlich, wie auch die später mit Matthäus oder Lukas überschriebenen Denker in ihren Evangelien nicht die schlauen Sprüche dessen aufgezeichnet haben, der heute als historisch wie selbstverständlich vorausgesetzt wird. Mir ist klar, dass ich mit meiner Sichtweise völlig von der heutigen Hypothese der Hochschullehre abweiche. Doch wenn Sie auf die Logienquelle verweisen, dann zeigen Sie doch selbst, wie die Weisheit der Zeit in der Person (Rolle/Aufgabe) dessen zur Sprache gebracht wurde, der in der Geschichte Jesus war. Da stand doch keiner hinter einer Mauer und die Reden eines jungen Guru heimlich mitgeschnitten. Um den geht es auch dem mit Matthäus bezeichneten Theologen so wenig, wie allen anderen damaligen Denkern.

Heute wissen wir doch, wie nicht nur die jüdischen Weisheitslehren von einem ganzheitlichen Weltverständnis als Gesamtschöpfung ausgingen, der der Mensch verantwortlich war. Noch deutlicher mache ich mir das gerade in den verschiedenen griechischen Lehren zur Zeit Jesus bewusst, die das nun in Vernunft erklärte Weltgeschehen als "eine" einheitliche göttliche/Schöpfung verstanden und in ihren philosophisch-theologishen Utopien diese Natur auf menschlich-kulturelle Weise verwirklichen suchten.

Wer sich das antike Geschehen vor Augen führt, dem wird nicht nur klar, wie absurd es ist, weiter in Jesus nur einen Wanderguru sehen zu wollen, sondern warum die Zeit reif war für die reale Zeitenwende, den Wandel von Göttergeschichten zum bildlosen jüdischen Monotheismus war. Warum allein philosophische Weiseitslehren, wie wir sie bei Marc Aurel & Co. lesen eine blutleere Utopie mussten und warum aber auch die chrlistliche Lehre genau die Gestalten/Bilder brauchte, die wir aus der Geschichte kennen.





Gerhard Mentzel hat gesagt…
Entschuldigung auch,

wenn ich hier lästig werde, weil ich ständig verzweifelt danach rufe, dass Denker, denen das Vermögen/die Pfunde bzw. das Wissen um Geschichte der Weisheitslehren, wie die Bedeutungsinhalte der christlichen Lehre gegeben sind, nicht weiter wie selbstverständlich nur z.B. einen Wanderkyniker (Zyniker, zurück zur Natur) voraussetzen.

Vielmehr nach der Vernunft fragen, die nicht nur den griechischen Lehren zugrunde lag, sich aus ganz natürlicher Schöpfung ergab und dabei den Mehrwert, die Vernunft der christlichen Lehre darlegen, die so heute auf völlig neue Weise zu definieren, der in Jesus Geschichte gewordene Grund neu zu vergegenwärtigen wäre.

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