Sonntagsevangelium (113)

3. Sonntag im Jahreskreis (A): Mt 4,12-23 (oder 4,12-17)

Die Erzählung vom Umzug Jesu nach Kafarnaum, allein im Matthäus-Evangelium überliefert und an die Versuchungsgeschichte angeschlossen, nennt als Impuls für Jesu Handeln die Gefangennahme des Täufers. Diese wird mit passionstheologischen Obertönen formuliert: Johannes wurde überliefert (4,12) – mit diesem Wort wird auch die Passion Jesu bezeichnet (s. z.B. 20,18). Es wird also angedeutet, dass der Täufer Vorläufer Jesu auch in seinem gewaltsamen Todesgeschick ist (s. 17,12f).

Die Formulierung der Umzugsnotiz ist parallel zum Umzugs Josefs nach Nazaret gestaltet. Erzählt wird jeweils (1) die Übersiedlung an einen anderen Ort (von Betlehem nach Nazaret/von Nazaret nach Kafarnaum), (2) dieser Umzug wird als Erfüllungsgeschehen gekennzeichnet, ehe (3) eine summarische Notiz zur Reich-Gottes-Verkündigung folgt (2,22-3,2 / 4,12-17). Ein genauer Vergleich ergibt auch erhebliche wörtliche Übereinstimmungen. Der Effekt dieser Darstellung: Das nun folgende öffentliche Wirken wird bei Matthäus einer eigenen Phase im Leben Jesu zugeordnet – abgesetzt vom (vorbereitenden) Auftreten Johannes des Täufers, das in die Zeit gehört, in der Jesus in Nazaret wohnt.

Die Art und Weise, wie der neue Wohnort Jesu umschrieben wird, ist ganz am folgenden Erfüllungszitat orientiert: Er liegt »am Meer« (gemeint ist der See Gennesaret), im Gebiet der Stämme »Sebulon und Naftali« (4,13). Vor allem diese zweite Bestimmung fällt auf, denn Kafarnaum liegt nicht im Gebiet beider Stämme, sondern allein in dem von Naftali. Diese sachliche Unstimmigkeit erklärt sich aus der Nennung beider Stämme im folgenden Zitat aus dem Jesaja-Buch (Jes 8,23-9,1). Matthäus geht es darum, Schriftwort und Rahmenerzählung zu verzahnen. 

Nicht alle Aussagen des Zitats sind für das Matthäus-Evangelium vom selben Gewicht. Widerhall findet im Gesamtwerk in erster Linie die Wendung »Galiläa der Heiden«. Galiläa ist auch bei Matthäus das hauptsächliche Wirkungsgebiet Jesu. Vor seinem Zug nach Jerusalem, der ihn nach Judäa führt (19,1), verlässt er es nur kurzzeitig. Das Licht, das in Galiläa aufgeht, ist ein Vorverweis auf Weg und Wirken Jesu im Ganzen. Die Wendung »Galiläa der Heiden« soll nicht besagen, dass Galiläa zur Zeit Jesu überwiegend von Heiden besiedelt wäre. Jesus wirkt höchstens ausnahmsweise unter Heiden (in Galiläa nur im Zusammenhang der Geschichte vom Hauptmann von Kafarnaum: 8,5-13). Außerdem sagt Jesus gerade im Matthäus-Evangelium ausdrücklich, dass er nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt sei (15,24; s.a. 10,5f). Deshalb erklärt sich der Bezug auf das »Galiläa der Heiden« nur als theologische Vorwegnahme – als Vorgriff auf die Bedeutung der Sendung Jesu, wie sie vom Ganzen des Wegs Jesu her einsichtig wird: Der Auferweckte wird seine Jünger zu allen Völkern senden (28,19).

Die Licht-Metaphorik spielt sonst im Matthäus-Evangelium kaum eine Rolle; am deutlichsten kommt sie im Zusammenhang mit den Jüngern zum Tragen die als »Licht der Welt« bezeichnet werden (5,14-16). Sie verdankt sich allein der vorgegebenen Formulierung aus dem Jesaja-Textt und wird vom Evangelisten im Folgenden nicht weiter ausgewertet. Ihm genügt die positive Assoziation, die mit der bildhaften Rede vom Licht verbunden ist.

Matthäus greift das Schriftwort Jes 8,23-9,1 auf, weil er mit ihm am Ende der »Vorgeschichte« noch einmal grundsätzlich die Bedeutung Jesu ausdrücken kann. Ehe Jesus als Verkünder auftritt, wird er mithilfe der Schrift heilsgeschichtlich eingeordnet: als Immanuel (1,23), als Sohn Gottes (2,15), als Nazoräer (2,23) und als Licht für das Volk in der Finsternis, das »Galiläa der Heiden« (4,14-16). Das letzte Erfüllungszitat der Vorgeschichte legt (wie auch das erste) den Ton allerdings nicht allein auf die Würde Jesu, sondern auch auf seine Bedeutung für die Menschen. 

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