Sonntagsevangelium (112)

2. Sonntag im Jahreskreis (A): Joh 1,29-34

Bereits im Prolog des Johannes-Evangeliums wird der Täufer als Zeuge für Jesus präsentiert (1,7.15). Deutlich ist dabei die Tendenz, den Täufer Jesus unterzuordnen. Ausdrücklich wird gesagt, er sei nicht das Licht (1,8); das »Zeugnis des Johannes«, mit dem die eigentliche Erzählung beginnt, besteht entsprechend zunächst darin, dass Johannes sagt, dass er nicht der Messias ist (1,19f). Dem Täufer kommt keine selbständige Bedeutung zu, seine Rolle bestimmt sich ganz aus der Zuordnung zu Jesus. Dies ist im Johannes-Evangelium so konsequent durchgeführt, dass der Täufer selbst das Zitat aus Jes 40,3 auf sich anwendet (»ich bin die Stimme eines Rufenden in der Wüste«: 1,23).

In der zweiten Erzählsequenz (1,29-34) verwirklicht sich dann nach dieser aufwendigen Vorbereitung des Zeugnis des Johannes. In der Szene treten nur zwei Figuren auf: Johannes und Jesus. Jesus spielt eine ganz passive Rolle: Er ist nur einmal namentlich genannt, als Objekt des Sehens (1,29), sein Part ist ausschließlich das Kommen. Als Inhalt der Rede des Johannes bleibt er aber im ganzen Abschnitt präsent. Auch alles, was Johannes über sich sagt, steht in Beziehung zu Jesus: Ich kannte ihn nicht (1,33a); damit er offenbar würde, bin ich gekommen und taufe mit Wasser (1,31b); ich sah den Geist auf ihn herabkommen (1,32b); Gott gibt Johannes den entscheidenden Hinweis auf die Identität Jesu (1,33b). Dass keine Hörer in der Szene genannt werden (trotz des »siehe« in 1,29), unterstreicht, dass es um eine grundsätzliche Aussage über die Bedeutung Jesu geht.


Der Abschnitt besteht fast nur aus Täuferworten. Diese werden aber an einer Stelle durch die knappe Bemerkung des Erzählers unterbrochen, dass Johannes Zeugnis abgelegt hat (1,32). Dies ist für das Verständnis der Szene nicht nebensächlich. Denn nun folgt der Bezug auf einen Vorgang, der in den synoptischen Evangelien mit der Himmelsöffnung nach der Taufe Jesu verbunden ist: Der Geist kommt wie eine Taube auf Jesus herab (1,33), Jesus wird als Gottes Sohn bezeichnet (1,34). Dies könnte die Annahme nahelegen, dass der Täufer hier auf die Taufe Jesu zurückblickt, zumal er über ein vergangenes Geschehen spricht: »Ich habe den Geist wie ein Taube aus dem Himmel auf ihn herabsteigen sehen«. Setzt der Evangelist also die Taufe Jesu durch Johannes voraus, ohne sie als Vorgang mitzuteilen?

Beachtet man die genannte Zäsur durch den Erzähler, legt sich eine andere Folgerung nahe. Aufgrund des Einschnitts sind die Worte ab 1,32 von der vorherigen Szene der Begegnung mit Jesus abgesetzt. Und so wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Täufer über das berichten kann, was er mit Jesus »erlebt« hat. Als er Jesus auf sich zukommen sah (1,29), sah er auch, dass der Geist wie eine Taube auf Jesus herabstieg. Durch diese Offenbarung weiß Johannes, wer der angekündigte Kommende ist, ohne dass er Jesus zuvor gekannt haben müsste (s. 1,33). Dazu passt, dass Johannes den Namen Jesus in der Szene nicht nennt (das tut nur der Erzähler am Beginn).

Profiliert wird in der johanneischen Darstellung das Geheimnis um die Person Jesu, in einem reizvollen Spiel zwischen Wissen und Unkenntnis: Johannes kannte seinen Auftrag, aber er wusste nicht, auf wen er sich bezog. Und der Leser spürt zunächst seine Unkenntnis, weil er nicht weiß, wie Johannes denn zu seiner Einsicht kam, dass Jesus der angekündigte Kommende sei (1,29-31). Erst in einem zweiten Schritt wird dieses Rätsel gelöst, wo Johannes wiederholt: »Auch ich kannte ihn nicht ...« (1,33). Niemand kennt die Identität des Angekündigten (s.a. 1,26), nicht einmal der, der ihn bekannt machen soll. Der von Gott her zu den Menschen kommt, wird nur durch Gottes Offenbarung erkennbar. Der Inszenierung dieses Geheimnisses dient auch die indirekte Gestaltung der Vision des Johannes. Sie wird nicht als Vorgang geschildert, sondern nur im Rückblick mitgeteilt.

Das Problem der Taufe Jesu, das Matthäus durch den kleinen Dialog in 3,14f  löst (s. Evangelium vom letzten Sonntag), wird im Johannes-Evangelium noch grundsätzlicher angegangen: Die Taufe Jesu wird weder erzählt noch vorausgesetzt. 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

ich werde einfach nicht damit fertig, wie man z.B. die Taufe Jesus in dieser Weise theologisch deuten kann und dann die Welt im Glaubens lässt, es wäre um einen Wanderguru gegangen, der jetzt zum Gottessohn ausgerufen wurde.

Sie wissen doch selbst, dass die antike Aufklärung in der Hochzivilisation der Zeitenwende bereits die Göttersöhne der Mythen in Vernunft erklärte, die sich dem wissenschaftlich erklärten Werden ergab.

Und Sie wissen, wie sich der proph. Monotheismus aus den Welterklärungen der Hochkulturen ergab, der phil. Monotheismus der Zeitenwende ins Neue Testament einfloss und im chr. Sohn bzw. lebendigen Wort begründet wurde.

Wie hirnrissig müssten die hochtheologischen Verfasser wie Johannes gewesen sein, wenn sie nun einen Heilsprediger als Gottessohn oder gar Neubegründung des hebr.-bildlosen Monotheismus sahen.

Wobei zumindest hier doch bereits im Prolog klar gemacht wird, von was auch die anderen Evangelien, die Brief und frühen Texte handeln und was Diskussionsgegensand der Christologie-Diskussionen bzw. hellenistischen Reformbewegungen war.

Ein junger Jude, der von einem Wüstenprediger oder eine geheimnisvollen Stimme zum Gottessohn ausgerufen wird, kommt nicht in Frage.

Doch wenn das der Welt nicht klar gemacht wird, dann wird nicht nur die Theologie zum Schwachsinn, sondern der gesamte chr. Glaube.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
http://atheisten.org/forum/viewtopic.php?f=5&t=8230&start=2745

Den Atheisten versuche ich beizubringen, warum die in der Antike erklärte Vernunft nicht nur der wahre Sohn war, das lebendige Wort war, sondern jungfräulich geboren wurde. Nur die Ausdrucksform (das weibl.) menschlichen Wesens war, die Vernunft allen Werdens aber einen anderen Ursprung hatte.

Aber solange sie nur ein Wandprediger zu bedenken geben, sich weigern über die antike Vernunfterklärung nachzudenken, die Johannes als Grund seines des chr. Glaubens voranstellt ist diesem nicht geholfen.

An ein heilendes, einheitliches Verständnis ist dann nicht zu denken.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Die Fehler in den allzu schnell verfassten Kommentaren bitte ich zu entschuldigen.

Aber doch bleibt die Frage. Warum darf der Verstand einer durch nat. Schöpfung vorgegebene Vernunft bzw. eines Wortes, das seit Josua galt, nicht hinter der menschlich-kulturgerechten Ausdrucksweise dessen bedacht werden, den die himmlische Stimme bei Johannes als wahren Gottessohn vorstellt?

Wenn doch immer deutlicher wird, dass das, was in damaliger Bildungskultur bzw. Hochzivilisation als Logos allen Lehren zugrunde lag, nachweislich auch Thema der christologischen Diskussionen (nicht nur in Alexandrien) war, sowie der theologischen Lehren und Texte. Warum schließen sie als jemand, für den Jesus nicht nur ein guter Junge war, sondern der Woche für Woche auf hervorragende Weise die theologischen Hintergründe verdeutlicht, die die Verfasser in so erfüllte Vor-Bilder fassten, ein Nachdenken über die antike Vernunft als historischen Grund (lebendiges Wort, Vergegenwärtigung von Schöpfungs-wirklichkeit, Sinn...) völlig aus?

Selbst die oft theologisch gebildeten und geschichtlich-kritischen Atheisten, die sich unter "atheisten.org" meist über chr. Lehren oder mich lächerlich machen, finden im Thread "Wann wurde das Christentum konstruiert" keine Argumente mehr, die dagegen sprechen.

Gleichwohl ihre Voreingenommenheit gegenüber allen Glaubenslehren sie hindert, nun in Wissen und Vernunft bestätigt zu sehen, was biblisch bebildert ist und die chr. Lehre in ihren bisher als lächerlich gesehenen Bedeutungsaussagen ausmacht.

Warum aber weigern Sie als ein aufgeklärt denkender Neutestamentler, der in seinen wöchentlichen theologischen Beiträgen am Wesen bzw. den damit verbundenen theologischen Inhalten festhält, diese treffend erklärt, auch nur einen Moment über die heutige Hypothese vom hist. Heilsprediger hinauszugehen?

Was spricht dagegen, den chr. Glauben in einer Vernunft zu begründen, die heute z.B. als ökologische Vernunft wieder der Welt erklärt wird und so moderne Menschen in gemeinsame schöpferisch Verant-WORT-ung nimmt?

Damit gleichzeitig auch all das zu bestätigen, was über Jesus damals gedacht wurde und was nachweislich die Vernunft in ihrer chr. Gestalt geschichtlich bewirkt hat, sie theologisch beschreiben?




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