Sonntagsevangelium (152)

 32. Sonntag im Jahreskreis (A): Mt 25,1-13 

Zum Gleichnis von den zehn Jungfrauen wird das Verständnis des Geschehensablaufs diskutiert. Umstritten ist, wo die eigentliche Handlung beginnt. Üblicherweise wird der Eröffnungssatz vom Hinausziehen in diesem Sinn gedeutet, es folgt eine eingeschobene Personenbeschreibung (25,2-4), ehe in 25,5 der Erzählfaden wieder aufgenommen wird. Einem anderen Vorschlag zufolge ist 25,1 als Überschrift des Gleichnisses zu lesen, die Handlung beginne erst in 25,5 mit der Notiz, dass sich die Ankunft des Bräutigams verzögere. Deshalb heiße im nächsten Vers: »Geht hinaus zur Begegnung mit ihm!« Die Frauen sind also noch gar nicht hinausgegangen; erst jetzt werden sie dazu aufgefordert (vgl. Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Bd. III, zu Mt 25,1-13).

Die geschilderte Differenz hat Folgen für das Verständnis des ganzen Erzählganges: Beginnt die Handlung bereits mit dem Hinausgehen in 25,1, ist daran gedacht, dass die Jungfrauen mit brennenden Fackeln ausziehen, aber nur die fünf Klugen an Ölvorräte gedacht haben. Weil sich der Bräutigam verzögert, werden die Fackeln ins Erdreich gesteckt, ehe alle einschlafen. Im anderen Fall haben die Törichten überhaupt kein Öl dabei, um ihre Fackeln anzuzünden, wenn der Bräutigam kommt. Die Jungfrauen sind im Haus der Braut zu denken. Sie warten auf d  ie Ankunft des Bräutigams – er holt seine Braut ab –, um ihn und die Braut zum Haus des Bräutigams mit den Fackeln zu begleiten. Angezündet werden die Fackeln erst, wenn der Ruf von der Ankunft des Bräutigams ertönt (im Erzählablauf also in 25,6).

Für diese zweite Möglichkeit lassen sich zwei Gründe anführen: (1) Eine Geschichte von zehn Jungfrauen, die irgendwo in der Stadt oder sogar auf freiem Feld nachts am Straßenrand schlafen, mit brennenden Fackeln neben sich, ist schwer vorstellbar. (2) Das griechische Wort λαμπάς/lampas bezeichnet nicht eine Öllampe, sondern eine Fackel, wohl eine Gefäßfackel: Auf eine Stange wird eine Feuergefäß gesteckt, in dem mit Öl getränkte Lappen brennen. Diese Fackeln »haben eine im Vergleich zu Öllampen kurze Brenndauer von maximal zwei Stunden. Man wird sie kaum neben sich auf den Boden stellen und einschlafen« (Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Bd. III 471).

Dennoch ist die übliche Auslegung zu bevorzugen. Die Erzählung spricht in 25,8 vom Verlöschen der Fackeln. Dies lässt sich nicht so verstehen, dass die Fackeln fortwährend ausgehen (beim Versuch, sie ohne Öl anzuzünden). Ohne Brennstoff können sie nicht einmal so kurzfristig brennen, dass sie immer wieder ausgingen. Außerdem: Wenn die Törichten erst beim Anzünden merken, dass ohne Öl ihre Fackeln verlöschen würden, wären sie mit »töricht« (μωραί/morai) noch sehr zurückhaltend charakterisiert. Noch unwahrscheinlicher als eine Geschichte von draußen schlafenden jungen Frauen ist eine Gleichniserzählung, in der Handlungsfiguren ernsthaft versuchen, eine Fackel ohne Brennstoff zu entzünden.

Eine zweite, noch größere Schwierigkeit besteht darin, dass der Verzögerung der Ankunft des Bräutigams keinerlei Bedeutung beigemessen werden kann. Die Geschichte würde genauso ablaufen wie ohne dieses Motiv. Es wäre ein völlig verzichtbarer Erzählzug, so dass sich die Frage stellt, warum er in die Geschichte aufgenommen ist. Demnach ergibt sich für den Gang der Handlung: Zehn junge Frauen ziehen zum feierlichen Geleit des Bräutigams mit brennenden Fackeln aus; die Ankunft des Bräutigams verzögert sich jedoch, und dadurch entsteht für die Törichten ein Problem: ihre Fackeln gehen aus.

Das Ausbleiben des Bräutigams ist also kein nebensächlicher Erzählzug, sondern für den Gang der Handlung wesentlich. Allein das längere Ausbleiben des Bräutigams erweist die einen als töricht, die anderen als klug. Klugheit besteht nach dem Gleichnis darin, auf die zeitlich verzögerte Ankunft des Bräutigams vorbereitet zu sein. Alle waren bereit für dessen Kommen; aber nur die Klugen waren auch darauf eingestellt, dass der Bräutigam erst später eintreffen könnte.

Dass die klugen Jungfrauen die an sie gerichtete Bitte, von ihrem Öl abzugeben, ablehnen, ist nicht Ausdruck mangelnder Solidarität. Im Rahmen des gewählten Bildes ist das Verhalten durchaus einsichtig: Wenn der Ölvorrat für alle nicht reicht, endet die feierliche Einholung in einem völligen Fiasko. Der Erzähler führt so Regie, dass die Törichten wegen ihres Fehlers die Ankunft des Bräutigams verpassen. Deshalb dürfen die Klugen nicht teilen, andernfalls würde die Geschichte nicht funktionieren. In ihrer Verweigerung des Teilens werden die Klugen auch nicht als vorbildhaft präsentiert. Sie handeln einfach entsprechend der vorausgesetzten Bildlogik, ohne dass gesagt werden sollte, es sei ein Zeichen von Klugheit nicht zu teilen und egoistisch zu sein.

Man muss also die Gattung beachten: Das Gleichnis inszeniert nicht Mahnungen zum gegenseitigen Umgang miteinander; das Verhalten der Klugen ist Teil einer bildhaften Erzählung, die einen bestimmten Gedanken verdeutlichen will. Dazu müssen die Figuren in einem bestimmten Sinn agieren, damit die Erzählung zu ihrem Ziel führen kann, nämlich zu zeigen: Die törichten Jungfrauen werden vom Fest ausgeschlossen, da sie nicht auf eine längere Wartezeit bis zur Ankunft des Bräutigams vorbereitet waren.

Fragt man nach der Einbindung dieser Parabel in die Verkündigung Jesu, stößt man auf Schwierigkeiten. Denn Jesus verkündet die drängende Nähe der Gottesherrschaft, der keine Terminspekulation gerecht wird. Die endzeitliche Herrschaft Gottes ist bereits angebrochen, ihre Vollendung steht noch aus. Was soll in diesem Kontext eine Parabel, die davon handelt, sich vernünftigerweise auf eine längere Wartezeit einzustellen? Wenn der oben erhobene Vergleichspunkt richtig ist, legt sich eine andere traditionsgeschichtliche Rückführung des Gleichnisses nahe. Das Gleichnis verarbeitet eine Erfahrung der Urkirche: Die Wiederkunft Christi, von Paulus noch für seine eigene Lebenszeit erwartet, verzögert sich. Das Gleichnis rät, auch für eine spätere Ankunft gerüstet zu sein.

In der Komposition des Evangeliums zeigt sich, dass das ursprüngliche Thema des Gleichnisses nur einen Aspekt der matthäischen Zukunftserwartung abdeckt. Der Evangelist hat unmittelbar vor das Gleichnis von den zehn Jungfrauen ein anderes gesetzt, nach dem gerade die Erwartung falsch ist, der Herr werde noch länger ausbleiben: das Gleichnis vom guten und schlechten Knecht (24,45-51). Er betont also die Ungewissheit der Wiederkunft des Herrn und will seine Adressaten dazu aufrufen, zu jeder Zeit bereit zu sein  für die Ankunft des Herrn – sei es, dass diese sich bald ereigne, sei es, dass sie sich verzögere.

Außerdem lassen sich Verbindungen zum Abschluss der Bergpredigt erkennen (7,21-27, z.B. das Gegensatzpaar klug – töricht). Da es dort um das Tun dessen geht, was Jesus in der Bergpredigt ausgeführt hat, könnte ein solcher Akzent auch in das Gleichnis kommen: Die Törichten, die nicht eingelassen werden, sind nun diejenigen, denen es am rechten Tun fehlt.

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Macht dieses Gleichnis nicht klar, wie die Kulturgeschichte verläuft?

Um das Feuer am Leben zu halten, muss immer wieder nachgelegt, auch wachsendes Wissen um unsere kulturellen Wurzeln umgesetzt, muss Öl nachgegossen werden.

Oder anderes: Wenn man die Welt im Glauben lässt, hier hätte der später Matthäus benannte griechisch-jüdische Denker die wörtliche Rede eines Heilspredigers wiedergegeben, der sich in einem Gleichnis als heilsbringender Bräutigam aufspielte, auf dessen göttliche Wiederkehr mit leuchtenden Fackeln zu warten wäre. Weniger Öl geht nicht.

So ist das Reich Gottes bzw. das Verständnis der realen Welt als schöpferische Wirklichkeit, die mündige Menschen in Verant-wort-ung für das kreative Ganze, gemeinsame Zukunftgestaltung nimmt, wirklich nicht zu machen.

Aber darum ist es ja angeblich nicht gegangen. Das kreative Ganze, aus dem Tugend- bzw. Vernunftlehren abgeleitet wurden, gegenüber denen das NT richtig blass ist, das war ja nur das Thema der im Kult noch den Götter anhängenden Denker wie Marc Aurel. Die alles Werden denkerisch bereits auf einen gemeinsamen Grund (im Kult als Göttervater) zurückzufürhenden Denker, die daraus den göttlichen Auftrag ableiteten, die schöpferische Vernunft auf Erden verwirklichen zu wollen, das waren reine Philosophen.

Den Christen galt historisch ja nur ein Wanderguru, der große Töne spuckte, die heute als Theologie gepredigt werden. Das Öl ist aus.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Nein, ist es nicht.

Uns ist heute das Wissen gegeben, wie das Christentum aus diesem Denken, wie es z.B. in den Selbstbetrachtungen des Philosophenkaisers bestens nachzulesen ist, herauswuchs. Warum die Zeit der Götter und Gottkaiser abgelaufen und die der Vernunft allen Werdens im jüdischen Sinne als Josua, lat. Jesus als wahrer Sohn, König auf Erden (heilsbringender Bräutigam) gekommen war.

Auch wenn die Wissenschaftler, die getreu der Lebens- und Glaubenslehrer ihrer Lehrer davon nichts wissen wollen. Das Christentum ist weder die Story eines später als Wort gesehenen, Logos ausgegebenen bzw. hellenistierten jungen Gurus, noch ein fromm-freies Konstrukt oder eine Kirchenlehre. Es ist die Geschichte kreativer Vernunft, die bei der konstantinischen Wende zur Kirche wurde.

Das gegeben Öl ist für alle da. Es liegt nur an den kath. Lehrern, es zu verteilen, die Flamme am Leben zu halten.
Abaelard hat gesagt…

@Prof. Häfner

Die Frage drängt sich auf, wieso Jesus in seinen hochzeitlichen Gleichnissen nicht von der Braut redet, sondern von Hochzeitsgästen oder von Brautjungfern.

Das verwundert, denn Jesus will doch seine Jünger, also seine messianische Braut, die er nach seiner Vorhochzeit (erstes Dasein Jesu) bei seiner Wiederkunft "heiraten" wird, belehren.
Warum zwingt er dann seine Zuhörer in die Rolle von Hochzeitsgästen oder Brautjungfern, die doch nicht das messianisch erneuerte Israel, seine Braut, repräsentieren, sondern nur Geleitpersonal der Braut und des Bräutigams darstellen?
Mir scheint diese Beobachtung erklärungsbedürftig.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Die Erklärung wurde bereits gegeben. Es ist absurd, weiter davon auszugehen, dass hier ein junger Guru seinen Groupies ein Gleichnis über seine Wiederkunft bzw. Vor- und Nachhochzeit mit auf den Weg gab.

Auch in dem später mit Matthäus überschriebenen Kultlesetext, der aus vielen urchr. Evangelien, von denen keines die Geschichte eines jungen Guru erzählt, ausgewählt wurde, hat die dem damaligen Denken bzw. anfänglichen Christen geltende Vernunft gesprochen und gehandelt.

So wie die griechisch-theologischen Denker der Antike die Vernunft allen Werdens noch in Göttergestalt in ihren Geschichten zur Sprache brachten, war bei Christen die kreative Vernunft im Sinne Israels als götterfreies, von einem unsagbaren Grund ausgehendes Wort (hebr. Vernunfthandlung) das Thema, für das Josua stand, lat. Jesus.

Israel wird nicht durch einen Wanderprediger erneuert, sondern durch das Hören des Wortes, das auf der Höhe der Zeit immer wieder neu versanden werden muss. Aber ohne Öl nachzugießen, was Aufgabe der wissenschaftlichen Theologie bzw. Brautjunfern wäre, geht das Licht aus. So kann der Bräutigam bzw. das gegenwärtige Wort nicht wahrgenommen werden werden, bleibt im Vernunft/Logos-Blindheit.

Gleichwohl "Jesus lebt", die damals geltende Vernunft längst wissenschaftlich offenbar ist. Auch klar ist, was im Sinne der Schöpfung vernünftig wäre und dies vergeblich gepredigt wird. Doch wer nimmt das natürliche Werden und was danach vernünftig wäre auf höhe der Zeit schon als Wort bzw. schöpferische Bestimmung wahr, die als Jesus Geschichte machte, wenn die Brautjungfern....?



Gerd Häfner hat gesagt…
@ Gerhard Mentzel

der Sinn dieses Blogs ist nicht, Ihnen jede Woche einen Anlass für den immer selben Kommentar von der schöpferischen Vernunft und vom Unsinn der Annahme der Existenz eines jungen Heilspredigers und Gurus zu bieten (»Wenn man die Welt im Glauben lässt ...«).

Die Leser dieses Blogs wissen in der Zwischenzeit, was Sie zu sagen haben. Und ich für meinen Teil habe keine Lust, jede Woche denselben Sermon zu lesen, der über pauschale Behauptungen nicht hinausgeht.

Ein Gespräch kommt hier nicht zustande, wir haben es vor einiger Zeit versucht und es ist alles gesagt. Ich bitte Sie deshalb jetzt zum zweiten Mal, Ihre Kommentare, die keine Kommentare sind, sondern Deklamationen Ihrer Überzeugung, einzustellen.



@ Abaelard

Mir scheint eher die Voraussetzung Ihrer Anfrage erklärungsbedürftig: Warum soll Jesus seine Jünger als messianische Braut angesehen haben? Aus der Ehemetaphorik des Alten Testaments lässt sich das ebenso wenig ableiten wie aus dem Bild von der Hochzeit des Lammes in Offb 19 (wo die Metaphorik ja überdies schwebend ist: Kann man in 19,8 einen Bezug der Geretteten auf die Braut erkennen, so sind diese im nächsten Vers mit der Rolle der Hochzeitsgäste besetzt: »Selig, die zum Hochzeitsmahl des Lammes geladen sind«). Auch in Mk 2,19f gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass in der Jesustradition die Jünger metaphorisch in die Rolle der Braut gesetzt worden wären.

Grundsätzlich ist zu beachten, dass in den Gleichnissen gewöhnlich inszenierte Vorgänge auf das sachlich Gemeinte zu übertragen sind. Die einzelnen Akteure sind zwar durchsichtig auf in der Sache gemeinte Personen, bilden diese aber nicht direkt ab. Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen ist zwar der Bräutigam auf den wiederkommenden Christus hin auszulegen (sehr deutlich aufgrund der doppelten »Herr, Herr«-Anrede). Das bedeutet aber nicht, dass die Adressaten des Gleichnisses Brautjungfern sind. Es geht dem Gleichnis nicht um die Zuteilung metaphorischer Rollen (Glaubende als Braut oder »Begleitpersonal«). Entscheidend ist das Verhalten der Figuren: Vorbildlich ist es, auf die spätere Ankunft vorbereitet zu sein.
Abaelard hat gesagt…
@ Prof Häfner

"Mir scheint eher die Voraussetzung Ihrer Anfrage erklärungsbedürftig: Warum soll Jesus seine Jünger als messianische Braut angesehen haben?" Häfner

Zur Erklärung der Voraussetzung meiner Anfrage kann ich im Wesentlichen nur ein Autoritätsargument geltend machen, d.h. die Berufung auf Klaus Berger (wissend, dass Sachargumente stärker sind als bloße Autoritätsargumente):

Klaus Berger, Der Zölibat, Verl. Be&Be:
"Quer durch das Neue Testament ist immer wieder dieser originelle Ansatz Jesu belegt: Jesus ist der Bräutigam. Die Braut ist das neue, das erneuerte Israel."
"In der Wahl und Wiedereinführung dieses Bildes (sc. von Jahwe als Bräutigam/Ehemann Israels; Abaelard) ist Jesus unverhältnismäßig originell; es gibt nur einen rabbinischen Text, der dieses Motiv auch kennt."

Und ich meine mich an Bergers Aussage erinnern zu können, dass schon im vorntl. Judentum die Idee vom Messias als Bräutigam Israels belegt sei.

Zu Mk 2,19f:
Wenn Jesus sagt: "Es werden aber Tage kommen, da wird ihnen der Bräutigam genommen sein; an jenem Tag werden sie fasten",
dann legt sich doch Jesu Selbstverständnis als Bräutigam nahe, oder nicht? Oder ist "Bräutigam" nur ein zufälliges Bild für jemanden, den man feiert? Dann hätte Jesus genausogut von einem Geburtstagskind reden können, während dessen Anwesenheit er das Fasten der Geburtstagsparty für unschicklich hält?
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Bräutigam und Brautjungfern hin oder her. Das ist m.E. sekundär. Auch wenn ich die Ehemetaphorik nachvollziehen kann. Aber dass es um die Wiederkehr des Christus geht, hat Prof. Häfner ja bestätigt. Und was sonst als die Erneuerung oder gar Universalisierung Israels stand damals auf dem Programm der Zeit?

Aber bevor mir Prof. Häfner wieder den Vorwurf macht, nur pauschale Behauptungen in die Welt zu setzen, die zu keinem Dialog führen könnten.

Was machte das alte Israel aus: Ein mehr oder weniger göttlicher Wanderprediger und dessen Wiederkunft? Oder geht es bei Israel um das Hören des Wortes (hebr. auch Vernunfthandlung im Werden) auf Höhe der Zeit?

Allein wer das Wissen um die Entstehung des prophetischen Monotheismus im persichen Exil ernst nimmt, muss der nicht auf neue Weise fragen, wessen Wiederkehr wir auch heute sehen dürfen?

(Ich möchte jeden gläubigen Christen vor "Jesus-lebt-wirklich.de" warnen. Aber was das den bildlosen Monotheismus begründende Wort für die Hebräer war, wo sie es entsprechend der Vorgängerkulturen verstanden, macht Zarathustra dort gerade deutlich. Oder ist das mit der Entstehung des prophetischen Monotheismus am Hof der Perserkönige, bei denen Zarathustra bzw. die so bezeichnete, von einer Weisheit des Ganzen nach natürlichen Prinzipien getragene philosophische Theologie galt, auch so eine Behauptung?)

Oder ist es egal, was am Anfang des Monotheismus galt, weil wir eh angeblich genau wissen, dass hier nur ein als Christus angesehener Junghandwerker als wundertätiger Wanderprediger über seine Wiederkehr sprach? Und daher der heutige Text mit dem, was Israel ausmachte, nichs zu tun hat.

Gerd Häfner hat gesagt…
@ Abaelard

In Mk 2,19f ist sicher Jesus metaphorisch mit dem Bräutigam gemeint. Die Wegnahme des Bräutigams spielt auf den Tod Jesu an, das Fasten »an jenem Tag« auf den Freitag als frühchristlichen Fasttag. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine sekundäre Fortschreibung des Jesuswortes vom Nichtfasten: »Können die Hochzeitsgäste fasten?« Dieses Wort greift das Bildfeld der Hochzeit auf, das im Alten Testament mit der Erwartung der Heilszeit verbunden ist. Es ist also kein beliebiges Bild, das auch durch eine Geburtstagsparty ersetzt werden könnte. Jesus markiert mit ihm die Gegenwart als Heilszeit (die Gottesherrschaf ist schon angebrochen), zu der Fasten nicht passt. Wenn Hans-Josef Klauck recht hat, wurde die Stelle des Bräutigams in diesem Bildfeld der Hochzeit im Rahmen der alttestamentlich-jüdischen Tradition noch nicht metaphorisch mit dem Messias besetzt. Dies scheint erst in der urchristlichen Tradition geschehen zu sein.

Das scheint Klaus Berger anders zu sehen, wie Sie bei ihm – jedenfalls in seinen neueren Arbeiten – auch kaum etwas zu einer sekundären Erweiterung eines Jesuswortes lesen werden. Ganz unklar bleibt mir allerdings, worauf sich die Annahme vom originellen Ansatz Jesu stützt, der ihn als Bräutigam und das erneuerte Israel als Braut sehe. Ihre Anfrage zeigt die Verwunderung, dass von der Braut nichts zu finden ist – und das ist weder in Mt 25,1-13 noch in 22,1-14 oder Mk 2,19f (par Mt 9,15; Lk 5,34f) der Fall. Damit wären schon die in Frage kommenden Stellen aus den synoptischen Evangelien genannt. Möglicherweise leitet Klaus Berger seine Position aus Joh 3,29 ab, das wäre aber keine besonders tragfähige Basis. Ich habe den Eindruck, dass es sich eher um einen originellen Ansatz Bergers als Jesu handelt.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Da soll also ein junger Heilsprediger mit Namen Jesus gewesen sein, der sich als Bräutigam aufspielte, durch dessen Gegenwart oder Wiederkunft (egal) nach Prof. Häfner die Heilszeit oder doch nach Prof. Berger das neue Israel gekommen war.

Während sich die Reformer der jüdischen Bildung nicht nur in Alexandrien mit dem Neuplatonismus beschäftigten, in Vernunft den jüdischen Monotheismus neu begründeten. Was auch in den Texten aus Qumran nachvollziehbar ist, wo nach neuem Bund, neuem Verstand des Wortes im Wissen damaliger Zeit nachgedacht, nicht nur alte Texte gelesen wurden. Und während die auch in Palästina geltenden griechisch-theologischen Lehren einen Monotheismus in Vernunft definierten, den Sie im Göttervater kultivierten, daraus Tugend- und Verhaltenslehren ableiteten, wie wir sie dann auch im NT lesen.

Während all dieser Denkweisen war da ein junger Guru, der sich in Gleichnissen als all das aufspielte, was in antiker Aufklärung neu bedacht wurde, daher von seinen Anhängern als wahrer Tempel, lebendiges Wort, Bringer der Heilszeit, Bräutigam Israels... hingestellt wurde.

Ist das nicht mehr als "unglaubwürdig"?
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Nicht nur, dass es höchst unglaubwürdig ist, dass der prophetische, auf das Wort (Vernunfthandlung im kreativen Weltgeschehen) begründete Monotheismus bzw. Israel durch einen Wanderprediger aufs Neue begründet wurde.

Und dass es daher völlig unglaubwürdig ist, dass der Verfasser des hier zu Debatte stehenden Textes, der mit Sicherheit kein blindfrommer, buchstabenhöriger Depp, sondern ein theologischer Denker der antiken Hochzivilisation war, einem Guru auf den Leim gegangen wäre. Den er inmitten der heute bekannten verschiedenen theologischen Vernunftdefinitationen für den Heilsbringer bzw. die Erneuerung Israels oder das lebendige Wort hielt.

Und wie glaubwürdig ist ein Neutestamentler, der den historischen Jesus für einen Heilsprediger vermittelt und dann in seinem Sonntagsevangelium von einer einer dadurch angebrochenen Heilszeit bzw. einem Heilsbringer spricht? Oder der wie Prof. Theißen in einem Vortrag "Jesus hat doch gelebt", von einem lebenslustigen, "doch Fresser und Säufer" ausgeht, sich dann anschließend entschuldigt, dass er in seiner Sonntagspredigt vom Sohn Gottes... reden würde?

"Dem Schöpfer sei Dank" wissen wir, dass auch der heutige Text glaubwürdig ist, weil es auch hier nicht um einen Junghandwerker geht, der sich als Wort Israels aufspielte. Wie vielmehr hier ein theologischer Denker im Stil seiner Zeit (ähnlich wie auch Seneca & Co. in Göttergestalten) die Vernunft allen Werdens, das ewige Wort auf kulturvernünftige Weise zum Ausdruck brachte.
Gerd Häfner hat gesagt…
@ Gerhard Mentzel

Sie haben sich eine Kultur- und Religionsgeschichte zurechtgelegt, in der es einen jungen »Wanderguru« nicht geben darf – auch wenn die Evangelien von einem Heilsprediger erzählen und auch die hoheitliche Christologie des Johannes-Evangeliums davon ausgeht, dass der Logos ins Fleisch gekommen ist. Ihre Sicht wird ständig unter der Rubrik »klar ist«, »fest steht« oder auf der Gegenseite »es ist absurd anzunehmen« vorgetragen, und solange ich davon ausgehe, dass in den Evangelien eine Person, Jesus von Nazaret (»der junge Wanderguru«), verkündigt wird, werden Sie schreiben, dass das Unfug sei, weil doch schon das hebräische Denken weiter war und die kreative Vernunft in Verant-wort-ung …

Mir ist schleierhaft, wie Ihnen die ständigen Wiederholungen und pauschalen Behauptungen verborgen bleiben können. Und Sie müssen es doch auch einmal satt haben, mich Starrsinnigen zu Ihrer Sicht bekehren zu wollen. Lassen Sie es bitte bleiben.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Danke Herr Prof. Häfner,

dass sie mir dargelegt haben, wie eng der Horizont heutiger Schriftgelehrter bzw. buchstäblicher Hochschullehre ist. Die dem liebgewordenen Bild zuliebe die historisch Situation der Zeitenwende, wie alle vorhergegangenen Begründungen des aus Ägypten und Persien weitergedachten jüdischen Monoth. völlig ausblenden.

Entschuldigen Sie, wenn ich zwar verstehe, warum Sie von der Hypothese, auf der nicht nur ihre Lehrer, sondern auch Sie ihre Lebenslehre gebaut haben, nicht abkommen können. Bitte verstehen Sie aber auch, warum ich mich aufgrund des heutigen historischen Wissens und gleichzeitig völlig belangloser Aberglaubensvorstellungen nicht mit einem hellenisierten Wanderguru zufrieden geben kann. Denn danch wäre der der chr. Glaube nur Schwachsinn, könnte nicht die notwenige schöpferische Verant-wort-ung mündige Menschen in kreativer, zukunftsgestaltender Gemeinschaft geben.

Ja, die Vernunft allen kreativen Werdens, die nachweislich das Thema des gesamten Denkens und Diskutierens der Zeitenwende und dann des NT war, ist ins Fleisch gekommen: Sie ist im Sinne des bildlosen, götterfreien Monotheismus zur schriftlichen Lehre und zum Leben geworden. Nicht zuletzt aufgrund der Person (menschlich-kulturgerechten Rolle, Aufgabe).

In einem in Entstehung befindlichen Beitrag für meine die heute wissenschaftlich definierte Vernunft (des chr. Glaubes) belegende Homepage, die die sog. Behautungen, die ich mir angeblich zurechtlege, begründet, wird Seneca deutlich machen: Die menschliche Person war nicht nur in seinen Göttertragödien oder -geschichten (teils wortgleich mit dem NT) notwendig (wo nicht der größe Deppp bei Apoll, Heraklith & Co. von liebestollen oder halbstarken Heilspredigern ausgegangen wäre). Sie war gerade auch im NT ein Ausdruck kreativer Vernunft in Kultur.

Mir liegt es fern, Sie zu der Vernunft, die in Geschichte Jesus war, bekehren zu wollen. Aber dass nicht einer der antiken Denker, deren Texte Sie auslegen, von einem Heilsprediger handelt, das müsste doch einem theologischen Denker trotz aller bisherigen Lehrhypothesen klar werden. Wieso der charismatische Guru, der den christlichen Glauben heute unglaubwürdig, unbedeutend... macht, die einzige Hypothese ist, das ist für mich nicht mehr zu verstehen.
Gerd Häfner hat gesagt…
@ Gerhard Mentzel

Ihr letzter Kommentar bestätigt, was ich zuvor geschrieben habe. Sie beanspruchen für Ihre Position »das heutige historische Wissen«. Sie behaupten, »die Vernunft allen kreativen Werdens« sei »nachweislich das Thema des gesamten Denkens und Diskutierens der Zeitenwende und dann des NT« gewesen. Und es fehlt auch nicht der Verweis, was einem theologischen Denker »klar werden« müsste.

Der Verweis auf die Deutung von Mythen zu Apoll und Herakles (der ist wohl gemeint, nicht Heraklit) wird diejenigen nicht so stark beeindrucken, die die Tatsache ernst nehmen, dass die Evangelien von einer Person erzählen, die nicht in vorgeschichtliche Zeit gehört, sondern vor ein bis zwei Generationen an einem angebbaren Ort gewirkt hat und zu einer bestimmten Zeit unter bekannten Umständen hingerichtet wurde (um nur das Grundlegendste zu sagen). Es handelt sich hier doch offensichtlich um zwei sehr verschiedene Dinge. Aber ich will hier keine erneute inhaltliche Diskussion aufnehmen (das ist vor längerer Zeit, wie gesagt, zur Genüge und ohne Ergebnis geschehen), sondern nur knapp andeuten, dass nicht Starrsinnigkeit und enger Horizont dafür verantwortlich sind, dass Ihre historische Rekonstruktion zur kreativen Vernunft so wenig Anklang findet. Ich sehe mich hier ja keineswegs als Außenseiter. Lassen wir's gut sein.
Regina hat gesagt…
Lieber Prof. Häfner,

ich bewundere Ihre Geduld und Ihre ausgewiesen fundierte Beharrlichkeit in dieser Auseinandersetzung mit jemandem, dessen eigene Sichtweise unwissenschaftlich eng und von falschen Grundannahmen ausgeht.

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