Der »Weltbild-Skandal«

Fromme Katholiken, die seit Jahren dem »Weltbild-Skandal« auf der Spur sind, erzielten in den vergangenen zwei Wochen erstmals eine öffentliche Wirkung für ihr Anliegen. Zum Sortiment des Verlags Weltbild, das sich im Besitz deutscher Diözesen befindet, gehören auch erotische Titel (pornographische eher nicht, der Verlag wehrt sich jedenfalls in einer Pressemitteilung gegen diesen Vorwurf). Der Verlag Droemer-Knaur, an dem Weltbild 50 % hält, produziert gar solche Literatur. Nachdem auf buchreport.de ein entsprechender Hinweis erschien, hat sich kath.net der Sache angenommen. Allerdings springen sonstige Medien nicht so recht auf das Thema an, weshalb man selbst dafür sorgen muss, dass der Skandal nicht versandet. Zu diesem Zweck sind die Seiten von Weltbild und Droemer-Knaur ständig mit unanständigen Suchbegriffen zu durchforsten, damit gezeigt werden kann, dass zugesagte Filter nicht funktionieren und das Angebot nach wie vor Treffer liefert, die man eigentlich nicht sehen will (s. hier oder hier, jeweils am Artikelende). Diese besondere Form der Selbstkasteiung hat den Nachteil, dass sie sich leicht einem Verdacht aussetzt.

Ich erinnere mich an einen (älteren) Bericht aus einem Lehrerzimmer, wo sich die Empörung über ein konfisziertes Sexheftchen dadurch Ausdruck verschaffte, dass man, das Heft durchblätternd, lautstark »diesen Dreck« anprangerte und erst damit aufhörte, als man auf der letzten Seite angekommen war. Zu dieser Haltung schrieb Eugen Roth
»Auch wir verbergen das Gelüsten oft hinter sittlichem Entrüsten.


Entweltlichung mithilfe von welt.de?
 
Die Art und Weise, wie sich welt.de (als einziges überregionales Medium) des Themas angenommen hat, ist nicht geeignet, jenen Verdacht zu zerstreuen. Übernommen wurde ein Artikel aus dem Pur-Magazin, der sich kritisch mit dem bischöflichen Engagement bei Weltbild befasst. Dabei reicht es nicht, die Phantasie der Leser durch Zitate von drei erotischen Buchreihen und elf Buchtiteln anzuregen; es kommen auch noch fünf Buchcover dazu, die den Ärger über den ganzen Schmutz so richtig anheizen können, und vielleicht nicht nur den Ärger.

Es scheint verwegen, den Kampf für die Entweltlichung im Sinne der Ent-Weltbild-lichung (so ein neues Logo in katholischen Blogs) ausgerechnet auf welt.de führen zu wollen. Und das liegt nicht am Titel der Zeitung. Die Internet-Redaktion gibt dem Artikel außer den Bildern noch zwei Videos bei: beantwortet wird die Frage, was die »Generation Porno« sei; außerdem wird darüber informiert, dass sich die (offensichtlich notleidende) Pornoindustrie Rettung durch 3D verspricht. Bildergalerien in der rechten Spalte präsentieren »Die kurvige Antwort auf Lady Gaga«, »Engel in Bademoden« oder ein »Model und Playmate«. Gründlicher als durch ein solches redaktionelles Umfeld kann man das Anliegen der Kritiker des Sortiments von Weltbild kaum untergraben: Signalisiert wird auf diese Weise, dass man wohl bereit ist, die Inkonsequenz der Kirche zu geißeln, die Aufregung um das Erotik-Angebot im Grunde aber überhaupt nicht versteht.


Ich will nun hier nicht als Verteidiger des bischöflichen Engagements bei Weltbild auftreten. Man kann sich wirklich fragen, ob es Aufgabe der Kirche sei, ein Unternehmen aufzubauen, das sich als »Big Player« des Buchhandels positioniert und sich damit auch den Zwängen eines solchen Marktes aussetzt. Ein inhaltliches Profil lässt sich unter diesen Umständen sicher nicht aufbauen. Ich bin dem Verlag auch deshalb gram, weil er ein eigentlich löbliches Projekt - das Buch von Volker Eid über den historischen Jesus und die Urgemeinde - aus verkaufsstrategischen Gründen mit einem überaus dümmlichen Titel versehen hat: »Und es ist doch wahr«. 

Dennoch ist mir der Ton zu schrill, der jetzt gegen die Bischöfe angeschlagen wird. Die Sache wird kirchenpolitisch genutzt, indem man die Namen derjenigen fallen lässt, auf die man sich schon länger eingeschossen hat (im Artikel auf welt.de Pater Langendörfer, Bischof Mussinghoff und Bischof Fürst), andere aber übergeht (u.a. darauf weist das Blog von Felix Neumann in einem lesenswerten Beitrag hin). Die Schlagzeile des Pur-Magazins »Bischöfe als Porno-Produzenten?« legt nahe, Bischöfe hätten einen direkten Auftrag zu solcher Produktion gegeben. Die perfide Frage, wozu Pater Langendörfer »Meine feuerroten Stilettos« brauche, oder ob Bischof Mussinghoff wissen müsse »Warum Männer so schnell kommen und Frauen nur so tun als ob«, schlägt in dieselbe Kerbe. Ich nehme an, dass beide ohne den immensen Aufwand an Erotik-Recherche durch besorgte Katholiken überhaupt nichts von der Existenz dieser Titel wüssten.

Bibelmissbrauch


Unerträglich wird es, wenn die Bibel zum Kampfmittel in diesem Streit missbraucht wird, wie es in einem Artikel von Gabriele Kuby geschieht. Sie bezieht sich auf einen Weltbild-kritischen Vorstoß aus dem Jahr 2008 und den Antwortbrief, der damals aus dem Münchener Ordinariat kam. Diesen Brief beurteilt sie als »hochmütig und hämisch« und meint, Maria sage »in ihrem Magnifikat das Nötige dazu«. Das für das Anliegen Kubys Nötige steht im Magnificat aber nicht. Dort heißt es von Gott unter anderem, er zerstreue diejenigen, die im Herzen voll Hochmut sind. Wen das trifft, überlässt das Lied aber Gott. Ein Lobpreis Gottes eignet sich nicht als Keule, die man auf andere niederfahren lässt.

Die Weherufe in Mt 23 sind ein häufig gebrauchtes Kampfmittel in innerkirchlichen Auseinandersetzungen. Dass Jesus die Pharisäer als Heuchler attackiert, wendet Kuby gegen die von ihr diagnostizierte Heuchelei der Bischöfe in der causa Weltbild und setzt die Kritik Jesu an den Heuchlern von seiner Zuwendung zu den Sündern ab – als hätten wir es hier mit der unvergebbaren Sünde zu tun (Mk 3,28f). Auch in diesem Fall sollten wir es dem Herrn überlassen, wen seine Worte gegen die Heuchler treffen. Die katholische Tradition muss dabei hoffen, dass der Maßstab der Weherede beim endgerichtlichen Urteil nicht allzu wörtlich angewandt wird, hat sie sich doch von Mt 23,9 nicht besonders beeindrucken lassen.

Es muss nicht überraschen, dass eine Autorin, die in der Sexualität das »Zentrum des Kampfes um die Entchristlichung« erkennt (s. hier), die Weltbild-Affaire nur als ein Symptom am kranken Leib der Kirche sieht. Die fachärztliche Untersuchung dieses Leibs offenbart weitere »Eiterbeulen«. So »wurde der Religionsunterricht zum Ort der Glaubenszerstörung«. Die Kirche betreibe »in katholischen Schulen durch katholische Verbände die hedonistische Sexualisierung der Kinder und Jugendlichen«. Nicht jeder wird das mitbekommen haben. Und was sagt das Neue Testament dazu? An die eben zitierte Aussage fügt Kuby Lk 12,3 an:

»Deshalb wird man alles, was ihr im Dunkeln redet, am hellen Tag hören, und was ihr einander hinter verschlossenen Türen ins Ohr flüstert, das wird man auf den Dächern verkünden.« 
So schafft man sich seine eigenen Kontexte für Bibelworte, um sie anderen um die Ohren zu schlagen. Dazu sind uns diese Worte nicht gegeben. 

Es ist, wie gesagt, nicht unberechtigt, das Engagement deutscher Diözesen bei Weltbild kritisch zu sehen. Die Kirche kann man trotzdem im Dorf lassen. Wenn richtig ist, was der Verlag mitteilt, dass nämlich erotische Literatur 2011 0,017% des Gesamtumsatzes ausmacht, kann man in der Tat nicht behaupten, die Kirche mache mit Pornos ein Vermögen. Der Eifer in Sachen Weltbild ist auch insofern eine zweischneidige Sache, als er dem Thema Sexualität eine Bedeutung zuschreibt, die es kaum verdient. Gabriele Kuby fragte bereits im Frühjahr (s. hier): »Wann haben Sie zuletzt eine Predigt über das Thema Sexualität in Ihrer Gemeinde gehört?« Es ist in meinem Fall schon so lange her, dass ich mich daran nicht erinnern kann. Diesen Zustand beklage ich nicht.

Kommentare

Volker Schnitzler hat gesagt…
Beim Lesen Ihres Artikels musste ich an einen Professor für Altes Testament denken, der einmal sinngemäß sagte: "Wenn man Bibelverse isoliert und aus dem Kontext reißt, um eine bestimmte Position zu untermauern, dann sehe ich mich in der Lage, zu jedem einzelnen Vers, den Sie mir nennen, einen anderen zu nennen, der das genaue Gegenteil behauptet."
Andreas Metge hat gesagt…
Ja, wenn wir denn auf "Entweltlichung" einschwenken wollen (und ich bin hier mehr als vorichtig, weil das Orakel aus Rom m.E. wenig Konkretes vorgibt und weil das von ihm Gesagte auch gar zu platt darher kommt), dann muss ich doch kritisch festhalten, dass der Versuch der deutschen Bischöfe, über "Weltbild" EINEN Draht zur "Welt" zu halten (ich finde die Trennung zwischen Kirche und Welt mehr als schwierig, weil Kirchenleute aller Couluer IMMER IN DER WELT sind) misslungen ist.
Den Versuch der Bischöfe aber schätze ich hoch! Ob ich nun aber meine Pornos ausgerechnet von dort beziehen will, überlege ich mir noch ...
Kurt H. Klaasen hat gesagt…
Ich denke, man sollte die Worte des Heiligen Vaters zur Entweltlichung. nicht gering schätzen. Um sicher zu stellen, dass man ihn richtig verstanden hat, empfehle ich folgende Schritte:

1. Einstellung der Millionenzahlungen der DBK an den Vatikan. Denn der Herr spricht: "Seht die Vögel des Himmels an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen; und euer himmlischer Vater ernährt sie doch." Ist der Vatikan nicht viel mehr als diese?

2. Verschenken des Weltbildverlags an Bedürftige.

3. Verzicht auf Kirchensteuereinnahmen.

Aber bitte in dieser Reihenfolge, und mit jeweils einem Jahr Pause dazwischen, damit der Heilige Geist wirken kann.
Puntualizzazione hat gesagt…
Schade, dass dieser Blog an Qualität nicht zulegt.
Teresa_von_A. hat gesagt…
Die "Pornos" werden zusammen mit Buddhismus, Esoterik, Aberglauben und Okkultismus von den Wächtern des wahren Glaubens in einen Topf geworfen.Alles Nicht-Katholische rauswerfen aus Weltbild und die Bischöfe ihres Amtes entheben und in die Seelsorge zurückschicken. Ohne auch nur im Geringsten zu wissen, was hinter diesen o. g. Bezeichnungen steckt. Kein Wunder, dass die Bischöfe die Schotten dicht machen. Und ich so langsam auch.

Meistgelesen

Zu Mk 5,1-20: Der Besessene von Gerasa

Über Kreuz

Sehnsucht nach der Höllenpredigt?