Who's who (8) - Lösung

Biblische Personen in ungewohnter Beschreibung. Heute eine männliche Gestalt aus dem Neuen Testament.

Der Gesuchte gehört einer Berufsgruppe an, die sich nie besonderer Beliebtheit erfreute, heute allerdings nicht mehr so willkürlich agieren kann wie zur Zeit Jesu ... der ganze Text im unten stehenden Post; zur Lösung geht's hier weiter.

Der Gesuchte heißt Matthäus.

Der Gesuchte gehört einer Berufsgruppe an, die sich nie besonderer Beliebtheit erfreute, heute allerdings nicht mehr so willkürlich agieren kann wie zur Zeit Jesu. Die gebräuchliche Wiedergabe des Berufs in deutschen Bibelübersetzungen ist etwas irreführend, was sich aber insofern verschmerzen lässt, als der Beruf im Bereich des nach einem Luxemburger Winzerdorf benannten Abkommens aus der Alltagserfahrung weithin verschwunden ist.
Der griechische Begriff telones wird gewöhnlich mit Zöllner übersetzt. Tatsächlich kann ein telones auch bei Grenzübertritten Zoll verlangt haben, sein Aufgabengebiet war aber größer: Er zog bestimmte Steuern und Abgaben ein. Das Recht dazu hat er sich zuvor bei einer Versteigerung erworben, die dem Meistbietenden den Zuschlag für ein bestimmtes Gebiet und für bestimmte Abgaben gab (die Übersetzung Abgabenpächter trifft das griechische Wort deshalb besser). Die gebotene Summe plus den Gewinn musste er aus dem Gebiet herausholen. Da er dabei kaum einer Kontrolle unterworfen war, konnte er recht willkürlich agieren. So benennt der Großsteuerpächter Zachäus das Unrecht, das er bei der Eintreibung der Abgaben begangen hat (Lk 19,8).
Der Gesuchte hat seinen angestammten Beruf aufgrund eines überraschend ergangenen Stellenangebots aufgegeben, obwohl ihm dieses Angebot keinerlei wirtschaftliche Vorteile bieten konnte. Offensichtlich hatte der Headhunter eine bezwingende Überzeugungskraft.
In Mt 9,9 ist die Berufung des Matthäus geschildert – ganz knapp wie meist in den Berufungsgeschichten der synoptischen Evangelien (Ausnahme: Lk 5,1-11). Diese sind als ideale Szenen gestaltet. Dass Jesus allein durch den Ruf »Folge mir nach!« Jünger berufen hat, ist nicht nur angesichts der Konsequenzen dieses Rufs unwahrscheinlich. Die Berufenen haben sicher schon zuvor etwas von Jesus und seiner Botschaft gehört. In jedem Fall muss Jesus Überzeugungs- und Ausstrahlungskraft besessen haben, sonst hätte er keinen Jüngerkreis um sich sammeln können.
Welchen Namen die gesuchte Person trug, ist nicht eindeutig überliefert. Manchmal wird einfach behauptet, er habe zwei Namen gehabt – eine Verlegenheitsauskunft, die nicht nur den Standards heutiger Einwohnermeldeämter nicht genügt.
Die Parallele zu Mt 9,9 im Markus-Evangelium erzählt die Berufung des Zöllners Levi. Deshalb wurde angenommen, dieser Zöllner habe Levi-Matthäus geheißen. Dass ein und dieselbe Person zwei aramäische Namen trägt, wäre allerdings sehr ungewöhnlich. Man muss vielmehr davon ausgehen, dass der Verfasser des Matthäus-Evangeliums den Namen Levi bewusst geändert hat. Wahrscheinlich wollte er eine Berufungsgeschichte nur für ein Mitglied des Zwölferkreises erzählen und hat deshalb den Namen geändert (Levi, Sohn des Alphäus kommt nach Mk 2,14 nicht mehr im Evangelium vor). Entsprechend trägt Matthäus in der Zwölferliste in Mt 10,3 anders als in den Parallelen bei Markus und Lukas den Zusatz der Zöllner.
Obwohl er selbst es nicht behauptet hat, wird der Gesuchte auch als Schriftsteller bezeichnet. Nach heutiger Forschungslage trifft das aber nicht zu.
Traditionell wird das Matthäus-Evangelium seit dem 2. Jahrhundert auf diesen Matthäus aus dem Zwölferkreis zurückgeführt. Die historisch-kritische Exegese hält das Werk allerdings mit guten Gründen für abhängig vom Markus-Evangelium. Dann lässt es sich aber nicht auf einen Augenzeugen der Geschichte Jesu zurückzuführen. Der Autor selbst deutet nicht im Geringsten an, als Augenzeuge zu schreiben. Und er gibt auch keinen Hinweis, dass er mit dem berufenen Zöllner von Mt 9,9 identisch wäre. Da das Werk aber unter dem Namen Matthäus überliefert ist, bleibt auch die kritische Forschung bei dieser Bezeichnung.
Allzu viel ist im Neuen Testament über ihn nicht überliefert, jedoch ist er in dieser Hinsicht im Kreis seiner neuen, in der Zahl überschaubaren Kollegen keine Ausnahme. Wichtiger als das Profil der Einzelpersonen ist dem Neuen Testament die Funktion der Gruppe, zu der der Gesuchte nach seinem Berufswechsel gehört hat.
Nur in der Berufungsszene tritt Matthäus als Individuum in Erscheinung, danach erscheint sein Name nur noch in der Zwölferliste (Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,15; Apg 1,13). Aus diesem Kreis ragen die Brüderpaare Simon und Andreas sowie Jakobus und Johannes heraus, außerdem als negative Gestalt Judas. Von den übrigen sieben gibt es in den synoptischen Evangelien keine weiteren Überlieferungen (allein im Johannes-Evangelium tritt an wenigen Stellen ein Einzelner aus dem Jünger- bzw. Zwölferkreis heraus). Sie sind in ihrer Gruppenzugehörigkeit von Bedeutung, nicht in ihrer Individualität. Die Zwölf sind als Repräsentanten der Stämme Israels zu verstehen. Mit der Bildung des Zwölferkreises greift Jesus die Erwartung auf, dass Israel in der Endzeit als Zwölfstämmevolk wiederhergestellt werde. Dies passt zur Sammlungsbewegung, die Jesus initiiert hat, indem er auch die an den Rändern ins Gottesvolk zurückholt. Der Zwölferkreis ist ein Symbol, das darauf hinweist, dass die von Jesus verkündete Gottesherrschaft auf die Erlösung ganz Israels zielt.

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