Sonntagsevangelium (45)

26. Sonntag im Jahreskreis (B): Mk 9,38-43.45.47-48

Wurde die Belehrung über das Dienen durch eine Frage Jesu ausgelöst (Mk 9,33, s. Evangelium vom letzten Sonntag), so leitet die Bemerkung eines Jüngers das nächste Thema ein: Wie sollen sich die Jünger zu jemandem verhalten, der im Namen Jesu Dämonen austreibt, aber nicht zur eigenen Gruppe gehört (9,38)? Auffällig ist die Formulierung, die den Außenstehenden charakterisiert: »... weil er uns  nicht nachfolgt.« Sie weist darauf hin, dass eine Frage der urchristlichen Gemeinde verhandelt wird. Bei einem Bezug auf das Wirken des geschichtlichen Jesus wäre zu erwarten, dass die Nachfolge auf Jesus  bezogen wäre. Der fremde Wundertäter handelt also wie die Apostel in der Erzählung der Apostelgeschichte unter Anrufung des Namens Jesu (s. Apg 3,6; 9,34; 16,18), bekennt sich aber nicht zum Christusglauben.


Die Frage, wie man sich einem solchen Wundertäter gegenüber verhalten soll, wird nicht unter dem Aspekt von Toleranz und Offenheit verhandelt. Die Antwort bringt eine »Nützlichkeitserwägung« (Joachim Gnilka, Das Evangelium nach Markus, Bd. II, Zürich/Neukirchen-Vluyn 1978, 60) ein: Da die Gemeinde offensichtlich mit Schmähungen rechnen muss, ist es sinnvoll, sich nicht gegen jene zu stellen, von denen keine Anfeindung ausgehen wird (9,39). Die Erfahrung von Bedrängnis lässt es als ratsam erscheinen, den Begriff des Sympathisanten weit zu fassen: »Wer nicht gegen uns ist, ist für uns« (9,40). Eine andere Haltung zu fremden Wundertätern, die im Namen Jesu Dämonen austreiben wollen, zeigt Apg 19,13-16. In Lk 11,23 (par Mt 12,30) ist ein Spruch überliefert, der die Aussage von Mk 9,40 umzukehren scheint. Nicht zufällig findet sich aber eine Formulierung im Singular: »Wer nicht mit mir  ist, ist gegen mich.« Hier wirkt nicht die Situation der Urkirche ein, es geht allein um die Stellung zum Wirken Jesu. Ihm gegenüber gibt es keine Neutralität, sondern nur ein Dagegen oder Dafür.

Angesichts des Kontextes von 9,38-40 wird auch der folgende, eigentlich allgemein formulierte Spruch auf außenstehende Sympathisanten zu beziehen sein: Wer den Glaubenden freundlich begegnet, und sei es durch die Gabe eines Becher Wassers, wird seinen Lohn erhalten (9,41).

Dagegen wird die nächste Spruchgruppe (9,42-48) durch negatives Verhalten bestimmt. Sie wird zusammengehalten durch die Ausrichtung auf das Gericht und das Stichwort »verführen« (σκανδαλίζειν/skandalizein). Dieses Stichwort hat ein weites Bedeutungsfeld. Es geht nicht nur um die Anstiftung zum Tun des Bösen, sondern auch um die Verursachung von Glaubensabfall. Dies dürfte vor allem für den ersten Spruch von Bedeutung sein, in dem sich die Verführung auf andere richtet (9,42).

Bei den nachfolgenden Worten steht tatsächlich das Tun des Bösen im Vordergrund. Dass Hand, Fuß und Auge als Verursacher der Sünde genannt werden, entspricht jüdischer Tradition (vgl. Spr 6,16-19). Die Sprüche fordern nicht zur Selbstverstümmelung auf; sie warnen vielmehr drastisch vor dem Tun des Bösen, indem sie den Ernst der Situation verdeutlichen: Es geht um Heil und Gericht. Deshalb müsste man eher die Körperteile von sich geben, die zur Sünde verleiten, als die Sünde zuzulassen. Die Rede vom Gericht und vom Unheilsort (Mk 9,43.48) hat mahnende Funktion. Es soll nicht das Jenseits beschrieben, sondern aufgezeigt werden, was für den Menschen auf dem Spiel steht. Solche Texte legen die endzeitliche Zukunft nicht fest auf Hölle und Gericht – sie zielen auf die Vermeidung des Gerichts. 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Wie können Sie bei allem Wissen um die christlichen Anfänge Ihre Leser im Aberglaube lassen, dass das Markusevangelium von einem jungen Wunderheiler handelt, der einen Kollegen beurteilte, weil der in seinem Namen eine Art Exorzismus betrieb?

Wie können Sie den chr. Glauben zum Schwachsinn machen wollen, statt als kath. Wissenschaftler Nachzudenken, wie nicht die zur Zeitenwende diskutierte Vernunft allen Werdens, sondern erst ihre klare Gestalt in der Person Jesus (kulturgerechten Rolle, Aufgabe), wie sie Kirche und Kanon vermittelten, die Vielfalt des dekadent gewordenen Götterglaube und gnostischer Verwirrungen oder abstrakte Vernunftlehren ablöste und nun Grund einer neuen monoth. Kultur war, der sich nicht nur Europa und die Aufklärung verdankt.

Sie wissen, dass bereits Eusebius Markus Alexandrien zuordnete (in seiner Geschichts-Legende die chr. Gemeinde dort als Gründung Markus bezeichnete) und dort der Logos bzw. die Vernunft das Thema der anfänglchen Christologie-Disussion war. Auch dass Markus vom Christus aus schreibt, ist Ihnen bekannt.

Sie kennen die Geschichte des Christentums, wie dort im Wandel vom Mythos zum Logos böse Geister ausgetrieben wurden. Wie man die Christen verfolgte, weil sie den traditionellen Göttern und menschlichen Bildern nicht mehr opfern wollen, sondern sich im Namen Jesus auf die Vernunft allen Werden in der Kinderstube kausaler Welterkärung beriefen.

Sie können damit in der Realgeschichte nachblättern, wie durch die Vernunft Dämonen ausgetrieben wurde und dies auf vielfältige Weise im Namen Jesus auch dort geschah, wo man z.B. die jüd. Tradition ablehnte.

Wie können Sie bei all Ihrem Wissen dem chr. Glauben unterstellen, er würde auf die Gottheit eines Wunderheilers gründen, der über einen anderen Exorzisten urteilte?

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