»Sie haben uns den Papst genommen«
Wer die der eigenen Person geltenden Nachrufe noch zu Lebzeiten erfahren will, muss entweder Tod und Begräbnis inszenieren oder als Papst zurücktreten. Nun ist das sicher kein Motiv, das bei dem angekündigten Amtsverzicht von Papst Benedikt irgendeine Rolle gespielt haben könnte. Die Reaktionen auf den Rücktritt des Papstes lesen sich dennoch häufig so, als wäre der Papst bereits gestorben. Man hat zu wenig Erfahrung mit diesem Vorgang: Das Ende der Amtszeit eines Papstes verbindet sich eben gewöhnlich mit seinem Tod.
Unsere Freunde von kath.net kennen seit gestern kein anderes Thema mehr – so der erste Eindruck, der durchaus täuscht. Denn es wird nicht vergessen, den Rücktritt mit der Polemik gegen den Zustand von deutscher Theologie und Kirche zu verbinden. Und da wird, wie in dem Artikel von Gabriele Kuby, mit biblischen Anspielungen und Zitaten nicht gegeizt:
P.S.: Wer den mit der Klage verbundenen Angriff noch etwas deutlicher vorgeführt bekommen will, lese die Kommentare zu den genannten Beiträgen, oder deren Auswahl in den »Expertenmeinungen zum Rücktritt von Papst Benedikt« beim Episodenfisch.
Unsere Freunde von kath.net kennen seit gestern kein anderes Thema mehr – so der erste Eindruck, der durchaus täuscht. Denn es wird nicht vergessen, den Rücktritt mit der Polemik gegen den Zustand von deutscher Theologie und Kirche zu verbinden. Und da wird, wie in dem Artikel von Gabriele Kuby, mit biblischen Anspielungen und Zitaten nicht gegeizt:
»Dass sein eigenes Volk ihn mit ununterbrochenem medialem Trommelfeuer bekämpft und geschmäht hat, daran dürfte der überaus feinfühlende Mensch Josef Ratzinger mit am meisten gelitten haben.«Das »eigene Volk« war es, das nach den Worten des Pilatus Jesus an die römische Obrigkeit ausgeliefert hat (Joh 18,35 gemäß der Einheitsübersetzung). Die johanneische Diktion ist nicht zufällig, denn der nächste Satz bringt ein Zitat aus dem Joh-Prolog: »Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf«. Der Stellvertreter habe Christi Geschick geteilt. Auch wenn an dieser Stelle noch nicht ausdrücklich die Rede von der deutschen Kirche ist, so steuert der Text doch unaufhaltsam darauf zu, wie schwer es diese dem Papst gemacht habe. Sein
»letzter großer Versuch, in den Menschen die Bereitschaft zu wecken, dem Herrn, der anklopft, die Tür zu öffnen (Off 3,20), war die Ausrufung des Glaubensjahres«.
Natürlich darf auch hier der biblische Bezug nicht fehlen. Dass er unspezifisch und willkürlich gesetzt ist, muss nicht weiter stören (es ist nicht das erste Mal, dass die Autorin mit Bibelzitaten nach anderen wirft, s. hier). So kann man die Strömungen, die man kritisieren will, mit den Gemeinden in den Sendschreiben der Johannes-Offenbarung gleichsetzen, die dort getadelt werden:
»Aber es ist in Deutschland ein Ruf ohne Echo. Die Kirche, gelähmt durch staatlich garantierten Reichtum, bürokratische Apparate, Lavieren mit der Wahrheit und Heidenangst vor den Medien, scheint nicht mehr durchlässig zu sein für die inspirierten Wegweisungen ihres obersten Hirten. Verweltlichung – was ist das?, fragen jene, die in der Welt sind und von ihr.«
Es ist immer wieder erstaunlich, mit welch atemberaubender Selbstverständlichkeit Abweichungen von der eigenen Sicht verdammt werden. Wenn der letzte Satz des Zitats irgendeinen kontextuell gebundenen Sinn hat, dann bezieht er sich auf Anfragen an die Forderung nach Entweltlichung und verbindet sie damit, von der Welt zu sein – und das bedeutet nach der johanneischen Sprachwelt, nicht zu den Glaubenden zu gehören. Auch Matthäus muss herhalten, um die eigene Sicht biblisch zu verbrämen (Mt 7,13f).
»All die Kritiker und Reformer, die die Kirche dem Zeitgeist anpassen möchten, rufen die Menschen auf den breiten Weg. Dieser hat nur den Nachteil: Er führt nicht zu Gott.«
So einfach ist das. Offensichtlich ist die Autorin den Weg der »Kritiker und Reformer« schon einmal zu Ende gegangen, kommt nun zurück und sagt uns dankenswerterweise, was ihre Nachforschungen ergeben haben.
Zum Schluss kommen dann noch die Personalpronomen durcheinander, wenn es heißt: »Wie schade, dass wir die Chance verpasst haben, uns an diesem großen Papst aufzurichten.« Eigentlich ist nicht »wir« gemeint, sondern »ihr«.
»Wir«, also »ihr«
»Wir«, also »ihr«
Das wird noch deutlicher in einem zweiten Beitrag, der auf der genannten Vertauschung von erster und zweiter Person geradezu aufgebaut ist. Es wird abgehoben auf die Konflikte im Pontifikat Benedikts XVI. und dabei Bezug genommen auf den Missbrauchsskandal, die Piusbruderschaft und – am ausführlichsten – »die Kirche in Deutschland und im deutschsprachigen Raum«. Ihr sind erhebliche Vorwürfe zu machen.
»Wir sind mitverantwortlich. Mitverantwortlich für diesen Rücktritt und seine Konsequenzen. WIR haben mit enormem Ungehorsam, Starrsinn und Streitsucht, die in nichts den Piusbrüdern nachstehen, denen obendrein sogar noch die Gottessuche und die Frömmigkeit fehlen, einen Pontifikat ausbremst (!), der kaum seinesgleichen hat.«
Schlägt sich hier etwa die Redaktion von kath.net selbstkritisch an die Brust? Könnte man bei »Starrsinn und Streitlust« solches durchaus erwägen, so scheint die Rede vom Ungehorsam das realistische Maß an Gewissenserforschung in diesem Rahmen zu übersteigen. Bis das entscheidende Stichwort fällt, müssen wir aber noch eine schwülstige Genitiv-Konstruktion hinter uns bringen:
»Wir selbst, des Papstes Geschwister der Nationalität und Sprache wie auch dem Glauben nach, haben dafür gesorgt, dass er seine Kraft nicht frei entfalten konnte. Wir haben solange dialogisiert und monologisiert, bis wir ihm die Kraft geraubt hatten. Angefangen von so manchen Kardinälen und Bischöfen bis hin zu vielen kleinen Laien in vergessenen Dorfkirchen haben wir unser eigenes Süppchen kochen wollen.« (Hervorhebung von mir)
Jetzt ist es eindeutig: Hier wird nicht an die Brust geschlagen, sondern mit dem Finger auf andere gezeigt. Und davor ist kein Kardinal und kein Bischof sicher, und natürlich nicht die »vielen kleinen Laien in vergessenen Dorfkirchen«. Der Pfarrgemeinderat von Krampflding am Tupfersbach hat Papst Benedikt in den Rücktritt getrieben!
Dass wir unser eigenes Süppchen hatten kochen wollen, ist in einem kath.net-Beitrag nicht wörtlich zu nehmen. Denn wer sich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Papst-Zitat schmückte »Ich weiß, dass Sie für mich kämpfen«, macht sich selbst in dieser Sache keine Vorwürfe. Die anderen, die Ungehorsamen, die Dialogisierer, die haben ihnen jetzt den Papst genommen. Entsprechend wechselt das vorgetäuschte Wir zum Schluss dann doch noch in einen Imperativ, der sich an andere richtet. Zunächst heißt es zutreffend: »'Wir' waren nie Papst!« (das hatte ja auch nur die BILD-Zeitung behauptet), danach in Aufnahme von Joel 2,13: »Zerreißt eure Herzen!«
Wahrscheinlich wäre der Papst ohne die renitente deutsche Kirche heute erst 79 Jahre alt und viel gesünder.
Wahrscheinlich wäre der Papst ohne die renitente deutsche Kirche heute erst 79 Jahre alt und viel gesünder.
P.S.: Wer den mit der Klage verbundenen Angriff noch etwas deutlicher vorgeführt bekommen will, lese die Kommentare zu den genannten Beiträgen, oder deren Auswahl in den »Expertenmeinungen zum Rücktritt von Papst Benedikt« beim Episodenfisch.
Kommentare
ich meine das nicht unbedingt böse, aber ich lese in Ihrem Artikel durchaus auch ein gerüttelt Maß an Polemik.
Weshalb?
Warum können die Waffen nicht zumindest ein, zwei Tage schweigen? Das betrifft natürlich sowohl Papstfreunde wie Papstkritiker (ich vermute Sie eher bei den letzteren). Ich habe viele schöne und polemikfreie Kommentare auf katholischen Blogs und Portalen gelesen, habe selbst auch drei eher kontemplative Artikel beigesteuert. Die Stimmung auf Seiten der Papstfreunde ist nicht so aggressiv, dass ein Artikel wie der Ihrige zu diesem Zeitpunkt unbedingt nötig wäre.
Ich habe mich ausschließlich mit den zwei genannten Artikeln beschäftigt und wollte keineswegs die Situation "auf katholischen Blogs und Portalen" insgesamt kennzeichnen.
Ihre Frage "Warum können die Waffen nicht zumindest ein, zwei Tage schweigen?" habe ich mir auch gestellt. Und der Ärger darüber, dass der Rücktritt des Papstes als Waffe gegen den "Dialog" benutzt und dieser sogar als mitverantwortlich für den Rücktritt des Papstes bezeichnet wird, hat gerade zum obigen Beitrag geführt. Dass er "unbedingt nötig" wäre, will ich keineswegs beanspruchen. Das gilt aber eigentlich für alle Beiträge auf diesem Blog.
Kath.net arbeitet mal wieder an einer Dolchstoßlegende.
Die Fakten will man einfach nicht zur Kenntnis nehmen, weil sie nicht ins eigene Welt - (und Papst-)bild passen.
Darum strickt man dann an Legenden und Feindbildern.
Den Personenkult um den Papst fand ich bei kath.net schon immer schwer erträglich und auch unbiblisch.
Jetzt wird sogar der Papst in einigen Artikeln und Lesermeinungen indirekt kritisiert.
Andere rechtskatholische Seiten sind da noch deutlicher: "Benedikt XVI. hinterläßt eine verwaiste Kirche – Haben die Wölfe seine Kräfte aufgezehrt?" (so bei katholisches.info).
Auch das ist wieder ein Beispiel für Gehorsam nur wenns paßt, den sogenannten Patchworkgehorsam.
Bei solchen "Freunden" wie von kath.net hilft nur noch eines: der Rücktritt!
Der Papst ist sich als Vertreter schöpferischer Vernunft treu geblieben. Er hat gesehen, dass er in seiner persönlichen Situation und körperlichen Schwäche im Amt des Oberhauptes der kath. Kirche dieser nicht mehr die notwendige Hilfe sein kann.
Wie Sokrates, der m.E. zurecht oft mit dem Kreuz Jesus bzw. der in dessen menschlichen Person (Rolle/Aufgabe) lebendigen und von den Pharisäern/Schriftgelehrten verurteilten Vernunft verglichen wird, ist er mit seinem Rücktritt vom Amt der schöpferischen Weisheit/Vernunft gerecht geblieben.
Doch man stelle sich vor, Prof. Ratzinger würde als freier Theologe bzw. Bischof auf seine alten Tage noch mit einem klaren Bekenntnis zur schöpferischen Vernunft, die er vor dem Bundestag in heutiger Welterkärung zu bedenken gab, ein aufgeklärtes Nachdenken über das wahre und heute lebendige historisch-hoheitliche Wesen Jesus anstoßen. Das den nicht nur den monoth. Geschwistern zugrunde liegende gemeinsame Wort, das in Jesus lebendig war, wäre dann in Auswertung geschichtlichen und theologischen Wissens in der heute universal geltenden evolutions- wissenschafltichen Welterkärung zu verstehen. Keine Revolution, sondern echte Re-form.
Die heute oft laut werdende Rede vom Reformstau und der ausgeblienen Versöhnung der Glaubensgeschwister, was angeblich durch den konservativen Theologe auf dem Papststuhl verursacht wäre, würde sich dann in Luft bzw. schöpferischer Logik auflösen.
Denn die notwendigen Reform, die m.E. weit grundlegender sein muss, als die, die ständig vom Papst als Öffnung zur aufgeklärten Welt verlangt wurden, werden nicht von Leuten verhindert, die unter kath.net schreiben.
Und nicht nur das - besonders interessant und bemerkenswert ist dieser Satz:
"Beten wir um ein gutes Konklave unter der direkten Führung des Heiligen Geistes."
Quelle: http://kath.net/detail.php?id=40071
Wer, so muss man sich hier fragen, bestimmt eigentlich, was ein GUTES Konklave ist? Und wer bestimmt eigentlich, ob ein Konklave unter der direkten Führung des Heiligen Geistes statt findet? Frau Lorleberg? Roland Noé de Nordberg geb. Biermeier?
Und vor allem: wie gedenkt Frau Lorleberg die Güte eines Konklaves bzw. die Anwesenheit des hl. Geistes zu messen? Ist "Gut" nur das, was ihr und Herrn Noé de Nordberg geb. Biermeier persönlich in den Kram passt?