Konklave, Papst und »böse Medien«

Dass in den letzten Tagen zu wenig über den neuen Papst mitgeteilt oder spekuliert worden wäre, könnte wohl nur ein unersättlicher Medien-Vielfraß behaupten, dem es auf das Verdauen des Aufgenommenen nicht mehr ankommt. Ich habe hier, was Papst Franziskus selbst betrifft, nichts Neues mitzuteilen oder zu spekulieren, sondern will an Blog-Beiträge anknüpfen, die sich mit den Widersprüchlichkeiten und Skurillitäten in der öffentlichen Wahrnehmung rund um die Wahl des neuen Papstes innerhalb und außerhalb der Kirche befassen. Erhellendes kann man dazu im Theosalon, bei den Notizen eines Hilfsgeistlichen oder auf kath-2-30 lesen. 

Als Aufhänger dient die gestern bei bildblog.de verlinkte Nachricht, eine Karikatur in der Mainpost über das Konklave habe Protest und (mindestens) eine Abonnements-Kündigung hervorgerufen.  Gegenstand der Karikatur war eine Szene, die der Leseranwalt der Zeitung so umschreibt: Gezeigt werden 
»auf dem Sofa vor dem Fernseher drei gut gestimmte Fans, angetan mit Mitras, päpstlicher Fahne oder Kardinalskleidung, dabei 'Kon-klaa-ve! O-ho-ho-ho-ho!' singend. Einer fragt die Hausfrau auf deren Weg zur Küche: 'Hammwa noch Chips?'«
Was wird hier aufs Korn genommen? Nicht das Papstamt, nicht die Kardinäle oder das Procedere der Papstwahl, sondern der Rahmen, der diese Wahl umgibt und seine Wahrnehmung prägt. Das betrifft zum einen die Verhältnisse auf dem Petersplatz, wo »unter Transparenten mit Landesfarben Public-Viewing-Dimensionen erreicht wurden« (so der bereits genannte Leseranwalt). Man kann zum andern die Fernseh-Berichterstattung anführen, die einem sportlichen Großereignis nicht unähnlich aufgezogen wurde: Expertengespräche vor der Veranstaltung, Einholung von O-Tönen, Blick zurück auf frühere Ausgaben des Ereignisses, nach dem Ende Kommentierung des Ergebnisses durch die Experten. Man konnte nicht nur den Eindruck gewinnen, dass die katholische Tradition etwas von Inszenierung versteht, sondern auch, dass sich die alten Rituale mit den Gesetzen der modernen Medienwelt offensichtlich vereinbaren lassen (ein Eindruck, der durch den Auftritt des Kardinalprotodiakons nur kurzzeitig unterbrochen wurde). Wenn man dieses Medien-Spiel mitspielt – und der Vatikan tut dies nicht nur bei der Präsentation von Wahlurnen auf Pressekonferenzen – darf man sich nicht darüber beschweren, wenn die Papstwahl als Medienereignis wahrgenommen und auch entsprechend satirisch überspitzt wird.

Warum dann so empfindliche Reaktionen? Dies kann natürlich damit zusammenhängen, dass manche Gläubige bei allem, was den Glauben in irgendeiner Weise berührt, grundsätzlich humorlos sind. Es könnte in unserem speziellen Fall aber auch daran liegen, dass man die Papstwahl im Übermaß sakralisiert hat. Selbstverständlich soll hier nichts gesagt werden gegen die Begleitung des Konklaves im Gebet, gar nichts gegen die Bitte um den heiligen Geist bei der Entscheidung der Kardinäle. Aber den Gebetssturm »adopt a cardinal« – zwar im Rahmen einer Glosse, aber kaum ironisch gebrochen – als »Firewall« zu bezeichnen, gegen die der Teufel und sein Heer nicht angekommen ist, muss nicht jedermanns Geschmack treffen. 

Noch einen Schritt weiter ging vor der Papstwahl ein Beitrag, der mit dem Titel »... und jetzt PSSST!« das Konklave als geistliches Event präsentierte, das Stillesein erfordere: »Münder zu. Ohren auf. Ein Konklave begleitet man nicht am Besten mit den Fingern auf der Tastatur, sondern mit gefalteten Händen.« So weit, so gut  wenn auch erstaunlich folgenlos auf dem Portal, das diese Aufforderung veröffentlichte (jedenfalls was die Finger auf der Tastatur betrifft). Zuvor aber hieß es zum Konklave:
»Es beginnt ein Prozess, bei dem fehlbare Menschen unter besonderen Umständen versuchen, zu erraten, wen Gott im Voraus zum Papst bestimmt hat.« (Hervorhebung von mir)
Dann ist die Wahl also gar keine Wahl. Es geht nicht um eine ⅔-Mehrheit für einen bestimmten Kandidaten, sondern um ein transzendentes Ratespiel. Dann bräuchte man allerdings einen Quiz-Master, der mitteilt, ob das Ergebnis auch wirklich stimmt. Ein solches Amt ist bislang nicht bekannt. 

Der Versuch, in der Nachwahl des Matthias ein biblisches Vorbild für ein so verstandenes Konklave zu benennen, macht die Sache nicht besser, im Gegenteil. Zwar soll nach Apg 1,21-26 tatsächlich die Wahl Gottes erkannt werden, aber durch Los, nicht durch Mehrheitsfindung. Vergleichbar ist höchstens die Größe der anwesenden Gruppe: nach Apg 1,15 »ungefähr 120 Leute« – dies ließe sich mit den 115 Kardinälen verbinden. Die Annahme, dass wir es hier mit dem Gremium zu tun haben könnten, das Vorbild für das Konklave wäre, scheitert allerdings am höheren Frauenanteil (s. 1,14).

Stark überhöhte Wahrnehmungen eines Wahlvorgangs lassen jede Satire zum Sakrileg werden, zumal sich in manchen katholischen Kreisen das Feindbild von den »bösen Medien« verfestigt hat. Nun muss man nicht bestreiten, dass vielen, wahrscheinlich sogar den meisten Medienschaffenden die Kirche und ihre Institutionen fremd sind. Dass dies keine günstigen Auswirkungen auf die Qualität der Berichterstattung im Vorfeld der Papstwahl hatte, ist auch von journalistischer Seite angemerkt worden. Michael Fleischhauer fand dafür in Die Presse deftige Worte, von denen man hofft, dass sie doch ein wenig übertrieben sind. Dies rechtfertigt aber weder pauschale Medienschelte noch deren Instrumentalisierung für innerkirchliche Debatten. Auf »katholisches. Magazin für Kirche und Kultur« wird sehr breit die Sorge eines italienischen Blogs (Messa in Latino) mitgeteilt, dass unter dem neuen Papst die Liturgie nicht mehr in der angemessenen Würde gefeiert wird. Dass Papst Franziskus für seine Amtseinführung die Franzsikaner von La Verna kommen lässt, wird folgendermaßen kommentiert: 
»Ein weiteres Signal des Jesuiten Bergoglio sich franziskanisch zu geben, worauf die Medien besonderen Wert legen, und er deshalb auch.« (Hervorhebung von mir)
Starker Tobak: Der Papst ist nur eine Marionette an den Fäden der Medien. Er setzt kein Signal für das, was ihm wichtig ist; nein, er will nur beim Zeitgeist punkten. Wer oder was dem Autor solche Einblicke in die inneren Motive des Papstes gewährt, darf man nicht fragen, jedenfalls nicht in der Hoffnung auf Antwort. Es wird nur ein Klischee bedient, das bei einem bestimmten Publikum offensichtlich verfängt. Das Stichwort »Medien« genügt und schon hält man eine Sache für diskreditiert. 

Sicher kann niemand zum Gebrauch der Großhirnrinde verpflichtet werden. Aber manche Vereinfachungen gehen doch an die Schmerzgrenze, zumal sie nicht nur das Außenverhältnis der Kirche betreffen, sondern sich in mindestens demselben Maß im Innern auswirken. Kommentator »Bonifatius-Franz« auf gloria.tv  hat einen für seine Kreise nicht untypischen Traditionsbegriff, der ihn zum Inhaber des unfehlbaren Lehramts macht und, wenn's sein muss, auch die Inquisitions-Notbremse ziehen lässt:
»Ansonsten gilt wie immer: Dem Papst ist zu folgen solange er folgt. Dank der Heiligen Tradition erkennen wir, wann ein Papst seinen Eigenwillen über unseres Herrn Weisung erhebt. Dann aber muss jeder Katholik salopp gesagt die Blutgrätsche machen.«
Das ist eine der Möglichkeiten, sich die rote Karte einzuhandeln, und dies nicht deshalb, weil der Schiedsrichter unter der Fuchtel der zeitgeistigen Medien stünde. 

Kommentare

Theodor hat gesagt…
Lieber Herr Professor Häfner,

sie haben ganz recht: wir tun uns in der una sancta nicht leicht miteinander und die Medien machen die Dinge nicht einfacher.

Ihrem Kommentar kann ich weitgehend zustimmen - habe aber ein wenig Hoffnung, dass unser neuer Papst auch in den Fragen "Inszenierung" und "Medien" die Dinge etwas zum Guten wenden kann.

Mit herzlichen Grüßen
Theodor

P.S.: die Lektüre von gloria.tv-Kommentaren geht als 1A-Fastenopfer durch.
Theodor hat gesagt…
noch ein kleiner Nachtrag:

das Zitat am Ende des Artikels ist wirklich allerliebst. Man ersetze "Tradition" durch "Schrift" und "Katholik" durch "Christ" und wir haben die exakte Definition dessen, was so ein Piusmensch sich unter einem Protestanten vorstellt - von denen er natürlich mindestens drei zum Frühstück verspeist ...
Andreas Metge hat gesagt…
Was dem Fass die Krone aus dem Gesicht schlägt ist m.E., dass nicht nur weite Teile der Presse den Bischof von Rom mit ihren Erwartungen überfrachten, sondern auch viele der Menschen, denen ich täglich begegne - übrigens unabhängig von Konfession oder Religion! Es ist kurios...

Francesco ist der Papst. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr! Unser "Alltagsgeschäft" sollten wir wohl auch weiterhin selbst erledigen...
Armand Arnold hat gesagt…
Ich habe gerade eine vergnügliche halbe Stunde damit verbracht, die von Ihnen angeführten Links zu lesen. Ich denke, Gott hält sich die katholische Kirche allein aus dem Grund, dass er etwas zu lachen hat.

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