Sonntagsevangelium (95)

25. Sonntag im Jahreskreis (C): Lk 16,1-13 (oder 16,10-13)

Das Gleichnis vom ungerechten Verwalter (Lk 16,1-8) gehört zu den anstößigsten Texten in den Evangelien, denn hier wird ein betrügerisches Verhalten ausdrücklich gelobt. Ausgangspunkt ist die Situation, dass der Verwalter eines reichen Mannes dessen Vermögen verschwendet hat, genauer: dass dem reichen Mann dieses Verhalten zu Ohren kommt. Es spielt aber für die Geschichte keine Rolle, ob der Vorwurf zu Recht erhoben wird. Die Aufforderung, die Abrechnung vorzulegen (16,2), dient nicht der Eruierung des Sachverhalts, sondern wird mit der bereits beschlossenen Entlassung begründet: »... denn du kannst nicht länger Verwalter sein.« Auch der Verwalter selbst geht in seiner Reaktion  nicht davon aus, etwas für den Verbleib in seiner Stellung unternehmen zu können.

Er erwägt Alternativen, die er aber sofort wieder verwirft: Harte körperliche Arbeit ist nichts für ihn (»graben kann ich nicht«), ein noch höherer Prestigeverlust wäre das Betteln (»zu betteln schäme ich mich«; 16,3). Die Lösung wird, erzählerisch geschickt, nicht gleich mitgeteilt, sondern erst das Ziel: Er hat eine Idee, wie er dafür sorgen könnte, dass man ihn später gastfreundlich aufnimmt (16,4). Nicht mehr im inneren Monolog, sondern in einer dialogischen Szene wird die Idee ausgeführt. Der Verwalter lässt die Schuldscheine fälschen und erniedrigt die Menge, mit der die Schuldner bei seinem Herrn in der Kreide stehen. Zwei Fälle werden vorgeführt, sie sollen als Beispiele für den umfassenden Plan des Verwalters wahrgenommen werden. Denn zu Beginn heißt es: »Und er rief einen jeden Schuldner seines Herrn herbei« (16,5).


Was die erwähnten Mengenangaben absolut bedeuten, lässt sich nicht mehr sicher rekonstruieren (die Vorschläge zu βάτος [EÜ: »Fass«] und κόρος [EÜ: »Sack«] gehen weit auseinander), für das Verständnis der Geschichte ist dies aber nicht von Bedeutung. Entscheidend ist, dass eine nicht niedrig angesetzte Schuld erheblich reduziert wird. Dies ergibt sich aus der Logik der Erzählung: Der Verwalter will sich im Blick auf seine Zukunft die Dankbarkeit der Schuldner sichern, und dafür muss er ihnen eine nennenswerte finanzielle Entlastung bieten.

Angesichts dieses Betrugs heißt es, »der Herr« habe den Verwalter gelobt (16,8). Das Verständnis dieses Kommentars ist umstritten. Spricht ihn noch eine Figur des Gleichnisses, also der Herr des Verwalters? Oder ist das Gleichnis bereits abgeschlossen, so dass es sich um eine Aussage des Erzählers des Evangeliums handelt? Dann wäre mit »der Herr« Jesus gemeint; gerade im Lukas-Evangelium findet sich dieser Hoheitstitel in Aussagen des Erzählers. Es scheint mehr für diese zweite Möglichkeit zu sprechen. Für ein erneutes Auftreten des Gutsbesitzers und vor allem für ein Lob seines Verwalters, der nicht nur sein Vermögen verschwendet, sondern ihn jetzt auch noch betrogen hat, gibt es keinen erzählerisch plausiblen Grund (vgl. auch M. Wolter, Das Lukasevangelium, Tübingen 2008, 547; die EÜ übersetzt in diesem Sinn; die Luther-Bibel bevorzugt die andere Deutung).

Gelobt wird freilich nicht direkt der Betrug, sondern die Klugheit, die der ungerechte Verwalter an den Tag legt. Worin besteht sie? Der Verwalter ist in eine kritische Situation geraten und handelt entschlossen, um sich seine Zukunft zu sichern. In diesem Verhalten ist er vorbildlich: Auch die Hörer des Jesus-Gleichnisses sollen ihre gegenwärtige Lage erkennen, die durch den Anbruch der Gottesherrschaft gekennzeichnet ist; und ihr Handeln soll ganz von dieser Lage bestimmt sein – möglicherweise auch auf Kosten gängiger Moralvorstellungen. Diese können jedenfalls in Konflikt geraten mit dem, was angesichts der Nähe des Gottesreiches angebracht ist (siehe z.B. die Nachfolgeworte in Lk 9,59-62 oder 14,26).

Während sich diese Auslegung bei dem Versuch ergibt, das Gleichnis für sich betrachtet in die Botschaft Jesu einzuordnen, setzt Lukas durch die angefügte Spruchgruppe noch einmal andere Akzente. Zum einen greift er in 16,9 auf die Überlegung des Verwalters zurück, sich Aufnahme in den Häusern der Schuldner seines Herrn zu verschaffen, wendet dies aber auf die Erlangung des Heils an – dies meint die Aufnahme in die »ewigen Hütten«. So bietet der Spruch eine Ermahnung an die Reichen, ihren Besitz mit den Armen zu teilen (s.a. 12,33). Zum anderen will Lukas verhindern, dass man sich das Betrügerische am Verhalten des Verwalters zum Vorbild nimmt, und pocht deshalb auf Zuverlässigkeit im Umgang mit Geld und fremdem Gut (16,10-12). 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Prof. Häfner,

müssen wir bei der Beurteilung der hier geschilderten Rechtfertigung eines scheinbaren Betruges nicht in den Vordergrund stellen, dass der Verwalter das Vermögen eh verspielt hatte bzw. es nur noch um "ungerechten" Mammon ging?

Als jemand, der davon ausgeht, dass Lukas den im damaligen Denken sprechedn monistisch erklärten Logos/schöpferiscche Vernunft als lebendiges Wort bzw. Jesus hier zu einer Priesterschaft sprechen lässt, die mit leeren Worten handelt, das Vermögen verspielt hat und damit für den ungerechten Mammon verantwortlich ist, sehe ich in der Handlung keinen Betrug.

Aber auch hier wird wieder klar, dass das Thema des Lukas kein siebenschlauer Wanderprediger war (der laut Ihrer Kollegen als Jungzimmermann nicht lesen und schreiben konnte) und hier das Verhalten eines Gutsverwalters beurteilt bzw. eine allgemeine Verhaltensregel aufstellen wollte. Auch hinter diesem Gleichnis lässt sich die damalige Theologieentwicklung/-geschichte in Geschichtsform erkennen, bei der es um eine damals gehandelte höhere Weisheit/Vernunft/den wahren Mammon geht, der nicht aus alten Schriften abzulesen, für Lukas Jesus selbst war.

Mit dem, der heute als einzig historisch gehandelt und von Lukas durch solche Geschichten als herrlicher hingestellt wird, hat auch dieses Gleichnis nicht im Entfernten etwas zu tun.
Gerd Häfner hat gesagt…
Sie verwenden eine Formulierung, die sehr treffend zeigt, warum Sie nie auf die Texte eingehen und warum der Versuch eines Gesprächs über die Texte zu nichts führt: »Als jemand, der davon ausgeht, dass ...«. Das ist genau das Problem: Sie gehen von Ihrer Position aus und behaupten einfach, dass sie vom jeweiligen Text bestätigt wird. Da kann das Gleichnis noch so deutlich von einem Betrug erzählen; für Sie kann das nicht gemeint sein, weil »Lukas den im damaligen Denken sprechedn monistisch erklärten Logos/schöpferiscche Vernunft als lebendiges Wort bzw. Jesus hier zu einer Priesterschaft sprechen lässt«. Ja, wer solche Einsicht hat, muss sich mit dem Text nicht länger herumschlagen. Lieber wirft er eine Nebelkerze: »Aber auch hier wird wieder klar …« Nichts von dem, was Sie behaupten, wird hier klar. Und was Sie »hinter dem Gleichnis« sehen, ist nur das, was Sie ohne den Text auch schon wissen. Ich muss diese Behauptungen nicht immer wieder lesen.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Dass ich nicht nur auf Ihren, sondern auch den Text des Lukas eingegangen bin, können Sie nachlesen. Auch wenn ich eine andere Form der Auslegung vorgeschlagen habe, die verständlich macht, warum Jesus den Betrug des unfähigen Verwalters schöpferischer Botschaft/des ewigen Wortes nicht verurteilt.

Warum der sonst sehr gerechte und gutherzige Heilsprediger mit Namen Jesus, den Sie als historisch hinstellen, einen Betrug für gut geheißen hat, haben Sie bei Ihrem Nebelkerzenwerfen immer noch nicht erklärt. Auch nicht, warum ein Hellenist wie Lukas einem Heilsprediger das einen solchen Text in den Mund gelegt haben soll. Denn dass es hier um die Aufzeichnungen der wörtlichen Rede von dem geht, den Sie für historisch halten, werden Sie doch sicher nicht behaupten wollen.

Warum aber damals die als schöpferisches Wort verstandene Vernunft gesprochen hat, lässt sich in Realgeschichte nachweisen.

Und damit mir keine Nebenkerzen vorgeworfen werden: Die Adressaten der Rede, die unfähigen Verwalter des schöpferischen Wortes waren die Schriftgelehrten. Die sind Ihnen sicher bekannt.

Anonym hat gesagt…
Es ist unerträglich ... Und ewig rasselt die Bartwickelmaschine ...
Man schaut: "O, Kommentare!", man sieht: "Oweh, Herr Mentzel!" und man klickt weg...
Wo sind die anderen Kommentatoren hin verschwunden???
Gerd Häfner hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Mentzel, Sie haben das Gleichnis erwähnt und auch Ihr Verständnis mitgeteilt, aber dieses wird nicht vom Text geleitet, sondern von Ihrer übergeordneten Theorie. Dass es »nur noch um 'ungerechten' Mammon ging«, sagt die Geschichte nicht. Dass Lukas »Jesus hier zu einer Priesterschaft sprechen lässt, die mit leeren Worten handelt, das Vermögen verspielt hat und damit für den ungerechten Mammon verantwortlich ist«, entspringt Ihrer Phantasie. Lukas lässt Jesus das Gleichnis den Jüngern sagen (s. 16,1), die Pharisäer hören im Nachhinein von den Worten Jesu (16,14). Sie aber wissen, dass die »Adressaten der Rede die unfähigen Verwalter des schöpferischen Wortes … die Schriftgelehrten« waren. Ich schreibe das hier nur, um meine Einschätzung zu belegen, dass Sie den auszulegenden Text nicht berücksichtigen, nicht weil ich hier die Diskussion wieder aufnehmen wollte. Und ich habe nicht den Eindruck gewonnen, dass außer Ihnen irgendeiner der Leser auf diesem Blog daran interessiert wäre.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Sehr geehrter Herr Häfner,

wenn ich diese Texte in ihrer Gesamtheit betrachte, dann bleibe ich dabei. Auch das Thema des Lukas ist die Theologie der Zeit. Es geht in den gesamten Texten nicht um Moralvorstellungen, sondern das Verständnis des Gotteswortes, das Jesus war.

Warum sollte der Hellenist Lukas Jesus bzw. Christus, über den ja auch er schreibt, die moralische Beurteilung eines Betruges durch einen Gutsverwalter behandeln lassen, den Betrug des Unfähigen Verwalters auch noch für gut geheißen haben?
Anonym hat gesagt…
Eben habe ich nachgesehen, ob Pinchas Lapide etwas zu diesem Text schreibt und ja, er hat.
Er meint, es handele sich vermutlich um einen Übersetzungsfehler. (Für die, die P.L. "Ist die Bibel richtig übersetzt" nicht gelesen haben: P.L. versucht, schwierigen Texten durch Rückübersetzungen uns Hebräische auf die Spur zu kommmen.)

"Wenn also Lukas, der Grieche, unter den >vielen Berichten<, denen er >von Anfang an sorgfältig nachgegangen ist< (Lk 1,1), auch ein hebräisches Urevangelium zur Verfügung hatte, jedoch nicht genügend mit den Ambivalenzen der biblischen Sprache vertraut war, wäre es höchstwahrscheinlich, dass er daneben geraten hat.
Und so übersetzte er >lobte< anstatt >fluchte<; und anstatt >hinterlistig< übersetzte er >klug<.
Was jedoch ursprünglich gemeint war, wie es sowohl der Kontext als auch die jesuanische Ethik nahelegen, war:
>Und der Herr verdammte den betrügerischen Verwalter, weil er hinterlistig gehandelt hatte<. In diesem Fall ist Ulrich Wilckens zuzustimmen, der im Blick auf Lk 16, 9-13 schreibt: >schon früh hat man den Sinn des Gleichnisses nicht mehr verstanden und fügte so (...) Sprüche hinzu, die zu verläßlicher Treue im Kleinen wie im Großen mahnen.<"

Auch das muss ja nicht richtig sein, aber ist doch auch eine Deutungsmöglichkeit.
Gerd Häfner hat gesagt…
Einen griechischen Text als Fehlübersetzung aus einem hebräischen oder aramäischen Text zu erklären, scheint mir methodisch problematisch zu sein (vollends im Fall von Lukas, für dessen Kenntnis des Hebräischen es keine Anhaltspunkte gibt). Man setzt voraus, den Text besser zu verstehen als sein Autor, der sich bei den sinntragenden Vokabeln ja auch etwas gedacht haben muss. In diesem Fall entsteht außerdem die Schwierigkeit: Es entstünde eine so banale Geschichte, dass man nicht wüsste, warum Jesus dazu überhaupt ein Gleichnis erzählt. Dass ein Betrug verurteilt wird bzw. verurteilenswert ist, muss man nicht durch eine Gleichniserzählung erhellen. Es würde jedes Überraschungsmoment fehlen, das für Jesu Gleichniserzählungen (Parabeln) kennzeichnend ist.

Dem Zitat von Ulrich Wilckens kann ich zustimmen. Es setzt freilich voraus, dass das Gleichnis nicht auf verlässliche Treue im Kleinen wie im Großen zielt.
Kunigunde Kreuzerin hat gesagt…
Wie immer recht vielen Dank. Die "dunkelsten" Gleichnisse erscheinen bei Ihnen immer schlüssig. Liegt - ganz in Ihrem Sinne verstanden - hier die Betonung vielleicht nicht nur ausschließlich auf der Zukunftshinwendung, sondern auch etwas darauf, dass der Verwalter die Kündigung als gegeben hinnimmt (und nicht etwa seinen Herrn umzustimmen versucht oder irgend etwas unternimmt, um doch im Amt bleiben zu können) - gleichnishaft also mit der gegenwärtigen Welt "radikal" abschließt ?
Gerd Häfner hat gesagt…
@Kunigunde Kreuzerin

Ich sehe keine Betonung auf dem von Ihnen genannten Punkt. Dass der Verwalter keine Anstalten macht, seine Stellung zu retten, ist einfach die erzählerische Voraussetzung dafür, dass er sich die Gedanken über seine Zukunft macht, die in 16,4-7 zu lesen sind. Das Gleichnis ist also so erzählt, dass die Hörer an der Frage, warum der Verwalter nichts zu seiner Verteidigung unternimmt, nicht hängen bleiben sollen.

Es scheint mir auch nicht naheliegend, dass die Geschichte des Verwalters als Beispiel für ein Gegenüber von gegenwärtiger und künftiger Welt dienen soll, so dass der Bruch mit seinem bisherigen Herrn als Bruch mit der gegenwärtigen Welt zu verstehen wäre. Der Verwalter bleibt in der ganzen Geschichte ein »Kind dieser Welt« (s. 16,8), vorbildhaft ist die Entschlossenheit, mit der er seine Zukunftssicherung betreibt - im Gleichnis bleibt diese Sicherung aber ganz »diesseitig« orientiert.

Auch wenn ich sie nicht aufgreife: Danke für die Anregung! (gilt auch für »Anonym«)
Kunigunde Kreuzerin hat gesagt…
Recht vielen Dank für Ihre Antwort. Ja, wenn man "hart" am Text bleibt/bleiben will, gehts nur um die Zukunft.

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