Sonntagsevangelium (116)
6. Sonntag im Jahreskreis (A): Mt 5,17-37 (oder: 5,20-22a.27-28.33-34a.37)
Die sogenannten »Antithesen« (Mt 5,21-48) zählen zu den umstrittensten Texten des Matthäus-Evangeliums. Unter anderem wird diskutiert, ob diese Abschnitte im Kern auf Jesus zurückgeführt werden können. Diese Frage betrifft weniger die Inhalte, die in den meisten Fällen Jesus zuzuschreiben sind. Problematisch aber ist die Form der Gegensatzsprüche: Hat schon Jesus seine Weisung dem gegenübergestellt, was »den Alten gesagt wurde«? Oder stammt diese Gestaltung von Matthäus, der sie als einziger Evangelist bietet? Auch wenn eine sichere Antwort kaum möglich ist, gehören die Antithesen vom Töten (5,21f) und vom Ehebruch (5,27f) ursprünglich wohl auch in dieser Form in die Verkündigung Jesu.
Jesus verbindet damit keine grundsätzliche Kritik am Gesetz, der Tora des Mose – als Jude hat er es anerkannt, wie auch die Evangelien bezeugen (Mk 7,10-12; 10,19; 12,29-31). Doch fällt vom Anbruch der Gottesherrschaft ein besonderes Licht auf das Gesetz: Nicht erst die vollbrachte Tat betrifft das Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern schon der Ansatz zur bösen Tat in den Gedanken, die von den in den beiden ersten Antithesen zitierten Dekaloggeboten nicht zu erreichen sind. Das bedeutet für die erste Antithese: Man kann sich nicht auf das Gesetz berufen, um vor Gott Freiraum zu gewinnen für aggressive Affekte gegen den Nächsten im Zorn. Wenn es um diesen Handlungsimpuls geht – weit mehr ist verlangt als die Vermeidung der Tötung –, ist das Ziel der Aussage nicht, jede zornige Aufwallung mit der Gerichtsdrohung zu versehen.
Die sogenannten »Antithesen« (Mt 5,21-48) zählen zu den umstrittensten Texten des Matthäus-Evangeliums. Unter anderem wird diskutiert, ob diese Abschnitte im Kern auf Jesus zurückgeführt werden können. Diese Frage betrifft weniger die Inhalte, die in den meisten Fällen Jesus zuzuschreiben sind. Problematisch aber ist die Form der Gegensatzsprüche: Hat schon Jesus seine Weisung dem gegenübergestellt, was »den Alten gesagt wurde«? Oder stammt diese Gestaltung von Matthäus, der sie als einziger Evangelist bietet? Auch wenn eine sichere Antwort kaum möglich ist, gehören die Antithesen vom Töten (5,21f) und vom Ehebruch (5,27f) ursprünglich wohl auch in dieser Form in die Verkündigung Jesu.
Jesus verbindet damit keine grundsätzliche Kritik am Gesetz, der Tora des Mose – als Jude hat er es anerkannt, wie auch die Evangelien bezeugen (Mk 7,10-12; 10,19; 12,29-31). Doch fällt vom Anbruch der Gottesherrschaft ein besonderes Licht auf das Gesetz: Nicht erst die vollbrachte Tat betrifft das Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern schon der Ansatz zur bösen Tat in den Gedanken, die von den in den beiden ersten Antithesen zitierten Dekaloggeboten nicht zu erreichen sind. Das bedeutet für die erste Antithese: Man kann sich nicht auf das Gesetz berufen, um vor Gott Freiraum zu gewinnen für aggressive Affekte gegen den Nächsten im Zorn. Wenn es um diesen Handlungsimpuls geht – weit mehr ist verlangt als die Vermeidung der Tötung –, ist das Ziel der Aussage nicht, jede zornige Aufwallung mit der Gerichtsdrohung zu versehen.
Zum Verständnis der Antithese vom Ehebruch ist es wichtig, den Bezug auf Ex 20,17 zu erkennen. Wörtlich übersetzt heißt es: »Jeder, der eine Frau ansieht, um sie zu begehren, hat schon die Ehe mit ihr gebrochen in seinem Herzen.« Es geht nicht allein um den lüsternen Blick, wie die Einheitsübersetzung wiedergibt. Die Frau, von der hier die Rede ist, wird als Ehefrau gekennzeichnet. Die Anspielung auf Ex 20,17, wo die Ehefrau in den Besitz des Mannes eingereiht ist, zeigt, dass die patriarchale Sicht der Ehe in der Antithese nicht überwunden ist. Dafür spricht auch die einseitige Formulierung vom Mann aus. Derjenige, der die Frau eines anderen begehrt, verletzt die Ehe des anderen Mannes, dessen Besitzrechte. Ginge es darum, die Verletzung der eigenen Ehe anzuprangern, wäre die Beschränkung auf die Perspektive des Mannes schwer zu erklären. Dann müssten Frau und Mann als Gleichgefährdete erscheinen. Es scheint also kein emanzipatorischer Impuls leitend zu sein. Da Jesus im Spruch von der Ehescheidung (5,32, s. dazu hier) dem Mann das Verfügungsrecht über das Bestehen seiner Ehe bestreitet, scheint es ihm in der Antithese vom Ehebruch in erster Linie um den Schutz der Ehe zu gehen.
Die Antithese vom Schwören stellt nicht wie die ersten beiden Dekaloggebot und dessen Radikalisierung durch Jesus einander gegenüber. Was »den Alten gesagt wurde«, ist hier nicht eindeutig auf eine alttestamentliche Weisung zu beziehen, sondern spielt auf verschiedene Stellen an. Warum wird der Eid grundsätzlich abgelehnt? Eine Antwort kann zunächst im Blick auf das zwischenmenschliche Verhältnis versucht werden: In jedem Fall, nicht nur wenn man Gott ausdrücklich zum Zeugen anruft, besteht die Verpflichtung, die Wahrheit zu sagen. Es gibt keine Situationen, in denen man von dieser Verpflichtung befreit wäre. Die Forderung hat aber auch eine theologische Dimension. Dabei könnte es um die Heiligung des Gottesnamens gehen. Gottes Majestät soll nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass der Mensch Gott beansprucht, um die Wahrhaftigkeit seiner Aussagen zu beteuern. Dies entspräche dem Horizont, in dem in jüdischer Tradition Kritik am Eid geübt wurde. Außerdem begegnet im Vaterunser die Bitte um Heiligung des Gottesnamens (Mt 6,9). In der matthäischen Fassung zeigt sich dieser Gedanke deutlich in den Begründungen in 5,35f. Daneben ist aber auch ein weiterer theologischer Bezug denkbar: Der Mensch ist deshalb zu absoluter Wahrhaftigkeit verpflichtet, weil er angesichts der angebrochenen Gottesherrschaft beständig in der Situation steht, dass Gott sein Zeuge ist, oder weil er im Verhalten zum Nächsten das vorbehaltlose Ja Gottes zum Menschen spiegeln soll.
Auf der Ebene des Matthäus-Evangeliums findet sich zum Verhältnis der Weisungen Jesu zur Mose-Tora ein Verständnisschlüssel in den Sätzen, die den Antithesen vorausgehen: Die Weisungen Jesu erfüllen die Tora. Sie legen also deren Sinn frei, richten sich keineswegs gegen sie. Dies bedeutet aber auch, dass der Sinn der Tora-Gebote sich erst aus der Auslegung Jesu ergibt. Diese Auslegung ist nicht willkürlich, sondern orientiert am Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, das der matthäische Jesus als Zusammenfassung von Tora und Propheten präsentiert (22,40). Eine solch positive Beziehung zur Tora im Sinne der Erfüllung wird nicht durch die Tatsache ausgeschlossen, dass das Wort zur Ehescheidung mit einer Regelung der Tora nicht übereinstimmt (die Entlassung der Frau hebt anders als in Dtn 24,1-4 das Bestehen der Ehe nicht auf). In der frühjüdischen Überlieferung finden sich in verschiedenen Zusammenhängen Bestimmungen, die von denen in den fünf Büchern Mose abweichen, ohne dass dies als Aufhebung der Mose-Tora oder Widerspruch zu ihr empfunden worden wäre.
Kommentare
der Sinn der Tora ergibt sich also erst durch Jesus, Ja.
Doch dass es dabei um einen jungen Heilsprediger gegangen ist, der alles etwas besser wusste, nein.
Auch hier wird wieder mehr als deutlich, dass auch die Gegenthesen des Matthäus von der damals phil. definierten Vernunft ausgehen, diese nicht nur dem Johannesevangelium oder der Christologie Alexandriens zugrunde liegt, an die die Kirche anknüpfte, sondern auch den Synoptikern.
Das Gesetz ist kein Selbstzweck, sondern nun im Licht der nach Josua, gr. Jesus als Wort verstandenen Vernunft allen kreativen Werdens zu lesen oder gar zu verschärfen.
Denn der Grund des Rechtes kann nicht der gewesen sein, der heute als hist. Jesus gesehen wird. Dieser ist vielmehr dort zu suchen ist, wo ihn Benedikt XVI. vor dem Bundestag zu bedenken gab, als er sich in Bezug auf Stoa und jüd. Weisheit auf die ökologische Lehre bezog, die eine kreative Vernunft verdeutlichen würde, die nicht menschlich zu bestimmen sei.
Zum Sabbat sehe ich keine grundsätzliche Schwierigkeit, Jesus eine torakonforme Position zuzuschreiben. Denn die schriftliche Tora trifft keine näheren Angaben zu dem, was am Sabbat erlaubt ist, und die Maxime von Mk 2,27 (die Matthäus allerdings nicht bietet) kann an den im Dekalog erkennbaren Sinn des Sabbats als eines allgemeinen Ruhetages anknüpfen. Zur Ehescheidung ist das gesetzeskritische Potential auf der Jesusstufe kaum größer als bei Matthäus – immerhin dürfte Matthäus in 5,32 die Form des Spruches bieten, die (bis auf die Unzuchtsklausel) als älteste Form gelten kann (das ist aber zugegebenermaßen umstritten). Und was die Haltung zu den Reinheitsgeboten betrifft, so kann man Jesus kaum eine grundsätzliche Zurückweisung zuschreiben, wie es etwa Ernst Käsemann getan hat. Zu schwach ist dieses Thema in der Jesusüberlieferung ausgeprägt, als dass man annehmen könnte, Jesus habe die in der antiken Lebenswirklichkeit fest verankerte Vorstellung von kultischer Reinheit prinzipiell abgelehnt – auch wenn sie in seinem Wirken und Verkünden keine besondere Rolle gespielt hat.
Die Konflikte, in die Jesus verwickelt war, drehten sich um die rechte Auslegung der Tora, nicht um deren Geltung.
Ich halte mich an Ihre Auslegung von Matthäus, Herr Prof. Häfner. Und danach kann es dem Verfasser in einer Zeit, in der die phil. definierte Vernunft die Grundlage der Verhaltenslehren war, nicht um die Meinung eines jungen jüdischen Mannes gegangen sein.
Welche Vorstellung der, der heute für historisch gehalten wird, von kultischer Reinheit, Eherecht oder Sonntagsgebot gehabt hätte, sich darüber auch nur Gedanken zu machen, das ist doch mehr als lächerlich. Das kann aber auch der Antike nicht unterstellt werden. Und noch weniger könnte das oder der, der heutigen Welt eine Grundlage für Verhaltenslehren bzw. die Gesetze und deren richtige Leseweise sein.
Wenn wir von der durch nat. Schöpfung/Kreativität vorgegebenen Vernunft (Logos) in ihrer kulturell-vernünftigen Umsetzung ausgehen, die nicht nur für Johannes Jesus war, erscheint auch das Verhältnis von Jesus zum Gesetz bei Paulus oder Matthäus im neuen Licht.
Oder hat Johannes, der sich doch eindeutig auf den Logos bezieht, wenn er von Jesus spricht, der über das Gesetz Moses hinausgeht, Wahrheit... ist, von einem anderen historischen Jesus gesprochen, als die Synoptiker?
Nebenbei: Ich lese gerade "Eine wortgewaltige Jesus-Darstellung" Das Johannesevangelium übersetzt und kommentiert von Joachim Kügler, der Jesus an jeder Stelle als Logos sprechen lässt. Auch wenn er von einem Wanderprediger ausgeht, so spricht bei dem Theologen der leibhafte Logos, werden darin alle Aussagen begründet.
Doch wie soll das zusammengehen?
Eher hat eine Hebräerin mit Namen Maria eine Millionenstadt, jeden einzelnen Menschen darin zur Welt gebracht und ist doch jungfräulich geblieben, als das ein junger Wanderphilosoph, der alles etwas besser wusste, das gewesen sein kann, was den Hebr. Wort war, die Griechen als den Logos definierten, der allem nat. Werden zugrunde lag, Mittler oder zu halten war...
...und den die Seinen nicht sehen wollten.
Nur so ist zu belegen, dass Jesus wirklich lebt.
Denn die heute z.B. als Ökologie bezeichnete Vernunft, die aller Schöpfung zugrunde liegt, wie sie nicht nur Johannes zum Thema hat, sondern die gesamte Christologie bzw. anfängliche Theologie und die von Mutter Kirche leibhaftig zur Welt gebracht bzw. ausgedrückt wurde, ist höchst lebendig.
Und eine christliche Kirche, die sich auf die Vernunft allen Werdens in kulturelle Umsetzung berufen kann, wie sie heute auf Weltkonferenzen vergeblich gefordert wird, wofür im bildlosen Kult des Wortes Josua, gr. Jesus stand, die ist lebendig. Weit lebendiger, als eine, die von einen jungen Wanderprediger redet, bei dem dann die Theologie alle Bedeutungsaussage nur noch als anschließende Verherrlichungsrede...
Denn der hat der Welt wirkilich nichts mehr zu sagen, taugt nur noch, um sich dran zu erwärmen und seine Humanität oder eine konservative Meinung hineinzupredigen.
Aber Gott sei Dank ist uns das Wissen gegeben, dass es am Anfang um die von Kreativität ausgehende bzw. kreative Vernunft ging. Die aber erst dann kulturell lebt, wenn wir ihre anfängliche Bedeutung in der Jesusgestalt begreifen.