Bischofs-Bashing
Nun also ein Bischof. Nachdem in den Debatten um Glaubens-, Gottes- oder Kirchenkrise die »Memorandums-Theologen«, Klaus Müller und Alois Glück heftig attackiert wurden, ist jetzt Gebhard Fürst an der Reihe, der Bischof von Rottenburg-Stuttgart. Er hatte ein Gespräch mit der Redaktion der Ludwigsburger Kreiszeitung geführt, das nicht als Interview veröffentlicht, sondern in einem Bericht zusammengefasst wurde (hier). Aufgrund dieses Artikels ist der Bischof nicht nur ins Visier von kath.net geraten, sondern auch von Alexander Kissler. Der Kulturjournalist hat im Online-Tagebuch seiner Homepage einen Eintrag veröffentlicht unter dem Titel »Bischof Fürst schreitet fort« (verfügbar auch auf kath.net). Wer der Vorstellung anhängt, Streit und Diskussion müssten fair geführt werden, wird bei der Lektüre auf eine harte Probe gestellt.
Nur einen Seitenblick werfen wir auf die Beleidigungen, die dem Bischof von Rottenburg-Stuttgart zugedacht werden. Er ist »der schwäbische Schlaue«, sitzt auf dem »viel zu großen Bischofsstuhl«, hat sich aber »den Lorbeerkranz der Weltklugheit« aufgesetzt und dreht »der Kirche theologisch eine Nase«. Alberne Kindersprache wird ihm gerecht, führt er doch »mit Mutter Kirche einen possierlichen Kleinkrieg. Ich darf nicht? Darf ich doch, ätschi-bätschi«. Einen derart Kindischen kann man dann zum Schluss auch noch erzieherisch duzen: »Gebhard, Gebhard, magst Du Dich nicht befreien von der Kirche, die Dir solche Pein verursacht?«
Schon diese Charakterisierung, die Kirche verursache dem Bischof Pein, basiert nicht auf dem Beitrag in der Ludwigsburger Kreiszeitung. Kisslers Zuspitzung erst lässt den Bischof leiden. Es mag hier dieselbe Projektion geschehen sein wie im Vorwurf, Fürst gieße »Häme auf all jene Länder, in denen der Glauben blüht und die sich nun als gestrig beschimpft sehen«. Der Journalist ist es, der in seinem Tagebuch-Eintrag Häme auf den Bischof gießt; und er ist es wohl auch, der leidet, nämlich an der Tatsache, dass Bischof Fürst die Priesterweihe für Frauen nicht für alle Zeiten ausgeschlossen und die Anhänger der lateinischen Messe in seinem Bistum als »oftmals fundamentalistisch« bezeichnet hat.
Selbstverständlich hat Alexander Kissler das Recht, diese Sätze für falsch zu halten; aber er hat nicht das Recht, aus den Aussagen des Bischofs Konsequenzen zu ziehen, die dieser selbst nicht gezogen oder auch nur angedeutet hat und vor allem: die sich keineswegs aus den Ausführungen in der Ludwigsburger Kreiszeitung rechtfertigen lassen.
Offensichtlich hat Bischof Fürst in dem Redaktionsgespräch um Verständnis dafür geworben, dass die in unserer Gesellschaft selbstverständliche Gleichstellung von Mann und Frau nicht auf die Strukturen einer traditionsverwurzelten, auf der ganzen Erde verbreiteten Institution wie der römisch-katholischen Kirche übertragen werden könne. Dass sich Frauen in der Frage der Zulassung zum Priesteramt ausgeschlossen fühlen, so fasst die Zeitung zusammen, könne er verstehen, »doch der katholische Kosmos bestehe eben nicht nur aus fortschrittlichen Ländern, wie Deutschland oder den USA, in denen weibliche Priester denkbar seien«. Die indirekte Rede lässt die Möglichkeit offen, dass die Rede von den »fortschrittlichen Ländern« Fürsts Wortwahl gar nicht direkt wiedergibt, sondern auf die Redaktion zurückgeht; vielleicht hat Fürst auch nur eine Formulierung aus einem vorangegangenen Gesprächsbeitrag aufgenommen. Aber lassen wir dieses Bedenken einmal beiseite und gehen davon aus, dass die Worte genauso gefallen sind wie wiedergegeben. Kissler deformiert sie zu dem Urteil:
Der nächste Schritt besteht darin, dass man die Unterstellung der Konsequenzen auf einen Sachverhalt ausdehnt, der der Intention des Angegriffenen ausdrücklich widerspricht. Der offenbar einzig verbliebene Kandidat für die Priesterweihe im Jahr 2012 im Bistum Rottenburg-Stuttgart muss sich Kissler zufolge
Zum Dritten werden zum Zweck des wirkungsvollen Angriffs auch unzulässige Verallgemeinerungen eingesetzt. Dass Bischof Fürst jene Gläubige aus seinem Bistum, die sich für den außerordentlichen Ritus, die tridentinische Messe, einsetzen, als »oftmals fundamentalistisch« einstuft, berechtigt nicht zu der Folgerung, damit würde auch Papst Benedikt als Fundamentalist beschimpft (»Warst Du Dir ... bewusst, dass Du damit auch Benedikt XVI. zum Fundamentalisten stempelst?«). Fürst sprach laut Zeitungsbericht von einer bestimmten Gruppe in seinem Bistum (auf 300 geschätzt), deren Glaubenshaltung »oftmals fundamentalistisch« sei. Nicht einmal dieser Gruppe wird also eine solche Haltung umfassend zugeschrieben. In keinem Fall kann sie dahingehend verallgemeinert werden, dass alle Liebhaber der Alten Messe als Fundamentalisten bezeichnet würden ‑ das aber setzt Kisslers Folgerung voraus. - Hätte unser Gitarrenbauer gesagt, die meisten Freunde der Jumbo-Gitarren-Form in seinem Laden würden ihr Instrument nur sehr unvollkommen beherrschen, so könnten wir diesen Satz nicht zurückweisen mit dem Hinweis, er würde damit Gitarristen wie Eric Roche beleidigen, die eine solche Gitarre spielen (nebenbei: der Link lohnt sich).
Wenn die Auseinandersetzungen um den angemessenen Weg der Kirche in die Zukunft zu solchen Verzerrungen und Unterstellungen wie den hier dargelegten führen, ist es nicht überflüssig, an den schönen Satz zu erinnern, mit dem Papst Benedikt sein Jesus-Buch eingeleitet hat: »Es steht ... jedermann frei, mir zu widersprechen. Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt« (Jesus von Nazareth, Band I, Freiburg 2007, 22).
Es wäre tatsächlich erfreulich, wenn der Wille zum Verstehen des anderen die Oberhand behalten könnte über den Willen zum Verdrehen seiner Aussagen.
Nur einen Seitenblick werfen wir auf die Beleidigungen, die dem Bischof von Rottenburg-Stuttgart zugedacht werden. Er ist »der schwäbische Schlaue«, sitzt auf dem »viel zu großen Bischofsstuhl«, hat sich aber »den Lorbeerkranz der Weltklugheit« aufgesetzt und dreht »der Kirche theologisch eine Nase«. Alberne Kindersprache wird ihm gerecht, führt er doch »mit Mutter Kirche einen possierlichen Kleinkrieg. Ich darf nicht? Darf ich doch, ätschi-bätschi«. Einen derart Kindischen kann man dann zum Schluss auch noch erzieherisch duzen: »Gebhard, Gebhard, magst Du Dich nicht befreien von der Kirche, die Dir solche Pein verursacht?«
Schon diese Charakterisierung, die Kirche verursache dem Bischof Pein, basiert nicht auf dem Beitrag in der Ludwigsburger Kreiszeitung. Kisslers Zuspitzung erst lässt den Bischof leiden. Es mag hier dieselbe Projektion geschehen sein wie im Vorwurf, Fürst gieße »Häme auf all jene Länder, in denen der Glauben blüht und die sich nun als gestrig beschimpft sehen«. Der Journalist ist es, der in seinem Tagebuch-Eintrag Häme auf den Bischof gießt; und er ist es wohl auch, der leidet, nämlich an der Tatsache, dass Bischof Fürst die Priesterweihe für Frauen nicht für alle Zeiten ausgeschlossen und die Anhänger der lateinischen Messe in seinem Bistum als »oftmals fundamentalistisch« bezeichnet hat.
Selbstverständlich hat Alexander Kissler das Recht, diese Sätze für falsch zu halten; aber er hat nicht das Recht, aus den Aussagen des Bischofs Konsequenzen zu ziehen, die dieser selbst nicht gezogen oder auch nur angedeutet hat und vor allem: die sich keineswegs aus den Ausführungen in der Ludwigsburger Kreiszeitung rechtfertigen lassen.
Offensichtlich hat Bischof Fürst in dem Redaktionsgespräch um Verständnis dafür geworben, dass die in unserer Gesellschaft selbstverständliche Gleichstellung von Mann und Frau nicht auf die Strukturen einer traditionsverwurzelten, auf der ganzen Erde verbreiteten Institution wie der römisch-katholischen Kirche übertragen werden könne. Dass sich Frauen in der Frage der Zulassung zum Priesteramt ausgeschlossen fühlen, so fasst die Zeitung zusammen, könne er verstehen, »doch der katholische Kosmos bestehe eben nicht nur aus fortschrittlichen Ländern, wie Deutschland oder den USA, in denen weibliche Priester denkbar seien«. Die indirekte Rede lässt die Möglichkeit offen, dass die Rede von den »fortschrittlichen Ländern« Fürsts Wortwahl gar nicht direkt wiedergibt, sondern auf die Redaktion zurückgeht; vielleicht hat Fürst auch nur eine Formulierung aus einem vorangegangenen Gesprächsbeitrag aufgenommen. Aber lassen wir dieses Bedenken einmal beiseite und gehen davon aus, dass die Worte genauso gefallen sind wie wiedergegeben. Kissler deformiert sie zu dem Urteil:
»Dass jede Epoche defekt sei gegen [!] die Gegenwart und fast alles Mist außer Deutschland, führt Fürst nun in den Redaktionsräumen der 'Ludwigsburger Kreiszeitung' gekonnt aus.«Bischof Fürst hat keineswegs ein Werturteil über andere Epochen oder kulturelle Räume gefällt, sondern ist dafür eingetreten, dass unsere gesellschaftlichen Maßstäbe nicht einfach auf andere Verhältnisse übertragen werden können. Kisslers Trick geht nach dem Muster: Blende den Kontext der Aussage aus, spiegle sie negativ und schreibe ihr in dieser Form eine grundsätzliche Ausrichtung zu, die sie selbst gar nicht erkennen lässt. - Nehmen wir an, ein Gitarrenbauer hätte gesagt, eine modernere Form der klassischen Gitarre würde nur in Deutschland akzeptiert werden, weshalb deren Produktion jetzt sinnlos sei. Kissler würde daraus die Folgerung ziehen: Gitarrenbauer hält alle überkommenen Gitarrenformen für hoffnungslos veraltet. Diese Folgerung setzt mehr als eine nur strapazierfähige Logik voraus.
Der nächste Schritt besteht darin, dass man die Unterstellung der Konsequenzen auf einen Sachverhalt ausdehnt, der der Intention des Angegriffenen ausdrücklich widerspricht. Der offenbar einzig verbliebene Kandidat für die Priesterweihe im Jahr 2012 im Bistum Rottenburg-Stuttgart muss sich Kissler zufolge
»also anhören lassen [!], sein Entschluss zur priesterlichen Lebensweise sei ein Steinzeitreflex, Überbleibsel eines nicht so 'fortschrittlichen' Denkens, er sei kindisch aus der Zeit gefallen«.Ein nicht nur gewaltsamer, sondern offenkundig textwidriger Schluss, heißt es doch in dem Artikel, auf den sich Kissler bezieht (als wörtliches Zitat des Bischofs): »Wir brauchen für bestimmte Ämter zölibatäre Priester« . - Hätte unser Gitarrenbauer außer dem bereits angeführten Satz gesagt: »Wir müssen in jedem Fall die althergebrachte Gitarrenform bewahren«, dann würde Kissler also kommentieren: Gitarrenbauer bezeichnet die althergebrachte Gitarrenform als nicht zukunftsfähig. Ein solcher Kommentar ist offenkundiger Unsinn. Sollte er dadurch zustande gekommen sein, dass der Kulturjournalist nur die Nachricht über den Artikel der Ludwigsburger Kreiszeitung auf kath.net gelesen hat (der zitierte Satz Fürsts erscheint dort nicht), wäre dies eine Erklärung, aber keine Entschuldigung. Man darf und muss ja erwarten, dass, wer so schweres Geschütz auffährt, sich aus erster Hand informiert.
Zum Dritten werden zum Zweck des wirkungsvollen Angriffs auch unzulässige Verallgemeinerungen eingesetzt. Dass Bischof Fürst jene Gläubige aus seinem Bistum, die sich für den außerordentlichen Ritus, die tridentinische Messe, einsetzen, als »oftmals fundamentalistisch« einstuft, berechtigt nicht zu der Folgerung, damit würde auch Papst Benedikt als Fundamentalist beschimpft (»Warst Du Dir ... bewusst, dass Du damit auch Benedikt XVI. zum Fundamentalisten stempelst?«). Fürst sprach laut Zeitungsbericht von einer bestimmten Gruppe in seinem Bistum (auf 300 geschätzt), deren Glaubenshaltung »oftmals fundamentalistisch« sei. Nicht einmal dieser Gruppe wird also eine solche Haltung umfassend zugeschrieben. In keinem Fall kann sie dahingehend verallgemeinert werden, dass alle Liebhaber der Alten Messe als Fundamentalisten bezeichnet würden ‑ das aber setzt Kisslers Folgerung voraus. - Hätte unser Gitarrenbauer gesagt, die meisten Freunde der Jumbo-Gitarren-Form in seinem Laden würden ihr Instrument nur sehr unvollkommen beherrschen, so könnten wir diesen Satz nicht zurückweisen mit dem Hinweis, er würde damit Gitarristen wie Eric Roche beleidigen, die eine solche Gitarre spielen (nebenbei: der Link lohnt sich).
Wenn die Auseinandersetzungen um den angemessenen Weg der Kirche in die Zukunft zu solchen Verzerrungen und Unterstellungen wie den hier dargelegten führen, ist es nicht überflüssig, an den schönen Satz zu erinnern, mit dem Papst Benedikt sein Jesus-Buch eingeleitet hat: »Es steht ... jedermann frei, mir zu widersprechen. Ich bitte die Leserinnen und Leser nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt« (Jesus von Nazareth, Band I, Freiburg 2007, 22).
Es wäre tatsächlich erfreulich, wenn der Wille zum Verstehen des anderen die Oberhand behalten könnte über den Willen zum Verdrehen seiner Aussagen.
Kommentare
Eleonore Reuter
Beim Lesen der Beiträge dort gewinnt man den Eindruck, dass die Katholische Kirche in Deutschland fast komplett als häretisch abgeschrieben wird (siehe die Artikel zur Kirchensteuer).