Sonntagsevangelium (36)


17. Sonntag im Jahreskreis (B): Joh 6,1-15
Der Evangelist Johannes lässt in die Erzählung von der Speisung der 5000 einige Merkmale einfließen, die für seine Jesus-Darstellung typisch sind und in den Fassungen der anderen Evangelien fehlen. Dies betrifft zunächst den Grund des Zuspruchs, den Jesus bei den Volksscharen findet: die Zeichen, die Jesus an den Kranken gewirkt hat (6,2). Dass die Wunder Jesu in positivem Sinn Zeichen genannt werden, ist eine Eigenheit des Johannes-Evangeliums. Bei Markus, Matthäus und Lukas erscheint dieser Begriff nur im Zusammenhang der Zeichenforderung: Jesus soll seine Sendung durch eine Wundertat beglaubigen - ein Ansinnen, dem nie entsprochen wird (z.B. Mk 8,11-13). Johannes macht mit seiner Redeweise auf den zeichenhaften Sinn der Wunder Jesu aufmerksam: Sie weisen hin auf die Bedeutung des Wundertäters und wollen den Glauben an ihn hervorrufen (z.B. Joh 2,11). Das ist auch Ziel der Brotvermehrung. Mit ihr beginnt ein thematischer Bogen, der in der Brotrede fortgesetzt wird (6,26-59) und zu einer ersten Krise unter den Anhängern Jeus führt (6,60-71).


Die Notiz, »das Paschafest der Juden« sei nahe, erinnert auf den ersten Blick an ähnliche Notizen in 2,13 und 11,55. Anders als dort hält sich Jesus aber nicht als Festpilger in Jerusalem auf; die Szene spielt ja in Galiläa. Das Fest gibt also nicht den unmittelbaren Rahmen für das erzählte Wirken Jesu ab. Warum es erwähnt wird, ist in der Auslegung umstritten. Sollen Exodus-Traditionen oder speziell das Thema des Manna wachgerufen werden (s. 6,31)? Denkbar ist auch, im Blick auf die distanzierende Redeweise (»das Paschafest der Juden«) und die anschließende Brotrede als ganze, dass die Eucharistie an die Stelle des Paschafestes treten soll.
Die Handlung kommt, anders als in den synoptischen Evangelien, nicht durch eine Aufforderung der Jünger in Gang; dass die Volksmenge am Ende eines langen Tages Hunger hat (vgl. Mk 6,35f), spielt keine Rolle: Jesus selbst ergreift die Initiative, und zwar so, dass er mit der Frage nach dem Kauf von Broten zunächst ein Missverständnis provoziert (Joh 6,5). Dieses Missverständnis wird in drei Stufen abgebaut. Die Antwort des Philippus klärt, dass das Problem der Speisung nicht durch Kauf zu lösen ist (6,7). Andreas verweist auf die vorhandenen Vorräte, kann sich von ihnen her aber keine Lösung vorstellen (6,9). An diesem Punkt setzt dann die Handlung Jesu an. 
Er gibt von den Broten und den Fischen allen zu essen (und zwar »soviel sie wollten«), ohne dass geschildert würde, wie dies geschieht (6,11). Dass Jesus die Gaben an 5000 Menschen verteilt hätte, kann man sich nicht als konkreten Vorgang vorstellen. Es kommt dem Evangelisten aber nicht darauf an, eine plausible Szene zu entwerfen; er will vielmehr ein christologisches Signal zu setzen: Es soll deutlich werden, dass die Gaben von Jesus kommen. Deshalb kann man in der Beschreibung des Tuns Jesu auch eine eucharistische Anspielung erkennen: Jesus nahm die Brote, dankte und gab sie. Zwar fehlt das für die Abendmahlstradition typische Brechen des Brotes, das sich in den Parallelen zur Brotvermehrungsgeschichte bei Markus, Matthäus und Lukas findet. Dies schließt aber den Bezug auf die Eucharistie nicht aus.
Im Vergleich mit den anderen Evangelien fällt auf, dass die Menge das Wunder bemerkt. Und ihre Reaktion scheint positiv: Die Mahlteilnehmer erkennen in Jesus den endzeitlichen Propheten (6,14). Doch deutet schon der folgende Rückzug Jesu an, dass die Menschen das Wunder nicht wirklich verstanden haben. Sie sind, wie die folgende Brotrede klärt, beim äußeren Geschehen stehengeblieben und haben das Wunder nicht als Verweis auf Jesus als das Brot des Lebens wahrgenommen (6,26.35).

Kommentare

Gerhard Mentel hat gesagt…
Danke Herr Prof. Häfner,

denn Ihre Darlegungen machen wieder deutlich, dass Johannes nicht die Story eines religiösen Rattenfängers beschreibt, wie er heute als historisch gilt, der auf wundersame Weise seine Anhänger sättigte. Sie zeigen, dass es nicht um die Dialoge einer banale Geschichte geht, bei der der Anführer einer jüdischen Sekte mit seinen Freuden...

Vielmehr um eine theologische Komopisition der Kultur- bzw. Christologiegeschichte, ein schriftstellerisches Kunstwerk, das Jesus vom Heidenland bzw. Galiäa aus agieren lässt, die Mythen bzw. Göttersagen gewohnte Volksmenge mit wundersamen Geschichten sättigt...

Und da Sie nicht Menge ohne Verstand bzw. Missverstand gehören, sondern wissen, wer Jesus für Johannes war, es keine zauberhaft Sättigung gibt, Johannes nicht darum geht, sondern die schöpferische Wirklichkeit, das Wunder im lebendigen Wort/dem Logos bzw. der Vernunft zu sehen ist, die Johannes lt. seinem Prolog als Jesus definiert und sprechen, für das Volk vernünftigerweise Wunder wirken lässt, wissen Sie auch:

Hier spricht der wahre König der Juden (der im bildlosen Monotheismus der Propheten/Exilszeit das schöpferisch lebendige Wort, hebr. Vernunft war) und kein junger Heilsprediger, wie er heute für historisch gehalten wird, den das Volk zum neuen Propheten erheben oder zum König machen könnte.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Danke auch dafür Herr Prof. Häfner,

dass Sie (wie heute wieder bei Ihren meisten Kollegen zu beobachten), den Logosevanglisten, der von der schöpferischen bzw. Welt-vernunft in menschlicher Person (Rolle/Aufgabe) schreibt, als gleichgeschichtlich darstellen wie die Synoptiker. Und Johannes nicht, wie bisher oft zu lesen, als eine Art spätere Gnosis bzw. christologische Verherrlichungsrede abtun, die mit dem historischen Jesus kaum was am Hut hätte.

Der, der bei Johannes als "ich bin" gesprochen hat, muss so als der historische Jesus hinterfragt werden: Das Wort (hebr. Vernunft allen Werdens), die offenbare Wahrheit und das Brot der Welt, kann so nicht weiter als hoheitliche Bezeichung für einen Heilsprediger, sondern muss als Selbstbezeichnung dessen bedacht werden, der auch für Markus & Co. der historische war und hier auf dem Berg die Volksmasse auf wundersame Weise speiste.

Wie auch bei den Apologeten und Kirchenvätern, die die menschliche Seite der Vernunft betonten, scheint es auch für den die jüdische Anbindung des Logos betonenden Johannes wichtig, dass Jesus kein Produkt der menschlichen Philosophie bleibt, nicht als Scheinwesen verstanden wird, sondern seine schöpferische Vernunft nur in der menschlichen, kulturvernünftigen Weise Geschichte wird.

In der Diskussion der frühen Denker (denen übrigens unmöglich die Verherrlichung eines Heilspredigers zu unterstellen ist), die sich dabei auch auf Johannes bezogen bzw. wie Sie seine Texte deuteten, lese ich gerade wieder in der "Geschichte des Christentums" von Herder, wie die damals das Wesen des Logos/der Vernunft auf verschiedene Weise deuteten.

Die Argumentantionen, die Ihre Kollegen nach den Vorlagen der Apologeten und Kirchenväter bei Herder wiedergeben, wenn damals deutlich gemacht wurde, dass das Wort nicht der Sprecher selbst, der Sohn nicht einfach identisch mit dem Vater, Jesus bzw. die offenbare Vernunft nicht die Person (Rolle/Aufgabe) des Unsagbaren der jüdischen Väter einnahm und doch wesensgeleich ist, geht eindeutig von schöpferischer Vernunft aus.

Nun frage ich, wie trotz unsem Wissen um die frühe Vernunftargumentation weiter ein verherrlichter Heilsprediger als historisches christliches Wesen hingestellt werden kann? Der dann in seiner hoheitlichen Deutung auch noch ein geheimnisvoller Gott selbst sein soll, statt den zu offenbaren, der sich nur durch seine schöpferische Wirklichkeit/das Wort/Vernunft in der Welt offenbart?

Wenn nach naturwissenschaftlicher Aufklärung ein egal wie gestrickter Heilsprediger der Welt nichts mehr zu sagen hat, Mythen keine Rechtsgrundlage oder gemeinsamen schöpferischen Sinn geben, Buchseiten keine Offenbarung des Unsagbaren mehr sein können, sind dann nicht Neutestamentler aufgefortert, das Volk im aufgeklärten Verstand Jesus, des in wissenschaftlicher Welterkärung wieder zu vergegenwärtigenden Wortes/Vernunft zu speisen?
Anonym hat gesagt…
... wahrer Mensch und wahrer Gott ...
Gerhard Mentzel hat gesagt…
...nur dass keiner der damaligen Denker - weder aus der Phil. kommende Kirchenväter und ihre Diskussionsgegner noch in der Stoa ausgebildete vormals die kosmische Ordnung/Vernunft selbst verkörpernde Kaiser - von dem ausgegangen sein können, der heute als historisch gilt, sondern dem lebenigen Wort, hebr. Vernunft, die bei Johannes als Jesus spricht...
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Durch Zufall lese ich gerade im Internet "Idealismus - Jesus Christus" von Walter de Gruyter":

"Wie Justin betrachtet auch Ireanäus die Meschwerdung als den Höhepunkt einer ganzen Reihe von Offenbarungen, als ein Ereignis, durch das der himmlische Logos (die schöpferische Vernunft) zum Mittelpunkt der Weltgeschichte wird."

Auch wenn Irenäus der Meschheit Jesus noch mehr Bedeutung beimisst, als Justin, so geht er dabei wie der von der schöpferischen Vernunft aus, die z.B. im Valentianismus oder anderen Denkrichtungen nur auf andere Weise definiert wurde.

Ein wundertätiger Wanderprediger, der als Guru galt, war nie das Thema. Das NT, wie der anfängliche christliche Glaube, handelt von der Mensch"werdung" des Wortes/der Vernunft allen Werdens in menschlicher Person (Rolle/Aufgabe). Die war kein Scheinwesen, sondern hat in unserer Kultur erst messiansiche Wirkung hervorbracht, die bis zur Aufklärung trug.

Aber das ist nur ein kleines Beispiel. Es ist einfach zum wahnsinnig werden, was wir alles über das anfängliche Denken wissen: Wie der bildlose christliche Glaube verachtet wurde und er sich dann im Laufe der Jahrhunderte über die aus den Katakomben hinaus bekannten Darstellungen der Bilder bedienen musste, welche monotheistischen Denkmodelle und Diskussionen um das Wesen der Vernunft ihm zugrunde liegen, wie Kulturwesen immer wieder Mythen und Bilder brauchen, die an bekannte Vorstellungen anknüpfen... und weiter ein junger Guru an den Anfang gestellt wird.

Allein der Band von de Gruyter liefert 1000e von Belegen, die deutlich machen, dass am Anfang Vernunft war und kein junger Jude, der als solche galt bzw. als Gott hingestellt wurde.

Der in der theologischen Realenzykopädie nachzublätternde Geschichtsverlauf, die Ideale der französischen Aufklärung und Revolution, wie idealischen Modelle deutscher Denker und ihre Ablehnung, z.B. durch Marx oder Engels, der folgende Atheismus bzw. die derzeitige Privatisierung des chr. Glaubens zu einer persönlichen Pachtwork-Religiösität waren nicht vergebens. Das alles führt bzw. zwingt zu einer neuen Denkweise über die Wurzeln der westlich-christlichen Kultur.

Denn weder neue Idealistischen Modelle, noch Marx oder moderne weltpolitische Parolen und ökologische Einsichten führen weiter, wenn die Vernunft, die hinter allem steht, nicht auf aufgeklärte Weise mit dem zusammengedacht wird, der nur noch einen menschlichen Bart hat, wie er dann in Sonntagspredigten hoheitlich gedeutet wird.
Anonym hat gesagt…
Mich würde interessieren, was Sie als Berufstheologe zu http://kath.net/detail.php?id=37532 sagen.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Wenn Sie mich meinen, dann sprechen Sie mit einem kritischen Laien, der aufgrund des heutigen Wissen nach den Wurzeln unsers chr. Glaubens bzw. westlicher Kultur fragt. Keinem Berufstheologen, dem man ab dem 1. Semester beigebracht hat, warum ein junger Heilsprediger mit alttestamentlicher Hoheit oder gar heidnischen Begriffen, wundersamen Geschichten christologisch erhöht, betitelt oder später philosophisch eingefärbt wurde.

Denn genau das scheint mir das Problem, das auch im Beitrag von kath.net. deutlich wird. Man denkt zu wissen, warum ein rebellischer Wanderprediger mit Wundern ausgestattet wurde, dass das mitgebrachte Brot das eigentliche Wunder war und hält die Hoheit oder Göttlichkeit Jesus für einen kindlichen Glaube, gleichwohl man sie Sonntags predigt.

(Was dann nicht wundert, wenn mir die polemischen Atheisten im Newsletter der GBG ständig Bücher mit rosaroten Schweinchen als chr. Gott offerieren. Denn wenn ein wundertätiger Wanderprediger, von dem bereits kritische Neutestamentler nachgewiesen haben, dass er nicht war, es um das lebendige Wort/Logos/Vernunft ging, als Gott oder dessen Offenbarung gepredigt wird, da kann man auch gleich an rosarote Schweinchen glauben.)

Beim kindlichen Glaube heutiger Hypothese, dass der historische Jesus ein junger charismatischer Heilsprediger, besonders schlauer Weisheitslehrer, Rebell... war, kann nur das hinten herauskommen, was dann im Beitrag zu lesen ist.

Dabei wäre es die Aufgabe der Berufstheologen deutlich zu machen, warum Jesus göttlichen und menschlichen Wesens war. Warum die in ihm zum Ausdruck gebrachte Vernunft/Logik allen nat. Werdens, die heute in wissenschaftlicher Begrifflichkeit gelehrt wird, kreativen bzw. schöperischen Wesens ist und doch nicht die Rolle des Unsagbaren der Väter einnahm oder ein phil. Gott war, mag klar sein.

Doch auch die kulturelle, menschliche Seite Jesus lässt sich - vom Logos/Vernunft ausgehend - logisch erklären:

Zum Einen ist die von Schöpfung ausgehende Vernunft nicht einfach ein Naturrecht bzw. Sozialdarwinismus, nicht nur der rein evolutionsbiologisch bleibende Sinn, wie er heute gar von atheistischen Naturwissenschaftlern erklärt wird. Vielmehr geht es um dessen in menschlicher Kulturgeschichte gewachsenes Weiterdenken als, wie es geistbegabten "Geschöpfen" gegeben ist.

Zum Zweiten gehören dazu in der Kulturgeschichte auch menschliche Mitterlgestalten, die an bekannte Gestalten anknüpfen, ohne die die griechische bzw. rein abstrakte Vernunftlehre, wie die phil. Christologie Alexandriens, die noch nicht von Josua, gr. Jesus sprach ebenso wie verwirrende, weltabgewandte Gnosis bedeutungslos geblieben wären.

In diesem Sinne halte lässt sich das Bekenntnis "wahrer Gott und Mensch" belegen.

Doch wenn Berufstheologen das ihnen gegeben Wissen nicht aufgeklärt verwerten, nur hoheitlich predigen und von einem Heilsprediger ausgehen, dessen soziales Umfeld sie untersuchen, kann nur Schwachsinn hinten rauskommen, der den Menschen weder Bestimmmung gibt, noch sie jenseits von menschlichen Gottesbildern (die bereits von den Propheten verdammt wurden) in schöpferische Verant-wort-ung nimmt.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Dabei kann ich die Berufstheologen verstehen. Nicht nur seit ihrer Kindheit gingen sie von einem jungen Heilsprediger mit Namen Jesus als historisches Wesen aus, wie er ihnen dann auch beigebracht wurde, sondern ihr ganzes Berufs- bzw. Lebenswerk ist darauf aufgebaut.

Man betrachte allein die unzähligen Bücher von Klaus Berger, den ich in vielen Briefen bat, über die schöpferische Vernunft/den Logos des NT nachdenken zu lassen. Auch wenn er auf jeder Seite deutlich macht, dass es bei Jesus nicht nur um den gutherzigen Heilsprediger gegangen sein, der ihm seit der Kindheit bekannt ist, sondern ein hoheitliches Wesen, geht er in seinen Büchern vom kindlichen Jesusbild aus. Selbst wenn er dann letztlich wieder ein hoheitliches Bild bzw. einen Jesusmythos bewahren will, weil er weiß, dass am Anfang nicht nur ein Wanderpediger gewesen sein kann.

Und auch Benedikt XI., der die schöpferische Vernunft der Kirchenväter als mit Verstand einsehbares Wesen des chr. Glaubens aus der gr. Phil. begründet und sie vor dem Bundestag in ökol. Welterklärung zu bedenken gab, kann sich als Kirchenoberhaupt nicht über den Kinderglaube hinwegsetzen.

Doch wenn für frei denkende, wissenschaftlich arbeitende Neutestamentler die einzige Antwort ist, das wäre schon immer so gewesen, würden alle so sehen, dass das NT von einem Heilsprediger, Rebellen... handelt, alles Andere wäre allegorische Spekulation, dann habe ich dafür kein Verständnis.

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