Schweigen ist Gold
Der Abt des Klosters Einsiedeln, Martin Werlen, hat sich erdreistet, kath.net kein Interview zu geben. Die Redaktion hätte gern ein Gespräch über seine »umstrittene Schrift« geführt, der Abt aber, so der Vorwurf, verweigert sich dem »'Dialog' mit Medien, die seinen Thesen kritisch gegenüberstehen«. Wer nicht sprechen will, muss fühlen, und zwar einen sehr unfreundlichen Artikel, der nun unter dem Titel »Der Brandstifter« erschienen ist. Die Idee, dass es genau diese Haltung ist, die ihn vor einem Interview mit kath.net zurückschrecken lassen könnte, scheint der Redaktion nicht zu kommen. Wer in jüngster Zeit Artikel über sich lesen konnte, die den Titel trugen »Hat ein Schweizer Abt das Ei des Kolumbus gefunden?« oder »Wirre Gedanken?«, muss nicht die Erwartung hegen, fair behandelt zu werden. Dass ihn die Feuerwehr aus Linz nun als Brandstifter entlarvt hat und mit Martinshorn gegen ihn ausrückt, kann diese Einschätzung nur bestätigen.
Charakterisiert wird der Abt als einer »der sich öffentlich als Schweizer 'Medienbischof' bezeichnen und sich gerne in liberalen Medien als Mensch des 'Dialogs' feiern lässt«. Zieht man die negative Färbung von dem Satz ab, so bleibt, dass Abt Werlen als Medienbischof und Mann des Dialogs bezeichnet wird. Die Formulierung, dass sich jemand öffentlich auf eine bestimmte Art bezeichnen und feiern lässt, unterstellt einfach eine ehrsüchtige Haltung. Lässt sich etwa der Papst als größter Theologe der Gegenwart feiern oder wird er nur von manchen so bezeichnet?
Neben der Interview-Verweigerung zieht sich der Abt einen zweiten Vorwurf zu:
Der nächste Satz nach dem gerade zitierten lautet:
Wenn Abt Werlen sich von dem Gespräch mit der Redaktion keinen konstruktiven Dialog erhofft hat, könnte er eine Bestätigung auch im nächsten Satz finden. Dort heißt es:
Und weiter geht die Fahrt im Linzer Löschzug:
Dass der Autor des Beitrags keinen Hang zu unnötiger Steigerung von Komplexität hat, ist schon erkennbar geworden. Dennoch werden die Überlegungen erstaunlich schlicht, wenn gefragt wird, »wie es mit den Früchten im unmittelbaren Wirkungsbereich des Abtes aussieht.« Hier werden Eintrittszahlen in das Kloster genannt und Abt Werlen wird mit dem Befund konfrontiert, dass in der Zeit seiner Amtsausübung nur sechs Mönche die ewige Profess abgelegt hätten und die Größe des Konvents geschrumpft sei. Dagegen wachse das österreichische Zisterzienserkloster Heiligenkreuz und zeige klar, »dass ein romtreuer Kurs für Jugendliche, die einen geistlichen Beruf suchen, attraktiv ist.«
Nun scheint es recht verwegen, das Wirken eines Abtes aufgrund der Eintrittszahlen in sein Kloster zu bewerten. Und was man aus dem Wachstum des Klosters Heilgenkreuz ableiten kann, ist nicht ganz so eindeutig zu bestimmen. Die Einschätzung, es zeige sich »klar, dass ein romtreuer Kurs für Jugendliche, die einen geistlichen Beruf suchen, attraktiv ist«, vereinfacht den Befund. Dass das Kloster einen »romtreuen Kurs« verfolgt, bedeutet noch nicht, dass dies der entscheidende Attraktivitätsfaktor ist. Wodurch die Grundsätzlichkeit der Aussage gedeckt ist, wird nicht ersichtlich. Der Vergleich von zwei Klöstern reicht dafür jedenfalls nicht. Eigentlich lässt sich von den vorgelegten Daten her nur sagen: »Es gibt Jugendliche, die einen geistlichen Beruf suchen und in Heiligenkreuz, ein Kloster mit romtreuen Kurs, eintreten, und zwar in den letzten Jahren in höherer Zahl als in das Kloster Einsiedeln.«
Die eigentliche Crux liegt aber in der Verwendung vereinfachender Schlagworte. Wer manche Aspekte kirchlicher Disziplin anfragt oder meint, dass zu einigen Fragen theologisch noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, muss dies nicht aus antirömischer Haltung, sondern kann dies gerade aus Treue zur universalen Kirche tun, die im Bischof von Rom ihr einheitsstiftendes Amt hat. Wer Romtreue für sich reklamiert, ist nicht davor gefeit, seine eigene Enge zur universalkirchlich an Rom ausgerichteten Weite aufzublasen. Natürlich kann es auch umgekehrt sein: Es gibt keine Garantie für die ernste Sorge des Reformorientierten und kein Gesetz, das den Traditionsorientierten auf religiöse Enge festlegen würde. Da dies aber durchaus uneindeutig bleibt, sollte man mit den vereinfachenden Etiketten »antirömisch« oder »romtreu« vorsichtig umgehen.
Wer dies nicht tut, muss sich jedenfalls nicht wundern, wenn sich die Gegenseite von einem Gespräch nichts erhofft. Die Ankündigung »kath.net wird weiter berichten!« liest sich wie eine Drohung, da man sich anhand anderer Beiträge (z.B. hier) gut vorstellen kann, welche semantische Weite der Begriff »berichten« in diesem Fall hat.
P.S.: Gerade habe ich nach Abschluss dieses Beitrags gesehen, dass die Ankündigung, weiter zu berichten, bereits wahr gemacht wurde (s. hier). Dadurch relativieren sich manche der obigen Überlegungen insofern, als Abt Werlen zunächst bereit war, mit kath.net ein Interview zu führen. Erst nachdem ihm die Fragen übermittelt wurden, machte er einen Rückzieher, weil er in den Fragen »eher Behauptungen« sah, »als dass sie auf den von mir verfassten Text eingehen würden«. Fragen wie »warum wollen Sie hier nicht die klare Lehre der Kirche zur Kenntnis nehmen?« oder »Meinen Sie wirklich, dass ...«, »Meinen Sie ernsthaft, dass...«, »warum erklären Sie den Menschen nicht die wunderbare Frohbotschaft der Kirche, aber ohne Wenn und Aber?« sind in der Tat nicht geeignet, Dialogbereitschaft zu signalisieren.
Charakterisiert wird der Abt als einer »der sich öffentlich als Schweizer 'Medienbischof' bezeichnen und sich gerne in liberalen Medien als Mensch des 'Dialogs' feiern lässt«. Zieht man die negative Färbung von dem Satz ab, so bleibt, dass Abt Werlen als Medienbischof und Mann des Dialogs bezeichnet wird. Die Formulierung, dass sich jemand öffentlich auf eine bestimmte Art bezeichnen und feiern lässt, unterstellt einfach eine ehrsüchtige Haltung. Lässt sich etwa der Papst als größter Theologe der Gegenwart feiern oder wird er nur von manchen so bezeichnet?
Neben der Interview-Verweigerung zieht sich der Abt einen zweiten Vorwurf zu:
»auch ein Angebot, dass er seine umstrittenen Ansichten auf kath.net offen klarstellen könne, ließ er verstreichen.«Möglicherweise ging er davon aus, seine Thesen bereits klar formuliert zu haben, und dass hier gar nichts offen klargestellt werden müsse. Dass er keinen Grund sah, ein solches Unterfangen ausgerechnet auf kath.net zu unternehmen, könnte auch daran liegen, dass er schon einmal einen Blick in die »Lesermeinungen« geworfen hat.
Der nächste Satz nach dem gerade zitierten lautet:
»'Wer systematisch dafür sorgt, dass Kritiker verstummen – nicht etwa, weil die Probleme gelöst sind –, zerstört Kirche, wie fromm er sich auch aufzuführen sucht', schreibt der Abt aber in seiner Schrift.«Der Satz wird nicht weiter kommentiert. Wenn das Zitat aber einen Sinn haben soll, dann sollen hier des Abtes Worte gegen ihn verwendet werden. Der Autor des Artikels scheint der erstaunlichen Meinung zu sein, dass die Verweigerung eines Interviews dazu beitrage, dass Kritiker verstummen. Seine Ausführungen beweisen das Gegenteil: Der Kritiker verstummt nicht nur nicht, er brüllt nur umso lauter durch die Gegend: »Alarm, Feuer, Brandstiftung!«
Wenn Abt Werlen sich von dem Gespräch mit der Redaktion keinen konstruktiven Dialog erhofft hat, könnte er eine Bestätigung auch im nächsten Satz finden. Dort heißt es:
»In dem überarbeiteten Vortrag, dessen Druckversion man für 5 Franken sogar kaufen kann, spricht der Abt sowohl auf offene wie auch auf subtile Weise gegen die römisch-katholische Kirche.«Hier wird dem Dialog schon dadurch das Licht ausgeblasen, dass die Schrift des Abtes wie ein Angriff von außen als »gegen die römisch-katholische Kirche« gerichtet gewertet wird. Wer das Urteil, eine theologische Frage sei trotz lehramtlicher Äußerung noch nicht abschließend geklärt (im konkreten Fall zeigt sich der Kritisierte »nicht gewillt, das Verbot der Frauenweihe wirklich anzuerkennen«), als Handeln gegen die Kirche einstuft, braucht sich nicht zu wundern, wenn man für das Gegenüber nicht als Gesprächspartner zur »Klarstellung« von Thesen in Frage kommt.
Und weiter geht die Fahrt im Linzer Löschzug:
»Laut kath.net vorliegenden Informationen sind zumindest mehrere Schweizer Bischöfe über das Schreiben von Werlen 'not amused', auch im Kloster selbst sollen laut Zeugen, die die Lage in Einsiedeln kennen, nicht alle Mönche über das Schreiben erfreut sein.«Auch wenn die Quellen dunkel bleiben, habe ich keinen Zweifel an der Richtigkeit der Einschätzung. Der Nachrichtenwert geht aber nicht über den Klassiker »Hund beißt Mann« hinaus (und das ist bekanntlich keine Meldung).
Dass der Autor des Beitrags keinen Hang zu unnötiger Steigerung von Komplexität hat, ist schon erkennbar geworden. Dennoch werden die Überlegungen erstaunlich schlicht, wenn gefragt wird, »wie es mit den Früchten im unmittelbaren Wirkungsbereich des Abtes aussieht.« Hier werden Eintrittszahlen in das Kloster genannt und Abt Werlen wird mit dem Befund konfrontiert, dass in der Zeit seiner Amtsausübung nur sechs Mönche die ewige Profess abgelegt hätten und die Größe des Konvents geschrumpft sei. Dagegen wachse das österreichische Zisterzienserkloster Heiligenkreuz und zeige klar, »dass ein romtreuer Kurs für Jugendliche, die einen geistlichen Beruf suchen, attraktiv ist.«
Nun scheint es recht verwegen, das Wirken eines Abtes aufgrund der Eintrittszahlen in sein Kloster zu bewerten. Und was man aus dem Wachstum des Klosters Heilgenkreuz ableiten kann, ist nicht ganz so eindeutig zu bestimmen. Die Einschätzung, es zeige sich »klar, dass ein romtreuer Kurs für Jugendliche, die einen geistlichen Beruf suchen, attraktiv ist«, vereinfacht den Befund. Dass das Kloster einen »romtreuen Kurs« verfolgt, bedeutet noch nicht, dass dies der entscheidende Attraktivitätsfaktor ist. Wodurch die Grundsätzlichkeit der Aussage gedeckt ist, wird nicht ersichtlich. Der Vergleich von zwei Klöstern reicht dafür jedenfalls nicht. Eigentlich lässt sich von den vorgelegten Daten her nur sagen: »Es gibt Jugendliche, die einen geistlichen Beruf suchen und in Heiligenkreuz, ein Kloster mit romtreuen Kurs, eintreten, und zwar in den letzten Jahren in höherer Zahl als in das Kloster Einsiedeln.«
Die eigentliche Crux liegt aber in der Verwendung vereinfachender Schlagworte. Wer manche Aspekte kirchlicher Disziplin anfragt oder meint, dass zu einigen Fragen theologisch noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, muss dies nicht aus antirömischer Haltung, sondern kann dies gerade aus Treue zur universalen Kirche tun, die im Bischof von Rom ihr einheitsstiftendes Amt hat. Wer Romtreue für sich reklamiert, ist nicht davor gefeit, seine eigene Enge zur universalkirchlich an Rom ausgerichteten Weite aufzublasen. Natürlich kann es auch umgekehrt sein: Es gibt keine Garantie für die ernste Sorge des Reformorientierten und kein Gesetz, das den Traditionsorientierten auf religiöse Enge festlegen würde. Da dies aber durchaus uneindeutig bleibt, sollte man mit den vereinfachenden Etiketten »antirömisch« oder »romtreu« vorsichtig umgehen.
Wer dies nicht tut, muss sich jedenfalls nicht wundern, wenn sich die Gegenseite von einem Gespräch nichts erhofft. Die Ankündigung »kath.net wird weiter berichten!« liest sich wie eine Drohung, da man sich anhand anderer Beiträge (z.B. hier) gut vorstellen kann, welche semantische Weite der Begriff »berichten« in diesem Fall hat.
P.S.: Gerade habe ich nach Abschluss dieses Beitrags gesehen, dass die Ankündigung, weiter zu berichten, bereits wahr gemacht wurde (s. hier). Dadurch relativieren sich manche der obigen Überlegungen insofern, als Abt Werlen zunächst bereit war, mit kath.net ein Interview zu führen. Erst nachdem ihm die Fragen übermittelt wurden, machte er einen Rückzieher, weil er in den Fragen »eher Behauptungen« sah, »als dass sie auf den von mir verfassten Text eingehen würden«. Fragen wie »warum wollen Sie hier nicht die klare Lehre der Kirche zur Kenntnis nehmen?« oder »Meinen Sie wirklich, dass ...«, »Meinen Sie ernsthaft, dass...«, »warum erklären Sie den Menschen nicht die wunderbare Frohbotschaft der Kirche, aber ohne Wenn und Aber?« sind in der Tat nicht geeignet, Dialogbereitschaft zu signalisieren.
Kommentare
Doch genügt es, wenn sich die Kirche nur mit sich selbst beschäftigt, mit der Stellung der Frau in ihr, dem kirchlichen Miteinander oder dem Zöllibat?
Ist das allein die Glut unter der Asche, die nicht mehr zu brennen scheint?
Oder liegt das Problem tiefer: Dort wo ein anderer Benediktiner (auf den ich im vorherigen Beitrag verwies) nach dem Wesen des chr. Glaubens fragt und einen Heilsprediger, wie er auch hier einzig gilt und hoheitlich gepredigt wird, als historisches Wesen abstreitet.
Warum setzt man sich nicht mit den verlorenen Glaubensgrundlagen auseinander, sondern schlägt nur Martin Werlens Kirchenkrik solche Wellen?