Sonntagsevangelium (78)

Dreifaltigkeitssonntag (C): Joh 16,12-15 

Die Zukunft der Gemeinde unter dem Wirken des Geistes – dies ist das Leitthema des Abschnitts aus dem Johannes-Evangelium. Im Vergleich zum Text vom vergangenen Sonntag scheint auf den ersten Blick aber die Rückbindung des Geistes an das Wirken Jesu aufgegeben: Erst der Geist wird die Jünger in die ganze Wahrheit einführen; und er wird verkünden, was kommen wird (16,12f). Doch hat der Geist damit keine von Jesus unabhängige Bedeutung, wie die Fortsetzung klärt. Seine Verkündigung ist von dem genommen, was Jesus gehört (16,14). Dieses wiederum ist nicht unabhängig vom Vater: »Alles, was der Vater hat, ist mein« (16,15). 

Dem Evangelisten geht es bei diesen Aussagen nicht um eine Betrachtung des dreieinen Wesens Gottes; er will vielmehr festhalten, dass sich Gott in Jesus Christus geoffenbart hat. Diese Offenbarung bleibt durch die Zeiten hindurch zugänglich durch das Wirken des Geistes. Dass dem Geist zunächst scheinbar eigenständige Bedeutung zugemessen wird, dürfte mit der besonderen Absicht des Johannes an dieser Stelle zusammenhängen: Er betont vor allem die noch offene Zukunft, auf die hin die Gemeinde der Glaubenden zugeht. Was auf ihrem Weg auf sie zukommt, kann sie mit der Hilfe des Geistes bestehen – durch die Erinnerung an die Jesus-Geschichte und ihren aktuell erschlossenen Sinn.

Dieses auf die Zukunft gerichtete Anliegen zeigt sich vor allem in den »Paraklet-Sprüchen« (zum Begriff s. hier), die sich in den Kapiteln 15 und 16 finden. Sie gehören wahrscheinlich zu einer literarisch späteren Schicht des Johannes-Evangeliums, die im Rahmen einer »Relecture« in das Werk gekommen ist und in den Abschiedsreden die Kapitel 15-17 umfasst. Solche Unterscheidung verschiedener Schichten wird immer umstritten bleiben. In diesem Fall kann sie aber nicht nur den Bruch zwischen 14,31 und 15,1 (und die nahtlose Fortsetzung von 14,31 in 18,1) erklären; es zeigt sich in den »Paraklet-Sprüchen« der späteren Schicht im Vergleich mit den Worten zum Geist in 14,16 und 14,26 auch ein besonderes inhaltliches Profil. 

Dies betrifft zum einen den bereits genannten zeitlichen Aspekt (Eröffnung von Zukunft unter der Führung des Geistes), zum andern ist auch der Bezug auf die Welt stark betont. (1) Im Zeugnis der Jünger ergeht das Zeugnis des Geistes (15,26f). Dass es hier um das Zeugnis vor der Welt geht, legt der literarische Kontext nahe: Zuvor wird vom Hass der Welt gegen die Jünger gesprochen (15,18-25). Außerdem scheint es eine geprägte Motivik gegeben zu haben, wie Mk 13,9.11 zeigt: Die Jünger treten vor Gericht zum Zeugnis für ihre Richter auf und ihre Rede wird durch den Geist eingegeben. (2) Der Paraklet-Spruch in 16,8 bezeichnet das Wirken des Geistes insgesamt als »Überführung der Welt« in Bezug auf Sünde, Gerechtigkeit und Gericht (16,8).

Unabhängig von einem Urteil über verschiedene Schichten in den Abschiedsreden kann man die Worte vom Parakleten dem Anliegen zuordnen, dass durch das geistgewirkte Zeugnis der Jünger die Welt bleibend mit der in Jesus geschehenen Offenbarung konfrontiert wird. Der Aufruf zum Glauben, der die johanneische Erzählung vom Wirken Jesu durchzieht, wird durch den Weggang Jesu nicht hinfällig. Begegnung mit Jesus ist nicht an den irdischen Jesus gebunden. 

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