Sonntagsevangelium (102)
32. Sonntag im Jahreskreis (C): Lk 20,27-38 (oder 20,27.34-38)
Zur Erwartung der Totenauferstehung gab es im Judentum zur Zeit Jesu unterschiedliche Auffassungen: Neues Testament (s. Apg 23,8) und der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus bezeugen, dass die Pharisäer, anders als die Sadduzäer, sich zu dieser Zukunftshoffnung bekannt haben. Jesus tritt im Streitgespräch mit den Sadduzäern also für eine Auffassung ein, die er mit den Pharisäern teilt. Entsprechend erwähnt Lukas am Ende, dass einige Schriftgelehrte die Antwort Jesu an die Sadduzäer loben (20,39 - nicht mehr im Lesungsabschnitt).
Zur Erwartung der Totenauferstehung gab es im Judentum zur Zeit Jesu unterschiedliche Auffassungen: Neues Testament (s. Apg 23,8) und der jüdische Schriftsteller Flavius Josephus bezeugen, dass die Pharisäer, anders als die Sadduzäer, sich zu dieser Zukunftshoffnung bekannt haben. Jesus tritt im Streitgespräch mit den Sadduzäern also für eine Auffassung ein, die er mit den Pharisäern teilt. Entsprechend erwähnt Lukas am Ende, dass einige Schriftgelehrte die Antwort Jesu an die Sadduzäer loben (20,39 - nicht mehr im Lesungsabschnitt).
Auch wenn die Position der Sadduzäer aus heutiger Sicht »modern« klingen mag, ist diese Gruppe doch als religiös konservativ zu bezeichnen: Sie hat sich den Neuerungen, die mit dem Durchbruch apokalyptischen Denkens im 2. Jahrhundert v. Chr. verbunden waren, verschlossen und beruft sich auf die althergebrachte Ordnung: Die fünf Bücher Mose, von den Sadduzäern wohl als einzige verbindliche Überlieferung anerkannt, bezeugen die Vorstellung einer Totenauferstehung nicht.
In dem vorgelegten Beispiel (20,29-33) wollen die Sadduzäer ihre Sicht durch ein Beispiel untermauern, aus dem sich die Unsinnigkeit der Erwartung einer Totenauferstehung ergeben soll. Ihr Ausgangspunkt ist die »Schwagerehe«, eine Bestimmung aus Dtn 25,5f, die sie auch zitieren (20,28): Stirbt ein Mann, ohne Nachkommen zu hinterlassen, so soll dessen Bruder die Witwe zur Frau nehmen. Die Kinder aus dieser Ehe gelten dann als Nachkommen des verstorbenen Bruders. Die Sadduzäer konstruieren nun einen Fall, in dem eine Frau nacheinander sieben Männer hat, weil alle Brüder kinderlos gestorben sind. Daraus entstehe das Problem, wessen Frau sie bei der Totenauferstehung sein soll. Die Anordnung des Mose, so das Argument, schließt die Vorstellung einer Totenauferstehung aus, weil sie nach dem Tod eherechtliche Probleme verursachen würde.
Jesu Antwort erfolgt in zwei Stufen. Zuerst weist er den Einwand der Sadduzäer zurück (20,34-36, im Vergleich zur Vorlage in Mk 12,25 ausgestaltet). Ihr Beispiel geht von falschen Voraussetzungen aus, denn mit der Totenauferstehung verbindet sich gerade nicht die Vorstellung, dass die irdische Existenz einfach weitergeführt wird. Die Auferweckten sterben nicht mehr, und so hätten Ehe und Erzeugung von Nachkommenschaft keinen Sinn. Erläutert wird dies durch den Hinweis auf die Engelgleichheit der Auferweckten (20,36); die Engel galten als geschlechtslose Wesen.
Zum Zweiten führt Jesus ein bemerkenswertes Argument für die Totenauferstehung an. Jesus bezieht sich dabei nicht auf Aussagen aus den Prophetenbüchern, sondern auf ein Wort aus der Mose-Tradition (20,37). Dies erklärt sich aus den Voraussetzungen seines Gegenübers (s.o.). Der Rückgriff auf die Dornbuschszene setzt an der Selbstvorstellung Gottes als »Gott Abrahams, Gott Isaaks und Gott Jakobs« (Ex 3,6) an. Dieser Selbstvorstellung wird eine zweite Aussage an die Seite gestellt: Gott ist ein Gott der Lebenden, nicht von Toten (20,38). Die Schlussfolgerung wird nicht mehr ausdrücklich geboten, ist aber leicht zu ziehen: Da zur Zeit des Mose die Patriarchen schon lange gestorben waren, muss es eine Auferstehung der Toten geben, wenn Gott als Gott Abrahams,Isaaks und Jakobs tatsächlich ein Gott der Lebenden ist.
Die Argumentation ist nicht nur insofern geschickt, als sie an einer Kernszene aus der Mose-Überlieferung ansetzt. Auch die zweite Voraussetzung, Gott sei ein Gott der Lebenden, greift auf eine Überzeugung zurück, die gerade die Sadduzäer geteilt haben dürften. Die traditionelle Vorstellung vom Hinabfahren in eine nur schattenhafte Existenz in der »Unterwelt« (Scheol) ist mit dem Gedanken verbunden, dass die Toten von Gott abgeschnitten sind; allein die Lebenden können Gott loben und preisen, weshalb etwa in den Psalmen wiederholt an Gott appelliert wird, gewissermaßen in eigenem Interesse das Leben der Frommen zu erhalten (s. z.B. Ps 6,6; 30,10; 88,11-13). Gerade dort, wo die Vorstellung einer Totenauferstehung noch nicht entwickelt ist, stößt man auf den Gedanken, dass Gott ein Gott der Lebenden ist. Das Argument Jesu überträgt ihn bei der Auslegung von Ex 3,6 in einen neuen Zusammenhang.
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