Sonntagsevangelium (103)

33. Sonntag im Jahreskreis (C): Lk 21,5-19

Die Rede Jesu über die Endzeit hat Lukas aus dem Markus-Evangelium übernommen und stark bearbeitet. Der geschichtliche Standort des Evangelisten hat auf diese Bearbeitung entscheidend eingewirkt. Er schreibt gegen Ende des 1. Jahrhunderts, zu einer Zeit also, in der man nicht mehr mit der baldigen Wiederkunft Christi rechnet. Deshalb gestaltet Lukas die Endzeitrede so, dass die Nähe des Weltendes darin keine Rolle spielt, ja bisweilen sogar zurückgewiesen wird. Die Verführer, vor denen Jesus warnt, treten nicht nur fälschlich in seinem Namen auf (so Mk 13,6); sie behaupten auch, das Ende sei nahe (Lk 21,8).

Es finden sich zwar auch in der lukanischen Fassung der Endzeitrede apokalyptische Motive. Dies ist angesichts der Tatsache, dass die markinische Endzeitrede verarbeitet wurde, auch nicht anders möglich. Kriege, Erdbeben, Hungersnöte, Seuchen (21,9-11) - dies sind Ereignisse, die fest zum Repertoire der endzeitlichen Katastrophen gehören (zum Verständnis s. hier). Sie werden aber deutlicher als bei Markus vom Ende abgesetzt (21,9: »das Ende kommt noch nicht sofort«).


Die Zerstörung des Tempels, deren Ankündigung die Frage der Jünger nach dem Ende ausgelöst hat (21,5-7), erscheint so nicht als ein unmittelbar endzeitliches Ereignis. Besonders deutlich wird das in dem Abschnitt, der auf den Lesungstext folgt. In 21,20-24 hat Lukas die Vorlage aus dem Mk-Evangelium (Mk 13,14-20) so bearbeitet, dass die Bezüge auf die geschichtlichen Ereignisse des Jüdisch-Römischen Krieges, in dessen Verlauf der Tempel zerstört wurde, betont werden und der endzeitliche Charakter zurücktritt. Die Rede von den »Zeiten der Heiden« (21,24) eröffnet gegen die Naherwartung die Perspektive einer weiterlaufenden Geschichte.

Auch der Abschnitt, der sich mit der Verfolgung der Jünger befasst (21,12-19), fügt sich in diese Charakteristik ein. Während in Mk 13,9 diese Passage dem »Anfang der Wehen« zugeordnet wird, setzt Lukas wieder eine abgrenzende zeitliche Markierung: »bevor das alles geschieht...« (21,12). Auch dadurch werden endzeitliche Motive wie die Entzweiung in den Familien (21,16) in die Geschichte gezogen. Das Zeugnis vor heidnischen und jüdischen Autoritäten, das die Gegner verstummen lässt (21,15), ist für Lukas Teil der Kirchengeschichte.

In seinem zweiten Werk erzählt er davon, zum Teil mit wörtlichen Anklängen: So heißt es in 21,12: »Sie werden Hand an euch legen.« Dieselbe Wendung erscheint in Apg 4,3; 5,18; 12,1 zum Geschick der Apostel. Auch das Stichwort der Verfolgung wird in der Apostelgeschichte aufgenommen (z.B. Apg 8,1; 13,50). Die Christuszeugen müssen sich vor Gericht verantworten (z.B. Apg 4,5-21; 5,27-40; 24-26) und werden ins Gefängnis geworfen (Apg 4,35,18; 12,3f; 16,23). Und dies geschieht um des Namens Jesu willen (Apg 5,41; 9,16 u.ö.).

Die Belege aus der Apostelgeschichte zeigen: Die Verheißung, durch Standhaftigkeit in der Bedrängnis das Leben zu gewinnen (21,19), zielt nicht auf die Bewahrung vor dem physischen Tod. Lukas weiß, dass den Christuszeugen mehr als nur ein Haar gekrümmt werden kann. So meint die Rede vom Lebensgewinn sachlich genau das, was in der Mk-Vorlage (13,13) mit »gerettet werden« bezeichnet ist (vgl. Michael Wolter, Das Lukasevangelium, Tübingen 2008, 676).

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