Bischöfe vor dem kath.net-Karren
Das Trauerspiel hat einen zweiten Akt. Die Bischöfe von Linz und Graz haben dem Druck nachgegeben, den die digitale Glaubenskongregation gegen Rainer Bucher aufgebaut hat (s. hier). Triumphierend wird vermeldet, dass sich Ludwig Schwarz und Egon Kapellari von den »Regime-Aussagen« distanziert haben. Da die Rede ist von einer »Stellungnahme gegenüber kath.net« und diese nicht unabhängig veröffentlicht zu sein scheint (warum auch?), bleibt der Text auf kath.net die einzige Quelle.
Von Bischof Schwarz wird folgende Stellungnahme mitgeteilt:
Andererseits: Bei allem Bedauern darüber, dass sich die beiden Bischöfe vor den Karren eines aggressiv-katholischen Kutschers haben spannen lassen – viel mehr als dass sie die Rede vom katholischen Sexualregime für falsch halten, haben sie nicht gesagt. Chefkutscher Gandalf scheint das nicht recht gemerkt zu haben. Er fordert schon wieder, und zwar in Richtung kathpress:
Auch wenn Bischof Schwarz und Bischof Kapellari offensichtlich nur unpassende Wortwahl erkennen (»nicht sehr hilfreich«, »völlig unakzeptabel«), wäre es doch besser gewesen, der Redaktion nicht den kleinen Finger zu reichen, mit dem diese dann wieder auf andere zeigen kann. Man hätte sich die bischöflichen Reaktionen auch anders vorstellen können. Wie wär's mit folgendem Klartext?
»Zu dieser Äußerung möchte ich sagen, dass es ein Verbalradikalismus ist, der nicht differenziert und daher auch nicht sehr hilfreich ist. Er wird somit auch der Komplexität des Themas nicht gerecht. Natürlich leben wir in einer Zeit großer Vereinfachung, aber diese Formulierung ist wenig geeignet, weil das Wort 'Regime' immer noch negativ belastet ist und an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert. Inhaltlich ist mit diesem Satz wohl gemeint, dass in früheren Jahrzehnten Fragen der Sexualität und Sünden gegen das 6. und 9. Gebot übertrieben stark gesehen und beurteilt wurden.«Dass eine einzelne Wendung wie »katholisches Sexualregime« »nicht differenziert« ist und »der Komplexität des Themas nicht gerecht« wird – wer wollte es bestreiten? Gewöhnlich reichen dazu isolierte Begriffe nicht aus. Zur Nationalsozialismus-Keule wüsste man gerne, worin der besondere Bezug von »Regime« und Drittem Reich besteht. Wenn dann spekuliert wird, was »mit dem Satz« inhaltlich gemeint sei, so fragt sich, auf welchen Satz dies zielt. Kritisiert wird ein Wort (»Sexualregime«). Einen Satz hatte allerdings die Redaktion von kath.net gebildet in der Falschmeldung, Bucher habe die kirchliche Ehelehre als katholisches Sexualregime verunglimpft (s. dazu hier).
Von Bischof Kapellari wird mitgeteilt, er habe Bucher
»ausgerichtet, dass das Wort 'Regime' im 'getrennten Kontext' als völlig unakzeptabel erscheine«.
Was ein »getrennter Kontext« ist, erschließt sich nicht ohne weiteres. Ich vermute, es heißt soviel wie »ohne Kontext, kontextunabhängig«. Dass der Kontext der Äußerung nicht detailliert ausgeführt wird, liegt in der Natur einer zusammenfassenden Meldung. Ohne Kontext ist die Wendung aber nicht. Sie erscheint in einem Bericht über eine akademische Tagung. In diesem Rahmen ist die Verwendung fachsprachlicher Begriffe nicht völlig abwegig. Wenn sich Rainer Bucher dem Bischof gegenüber entsprechend verteidigt und darauf hingewiesen habe, dass Regime »in soziologischen (sic) Kontext auch 'ohne Abwertung' gebraucht werde«, ist alles Notwendige gesagt. Der Bischof habe dennoch eingewandt, dass das Wort
»im gegenwärtigen Disput rings um die beiden Bischofssynoden jedenfalls sehr emotional besetzt ist und daher a priori in der Regel als abwertend verstand (sic) wird, unabhängig von einem allfällig wertneutralen Gebrauch«.
Wir haben also folgenden Fall vor uns: Ein Wissenschaftler hat auf einer akademischen Tagung einen neutralen fachsprachlichen Begriff verwendet, der in der Alltagssprache einen negativen Klang haben kann. Aus einem Bericht über diese Tagung hat die Redaktion von kath.net einen Skandal gestrickt, indem der fachsprachliche Begriff in alltagssprachlichen Kontext versetzt und dem Wissenschaftler eine Aussage unterstellt wird, die dem Bericht gar nicht zu entnehmen war (kirchliche Ehelehre als Sexualregime). Sie drängt zwei Bischöfe zu einer Stellungnahme, und denen entgeht, dass der Skandal nur im Hirn der kath.net-Redaktion stattfindet. An diesem rätselhaften Ort wurde allererst der »getrennte Kontext« geschaffen, der das fragliche Wort inakzeptabel machen soll.
»Natürlich leben wir in einer Zeit großer Vereinfachung«, ließ Bischof Schwarz wissen, was aber Buchers Wortwahl nicht rechtfertige. Dass diese Kritik gegen einen fachsprachlich verwendeten Begriff gerichtet ist und auf der mangelnden Differenzierung zwischen unterschiedlichen Sprachebenen beruht, zeigt die ganze Absurdität des Vorgangs. Ausgerechnet den großen Vereinfachern springt der Bischof zur Seite, indem er deren Opfer Vereinfachung vorwirft. Als einziger Schutz vor übermäßigem Haareraufen bleibt manchmal nur die Glatze.
»Man darf gespannt [sein], ob die KATHPRESS, die diese Aussage von Hr. Bucher verbreitet hat, auch die Fairness hat, die Stellungnahme der Bischöfe zu verbreiten!«
Warum sollte die Agentur das tun? Dass in einem von kath.net inszenierten Skandal zwei Bischöfe ihre Ablehnung eines bestimmten Ausdrucks mitteilen, ist nicht der Stoff, mit dem Nachrichtenagenturen ihre Kundschaft beliefern müssen.
»Sehr geehrte Damen und Herren in der Redaktion von kath.net, einen Skandal kann ich in dem von Ihnen vorgebrachten Fall nur in der Art und Weise erkennen, in der Sie ihn behandeln. Nach der Lektüre der kathpress-Meldung sehe ich keinerlei Basis für den von Ihnen gegen Herrn Bucher vorgebrachten Vorwurf. Außerdem möchte ich Ihr trüffelschweinartiges Abschnuppern der Kirche nach dem, was Ihnen nach Häresie oder Unkirchlichkeit riecht, nicht noch dadurch unterstützen, dass ich eine Stellungnahme liefere, die Sie auf Ihrem Portal als Bestätigung Ihrer Strategie feiern könnten … «
Die Antwort lautete anders. Haben die Bischöfe oder ihre Pressesprecher Angst, weil sich gerade gezeigt hat, wie kath.net wegen einer gut gemeinten Warnung angesichts einer Urheberrechtsverletzung die Öffentlichkeitsarbeit eines Bistums denunzieren kann? (s. hier und die Gegenseite hier)
So bleibt als Trost, dass der Grazer Bischof »Herrn Professor Bucher gegen eine verallgemeinernde Kritik in Schutz« genommen hat. Gandalfs Forderung nach dem RAUSWURF von Rainer Bucher »als letzte gute Tat vor dem Abtritt als Diözesanbischof« läuft ins Leere. Sie ist der größte Skandal in dieser Geschichte, weil sie deutlich macht, in welcher Haltung und Absicht solche Artikel platziert werden.
Kommentare
tatsächlich teile ich Ihre Meinung bezüglich Ihrer Kritik an KathNet in vollem Umfang. KathNet schmückt sich zwar gern mit vielfältigen kirchlichen Inhalten, im Gesamtergebnis erscheinen dabei aber eher systematische Pressehetze und Diskriminierung.
Yvonne-Christine Dudziak-Kloe
(hier zu sehen: http://kath.net/news/50663 )
PB