Das umstrittene Memorandum (2)

Anmerkungen zur »Petition Pro Ecclesia«

 

Die Ablehnung des Memorandums Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch hat sich in der Petition Pro Ecclesia eine Plattform geschaffen, auf der sich zur Zeit 11.000 Unterstützer versammelt haben. Die Petition ist eine klare Absage an eine Diskussion über die Punkte, die im Professoren-Memorandum benannt wurden.

Das Memorandum als Bedrohung

Diese Verweigerung des Dialogs ergibt sich für die Unterzeichner notwendig aus der Einschätzung der Lage: die Petition sieht im Memorandum offensichtlich »die Grundfeste der Kirche ... zur Disposition gestellt«. Deshalb ergeht die Bitte an die Bischöfe, sie mögen dafür sorgen, dass Forschung und Lehre an den Theologischen Fakultäten »im Einklang mit der Lehre der Kirche« erfolgen. Wer eine solche Bitte ausspricht, formuliert ein Ziel, das erst noch erreicht werden muss. Dasselbe gilt für das erbetene Signal, »dass ein Theologiestudium nur mit der Kirche – niemals gegen die Kirche – sinnvoll sein kann«. Aus dem Memorandum wird also abgeleitet, dass die Unterzeichner ein gegen die Kirche gerichtetes Theologiestudium vertreten. Als Ziel der Petition wird festgehalten: »Wir legen sie vor, um zu bekräftigen, dass der Glaube an den Dreifaltigen Gott, wie ihn uns die Apostel und ihre Nachfolger überliefert haben, lebendig ist«. Was macht solche Bekräftigung dringlich? Da sie im Kontext des Memorandums der Theologen erfolgt, wird offenbar angenommen, dass in diesen Kreisen der Glaube an den Dreifaltigen Gott nicht mehr lebendig sei. Und nur so erklärt sich auch der Vorwurf, das Verhalten der Theologen sei unredlich, täusche und führe in die Irre. Verschleiert wird, so der unausgesprochene Vorwurf, dass mit den Forderungen des Memorandums an den Grundfesten der Kirche gerüttelt wird.


Angriff auf die »Grundfeste der Kirche«?

Ich kann im Memorandum keinen Punkt erkennen, an dem sich ein solches Urteil rechtfertigen ließe.
 

(1) Stärker synodale Strukturen auf allen Ebenen bedeuten nicht die Abschaffung des Amtes.

(2) Wer sich aus Sorge um ein lebendiges Gemeindeleben vor Ort Gedanken macht über die Gestaltung des kirchlichen Amtes und dabei »verheiratete Priester und Frauen im kirchlichen Amt« einbringt, fordert nichts, was es in der Geschichte der Kirche nicht bereits gegeben hätte.

(3) Mir ist kein Dogma bekannt, gegen das der »Aufbau einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit« verstoßen würde.

(4) Was im Memorandum unter dem Stichwort »Gewissensfreiheit« zum »Bereich persönlicher Lebensentscheidungen und individueller Lebensformen« gesagt wird, mag umstritten sein. Es ist aber keine Absage an die Sicht der Ehe als Sakrament. In erster Linie geht es darum, den Ausschluss von Glaubenden zu überdenken, die jenem Ideal nicht entsprechen. Es wird nicht gefordert, gleichgeschlechtliche und nichteheliche Partnerschaften der Ehe gleichzustellen, wie die Petition offensichtlich befürchtet.

(5) Dass »die Sünde in den eigenen Reihen ernst zu nehmen« ist, so das Memorandum, dürfte niemand bestreiten. Man kann darüber streiten, in welchen Fällen »eine rigorose Moral ohne Barmherzigkeit« anzuprangern oder umgekehrt ein Ausverkauf ethischer Maßstäbe zu beklagen ist. Aber dass in dem Punkt zur »Versöhnung« irgendetwas gesagt wäre, was der Lehre der Kirche widerspricht, kann man nicht behaupten.

(6) Dasselbe gilt für das, was im Memorandum zur Liturgie ausgeführt wird. Man kann die Sorge der Petition vor liturgischem Wildwuchs durchaus teilen und gleichzeitig als berechtigt anerkennen, dass der »Gottesdienst ... nicht in Traditionalismus erstarren (darf)«, wie es im Memorandum heißt. Die Errungenschaft von liturgischer Bewegung und Liturgiereform – die aktive Teilnahme der Gläubigen – sollte jedenfalls nicht zur Disposition stehen. In keinem Fall ist in dem sechsten Punkt des Memorandums eine Forderung formuliert, die die »Grundfeste der Kirche« zur Disposition stellen würde.

Ausschließlichkeitsdenken

Die Petition geht inhaltlich nur auf drei Punkte aus dem Memorandum ein: Zölibat (2.), Liturgie (5.), Verhältnis zu unterschiedlichen Lebensformen (6.). Dabei dominiert Ausschließlichkeitsdenken. Dass das Memorandum verheiratete Priester ins Spiel bringt, provoziert als Gegenposition, der Zölibat sei »kein altmodisches Auslaufmodell, sondern die dem Priester angemessene Lebensform«. Die Ausführungen zur Liturgie rufen die Angst hervor, dass die »Einheit des Betens der Kirche« aufgekündigt und damit »die Einheit der Kirche selbst in Gefahr« gebracht werde. Die Bemerkungen gegen den Ausschluss von Menschen in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft oder von wiederverheirateten Geschiedenen werden als Angriff auf die Sakramentalität der Ehe gewertet. Jeweils wird die Position des Memorandums als Widerspruch zu einer unabänderlichen Ordnung verstanden. Aus dieser Haltung erklärt sich dann auch, dass die übrigen vier der sieben Punkte ganz ohne Bezug auf das Memorandum auskommen und allgemeine Appelle sind: negativ gegen das Memorandum (1.), positiv zur Wahrung der kirchlichen Lehre und Identität (3., 4., 7.). In ihnen treten die »Petitionisten« tatsächlich »deutlich und vernehmbar an die Seite der Bischöfe« – vor allem, um ihnen laut genug ins Ohr zu sagen, was sie jetzt tun sollen. Denn furchtbar wäre es, wenn die Bischöfe im Memorandum gar nicht jenen Generalangriff auf die Kirche erkennen würden, den die Petition beklagt.

»Es ist eine gute Sache, miteinander zu reden«

Aus der Petition spricht die Angst vor Veränderung. Wer die Geschichte der Kirche seit ihren Anfängen betrachtet, kann nur staunen über das Ausmaß an Veränderung, das sie in 2000 Jahren durchgemacht hat, um ihrem Auftrag der Evangeliumsverkündigung treu zu bleiben. Natürlich kann und muss man darüber streiten, wie die Balance zwischen Bewahrung und Erneuerung angemessen zu halten ist. Das gilt auch für das Memorandum. Zwar ist vieles (nicht ganz glücklich) so formuliert, als ob es um Durchsetzung bestimmter Vorstellungen ginge. Jedoch stehen die einzelnen Punkte unter der Überschrift: »Der offene Dialog darüber muss in folgenden Handlungsfeldern geführt werden«. Diese Forderung stellt nicht, wie die Petition befürchtet, die Grundfeste der Kirche zur Disposition. Deshalb ist der Satz, der durch diese Befürchtung abgeschwächt wird, ernster zu nehmen, als die Petition selbst es tut: »Es ist eine gute Sache, miteinander zu reden.«

Kommentare

Anonym hat gesagt…
"Aus der Petition spricht die Angst vor Veränderung"

Dies ist Ihre Empfindung.

Ich habe die Petition unterzeichnet, weil ich eine Veränderung nicht für nötig erachte. Ich fühle mich in dieser Kirche zu Hause. Die Liturgie ermöglicht mir Gott besonders nah zu sein und dies ist für mich "die aktive Teilnahme der Gläubigen".
Gruß
SW
Gerd Häfner hat gesagt…
@Anonym (SW)

Auch ich fühle mich in dieser Kirche zu Hause und möchte, dass es so bleibt. Nur meine ich, dass es dazu nicht einfach so weitergehen kann wie bisher. Wie angesichts der Zahlen beim Priesternachwuchs Gemeindeleben künftig so gestaltet werden kann, dass Gemeinde noch als Lebensraum erfahren werden kann, ist zur Zeit völlig ungelöst. Zudem: Die Krise der Kirche ist nicht nur auf der individuellen Ebene mangelnden Glaubens angesiedelt, sondern hat als Glaubwürdigkeitskrise auch eine strukturelle Dimension. Die Kirche hat sich im Laufe ihrer Geschichte schon öfter wechselnden Bedingungen angepasst. Auch wenn aus Strukturen allein sicher noch keine Erneuerung des Glaubens erwächst, so sind die im Memorandum genannten Punkte doch wichtig und diskussionswürdig. Sie zielen nicht auf eine Änderung des Wesens der Kirche.
Anonym hat gesagt…
Dies sehe ich auch so. Es ist und wird ein schmerzlicher Prozess für die Gläubigen, für die Priester, für die Kirche sein.

Meiner Meinung nach ermöglichen die jetzigen Strukturen der Kirche jedoch viele Möglichkeiten.

Unsere Priester müssen entlastet werden. Gerade die Verwaltungsarbeit ist zeitaufwändig und könnte deligiert werden, damit Seelsorge stattfinden kann.

Diakone könnten nicht nur ehrenamtlich, sondern auch als angestellte der Kirche tätig werden, um Priester zu entlasten.

Die Gemeinden müssen Abschied nehmen von "unserem Pfarrer", von drei Gottesdiensten am Sonntag usw.
Die XXL Gemeinden sind da!!! Benötigen wir wirklich für sechs Gemeinden sechs Gemeinderäte?

Ja, ich bin für Veränderung, da die jetzigen Strukturen uns dies schon alles ermöglichen könnten.

Dies ist wie gesagt ein schmerzlicher Prozess und wir sollten mutig und unverzagt in diesen Prozess eingehen, denn auch im Schmerz wohnt Gott. In diesem Vertrauen können wir diesen Weg gehen und die Erneuerung des Glaubens wird daraus erwachsen.

Beispiele der Sorge:
Mir wurde schon in der Schule im kath. Religionsunterricht beigegracht, dass die Wunder keine Wunder sind, das neue Testament wäre eine schöne Nacherzählung usw.

Bei der Erstkommunion meines Patenkindes wurde die Liturgie so verfremdet, dass den Gläubigen noch nicht mal die Wandlung aufgefallen ist.
Dies ist für mich unverständlich, denn dies kann doch nur möglich sein, wenn der Priester selber nicht mehr an die Wandlung glaubt!?

Dies ist für mich eine Glaubwürdigkeitskirse!
Die pauschalen, wiederkehrenden Forderungen im Memorandum werden dies nicht ändern, sondern bringen das "Symptom" auf den Punkt.

SW
Gerd Häfner hat gesagt…
@Anonym (SW)

Das Beispiel aus der Liturgie, das Sie für die Glaubwürdigkeitskrise anführen, kann ich durchaus verstehen; darauf bezog sich in meinem Beitrag auch die Rede von der berechtigten „Sorge vor liturgischem Wildwuchs“. Andererseits gibt es auch die Sorge vor Zentralisierungstendenzen, etwa im Blick auf die Übersetzungen liturgischer Texte. Die Zulassung des außerordentlichen Ritus kann Befürchtungen nähren, die aktive Beteiligung der Gläubigen an der Liturgie solle wieder zurückgenommen werden. Dagegen meine ich (und nach dem, was Sie schreiben, können Sie hier wohl zustimmen): Was liturgische Bewegung und Liturgiereform des 20.Jh. erreicht haben, sollte nicht wieder verloren gehen.

Beim ersten Beispiel kann ich erahnen, was Sie meinen mit der Formulierung, Sie hätten im Religionsunterricht gelernt, Wunder seien keine Wunder und das NT eine schöne Nacherzählung. Hier sind grundlegende Fragen des Verständnisses des Neuen Testaments angeschnitten. Oft wird hier mit unsachgemäßen Alternativen gearbeitet, etwa: entweder sind die Evangelien Geschichtsberichte oder Fabeleien; entweder sind alle Wunderberichte in historischem Sinn wahr oder die Evangelien haben uns nichts mehr zu sagen. Ich will in diesem Blog versuchen, auch auf solch grundsätzliche Fragen einzugehen in einer noch zu eröffnenden Kategorie „Bibel verstehen“ o.ä.
Asmus hat gesagt…
Zitat: "Aus der Petition spricht die Angst vor Veränderung."

Ist nicht seit Jahren schon genug und zuviel "verändert" worden Und hat es die Kirche und den Glauben attraktiver gemacht? Darin stimme ich zu: es ist gut miteinander zu reden - denn dann braucht es weder Memoranden noch Petitionen
Beate hat gesagt…
Wenn Sie meinen, dass Sie alles so lassen wollen, wie es ist, vergessen Sie, dass die Kirche in jeder Zeit die Sprache der Menschen sprechen musste, um verständlich zu sein und Antworten auf die Fragen zu geben, die Menschen in ihrer Zeit bewegen. Jesus hat dies verstanden und die Menschen in ihren Erfahrungswelten abgeholt. Die Kirche heute erwartet, dass die Menschen zu ihr kommen, ohne zu merken, dass die Menschen leider mittlerweile so weit vom Glauben der Kirche entfernt sind, dass sie diese Kluft nicht mal mehr als Defizit empfinden.
Bei allem Respekt: Kirche ist nicht für Sie da, sondern für die Botschaft von der Erlösung für ALLE Menschen. Wenn Sie sich wohlfühlen, dann ist das schön für Sie - aber ist es die Aufgabe der Kirche, dass sich eine begrenzte Zahl von Menschen in ihr wohlfühlen und dabei nicht davor zurückschrecken, Anfragen, Kritik und notwendige Veränderungen auszusperren?
"Was bleiben will, muss sich verändern" - dieser Satz steht auf einem Bild, auf der die Baustelle unseres Pfarrzentrums dargestellt ist. Ein Teil des alten Gefängnisses musste dafür weichen, ein anderer Teil wurde ins neue Pfarrzentrum integriert, ein ganz neuer Teil angebaut.
Das sehe ich als Weg - jedes Entweder/Oder bringt uns nicht weiter.
Anonym hat gesagt…
Danke, Beate!
Sie sprechen mir ganz aus der Seele!
Ich will auch nicht alles ändern (z.B. ebenfalls keinen liturgischen "Wildwuchs"). Allerdings sollte auch bedacht werden, ob die Kirchen z.B. im Bereich der Sprache deswegen nicht mehr attraktiv sind, weil wir bisher noch zu wenig geändert haben! Andererseits dürfen wir darin nicht jeder Mode nachgeben. Aber auch bitte nicht rückwärts gehen! Ich will keine lateinische Messe, an der ich keinen Anteil habe!
Wesentlich ist doch, dass wir eine Sprache sprechen, die den Menschen wirklich anspricht - und eine solche darf weder modisch noch althergebracht sein, sondern es muss eine intensive, vom Glauben getragene, aus dem tiefsten Inneren kommende Sprache sein - und vielleicht brauchen wir auch viele Sprachen, um viele unterschiedliche Menschen zu erreichen. Dann wird auch der Gottesdienst unmittelbar ansprechen.

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