Ein publizistisches Kabinettstückchen ...

... hat heute Morgen kath.net abgeliefert. Nachdem die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands eine Stellungnahme »zur aktuellen Debatte über die Verlagsgruppe Weltbild GmbH« abgegeben hat, ließ die Reaktion des Nachrichtenportals nicht lange auf sich warten. Man veröffentlichte den Text der Stellungnahme, in der immerhin der Verkauf von Weltbild angekündigt wurde - also das, was man auf kath.net nicht ohne eine gewisse Hartnäckigkeit seit Wochen verlangt.

Leserlenkung

Die redaktionelle Rahmung lenkte die Aufmerksamkeit aber auf einen anderen Punkt. Die erste Fassung der Überschrift lautete:
»Bischöfe sprechen Langendörfer 'uneingeschränktes' Vertrauen aus!«
Außerdem nahm die Redaktion auf den letzten Satz der Stellungnahme Bezug, in dem »die verzerrende und unangemessene Weise der publizistischen Auseinandersetzung mit den anstehenden Fragen namentlich in Medien, die der Kirche nahestehen«, bedauert wurde. Eingeschoben war die Frage: »Weltbild vor Veräußerung?«

Wie gut die Leserlenkung funktioniert, die wir bereits in einem krasseren Fall kennengelernt haben, zeigen die ersten Kommentare. Erst der siebte merkt, dass in der Stellungnahme der Verkauf von Weltbild angekündigt wurde, fällt aber dennoch auf die Strategie von kath.net herein, wenn er schreibt, von diesem Verkauf wäre »'im Kleingedruckten'« die Rede. Die folgenden Kommentare widmen sich dann wieder ganz der Empörung über die Bischöfe, ohne zu merken, dass diese gerade verlauten ließen, sich von Weltbild trennen zu wollen. Dass dennoch Erkenntniszuwachs möglich ist, zeigt der Kommentator M.Schn-Fl, der zunächst anmerkt: »Das ist ja wohl die Höhe!!!!«; »die schlimmsten Befürchtungen« sieht er wahr werden. Fünf Minuten später meint er allerdings: »Was zählt, ist der Erfolg!«

Unkommentierte Textänderungen 

Möglicherweise hängt der Sinneswandel mit der Änderung der Überschrift auf kath.net zusammen. Von der ursprünglichen Fassung ist nämlich nur das Ausrufezeichen übrig geblieben. Der Text wurde zunächst durch folgenden ersetzt:
»Weltbild wird verkauft!«
Damit war man aber noch nicht zufrieden und hat noch konsequenter von Empörung auf Triumph umgeschaltet. Inzwischen lautet der offensichtlich stabile Titel:
»Game over - Weltbild wird verkauft!«
Die alte Überschrift wurde nun zum ersten Satz der redaktionellen Einleitung, hat dabei allerdings das Ausrufezeichen eingebüßt. Die Frage, ob Weltbild vor der Veräußerung stehe, wurde konsequenterweise gestrichen. Auch ein später eingefügter Satz (»Kein Mea Culpa der Bischöfe!«) ist inzwischen wieder verschwunden (und in einer anderen Überschrift aufgetaucht, in der nun gar der Geschäftsführer von Weltbild als positives Gegenstück zu den Bischöfen erscheint). Wer sich in der aktuellen Fassung des Artikels fragt, warum die ersten Kommentatoren so aggressiv reagieren, erhält die Antwort von dieser Vorgeschichte her. Exegeten können hier wenigstens im Grundsatz die Methode der Literarkritik bekräftigt sehen, die von Spannungen in einem Text auf eine literarische Wachstumsgeschichte schließt.

Bestätigung der Kritik 

Der Umgang mit der Stellungnahme der Vollversammlung des VDD bestätigt wohl ungewollt den Vorwurf, über den man sich entsetzt: dass eine »verzerrende und unangemessene Weise der publizistischen Auseinandersetzung« betrieben worden sei, »namentlich in Medien, die der Kirche nahestehen« (das Entsetzen muss dabei nicht ausdrücklich formuliert werden, das übernehmen die Leserkommentare).

Aus der Stellungnahme wurde die Solidaritätsbekundung für Hans Langendörfer herausgepickt und zur Schlagzeile gemacht. War man so enttäuscht darüber, dass der Sekretär der Bischofskonferenz nicht abgesetzt und im Aufsichtsrat von Weltbild belassen wurde? Er gehört zu jenen, die der Leserschaft besonders gerne zum Kommentarfraß vorgeworfen werden. Dass Langendörfer gegen die Entschließung des ZdK zum Diakonat der Frau Stellung bezogen hat (s. dazu hier), verschaffte ihm keineswegs Anerkennung, sondern lieferte nur den Anlass zur Häme (s. hier). Offensichtlich war die Hoffnung auf Langendörfers Absetzung so groß, dass im selben Artikel sogar die Formulierung gelang, es handle sich bei ihm um den derzeitigen Sekretär der Bischofskonferenz.

In der Linzer Kirchenzeitung hat die Redaktion von kath.net unlängst »Manipulation und Einseitigkeit« entdeckt. Sie äußert sich als Expertin: man kann ihr jedenfalls nicht vorwerfen, das Phänomen nur aus der Außenperspektive zu kennen.

Kommentare

Roland Breitenbach hat gesagt…
Einige Male bin ich auch in die Fänge der "Bericherstattung" von kathnet geraten. Ich konnte mich nur noch wundern ...

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