Jesus, Schabbat und »Tatort«
Der »Tatort« vom vergangenen Sonntag spielte in der orthodoxen jüdischen Gemeinde Münchens. Der Reiz der Geschichte liegt nicht zuletzt darin, dass die beiden Kommissare auf eine ihnen fremde religiöse Welt treffen. Diese Welt wird durchaus einfühlsam dargestellt, auch mit Blick auf innerjüdische Differenzen.
Aus neutestamentlicher Sicht besonders bemerkenswert ist eine Passage, in der über Schabbat-Regelungen gesprochen wird. Während der Tatverdächtige seine Flucht nach der am Schabbat erlaubten Strecke (2000 Ellen) abbricht, legt seine Frau eine längeren Weg zurück, um ihm koscheres Essen in die Polizeistation zu bringen. Auf die Frage, wie sie das mit dem Schabbatgebot in Einklang bringt, antwortet sie mit einem Spruch aus einem speziellen Zweig der jüdischen Überlieferung:
Das heißt nicht, dass die Position Jesu zum Schabbat konsensfähig gewesen wäre. Dies kommt auch im Film zum Tragen, wenn die Frau, die gerade Mk 2,27 zur Rechtfertigung ihres Verhaltens herangezogen hat, hinzufügt: »Verraten Sie’s nicht meinem Mann.«
An einer späteren Stelle des Tatorts wird allerdings im Blick auf die Einbindung Jesu ins Judentum ein gewisser Kontrapunkt gesetzt, wenn der jüdische Rabbiner zum Verhältnis von Juden und Christen sagt: »Der Ewige eint uns, Jesus trennt uns.« Dies erinnert ein wenig an einen Satz Schalom Ben Chorins, der aber etwas anders und genauer formuliert hatte:
Aus neutestamentlicher Sicht besonders bemerkenswert ist eine Passage, in der über Schabbat-Regelungen gesprochen wird. Während der Tatverdächtige seine Flucht nach der am Schabbat erlaubten Strecke (2000 Ellen) abbricht, legt seine Frau eine längeren Weg zurück, um ihm koscheres Essen in die Polizeistation zu bringen. Auf die Frage, wie sie das mit dem Schabbatgebot in Einklang bringt, antwortet sie mit einem Spruch aus einem speziellen Zweig der jüdischen Überlieferung:
»Der Schabbat ist für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Schabbat.«Dass sich das Jesuswort aus Mk 2,27 bruchlos in die Erörterung der jüdischen Schabbat-Diskussion einfügt, passt in das Bild, das die historische Forschung vom Wirken Jesu zeichnet: Es ist das Wirken eines Juden unter Juden und nur in diesem Rahmen historisch zu verstehen. Man mag darüber streiten, inwiefern der Weg der Kirche über die Grenzen Israels hinaus Anhaltspunkte beim historischen Jesus hat (wir hatten hier schon einmal eine längere Diskussion in den Kommentaren). Dass das Wirken Jesu in den jüdischen Kontext seiner Zeit einzuordnen ist, lässt sich aber nicht bestreiten.
Das heißt nicht, dass die Position Jesu zum Schabbat konsensfähig gewesen wäre. Dies kommt auch im Film zum Tragen, wenn die Frau, die gerade Mk 2,27 zur Rechtfertigung ihres Verhaltens herangezogen hat, hinzufügt: »Verraten Sie’s nicht meinem Mann.«
An einer späteren Stelle des Tatorts wird allerdings im Blick auf die Einbindung Jesu ins Judentum ein gewisser Kontrapunkt gesetzt, wenn der jüdische Rabbiner zum Verhältnis von Juden und Christen sagt: »Der Ewige eint uns, Jesus trennt uns.« Dies erinnert ein wenig an einen Satz Schalom Ben Chorins, der aber etwas anders und genauer formuliert hatte:
»Der Glaube Jesu einigt uns, aber der Glaube an Jesus trennt uns.«Dennoch: Wer diese Tatort-Folge nicht gesehen hat, vergeudet nicht seine Zeit, wenn er dies unter Nutzung der Mediathek der ARD nachholt (noch bis zum 3.12.).
Kommentare
Im Vergleich zum Bodenseetatort vor einigen Jahren über einen Schächter, ist dieser deutlich weniger von Klischees belastet. Inkonsistenzen gab es trotzdem noch einige. In dieser superfrommen Familie wird den Kindern nach dem Zünden der Schabbatlichter sicher nicht mehr erlaubt zu malen.
Und daß Komissar Leitmaier in seiner Schulzeit eine Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Dachau verpaßt haben soll, hat mich doch sehr erheitert. Da kannte der Drehbuchschreiber die Verhältnisse Mitte der siebziger Jahre in Bayern nicht.
Da können wir eine »alte« Diskussion wieder aufnehmen. Mit der Wahl der Zwölf stellt sich Jesus nicht über Israel, sondern ordnet sein Wirken in die Heilserwartung Israels ein, die Erwartung der Wiederherstellung als Zwölf-Stämme-Volk. Dass Jesus den Menschen über den Sabbat gestellt habe, stimmt in einer bestimmten Hinsicht (vom Menschen her ist das am Sabbat Erlaubte zu bestimmen). Es geht nach Mk 2,27 aber darum, den ursprünglichen Sinn des Sabbats wiederherzustellen (s.a. Ex 20,8-11; Dtn 5,12-15). Wenn es in einer rabbinischen Tradition heißt: euch ist der Sabbat übergeben, nicht ihr ihm, ist die Position Jesu grundsätzlich in jüdische Tradition integrierbar.
Das Fasten war Kennzeichen bestimmter Gruppen, allgemein aber nur für einen Tag im Jahr vorgeschrieben (Versöhnungstag). Jesus dürfte sich als Wanderprediger aus pharisäischer Sicht nicht genügend um Reinheitsvorschriften gekümmert haben; insofern lag hier ein gewisses Konfliktpotential. Hätte er aber die Unterscheidung von rein und unrein grundsätzlich für hinfällig erklärt, müsste man eine deutlichere Spur in der Jesustradition erwarten. Dass Jesus die Entlassung der Frau aus der Ehe ablehnt, muss nicht als Torakritik verstanden werden. In der gewiss toratreuen Qumran-Gruppe hat man sich in der Frage der Polygamie auch von der Mose-Tora unterschieden, ohne diese deshalb in Frage zu stellen.
Schließlich: Die Hinrichtung am Kreuz muss nicht als Konsequenz der Torakritik Jesu verstanden werden, jedenfalls haben wir dafür keinen direkten Anhaltspunkt in den Quellen (Mk 3,6parr ist eine redaktionell gesetzte Marke, hier ist außerdem kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Verhaftung Jesu gegeben). Gegnerschaft (etwa der Pharisäer) muss nicht Todfeindschaft bedeuten. Dass das Wirken Jesu konfliktträchtig war, will ich nicht bestreiten. Aber es war doch ein Konflikt, der im Rahmen eines äußerst vielgestaltigen Judentums stattfand.