Klartext durch die Blume?

Die deutschen Bischöfe stehen in der »Weltbild-Affaire« weiter unter Beschuss. Schon ist die Rede vom »Weltbild-Showdown am 21. November«. Wenn der Rat der Deutschen Bischofskonferenz tagt, »schlägt für die katholische Kirche Deutschlands die Stunde der Wahrheit«. Der Sache würde es nicht schaden, wenn in der Wortwahl wenigstens ein Gang zurückgeschaltet würde. Auch wer kein Freund des bischöflichen Engagements bei Weltbild ist, muss nicht jede Form der Aufregung begrüßen, die zur Zeit gepflegt und mit immer neuen Meldungen genährt wird.

Auch der Papst wird in die Kampagne eingespannt - möglicherweise nicht zu Unrecht, aber doch nicht nur eine Spur zu lautstark. Benedikt XVI. hat anlässlich der Überreichung des Beglaubigungsschreibens an den neuen deutschen Botschafter beim Heiligen Stuhl eine kurze Rede gehalten, die unter anderem die Themen Prostitution und Pornographie berührte. Nachdem er die »geschlechtliche Diskriminierung von Frauen« angeprangert hat, führt der Papst weiter aus:


»Hier ist es an der Zeit, Prostitution wie auch die weite Verbreitung von Material erotischen oder pornographischen Inhalts, gerade auch über das Internet, energisch einzuschränken. Der Heilige Stuhl wird darauf achten, daß der notwendige Einsatz gegenüber diesen Mißständen seitens der katholischen Kirche in Deutschland vielfach entschiedener und deutlicher erfolgt.«
Vorwurf der Beteiligung der Kirche am Geschäft mit Pornographie?

Zielt diese Aussage in die Diskussion um die kirchliche Beteiligung an Weltbild und Droemer-Knaur? Ein Hinweis auf diese Stoßrichtung könnte sein, dass ausschließlich die katholische Kirche in Deutschland erwähnt wird, obwohl doch das ebenfalls genannte Internet bekanntlich eine weltweite Angelegenheit ist. Der Anlass der Rede warnt allerdings vor voreiligen Schlüssen: Da sie vor dem deutschen Botschafter gehalten wurde, kann dieser Kontext für den Blick auf die deutsche Kirche verantwortlich sein.

Ein zweites Indiz für eine »Anti-Weltbild-Zielrichtung« könnte in der implizit mitgeteilten Kritik zu finden sein, dass der »Einsatz gegenüber (=gegen?) diesen Mißständen« in der deutschen Kirche zu wünschen übrig lasse. Offensichtlich erwartet sich der Papst hier ein stärkeres Profil. Er äußert sich aber nicht zu einer Verstrickung der deutschen Kirche in diese Missstände. Und da er neben der Pornographie auch die Prostitution genannt hat, scheint es in erster Linie nicht - wie im »Weltbild-Skandal« - um eine unmittelbare Beteiligung der deutschen Kirche an jenen Missständen zu gehen.

In diesem Sinn ließe sich auch die Tatsache auswerten, dass der Papst die Verbreitung über das Internet stark betont. Weltbild ist in erster Linie ein Buchhändler, der seine Ware zwar auch über das Internet anbietet, aber hier nicht sein »Kerngeschäft« betreibt (und auch als Buchhändler nach eigenen Angaben mit Erotik-Titeln einen äußerst geringen Umsatzanteil erzielt). Immerhin ist das Internet nicht nur ein Umschlagsort für Bücher und DVDs, sondern dem Geschäft der Pornographie noch viel unmittelbarer verbunden. Damit aber hat Weltbild nichts zu tun.

Auch die Forderung, Prostitution und Pornographie müssten energisch eingeschränkt werden, lässt nicht den Vorwurf erkennen, dass die deutsche Kirche selbst in die kritikwürdigen Zustände verwickelt wäre. Aus der Formulierung spricht die realistische Einschätzung, dass man die beklagte Verbreitung von Pornographie nicht vollständig verhindern kann. Hätte er aber die Beteiligung kirchlicher Institutionen im Blick, könnte der Papst nicht nur vom Einschränken sprechen.

Somit bleibt die Forderung eines entschiedeneren und deutlicheren Einsatzes der deutschen Kirche in der genannten Sache. Möglicherweise denkt der Papst dabei daran, dass das Engagement bei Weltbild einem solchen Einsatz im Wege steht, weil er unter diesen Umständen nicht glaubwürdig erfolgen kann. Gesagt hat er es nicht. 


Diplomatische Zurückhaltung?

Ist eine solche Auslegung der Papst-Rede zu naiv, weil sie die Eigenheiten diplomatischer Sprache missachtet? Muss man zwischen den Zeilen lesen, um die päpstliche Botschaft richtig zu deuten? Das mag sein. Dann kann man diese Sprachform aber nicht einfach ausblenden und von Klartext reden, wo durch die Blume gesprochen wird. Markus Reder schrieb in der Tagespost zu den oben zitierten Sätzen:
»Der deutsche Papst ist nicht gewillt, schweigend zuzusehen, wie in seiner Heimat die Geschäftspraktiken des kircheneigenen Weltbild-Konzerns die Glaubwürdigkeit kirchlicher Verkündigung in den Dreck zieht. Deutlicher kann Benedikt XVI. kaum werden. Der Papst macht Druck. Unmissverständlich und öffentlich.« (im Netz hier zugänglich)
Der Papst wäre sehr zu bedauern, wenn er nicht deutlicher hätte werden können. Er hat öffentlich gesprochen, aber nicht so deutlich, wie es der Kommentator darstellt.
»Die Beteiligung der Kirche in Deutschland an Produktion und Verbreitung von Erotik- und Porno-Titeln sowie kirchliche Geschäfte mit Esoterik, Okkultismus und Gewaltverherrlichung«
hat der Papst mit keinem Wort erwähnt (für »Esoterik, Okkultismus und Gewaltverherrlichung« gibt es gar keinen Anhaltspunkt). Auch wer meint, dass dies das eigentliche Ziel der Passage in jener Rede war, sollte nicht so tun, als könne er diese Intention aus der Rede zitieren. In einem Beitrag auf kath.net heißt es, der Papst habe
»Klartext geredet und bei einer Ansprache in Rom direkt die Deutsche Bischofskonferenz angesprochen.«  
Derselbe Beitrag wirft Radio Vatikan nicht zu Unrecht vor, die fragliche Passage der Papstrede nicht korrekt wiedergegeben zu haben. Aber wer sagt, der Papst habe die deutsche Bischofskonferenz direkt angesprochen, muss sich denselben Vorwurf gefallen lassen. Diese Ansprache ist höchstens indirekt geschehen - und ohne Klartext zu reden.

Es scheint sich hier etwas Ähnliches zu ereignen wie nach der Freiburger Rede des Papstes, die den Begriff der »Entweltlichung« in die Runde geworfen hat, mit der Folge, dass nun interpretiert wird, was genau damit gemeint sei. Zwar sind im neuen Fall die Interpretationsspielräume kleiner, aber das Muster ist vergleichbar: den Papstworten wird, mit dem Ziel, die eigene Position zu stärken, eine Deutlichkeit unterstellt, die sie nicht haben. 


Und die Kooperation mit Bild?  

Vielleicht verdankt sich die verbale Zurückhaltung in der Papstrede nicht allein diplomatischen Sprachgewohnheiten. Man erinnert sich nicht nur an die »Volksbibel«, von Bild und Weltbild 2004 herausgebracht und mit einer Privataudienz für Bild-Redakteure bei Papst Johannes Paul II. gewürdigt, sondern auch an die »Benedikt-Bibel« aus dem Jahr 2007, die dasselbe Boulevard-Blatt in Zusammenarbeit mit dem Herder-Verlag herausgegeben hat. Nicht allzu verwegen dürfte die Annahme sein, dass dieses Projekt nicht ohne Zustimmung des Papstes erfolgte, finden sich doch in der Ausgabe »persönliche Texte von Benedikt XVI.« (so der damalige Werbeartikel auf bild.de).

Wenn der Bild-Chefredakteur »die Verbreitung der christlichen Glaubensbotschaft ein ernstes Anliegen« der Zeitung nennt (s. hier), hat er offensichtlich nicht gemeint, dass sich dies in irgendeiner Form auf die Gestaltung seines Blattes auswirkt. Wer gegen »Prostitution wie auch die weite Verbreitung von Material erotischen oder pornographischen Inhalts« als Ausdruck der Entwürdigung von Frauen eintritt, könnte einen kritischen Blick darauf werfen, wie der Kooperationspartner Bild sein Geld verdient. 

Sicher ist diese Konstellation nicht unmittelbar zu vergleichen mit den Geschäftspraktiken, die jetzt zu Weltbild debattiert werden. Aber dass man für eine gute Sache die Zusammenarbeit mit - gemessen am eigenen Standard - zweifelhaften Partnern in Kauf nimmt, scheint auch dem Vatikan nicht ganz fremd zu sein.

Kommentare

Andreas Metge hat gesagt…
Zum Schluss,
lieber Gerd, eröffnest Du ansatzweise eine Perspektive, die etwas weiter ist als der Beginn Deines Blogs und die Diskussion, wie sie hier und da geführt wird.
Da herrscht nämlich m.E. eine "Problemtrance", ein starren auf den Kaiser ohne Kleider. Ohne dass dabei gesehen wird, dass der Kaiser nicht nur keine Kleider anhat, sondern trotzdem ganz erfolgreich ist, nämlich im Buchhandels-Geschäft.
Das Thema lautet m.E. also, ob es sinnvoll und der Verkündigung zuträglich ist, dass die deutschen Bischöfe via "Weltbild" versuchen, so etwas wie "Verkündigung" zu betreiben.
So, wie ich hier in Hildesheim "Weltbild" erlebe, ist genau das mehr als zweifelhaft. Es gibt massenhaft Produkte (nicht nur Bücher), die offensichtlich in Fernost gefretigt wurden, deshalb billig verkauft werden können. Rechtfertigt das den Verkauf einiger Bibeln oder Heiligen-Lexika? Ich meine: Nein!
Weltbild ist en netter Dicounter mit den gleichen Bedingungen und Schwächen wie alle Discounter. Ist das "katholisch"? Wohl kaum. Ist das ertragreich? Offensichtlich. "Porno" ist da nur ein kleiner Akzent...
Anonym hat gesagt…
Der eigentliche Skandal ist doch die verkorkste Sexualmoral, die hinter diesen Wächtern der "rechten" Lehre der Kirche steht. So weit ich informiert bin, gibt es überhaupt keine pornographischen Schriften bei Weltbild, da alle frei ab 16 Jahren zugänglich sind. Und sicherlich ist vieles davon nicht unbedingt ein literarischer Hochgenuss. Trotzdem sollte die Kirche erst einmal ihre Sexualmoral überdenken. Der ein oder andere Priester hätte wohl besser frühzeitig zu solchen Schriften gegriffen, statt die Überforderung, die ihm sein kirchlicher Arbeitgeber auferlegt hat, an kleinen Kindern auszulassen. Sex ist also immer noch böse, so werden es wohl auch diese Priester und ihre Vorgesetzten sehen. Deshalb gilt es ihn auch zu bekämpfen. Nur scheint das Böse im Falle der Missbräuche eher systemimmanent zu sein und es hat zuerst einmal nichts mit einer gesunden Sexualität zu tun. Kein Wunder, dass sich die Menschen von der Kirche abwenden.
Gerd Häfner hat gesagt…
@Andreas Metge

Lieber Andreas, Du hast Recht: Zum Schluss habe ich noch einen kleinen Schlenker eingebaut. Die Frage, ob mit dem Engagement bei »Weltbild« Gutes geschieht, das einen Kompromiss rechtfertigen könnte, habe ich im Beitrag nicht verfolgt. Der richtete sich in erster Linie gegen den Versuch, die Autorität des Papstes für Aussagen zu beanspruchen, die er in der behaupteten Deutlichkeit nicht getan hat – möglicherweise auch deshalb, weil der Vatikan sich ebenfalls kompromissbereit gezeigt hat. Was »Weltbild« betrifft, so teile ich Deine Einschätzung. Die Sache hat sich nach Marktgesetzen verselbständigt und trägt zum Verkündigungsauftrag der Kirche nichts bei. Dass sich Erotik-Titel im Angebot finden, ist nicht der entscheidende Punkt und wird, wenn ich recht sehe, außerhalb der Kirche nicht als Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit der Kirche wahrgenommen. Als Skandal ist die »Weltbild-Affaire« eine innerkirchliche Angelegenheit.
Heinz Schaller hat gesagt…
Ich frage mich, ob die Machenschaften der Vatikanbank zum Verkündigungsauftrag beitragen? Oder das Sponsoring der Weltjugendtage durch Coca Cola? Muss der Papst in einem Mercedes in das Olympiastadion fahren, wenn er von Entweltlichung predigen will? Würde man mit der Entweltlichung einmal im Vatikan anfangen, dann könnte man auch die Blumen beim Sprechen beiseite schieben!
Andreas Metge hat gesagt…
Lieber Gerd,
nach der Lektüre Deier Antwort habe ich mir noch einmal genauer die Rede des Papstes vor dem DEUTSCHEN Botschafter angeschaut. Ich habe ja bei meinem ersten Kommentar einen anderen Akzent herausgegriffen.
Beim "Orakel aus Rom", das so gern in Sinnsprüchen sich äußert, "daran unsere Zähne viel Knackens haben", lese ich, dass er vor dem DEUTSCHEN Botschafter im Vatikan über die "geschlechtliche Diskriminierung von Frauen" in Deutschland spricht.
Positiv greift er auf Pornographie und Prostitution und führt dies aus. Was sagt er NICHT???
Er sagt NICHT, dass manche Kreise in der deutsch-sprachigen Kirche zur Diskriminierung von Frauen auch die Weigerung der katholischen Kirche gehört, Frauen Zugang zu den Weihe-Ämtern zu ermöglichen.
Adressaten der Rede: Deutsche.
Näherhin: Sicher katholische Deutsche, die da die Diskriminierung bekämpfen sollen.
Kontext: Nicht die katholische Kirche???? DAS finde ich auch eine interessante Aussage...

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