Wie viele bayerische Ortschaften werden in der Bibel erwähnt? (2)

Angestoßen durch die vor einem Jahr referierten Forschungen zur Erwähnung bayerischer Ortschaften in der Bibel wurde das  Institut für bayerisch-biblische Textforschung gegründet, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Studien auf dem genannten Gebiet voranzutreiben. Dabei zeigte sich, dass dem bereits damals erwähnten  Codex Aloisii Bavarensis rescriptus eine herausragende Bedeutung zukommt: Er bietet, verglichen mit dem Hauptstrom der Textüberlieferung, zahlreiche Sonderlesarten, die aber in vielen Fällen Anspruch auf Ursprünglichkeit erheben können. 

Allerdings ist es auch diesem Codex nicht gelungen, alle preußischen Einträge in der Texttradition rückgängig zu machen. So wird in Ps 137,2 eine bayerische Stadt ausgerechnet nach Babylon verlegt:
»Wir hängten unsre Harfen an die Weiden in jenem Land.«
Diese Verbindung ist umso erstaunlicher, als Berlin angesichts des Buchstabenbestandes eindeutig besser als Chiffre für Babylon fungieren könnte. Nicht jedes Rätsel der Textüberlieferung lässt sich auflösen. 

Als Kleinod geschätzt und doch in der Existenz gefährdet erweist sich eine Gemeinde mit der Postleitzahl 94164: 
»An jenem Tag wird ihnen der Herr ihren Schmuck wegnehmen, die Fußspangen, die kleinen Sonnen und Monde.« (Jes 3,18)
Mehrere Ortschaften können sich in einem anderen Fall streiten, an welcher Stelle auf sie angespielt wird. Besonders begehrt könnte Offb 20,12 sein:
»Ich sah die Toten vor dem Thron stehen, die Großen und die Kleinen. Und Bücher wurden aufgeschlagen; auch das Buch des Lebens wurde aufgeschlagen.«
Halten wir uns an die Lutherübersetzung und sind mit einem für die Bedeutung völlig unerheblichen Schluss-E großzügig, ist Ps 23,2 ein weiterer Treffer:
»Er weidet mich auf einer grünen Au.« 
Dasselbe Verfahren legt zwei weitere Orte im biblischen Text frei, allerdings mit unerfreulich negativer Konnotation:
»Als Mose das hörte, fiel er auf sein Angesicht und sprach zu Korach und seiner ganzen Rott ...«
»Josua zerriss seine Kleider und warf sich zusammen mit den Ältesten vor der Lade des Herrn mit dem Gesicht zu Boden und blieb dort bis zum Abend liegen. Sie streuten sich Aschauf das Haupt."
Während in diesen Fällen ernsthaft darüber nachgedacht werden kann, dass sie erst nachträglich in die Textüberlieferung eingeschleust wurden (s.o.), haben kleinere Verschreibungen im Hauptstrom der Textüberlieferung manche Ortschaft verschwinden lassen. Darunter sind durchaus prominent gewordene wie diejenige, die aus Mk 7,4 getilgt wurde:
»Die Pharisäer essen nämlich wie alle Juden nur, wenn sie vorher mit einer Hand voll Wasser die Hände gewaschen haben, wie es die Überlieferung der Alten vorschreibt. Auch wenn sie von Marktl kommen, essen sie nicht, ohne sich vorher zu waschen.«
In mehreren Fällen besteht die Verschreibung nur in der falschen Platzierung von Leerzeichen. Dass uns die Josefsgeschichte eigentlich in den Bayerischen Wald führt, ist ein eher unbekannter Umstand. Aber wir lesen tatsächlich in Gen 46,5:
»Da machte sich Jakob auf von Beerscheba. Und die Söhne Israels hoben Jakob, ihren Vater, mit ihren Kindern und Frauenauf die Wagen, die der Pharao gesandt hatte, um ihn zu holen.« 
Manchmal sind Städte nur deshalb nicht erkennbar, weil sie mit einem anderen Ausdruck übersetzt wurden. Wenn die Einheitsübersetzung Dtn 4,9b wiedergibt mit »achte gut auf dich«, so ist dem folgende Übersetzung entgegenzuhalten:
»Jedoch, nimm dich in Acht, Passauf dich auf! Vergiss nicht die Ereignisse, die du mit eigenen Augen gesehen, und die Worte, die du gehört hast.« (Dtn 4,9) 
Schließlich sind durch die Übertragung des Bibeltextes vom Bayerischen ins Hochdeutsche manche Verweise verloren gegangen:
»Wenn sie dann sahen, dass viel Geld im Kastl war, kam der Schreiber des Königs mit dem Hohenpriester." (2Kön 12,11) 
»In der folgenden Nacht aber trat der Herr zu Paulus und sagte: Hab Mut! Denn so wie du in Jerusalem Maisach bezeugt hast, sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen.« (Apg 23,11) 
Das Sühneritual in Dtn 21 ist offensichtlich an den Inn gebunden. Dies wird deutlich, wenn man 21,4 dem ursprünglich bayerischen Idiom angenähert wiedergibt:
»Und dann sollen Simbachbett der Kuh das Genick brechen"  (Dtn 21,4).« 
Und auch die neuesten Forschungen haben die Bedeutung bayerisch-biblischer Ortschaften dadurch aufweisen können, dass sie auch in englischsprachigen Übersetzungen belegt sind:
»You did not gave me a kiss, but this woman, from the time I entered, has not stopped Kissing my feet.« (Lk 7,45, NIV) 
»And these Aresingers, chief of the fathers of the Levites, who remaining in the chambers were free; for they were employed in that work day and night.« (1Chr 9,33, KJV)
Sollte das Institut für bayerisch-biblische Textforschung  weitere Forschungsergebnisse liefern können, werden sie hier ganz im Stile des zukunftsträchtigen Open Access publiziert.

Kommentare

Ameleo hat gesagt…
Als Norddeutsche frage ich mich inzwischen, welche theologische Bedeutung sich hinter dieser Häufung von Erwähnungen bayerischer Ortschaften verbirgt. Ist es vielleicht ähnlich wie mit den (von mir in der Vergangenheit fälschlicherweise als "evangelikal" abqualifizierten) bereits unverkennbaren Hinweisen auf die Person Jesus Christus bereits im ersten Testament? Wird also in all diesen hier erwähnten biblischen Texten möglicherweise bereits angedeutet, dass ca. 2000 Jahre n. Chr. ein Bayer die Position des mit "Fels" bezeichneten Jüngers einnehmen wird?

Oder liege ich mit dieser Deutung völlig daneben? Über entsprechende Hinweise, wie das Phänomen "bayerische Ortschaften" jenseits des rein Faktischen in der aktuellen Theologie diskutiert wird, wäre ich sehr erfreut ;-)!
Gerd Häfner hat gesagt…
Es ist verständlich, dass man oberhalb des Weißwurstäquators die Häufung bayerischer Ortsnamen in der Bibel mit einem gewissen UnbeHagen (http://www.hagen.de/web/index.html) wahrnimmt. Aber vielleicht lässt sich ja irgendwo eine altfriesische Handschrift auftreiben, die einen ähnlichen Befund für Ortschaften in Küstennähe bietet. Was Ihre Vermutung zum Verheißungscharakter im Blick auf das derzeitige Pontifikat betrifft, so könnte man zwar auf das oben erwähnte Marktl verweisen. Ich muss aber gestehen, dass ich bei spezifisch petrinischen Traditionen eher in Österreich fündig geworden bin. »Du bist Petrus, der Fels (http://www.fels-wagram.at/), und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen« (Mt 16,18). Das ist für Bayern kein leicht zu ertragender Befund, für mich aber kein Problem, da ich ja kein echter Bayer bin, sondern einer mit Migrationshintergrund (aus Baden-Württemberg).
Roland Breitenbach hat gesagt…
Sir 22:13 Mit einem Unvernünftigen mach nicht viele Worte, und geh nicht mit
einem Schwein furt

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