Sonntagsevangelium (61)

2. Sonntag im Jahreskreis (C): Joh 2,1-11

Die Wundergeschichten des Johannes-Evangeliums sind als Zeichen gestaltet, die auf den Wundertäter Jesus verweisen. Hinter der erzählten Handlung liegt ein symbolischer Sinn, und nur wer ihn entdeckt, hat das Zeichen verstanden. Wer bei der vordergründigen Handlung stehen bleibt, verpasst den zeichenhaften, und das heißt im Sinne des Evangelisten: den eigentlichen Sinn. Als Schlüsselsatz dieser Zeichen-Theologie kann die Aussage Jesu in Joh 6,26 gelten: .»Ihr sucht mich nicht, weil ihre Zeichen gesehen habt [die Brotvermehrung als Verweis auf Jesus als »Brot des Lebens«], sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid [die vordergründige Handlung].«

In der Erzählung vom Weinwunder in Kana wird vordergründig eine Hochzeitsgesellschaft aus einer peinlichen Situation befreit. Doch es geht um mehr: Zur Vorstellung von der Heilszeit gehörte im Frühjudentum die Erwartung, dass die Lebensgüter in Fülle geschenkt sind; und dazu zählte auch der Wein (vgl. z.B. Jes 25,6; Jer 31,5; Joel 4,18). In Jesus bricht diese messianische Zeit an - das sagt das Weinwunder, wenn man es als Zeichen versteht. Möglicherweise hat die Erzählung auch einen Bezug zum Kult des griechischen Gottes Dionysos, dem nicht nur grundsätzlich die Gabe des Weines, sondern auch die Fähigkeit zugeschrieben wurde, Wein auf wunderbare Weise zu spenden. Dann zeigt die Geschichte Jesus als denjenigen, der Dionysos überbietet und die Hoffnungen erfüllt, die sich mit dem Dionysos-Kult verbinden - im Blick auf das Leben im Diesseits und im Jenseits. Eine Kenntnis des Dionysos-Kults ist in Palästina durchaus wahrscheinlich, auch wenn keine direkten Zeugnisse über eine Konkurrenz zwischen Jesus und Dionysos vorliegen (vgl. dazu Michael Theobald, Das Evangelium nach Johannes, Band I: Kapitel 1-12, Regensburg 2009, 203-208). 

Das Gespräch zwischen Jesus und seiner Mutter (2,3f) ist nicht leicht zu deuten. Mit der Formel 
»Was ist zwischen dir und mir« nimmt Jesus eine schroffe Abgrenzung vor. In Exorzismus-Geschichten wird mit dieser Formel der Bereich der Dämonen von demjenigen des Wundertäters abgesetzt. Man kann diese Zurückweisung von einem Grundzug der Zeichentheologie des Johannes-Evangeliums her verstehen: Die Zeichen gehen (anders als in den Wundergeschichten der synoptischen Evangelien) nicht auf die Bitte von Menschen ein; Jesus gewährt sie vielmehr aus eigener Initiative. Dies bekräftigt dann das Wort Marias: »Was er euch sagt, das tut« (2,5). 

Die Reaktion Jesu stellt die Leser vor ein Rätsel. Einerseits verweist Jesus darauf, dass seine Stunde noch nicht gekommen sei. Man erwartet deshalb, dass er in der vorgestellten Situation nicht eingreift. Andererseits handelt er dann aber doch. Das Rätsel löst sich nicht im Rahmen der Weinwunder-Erzählung, sondern erst im Verlauf der Lektüre des ganzen Evangeliums. Dabei zeigt sich, dass sich der Begriff der Stunde auf den Tod Jesu bezieht. Das Wort Jesu in 2,4 setzt am Beginn des Wirkens Jesu ein Signal, das sich vom Ende her als passionstheologisches Signal zu erkennen gibt. 

Ein solch hintergründiger Sinn dürfte auch die Zeitangabe am Anfang der Erzählung bestimmen. Die Rede vom dritten Tag bezieht sich im Erzählablauf auf das erstmalige Auftreten Jesu beim Täufer in 1,29, nach dem zweimal »der folgende Tag« erwähnt ist (1,35.43). Zugleich klingt in der Formulierung »am dritten Tag« die Ostertradition an. Das Bekenntnis zur Auferweckung Jesu am dritten Tag greift wahrscheinlich alttestamentliche Motive vom rettenden Eingreifen Gottes am dritten Tag auf (Hos 6,1f; Jon 2,1), die auch im Zusammenhang mit dem Erscheinen Gottes stehen können. Da dies in Ex 19,10f; 24,16 mit dem Erscheinen der Herrlichkeit JHWHs verbunden ist, ergibt sich auch ein Bogen zum Abschluss der Erzählung vom Weinwunder in Kana. Denn dort wird das Geschehen zusammenfassend dahingehend kommentiert, dass Jesus seine Herrlichkeit geoffenbart habe (2,11). 

Innertextlich ist eine Verbindung dieses Abschlusses zum Prolog des Johannes-Evangeliums zu erkennen: »Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen« (1,14). Im Weinwunder von Kana wird dies erstmals erzählerisch eingelöst, auch im Blick auf den Glauben als angemessene Reaktion auf die Herrlichkeitsoffenbarung (2,11; s.a. 1,12). 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Danke auch für diesen Kommentar Herr Prof. Häfner,

denn er macht erneut deutlich, dass wir endlich aufhören müssen, uns bei Jesus einen jungen Juden vorzustellen, der mit seiner Mutter bei einer Hochzeit eingeladen war und dort Dionysos überbot. Weder wurde ein zweibeiniger Reformprediger, Charismatiker... von dem mit Johannes unterzeichnenden Bildungsbürger der Antike über die heidnischen Göttergestalten gestellt, noch können dem alttestamentliche Hoffnungen angedichtet worden sein, um ihn als eine Art chr. Gott zu verherrlichen oder die Herrlichkeit eines heilspredigenden Handwerkersohnes, wie er heute als historisch gilt, in Wundern zu belegen.

Bei Licht betrachtet, wird allerdings klar, warum der Logos, (die Vernunft allen Werdens: das von Schöpfung ausgehende Wort) von dem Johannes schreibt, entsprechend der allzu menschlichen Gottesmittler der Heiden (incl. der röm. Kaiser) oder auch der messianischen Hoffnungen der Juden, eine menschliche Gestalt brauchte, um in menschlicher Kultur Wirklichkeit zu entfalten.

Sie vermögen es sicher viel besser als ich, die theologischen Inhalte der Johanneserzählung zu deuten. Doch dass es dem Logosevangelisten um einen symbolischen Sinn geht, die Geschichte nicht wörtlich zu lesen ist, das sagen sie selbst. Und dass Johannes nicht von einem jungen Juden schreibt, sondern der Vernunft, die z.B. Platon in Sokrates ausdiskutieren ließ, macht mir ich gerade das Buch eines evang. Dekans "Platon und Christus" mehr als deutlich.

Warum nehmen Sie nicht ernst, was Sie im Hinblick auf Johannes über die vordergründige Sicht, die den Sinn (ich sage Verstand) verbaut sagen?

Wann endlich hören sie auf, ihre Leser oder Studenten im Glauben zu lassen, dass ein egal wie gearteter Wanderprediger (wie er heute als hist. Wesen Jesus gilt) das lebendige Wort war? Wann lassen sie dieses wieder das lebendige Wort wieder dort hören und verstehen, wo es die Antike verstand: In vernünftiger wissenschaftlicher Welterkärung? Wo der Papst vor dem Bundestag in Bezug auf jüd. Weisheit wie Stoa eine höhere Vernunft zu bedenken gab, die er sonst als Wesen des chr. Glaubens bezeichnet, das Weiterdenken gr. Phil.lehren war und mit Verstand einsehbar wäre?

Ja, Jesus, das fleischgewordene Wort hat gelebt und Wunder gewirkt. Doch das Wort, die Vernunft allen Werdens, die in jüd. Weisheit den Ton angab oder dem Monotheismus der Propheten zugrunde lag, kann allerdings nicht das gewesen sein, was heute als hist. Jesus gilt.

Zum Teufel nochmal:
Was hindert, die allgemeine Hypothese von einem Heilsprediger in Frage zu stellen und Jesus im neuen Licht zur Welt zu bringen?

Einstein soll gesagt haben "Die Naturwissenschaft ohne Religion ist lahm, die Religion ohne Wissenschaft ist blind".

Dies ist sicher vereinfacht. Doch n diesem Sinn hat er nicht nur deutlich gemacht, warum der historische Jesus (die als ewiges Wort verstanden und in Glaubensgestalt ausgedrücke, in anfänglicher Wissenschaft erklärte Vernunft) Wasser in Wein verwandelt, sondern auch von Blindheit und Taubheit geheilt hat.

Anonym hat gesagt…
Hört, hört!

ähem ...

Lest, lest!
Jordanus hat gesagt…
Herzlichen Dank für diese Auslegung, die Hypothese mit Dionysos war mir neu. Friedrich Nietzsche hätte seine Freude daran gehabt. Ich musste kurz an seine letzten Briefe denken, die Heinrich Detering in dem Buch "Der Antichrist und der Gekreuzigte" deutet. In seinen letzten Briefen unterschrieb Nietzsche abwechselnd als Dionysos, der Gekreuzigte und der Antichrist.

Ansonsten habe ich diese Geschichte auch als Gleichnis auf das alte Israel und das Reich des Christus gesehen. Der verwandelte Wein ist so gut, dass der Bräutigam sich Vorwürfe anhören muss, warum er den nicht gleich ausgeschenkt hat. Einen ähnlichen Vorwurf machen wir vielleicht Gott auch: Warum nicht gleich Jesus? Warum nicht das Beste zuerst? Der Gedanke ist noch nicht ganz ausgereift, aber ich denke weiter darüber nach.

@Gerhard Mentzel: Ich bewundere Ihre Ausdauer, wäre aber ernstlich böse mit Ihnen, wenn Professor Häfner wegen Ihrer ausufernden ständigen Beiträge das Bloggen einstellen sollte.

Gerhard Mentzel hat gesagt…
@Jordanus, auch beim Nachdenken über warum Jesus den heidnischen Dionysos überbot kann das bereits empfohlene Buch des evang. Dekans "Platon und Christus" helfen. Dort macht Dr. Richert nicht nur die Parallelen von Johannes, Paulus & Co. zu Platon sehr gut deutlich, sondern zeigt auch, wie für die Verfasser Jesus das Wasser oder Brot des Lebebens war, weit über heidnisch-hellenistischen Kult hinausging.

Doch hat das nichts mit Kannibalismus zu tun, der dann von den Gegnern dem chr. Glauben im Hinblick auf die Aufforderung zum Essen des Fleisches Jesus unterstellt wird. Denn bei Jesus geht es im Buch um das, was für Platon Vernunft bedeute und Johannes in einem theologischen Konzept in Auseinandersetzung mit hellenistischem und hebräischem Kult umsetzte.

Doch dies wird doch auch in den Deutungen von Prof. Häfner immer wieder deutlich. In diesem Sinne wäre auch ich sehr betrübt, wenn Prof. Häfner das bloggen einstellen würde.

Die kath. Wissenschaft ist mehr denn je gefragt. Allein wie Leonardo Boff (der übrigens dabei in einer Concilium zum Thema Ökologie unlängst von Göttin Gaja sprach)den kosmischen Christus Teilhards, das Haupt der Schöpfung gegen den historischen Jesus hochhalten zu wollen, um sich mit den modernen Naturwissenschaften zu versöhnen, ist zu wenig.

Der kosmische Christus, der im Weiterdenken der hellenistischen Philosophie die alten Götter ablöste, war ein Teil der historischen Wirklichkeit Jesus, die nur mit Hilfe der kath. Wissenschaft in heutiger Welterkärung aufgeklärt wiederzuverstehen ist.

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