Noch einmal: Der »Credo«-Faktencheck
Das Credo-Magazin zum Jahr des Glaubens wurde in der Süddeutschen Zeitung aufs Ganze nicht unfreundlich besprochen, dennoch macht sich kath.net an eine Kritik des Artikels. Dem Autor, Matthias Drobinski, wird vorgeworfen, dass er es »mit den Fakten nicht so genau nimmt und offensichtlich kaum recherchiert hat«. Da dabei auch der Faktencheck zu Jesus, den ich kürzlich hier besprochen habe, eine Rolle spielt, soll im Folgenden betrachtet werden, wie »kath.net … ein paar Behauptungen von Drobinksi genauer unter die Lupe genommen und die Fakten nachgeprüft« hat. Dabei arbeiten wir uns zu den Fragen um den Faktencheck vor.
Tatsächlich gelingt es, zwei sachliche Fehler oder Ungenauigkeiten nachzuweisen. Drobinski gibt eine falsche Seitenzahl des Hefts an (140 statt 84 Seiten) und nennt Peter Seewald einen »zum Katholizismus konvertierten Journalisten«, obwohl es in seinem Fall um Austritt und Wiedereintritt in die katholische Kirche geht. Dass Seewald als Konvertit abqualifiziert worden sei, ist allerdings eine Erfindung des kath.net-Beitrags.
Die hinter diesem Beitrag stehende Recherche-Arbeit führt freilich nicht zu einer klareren Faktenlage. Drobinskis Angabe, für das Magazin seien »mehrere Millionen Euro« an Spenden aufgetrieben worden, wird aufgrund einer Rückfrage bei den Herausgebern als falsch zurückgewiesen; die Gesamtkosten seien »deutlich geringer« gewesen. Preisfrage: Wieviel ist »deutlich geringer«, wenn die Bezugsgröße »mehrere Millionen Euro« sind?
In der Süddeutschen stand zu lesen, dass »viele der hohen Herren … nicht glücklich gewesen [seien] über ihren Mitbruder Gregor Maria Hanke«. Diese Darstellung wird nun durch knallharte Recherche »bei deutschen Bischöfen und Pressestellen von Bistümern« widerlegt. Die Nachfragen haben anscheinend zu dem Ergebnis geführt, dass gegen den Eichstätter Bischof und seine Rolle als Mitherausgeber des Magazins keinerlei Vorbehalte bestehen. Eine andere Auskunft wäre kaum überraschender als ein kritisches Wort zum motorisierten Individualverkehr vom Verband der Automobilindustrie. Der Vorwurf, Drobinski habe seine Einschätzung »ohne jeglichen Nachweis in den Raum« gestellt, wird im Glashaus sitzend geäußert. Die Ergebnisse der eigenen Recherche werden nämlich so präsentiert:
Tatsächlich gelingt es, zwei sachliche Fehler oder Ungenauigkeiten nachzuweisen. Drobinski gibt eine falsche Seitenzahl des Hefts an (140 statt 84 Seiten) und nennt Peter Seewald einen »zum Katholizismus konvertierten Journalisten«, obwohl es in seinem Fall um Austritt und Wiedereintritt in die katholische Kirche geht. Dass Seewald als Konvertit abqualifiziert worden sei, ist allerdings eine Erfindung des kath.net-Beitrags.
Die hinter diesem Beitrag stehende Recherche-Arbeit führt freilich nicht zu einer klareren Faktenlage. Drobinskis Angabe, für das Magazin seien »mehrere Millionen Euro« an Spenden aufgetrieben worden, wird aufgrund einer Rückfrage bei den Herausgebern als falsch zurückgewiesen; die Gesamtkosten seien »deutlich geringer« gewesen. Preisfrage: Wieviel ist »deutlich geringer«, wenn die Bezugsgröße »mehrere Millionen Euro« sind?
In der Süddeutschen stand zu lesen, dass »viele der hohen Herren … nicht glücklich gewesen [seien] über ihren Mitbruder Gregor Maria Hanke«. Diese Darstellung wird nun durch knallharte Recherche »bei deutschen Bischöfen und Pressestellen von Bistümern« widerlegt. Die Nachfragen haben anscheinend zu dem Ergebnis geführt, dass gegen den Eichstätter Bischof und seine Rolle als Mitherausgeber des Magazins keinerlei Vorbehalte bestehen. Eine andere Auskunft wäre kaum überraschender als ein kritisches Wort zum motorisierten Individualverkehr vom Verband der Automobilindustrie. Der Vorwurf, Drobinski habe seine Einschätzung »ohne jeglichen Nachweis in den Raum« gestellt, wird im Glashaus sitzend geäußert. Die Ergebnisse der eigenen Recherche werden nämlich so präsentiert:
»Bischof Hanke soll von mehreren seiner Kollegen beim Ständigen Rat der Bischöfe, worauf sich Drobinski bezieht, sogar explizit gelobt worden sein, sogar der liberale Kardinal Lehmann soll 'Credo' bei Gesprächen gewürdigt haben« (Hervorhebung von mir).
Anders gesagt: Lob und Würdigung werden »ohne jeglichen Nachweis in den Raum« gestellt.
Damit sind wir bei der Kritik angekommen, die am negativen Urteil über den Faktencheck zu Jesus im Credo-Magazin geübt wird. Drobinski hatte (mit Recht) geurteilt, dass mit diesem Check »jeder Proseminar-Student durchgefallen wäre«. Dies bringt ihm nun den Vorwurf ein, er nehme es »mit der Theologie nicht so genau«. Es handle sich im Prinzip um
Nun ist historische Jesusforschung wie jede wissenschaftliche Unternehmung nicht der Kritik enthoben. Man kann diskutieren über die angewandten Methoden, die zugrundegelegten Quellen, die erreichten Ergebnisse. Aber es empfiehlt sich nicht, so zu tun, als gäbe es das Problem des historischen Jesus gar nicht. Dieser Punkt wurde bereits in dem früheren Beitrag zum Faktencheck angesprochen, war aber, wie eine Leserreaktion gezeigt hat, wohl etwas knapp und missverständlich formuliert. Gemeint war Folgendes: Nicht selten begegnet in kirchenkritischen Kreisen das Urteil, man könne das christliche Bekenntnis dadurch widerlegen, dass man auf den Unterschied zwischen dem historischen Jesus und dem geglaubten Christus hinweist: Jesus habe sich gar nicht als Messias verkündet, habe keine Gottessohnwürde für sich beansprucht und keine Kirche und keine neue Religion neben dem Judentum gründen wollen – all dies entziehe dem Christentum die Grundlage. Bestreitet oder ignoriert man nun von kirchlicher Seite aus einfach, dass es diese Unterschiede in historischer Betrachtung gibt, bestärkt man jenes Urteil: Wenn die Gläubigen der Meinung sind, ihr Glaube gründe darauf, dass alles, was ihn inhaltlich ausmacht, schon bei Jesus von Nazaret vorhanden war, dann scheint sich, so der Eindruck, aus der Bestreitung dieses Sachverhalts ein Argument gegen den Glauben gewinnen zu lassen.
Eine bessere Strategie als die Leugnung des Problems des historischen Jesus ist es, die Grenzen der historischen Rückfrage zu benennen. Zunächst: Der »historische Jesus« ist nicht der »wirkliche Jesus«, sondern das Bild Jesu, wie es sich durch die Anwendung historischer Methoden ergibt. Es ist unmöglich, Person und Wirken Jesu als genaues Abbild vergangener Wirklichkeit zu rekonstruieren. Das erreichbare Bild bleibt notwendig fragmentarisch und im Reich der Wahrscheinlichkeit; es ist grundsätzlich jederzeit korrigierbar und eignet sich damit nicht als Gegenstand und Maßstab des Glaubens.
Damit sind wir bei der Kritik angekommen, die am negativen Urteil über den Faktencheck zu Jesus im Credo-Magazin geübt wird. Drobinski hatte (mit Recht) geurteilt, dass mit diesem Check »jeder Proseminar-Student durchgefallen wäre«. Dies bringt ihm nun den Vorwurf ein, er nehme es »mit der Theologie nicht so genau«. Es handle sich im Prinzip um
»sehr banale Fakten, die entweder von Historikern bestätigt oder von der Kirche seit Jahrhunderten gelehrt werden«.Das ist eine bemerkenswerte Formulierung. Die historische Jesusforschung nahm ihren Ausgangspunkt am Zweifel daran, dass das von der Kirche seit Jahrhunderten Gelehrte historisch bestätigt werden könne. Wer so tut, als lägen beide Aussagen auf derselben Ebene, so dass es für einen Faktencheck gleichgültig wäre, ob etwas von Historikern bestätigt oder von der Kirche gelehrt werde, ignoriert die Grundfrage historischer Jesusforschung. Der Einblick in den Charakter der Evangelien als Verkündigungsschriften; das Achten auf die Unterschiede zwischen den Evangelien, die in vielem auf der historischen Ebene nicht harmonisiert werden können und sogar zwei völlig unterschiedliche Präsentationen des Inhalts der Verkündigung Jesu einschließen (einerseits Markus-, Matthäus-, Lukasevangelium, andererseits Johannes-Evangelium); die Einsicht, dass auch die Dogmen der Kirche eine Entwicklung durchlaufen haben – all dies hat dazu geführt, dass man nicht einfach historische Erkenntnisse und Lehre der Kirche nebeneinanderstellen kann. Dies wirkte heute ähnlich wie der Hinweis, die zahlreichen Segnungen des motorisierten Individualverkehrs seien entweder durch unabhängige Gutachten oder die Infobroschüre des Verbandes der Automobilindustrie belegt.
Nun ist historische Jesusforschung wie jede wissenschaftliche Unternehmung nicht der Kritik enthoben. Man kann diskutieren über die angewandten Methoden, die zugrundegelegten Quellen, die erreichten Ergebnisse. Aber es empfiehlt sich nicht, so zu tun, als gäbe es das Problem des historischen Jesus gar nicht. Dieser Punkt wurde bereits in dem früheren Beitrag zum Faktencheck angesprochen, war aber, wie eine Leserreaktion gezeigt hat, wohl etwas knapp und missverständlich formuliert. Gemeint war Folgendes: Nicht selten begegnet in kirchenkritischen Kreisen das Urteil, man könne das christliche Bekenntnis dadurch widerlegen, dass man auf den Unterschied zwischen dem historischen Jesus und dem geglaubten Christus hinweist: Jesus habe sich gar nicht als Messias verkündet, habe keine Gottessohnwürde für sich beansprucht und keine Kirche und keine neue Religion neben dem Judentum gründen wollen – all dies entziehe dem Christentum die Grundlage. Bestreitet oder ignoriert man nun von kirchlicher Seite aus einfach, dass es diese Unterschiede in historischer Betrachtung gibt, bestärkt man jenes Urteil: Wenn die Gläubigen der Meinung sind, ihr Glaube gründe darauf, dass alles, was ihn inhaltlich ausmacht, schon bei Jesus von Nazaret vorhanden war, dann scheint sich, so der Eindruck, aus der Bestreitung dieses Sachverhalts ein Argument gegen den Glauben gewinnen zu lassen.
Eine bessere Strategie als die Leugnung des Problems des historischen Jesus ist es, die Grenzen der historischen Rückfrage zu benennen. Zunächst: Der »historische Jesus« ist nicht der »wirkliche Jesus«, sondern das Bild Jesu, wie es sich durch die Anwendung historischer Methoden ergibt. Es ist unmöglich, Person und Wirken Jesu als genaues Abbild vergangener Wirklichkeit zu rekonstruieren. Das erreichbare Bild bleibt notwendig fragmentarisch und im Reich der Wahrscheinlichkeit; es ist grundsätzlich jederzeit korrigierbar und eignet sich damit nicht als Gegenstand und Maßstab des Glaubens.
Ein Beispiel: Auch wenn die historische Analyse ergäbe, dass Jesus selbst seinem Tod keine Heilsbedeutung zugeschrieben hat (ein umstrittener Punkt), wäre damit nicht das Bekenntnis hinfällig, das sich nachösterlich von der Überzeugung der Auferweckung her ergeben hat. Es bestünde ein Unterschied in der Deutung jenes Todes zwischen der historisch rekonstruierten Sicht Jesu und dem, was die ersten Christen im Licht von Ostern erkennen; es handelte sich aber nicht um einen Widerspruch, der das Recht der nachösterlichen Deutung bestreiten könnte. Mit historischen Mitteln ist ein solcher Widerspruch nicht begründbar.
Man kann auch über diese hier dargelegte Position streiten und ein Urteil zu begründen versuchen, nach dem es keine Differenz zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Christus des Glaubens gebe (die Jesus-Bücher Papst Benedikts haben das bekanntlich getan). Aber einen »Faktencheck« so anzulegen oder zu verteidigen, als gäbe es hier kein Problem, ist ein Schuss, der nach hinten losgeht.
Man kann auch über diese hier dargelegte Position streiten und ein Urteil zu begründen versuchen, nach dem es keine Differenz zwischen dem Jesus der Geschichte und dem Christus des Glaubens gebe (die Jesus-Bücher Papst Benedikts haben das bekanntlich getan). Aber einen »Faktencheck« so anzulegen oder zu verteidigen, als gäbe es hier kein Problem, ist ein Schuss, der nach hinten losgeht.
Kommentare
Danke für die ausführliche Antwort. Ja, ich habe Ihren Kommentar im ursprünglichen Artikel wohl erst falsch verstanden. Ihre Ausführungen bestätigen, was ich mir danach überlegt habe.
Liebe Grüße,
Stefan Kraft