Sonntagsevangelium (125)

Hochfest der Auferstehung des Herrn (A) – Osternacht: Mt 28,1-10

Die Geschichte von der Auferweckungsbotschaft im leeren Grab folgt in ihrer Grundstruktur der markinischen Vorlage (Mk 16,1-8), Matthäus hat sie aber mit eigenen, zum Teil kräftigen Akzenten versehen. Im Verständnis umstritten ist die zweifache Zeitangabe zu Beginn. Manche Ausleger sehen einen Bezug auf den Samstag Abend und nicht auf den Morgen des Sonntags. Das Problem entsteht dadurch, dass die Formulierung »nach dem Sabbat« gemäß der jüdischen Tagesstruktur tatsächlich auf den Abend bezogen werden kann. Die zweite Zeitbestimmung könnte zwar im selben Sinn mit dem Anbruch des ersten Tages der Woche den Abend bezeichnen; da aber in dem verwendeten Verb das Moment des »Aufleuchtens« enthalten ist (ἐπιφώσκειν), bleibt Matthäus hier wohl in den Spuren seiner Vorlage und denkt an den Morgen des ersten Tags der Woche.

Dies passt auch besser zur Aktion, die er mit dem Gang zum Grab verbindet: Die Frauen (bei Matthäus nur zwei, wie schon bei der Grablegung: 27,61) kommen, um das Grab zu sehen. In diesem Punkt weicht Matthäus von Markus ab. Dies hat seinen Grund nicht nur darin, dass die Absicht einer Salbung nach dem Begräbnis (so Mk 16,1) höchst ungewöhnlich ist. Stärker zu gewichten ist die innere Verbindung mit einer matthäischen Besonderheit der Passionsgeschichte: Das Grab wird versiegelt und von römischen Soldaten bewacht (s. 27,62-66), so dass ein Gang ins Grab von vornherein nicht in Betracht kommt.


Deshalb kann Matthäus auch nicht die Frauen einfach am bereits geöffneten Grab ankommen lassen (so Mk 16,4). Er schildert eigens, wie es zur Öffnung des Grabes kommt (28,2-4). Das Erdbeben hat nichts zu tun mit dem Vorgang der Auferstehung Jesu, der im Neuen Testament an keiner Stelle geschildert wird. Es dient auch nicht der Öffnung des Grabes (der Engel wälzt den Stein weg), sondern weist in typisch biblischer Erzählweise auf das Erscheinen einer himmlischen Gestalt hin. Wenn die Wächter durch das Erdbeben wie Tote werden (28,4), wird zum einen ihre spätere Lüge unterstrichen, die Jünger hätten den Leichnam Jesu gestohlen (28,13-15). Zum andern sind sie als Adressaten der Botschaft von der Auferweckung Jesu ausgeschlossen: Allein die Frauen hören das Wort des Engels.

In der Formulierung dieses Wortes hat Matthäus einige kleinere Änderungen vorgenommen und z.B. die unmittelbare Aufeinanderfolge der Rede vom Gekreuzigten und Auferweckten aus Mk 16,6 aufgelöst. Dass deshalb nun zuerst auf das leere Grab und dann auf die Auferweckung verwiesen wird, soll aber nicht das leere Grab zum Beweis der Auferweckung machen. Matthäus weiß, dass ein solcher Beweis nicht möglich ist (s. 28,11-15). Außerdem formuliert er nicht so, dass die Auferweckung aus dem Leersein des Grabes abgeleitet wird. Es heißt nicht: »Er wurde auferweckt, er ist nämlich nicht hier«, sondern umgekehrt: »Er ist nicht hier, er wurde nämlich auferweckt.« (28,6).

Zwei kleinere Eingriffe dürften mit dem geänderten Abschluss der Erzählung in Verbindung stehen. (1) Dass Petrus nicht mehr eigens unter den Jüngern erwähnt ist (so Mk 16,7), passt sich jedenfalls gut in die Rede des erscheinenden Jesus von den Jüngern als »meinen Brüdern« ein (28,10). Die Jünger sollen in der Zuordnung zu Jesus als eine homogene Gruppe wahrgenommen werden (wie auch in 28,16-20). Diese Darstellungsabsicht ist wahrscheinlich in der Tatsache begründet, dass die Jünger transparent für die Adressaten des Evangeliums, die Glaubenden sind. (2) Der Engel erinnert im Zusammenhang mit dem Auftrag, nach Galiläa zu gehen, nicht an die Worte Jesu beim Gang zum Ölberg (»wie er zu euch gesprochen hat«, s. Mk 16,7), sondern schließt damit seine eigene Rede ab (»siehe, ich sprach zu euch«). Da der Auferstandene anschließend selbst zum Gang nach Galiläa auffordert (28,10), folgt aus der Änderung, dass Jesus als Erscheinender den Auftrag des Engels bestätigt, und nicht seine eigenen früheren Worte. Matthäus redigiert auch in Kleinigkeiten seinen Text überlegt.

Der auffälligste Unterschied begegnet am Ende der Grabeserzählung. Markus hatte sein ganzes Werk mit der Bemerkung abgeschlossen, dass die Frauen niemandem etwas sagten, weil sie sich fürchteten; eine Erscheinung erzählt er nicht (s. zur Deutung hier). Dieser Darstellung ist Matthäus (wie auch Lukas) nicht gefolgt. Das Motiv der Furcht hat er zwar übernommen – es gehört als fester Erzählzug zur Begegnung des Menschen mit der himmlischen Welt –, ihm aber die Freude an die Seite gestellt (28,8). Außerdem steht nicht nur am Ende seines Evangeliums die Erscheinung des Auferstandenen vor den elf Jüngern (28,16-20), sondern auch zum Abschluss der Grabeserzählung eine Erscheinung Jesu vor den beiden Frauen. Darin wird zum einen, wie bemerkt, Auftrag und Verheißung des Engels bestätigt, zum andern ein eigener Akzent durch die Bezeichnung der Jünger als »meine Brüder« eingebracht – in dieser Bedingungslosigkeit einmalig im Matthäus-Evangelium (anders 12,49f; 25,40). Trotz ihres Versagens bei der Verhaftung Jesu bleiben die Jünger in der Gemeinschaft mit Jesus. Im letzten Satz des Evangeliums wird dieses Thema aufgegriffen, wenn der Auferstandene den Jüngern verheißt: »Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt« (28,20).

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Wie kann ein theologischer Wissenschaftler die Welt im Glauben lassen, dass es den unbekannten hellenistischen Verfassern der Weisheit/des Wortes (hebr. Vernunft allen Werdens) in Person (geschichtlicher Rolle, Aufgabe), die sich aufgrund ihrer phil. Definition von Monotheismus für den bildlosen jüdischen Kult begeisterten (ob Gottesfürchtige oder Reformjuden), hier die Story von Anhängern eines hingerichteten Heilspredigers beschreiben?

Gehts noch?
Michael Wagner hat gesagt…
Galiläa oder nicht?

Lieber Herr Häfner,

sind die Jünger nach Ostern nach Galiäa zurück gegangen oder nicht? Mt und Mk deuten dies an, gleichfalls der Nachtrag zu Joh. Bei Lk hingegen geht die Geschichte fließend Richtung Apg, also Richtung Urgemeinde von Jerusalem.

Wenn aber die Jünger erst mal nach Galiläa zurück sind, was ja nach der Katastrophe des Karfreitag nahe liegt, was hat sie dann zur Rückkehr nach Jerusalem bewogen?
Gerd Häfner hat gesagt…
Lieber Herr Wagner,

auf der historischen Ebene lassen sich die unterschiedlichen Darstellungen nicht ausgleichen. In Lukas-Evangelium und Apostelgeschichte ist kein Platz für eine Erscheinung in Galiläa. Das ganze nachösterliche Geschehen spielt sich in Jerusalem ab. Dies wird gewöhnlich der Tendenz des Lukas zugeschrieben, der mit der Konzentration auf Jerusalem die Geschichte Jesu und der Urkirche an die heilige Stadt Israels bindet - ein Moment seines heilsgeschichtlichen Konzepts, das verschiedene Momente der Kontinuität aufweist.

Historisch wird eher der Lokalisierung der Erscheinungen in Galiläa der Vorzug gegeben. Die Rückkehr nach Jerusalem kann ebenfalls in der religiösen Bedeutung der Stadt begründet sein, am Ziel des Weges anknüpfen und mit endzeitlichen Erwartungen zusammenhängen.

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