Wie man für Diskussion sorgt
Ein neues Fundstück auf kath.net, das interessant ist im Blick auf die Methode der Nachrichtenproduktion. Es heißt dort:
»Eine Pfingst-Novene des bekannten kirchlichen Hilfswerks Renovabis mit schweren theologischen Fehlern sorgt für Diskussion.«
Nun kann es tatsächlich sein, dass die Redaktion mit ihrer Formulierung »sorgt für Diskussion« sich auf die Seite gloria.tv bezieht, wo ohne Angabe der Uhrzeit die inkriminierte Passage zitiert ist. Die Diskussion auf dieser Seite ging allerdings erst um 12:36 Uhr los, und damit kurz nach der Veröffentlichung auf kath.net (12:30 Uhr). Ob sich irgendwo sonst eine Diskussion nachweisen lässt, weiß ich nicht; die Redaktion belegt ihre Aussage nicht näher. Das wird kein Zufall sein, denn die Funktion der Nachricht ist nicht, auf eine bestehende Diskussion hinzuweisen, sondern sie allererst zu provozieren.
Zwei Vorwürfe werden gegen die Novene geäußert.
»Gott, Vater und Mutter«
Zum einen die Anrede Gottes als Mutter im Gebet des 8. Tages der Novene.
»'Gott, Vater und Mutter, in Deiner Liebeskraft verbunden, rufen wir, sei Gott nicht nur im Himmel, sei Gott auch auf der Erde'. Mit 'Gott, Vater und Mutter' wird ... ein Sprachterminus einer extremen theologisch-feministischen Ideologie verwendet.«
Man hätte auch sagen können: Mit »Gott, Vater und Mutter« wird eine Aussage Papst Johannes Paulus I. aufgenommen (Sonntagsansprache am Petersplatz, 10. September 1978). Oder man hätte sagen können: Das Alte Testament kennt Passagen, deren Gottesbild mütterliche Züge trägt (z.B. Jes 49,15; 66,13). Alfons Deissler klärte zu Aussagen über Jahwe als Vater:
»Die Väterlichkeit Jahwes ist nicht als einseitig-männliche zu deuten. Das wird schon dadurch verhindert, daß im Hebräischen 'sich erbarmen', 'Barmherzigkeit' und 'barmherzig' etymologisch an den Mutterschoß und damit an die Mütterlichkeit erinnern« (Die Grundbotschaft des Alten Testaments, 8. Aufl., Freiburg 1981, 107).
Es handelt sich um Metaphern, die die Zuwendung und Fürsorge Gottes ausdrücken sollen. Wenn der biblische Gott ein übergeschlechtlicher Gott ist, dann können nicht ausschließlich männlich geprägte Metaphern angemessen sein.
»Öffne mich für Dein Wehen im stummen Dasein Buddhas«
Zum Zweiten gibt der kath.net-Beitrag in kritischer Absicht (aber ohne weiteren Kommentar) einen Abschnitt aus einem Gebet am 4. Tag wieder, in dem es heißt:
»Du bist wie der Wind Heiliger Geist [...] Öffne mich für Dein Wehen im stummen Dasein Buddhas, im bewegten Tanz der Derwische, im ehrfürchtigen Kniefall der Muslime, im frommen Gebet der Juden«.
Dass es theologisch falsch sein soll, das Wehen des Gottesgeistes in anderen Religionen wahrzunehmen, ist nicht zu erkennen. In der Konzilskonstitution Lumen gentium heißt es: »Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, sind auf das Gottesvolk auf verschiedene Weise hingeordnet«. Es folgen, abgestuft nach der Nähe zum christlichen Bekenntnis, Aussagen zu Juden, Muslimen, Anhängern sonstiger Religionen (»die in Schatten und Bildern den unbekannten Gott suchen«) und Ungläubigen (»die ohne Schuld noch nicht zur ausdrücklichen Anerkennung Gottes gekommen sind«).
»Was sich an Gutem und Wahrem bei ihnen findet, wird von der Kirche ... als Gabe dessen geschätzt, der jeden Menschen erleuchtet, damit er schließlich das Leben habe.« (16)
Und in der Erklärung Nostra aetate ist über Hinduismus und Buddhismus zu lesen:
»Die katholische Kirche lehnt nichts von alledem ab, was in diesen Religionen wahr und heilig ist. Mit aufrichtigem Ernst betrachtet sie jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet.« (2)
Allerdings gebe ich zu, dass mir das Gebet »Öffne mich für Dein Wehen im stummen Dasein Buddhas usw.« nicht so ohne Weiteres über die Lippen ginge. Warum soll ich mich für das Wehen des Gottesgeistes in den genannten Vollzügen öffnen, wenn ich an Christus als den glaube, »in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat« (Nostra aetate 2)? Es scheint in dem zitierten Abschnitt in erster Linie um einen impliziten Aufruf zu religiöser Toleranz zu gehen. So wenig gegen einen solchen Aufruf zu sagen ist, so wenig scheint es mir glücklich, ihn als Gebet zu tarnen.
Der Hang zur Verurteilung
Stößt sich die Redaktion von kath.net auch an diesem Punkt? Man erfährt es nicht. Wichtig scheint allein zu sein, dass sich die Leser wieder empören können. Wäre es auch möglich, dass innerkirchliche Debatten anders laufen - ohne den Hang zur Verurteilung? Häresie-Riecher ziehen durchs Internet nach Art des Trüffelschweins, um Nicht-Katholisches aufzuspüren und es dem Publikum auf die Speisekarte zu setzen. Über feine Gaumen, die erkennen würden, dass da nicht die versprochenen Stücke serviert werden, verfügen dabei offensichtlich nicht allzu viele.
Dass Bischöfe bevorzugte Ziele sind, haben wir bereits gelernt (s. hier). In der Zwischenzeit ist vor allem Erzbischof Zollitsch ins Visier geraten (z.B. hier) - ein Platz, den er sich mit Kardinal Lehmann teilt (z.B. hier). Selbst unverdächtige Meldungen können kirchenpolitisch ausgeschlachtet werden (wenn sie denn nicht mit diesem Ziel gemeldet wurden). Zu Kardinal Lehmann teilt die Redaktion in einer kurzen Nachricht mit, dass er sich einer Operation unterzogen und an beiden Knien einen künstlichen Gelenkersatz erhalten habe. Vier Kommentare mit Genesungswünschen wurden bislang abgegeben, wenigstens einer davon vergiftet: »Vielleicht ist mit dem neuen Kniegelenk auch wieder einmal ein Besuch der alten Messe mit ihren vielen Kniebeugen möglich.« (Bonifaz2010)
Die Überzeugung, ein Maximum an Wahrheit zu besitzen, erfordert ein Minimum an Anstand offensichtlich nicht.
Kommentare
Bezeichnend fand ich auch den Text über das Verbot von Ministrantinnen im außerordentlichen Ritus (siehe Link). Hier wird sehr deutlich, was das Zugehen auf die Piusbruderschaft anrichtet. Auf, zurück ins Mittelalter! Eine gewisse Frauenfeindlichkeit kann man manchen Kommentaren wohl nicht absprechen.