Sonntagsevangelium (25)


6. Sonntag der Osterzeit (B): Joh 15,9-17


Auf das Bildwort vom wahren Weinstock folgt ein Abschnitt, der die Stich­worte »bleiben« und »Fruchtbringen« aufgreift und näher auslegt auf die Liebe hin. Sie verbindet Gott, Jesus und die Glaubenden miteinander. 

Als Grundlage dieses Verhält­nisses erscheint die Liebe des Vaters zum Sohn, aus der die Liebe des Sohnes zu den Jüngern erwuchs. In ihr sollen die Jünger bleiben (15,9). Die Erwartung, dass dies durch die Liebe der Jünger zu Jesus geschieht, wird zu­nächst durchkreuzt. Die Jünger bleiben in Jesu Liebe vielmehr dadurch, dass sie seine Gebote halten (15,10). Die Rede von Jesu Geboten wird in der Folge auf ein Gebot reduziert: gegenseitige Liebe der Glaubenden nach dem Vorbild der Liebe Jesu (15,12).
Das johanneische Liebesgebot

Im Ablauf der Abschiedsreden wird dabei auf eine frühere Stelle zurückgegriffen, in der die Liebe der Jünger untereinander als neues Gebot erschien (13,34). Darin kam die besondere Beziehung des Gebotes zu Jesus zum Ausdruck. In 15,12 wird diese Verbindung in der Rede von »meinem Gebot« aufgenommen. Die Wiederholung des Auftrags Jesu ist etwas verkürzt. Nicht ausdrücklich aufgenommen, aber im Rückgriff mitzuhören, ist die Zielrichtung der Liebe, die Jesus seinen Jüngern erwiesen hat. In 13,34 hieß es:
»Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander liebt
Jesus erweist also seine Liebe ohne die Absicht, selbst Gegenliebe zu erfahren; Ziel ist, die Geliebten zur Liebe untereinander zu befähigen. Dass in den Abschiedsreden auch von der Liebe zu Jesus gesprochen wird, hebt den selbstlosen Charakter der Liebe Jesu nicht auf. Die Liebe zu Jesus wird nämlich festgemacht am Halten der Gebote:
»Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten.« (14,15) 
In solchem Verhalten erweisen sich die Jünger auch als Freunde Jesu (15,14). Zwar geht es anders als in der hellenistischen Freundschaftsethik nicht um ein Verhältnis unter Gleichgestellten: Jesus hat zuerst seine Liebe zu den Freunden erwiesen (15,13), er hat sie erwählt (15,16), er gebietet ihnen (15,14.17). Dennoch führt die betonte Rede von Freundschaft und Liebe in unserem Abschnitt dazu, dass die Überordnung Jesu im Verhältnis zu den Jüngern zurücktritt. 

»Sterben für«


Dies lässt sich auch am Motiv des Lebenseinsatzes zeigen. Im Zusammenhang mit dem Bild von Jesus als dem guten Hirten wurde die Vollmacht Jesu zur Lebenshingabe betont: niemand kann ihm das Leben nehmen, er selbst gibt es (10,17f). Auch zeigt das Bild von Hirt und Schaf ein deutliches Autoritätsgefälle an. Dagegen wird in 15,9-15 die Vorbildhaftigkeit des Lebenseinsatzes betont. Die Formulierung ist grundsätzlich und allgemein, nicht auf die Person Jesu zugespitzt: 

»Größere Liebe hat niemand als die, dass er sein Leben hingibt für seine Freunde.« (15,13)
Selbstverständlich will Johannes hier nicht ausblenden, dass Jesus den Jüngern auf dem Weg der Lebenshingabe vorausgegangen ist. Und wenn Petrus im Johannes-Evangelium nicht verspricht, mit Jesus zu sterben (so Mk 14,31), sondern sein Leben für Jesus hinzugeben (13,37), dann könnte dies in Verbindung mit dem Scheitern des Petrus andeuten, dass solches Verhalten nur in der Nachfolge Jesu möglich ist (s.a. 1Joh 3,16). Aber es fällt doch auf, dass das »Sterben für« nicht für Jesus reserviert bleibt, sondern die Jünger in der Nachfolge einbindet. Zugleich zeigt sich damit, dass der Aspekt des Sühnetodes (mit seiner Ausrichtung auf die Sündenvergebung) die Rede vom »Sterben für« hier nicht bestimmt. 

Kommentare

Gerhard Mentzel hat gesagt…
Auch hier stelle sich wieder die Frage Herr Prof. Häfner,

von wem spricht Johannes? War es die damals definierte Vernunft allen nat. Werdens, die als Sohn das Gebot der Liebe gibt, das Verhältnis Jesus zum Vater bestimmt und zur Fruchtbarkeit der Hörer führen soll? Oder ging es doch nur um den, der heute als der "Historische" gilt?

Hat Johannes wirklich nur den sprechen lassen, der heute als der historische Jesus gehandelt wird, dessen Liebe zu seinem Gottesbild und zu seinen Freunden als maßgebend für die heutige Menschen sein soll?

"Gott sei Dank" interessiert sich die aufgeklärte Welt kaum mehr für das "Liebesgelaber" eines jungen Guru bzw. was ein antiker Heilsprediger als Gebote ausgegegeben hätte.

Doch im Fluss allen Lebens, für den sich gar der bösartig den Buchstabenglaube verfluchende Darwkins in seinen Biologiebüchern begeistert, wird die Liebe des Gottes unserer Väter zum irdischen Leben verständlich.

Wer uns erwählt hat, nicht wir ihn, kann kein Wanderprediger gewesen sein, sondern die Vernunft/der so vor-gegebenen Sinn allen Werdens, dem Johannes verünftigerweise ein Gesicht gab, ihn sprechen ließ.
Und unsere Liebe zum Leben, die Begeisterung für die Schönheit und den Sinn des zu Sehenden (der Logos) gibt nicht nur Gebote, sondern wird sie uns im Westen (erst) im aufgeklärten Verständnis "im Namen Jesus" halten lassen.

Das Liebesgebot eines antiken Heilspredigers hätte der heutigen Welt kaum mehr was zu sagen. Doch aus Liebe zum dem heute wissenschaftlich beschriebenen, auf kreative Weise=schöpferisch gegebenen vernünftigen Lebensfluss erwächst die Verantwortung für die Mitwelt und Zukunft,die Liebe zu Kindern, Kollegen, Kunden... die zur Fruchtbarkeit führt.

Ein Buchprodukt hätte der Welt heute sowenig was zu sagen, wie ein gutherzig-christlticher Bin Laden. Doch die Liebe des unsgabaren Schöfpergottes, die er in seinem Wort/hebr. Vernunft der Welt gibt und die bei Christen den Namen Jesus hat, wirkt in evolutionär gewachsenen Elementen, den Hormonen und kulturellen oder persönlichen Gegebenenheiten, die auch die Liebe zu meinen Kindern wie Enkeln bestimmen und mich auf mündige Weise in Verant-wort-ung nehmen.

Dieser Vernunft kann niemand des Leben nehmen. Auch wenn noch so oft gesagt wird, da war doch nur ein Wanderpediger, wie er dann buchstäblich als Wort geglaubt werden soll, Und der sein Leben aus Liebe bzw. für die gemeinsamen Ideale mit seiner Fischerfreunden gegeben hätte.

Johannes nur eine Gemeindepredigt zu unterstellten, wie ich es gerade beim Bibelwerk lese, gleichwohl Ihre Kollegen mir in den Schriften des kath. Bibelwerkes gerade wieder deutlich machen, wie die Verfasser des NT einen Gegenentwurf zur Verherrlichung des röm. Kaisers machen, das ist zu wenig.

Doch warum die im Werden realisierte Vernunft sterben musste, eine kulturmäßig vernünftige bildhafte Gestalt dann bis zur Aufklärung getragen, diese im Westen erst hervorgerufen hat und heute wieder verständlich ist, sich so die Liebe Gottes zu den Menschen zeigt und dieser Logos uns Liebe in gegenseitiger Verant-wort-ung gebietet. Das lässt sich in der Geschichts und Weltrealität nachvollziehen.
Gerhard Mentzel hat gesagt…
Johannes hat den historischen Jesus beschrieben.

Man kann den Weg gehen, nach dem dann alle hoheitlichen Aussagen, wie wir sie bei Johannes lesen, nicht den historischen Jesus betreffen, sondern eine Gemeindepredigt aufgrund "nachösterlicher" Geistererfahrung (?), Verherrlichungsrede, Hellenisierung, Bilder zur Beschreibung der Bedeutung des jungen Heilspedigers und keine historischen Berichte sind. Was bleibt ist dann das, was Lüdemann hinterlässt: Ein leeres Kirchengebäude, letzlich ein fiktives Konstukt zur Selbstverherrlichung.

Doch die Herausgeber des mehrstimmigen Textes, bei dem inzwischen jeder Ton als hochtheologische Aussage belegt wird und dessen Zusaammenspiel erst die Richtschnur des Kanons ergibt, waren weder besoffen, noch haben sie sich bei Historischen geirrt, als sie Johannes hinter die Synoptiker und die Offenbarung als gewaltigen Schlussakkord stellten.

Doch wenn in all der gewaltigen Bildsprache, die AT Geschichten aufgreift, um ein gegenwärtiges Geschehen zu beschreiben ein theologischer Sinn stehen soll, dann ist der von Neutestamentlern neu zu suchen.

Nein, ein hist. Wanderpredige, der den ein neuer Bund gewesen sein soll, wie ihn die Porpheten (zur Zeit Jesus als Philosophen geltend) im Wort (hebr. Vernunft) allen Werdens nur wenige Jahrhundert vorher, am Anfang des Hellenismus, inmitten antiker Hochkulturen bzw. im Weiterdenken damaliger Weltbilder auf der Gedächtnisspur Eschnatons begründeten, dabei alle menschlichen Gottesbilder für die Probleme verantwortlich machten, das wäre echt zu wenig.

Das ist nicht nur aufgrund dessen, was wir über die Zeit, die phil. Neubegründung des Monoth. wissen unhaltbar, sondern auch aufgrund dessen, was wir von Johannes über den wissen, von dem das Gebot der Liebe ausging und dessen Verhältnis zum Unsagbaren der Väter.

Wer hier gesprochen hat war kein Anhänger eines hist. Heilspredigers, der diesen verherrlicht hat oder ein Liebesgebot in die Welt setzen ließ, sondern der damals realiserte Logos: Die schöpferisch vor-gegebene Vernunft, die auch in heutiger Kultur deutlich macht, dass nur im liebvollen, konkruktiven Miteiander eine kreative Zukunft sein wird.

So wenig wie damals von römische Kaisern bzw. pol. Macht, in die messiansiche Hoffnung gesetzt wurde und allein phil. Vernunftreden und Götterbildern bzw. taub gewordener jüd. Gesetzlichkeit, so kann auch heute nur im Neuverständnis dessen, dem Johannes & Co. ein anzusprechendes Gesicht gaben, die Vernunft der Liebe in westlicher Kultur Wirklichkeit in werden.

Das Wissen dazu ist der Neutestamentlichen Wissenschaft gegeben. Allein die altgewohnten buchstäblichen Bilder, auf denen alles bisherigen Lehren bauten scheinen im Weg zu stehen.

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